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Alexander-Chizhevsky-Medaille für MPS-Forscher

Alexander-Chizhevsky-Medaille für MPS-Forscher

Dr. Theodosios Chatzistergos blickt in die Vergangenheit unseres Sterns und wertet historische Sonnenbeobachtungen aus. Nun erhält er eine wichtige Auszeichnung.

5. November 2024

Für seine Forschungsergebnisse zur historischen Aktivität der Sonne hat die Europäische Gesellschaft für Weltraumwetter und Weltraumklima Dr. Theodosios Chatzistergos vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) mit der Alexander-Chizhevsky-Medaille geehrt. Die Auszeichnung wurde gestern auf der Fachtagung European Space Weather Week im portugiesischen Coimbra überreicht. In seiner Forschung blickt der Wissenschaftler in die Vergangenheit unseres Sterns und rekonstruiert aus historischen Aufzeichnungen und Messdaten, wie sich die Sonnenaktivität über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg entwickelt hat. So hat Chatzistergos unter anderem Methoden entwickelt, Sonnenbeobachtungen aus verschiedenen Epochen und von verschiedenen Orten zu zusammenhängenden und wissenschaftlich aussagekräftigen Datensätzen zusammenzuführen.

Die Sonne verrät ihren Gemütszustand auf verschiedene Weise. In ihren aktiven, launischen Phasen kommt es häufig zu heftigen Teilchen- und Strahlungseruptionen, die auf der Erde unter anderem farbgewaltige Polarlichter auslösen können. Eine solche Phase durchlebt die Sonne aktuell. Gleichzeitig zeigen sich in diesen Zeiten auf der sichtbaren Oberfläche unseres Sterns viele und große Sonnenflecke. In trägeren Phasen nimmt ihre Anzahl ab. Da sich die dunklen Flecke bereits mit einfachen Mitteln erkennen lassen, protokollieren Astronom*innen ihre Anzahl seit mehr als drei Jahrhunderten. Andere Merkmale, die ebenfalls auf den Aktivitätszustand der Sonne schließen lassen, wie etwa Sonnenfackeln, besonders helle Gebiete auf der Sonnenoberfläche, oder verschiedene kurzlebige, langgezogene Plasmastrukturen in der Schicht direkt da drüber, lassen sich erst seit etwas mehr als hundert Jahren beobachten. Gemeinsam haben solch historische Beobachtungen, dass sie einen Blick in die Vergangenheit unseres Sterns eröffnen. Nur so lässt sich verstehen, wie aktiv die Sonne einst war und wie sie sich entwickelt hat. Dies hilft unter anderem einzuschätzen, in welchem Ausmaß sich Aktivitätsschwankungen der Sonne auf das irdische Klima auswirken.

„Ein vollständiges Bild von der Sonne können wir nur erhalten, in dem wir auch ihre Vergangenheit kennen“, so MPS-Direktor Prof. Dr. Sami K. Solanki. „Die Forschungsergebnisse von Theodosios Chatzistergos tragen entscheidend dazu bei, unser Verständnis der Sonne über ihren aktuellen Zustand hinaus in die Vergangenheit zu erweitern.“

Dunkle Flecken zählen

Doch historische Sonnenbeobachtungen auszuwerten, ist eine gewaltige Aufgabe – nicht nur wegen der riesigen Fülle an Daten. Die Sonnen-Chronist*innen vergangener Zeiten gingen mit unterschiedlichen Instrumenten ans Werk, mit unterschiedlichen Zielsetzungen und unterschiedlicher Liebe zum Detail. „Die Schwierigkeit besteht darin, die Datensätze so zu einander in Beziehung zu setzen, dass sie vergleichbar werden“, erklärt Dr. Theodosios Chatzistergos. Nur so entsteht eine verlässliche Geschichtsschreibung der Sonne, die Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen sein kann.

Eindrucksvoll zeigt sich dies etwa bei historischen Aufzeichnungen der täglichen Sonnenfleckenanzahl. Diese Größe gilt als Maß für die Aktivität der Sonne – und scheint auf den ersten Blick einfach zu bestimmen zu sein. In der Praxis können verschiedene Beobachter*innen jedoch zu abweichenden Ergebnissen kommen: Ein weitentwickeltes Teleskop kann kleinere Flecken sichtbar machen als ein einfacheres; und welche Strukturen als Sonnenflecken interpretiert werden und welche nicht, hängt nicht zuletzt vom persönlichen Stil des Beobachtenden ab. Doch die Lage ist nicht hoffnungslos. Oftmals überlappen sich Beobachtungsserien zeitlich, lassen sich deshalb zu einander in Beziehung setzen, eichen und vereinheitlichen

In den vergangenen Jahren ist es Chatzistergos gelungen, Daten von 314 Sonnenfleckbeobachter*innen aus drei Jahrhunderten mit neuen Methoden zusammenzuführen und so ältere Rekonstruktionen maßgeblich zu verbessern. Dabei zeigte sich etwa, dass frühere Bemühungen die Sonnenfleckenanzahl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Teil deutlich überschätzt hatten.

Die Sonne im Licht einzelner Wellenlängen

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde es technisch möglich und üblich, bestimmte Wellenlängenbereiche aus dem Sonnenlicht herauszufiltern und die Sonnenscheibe in diesen Wellenlängen abzubilden. Seit 1892 etwa untersuchen Astronom*innen das violette Licht, das ionisierte Kalziumatome auf der Sonne abstrahlen. Es entsteht vor allem in den besonders heißen Regionen oberhalb von Sonnenfackeln. Da diese Gebiete besonders hell strahlen, brauchen Forscher*innen Informationen über ihre Anzahl und Größe, um die Strahlungsintensität der Sonne in vergangenen Zeiten abzuschätzen. 300.000 Sonnenabbildungen aus 42 Archiven konnte Theodosios Chatzistergos auswerten und erstmals zu einer lückenlosen Sonnenfackel-Chronik von 1892 bis 2021 zusammenzuführen.

Zudem untersuchte der Forscher Messdaten aus der Zeit von 1909 bis 2022, welche die Sonne in einem speziellen, schmalen Wellenlängenbereich des roten Lichtes zeigen. Dieses Licht stammt von den Wasserstoffatomen in der Sonne und offenbart unter anderem dynamische, langgezogene Plasmastrukturen direkt oberhalb der Sonnenoberfläche besonders deutlich.

„Historische Sonnenbeobachtungen für die Wissenschaft nutzbar zu machen, ist methodisch ausgesprochen anspruchsvoll und sehr, sehr zeitaufwändig“, beschreibt Dr. Natalie Krivova, die am MPS die Forschungsgruppe „Solare Variabilität und Klima“ leitet, die Arbeit Chatzistergos‘. „Dennoch ist es Theodosios Chatzistergos gelungen, fast alle untersuchten Daten nutzbar zu machen – selbst solche, bei denen es zunächst fast aussichtslos schien“, fügt sie hinzu.

Der Preisträger

Dr. Theodosios Chatzistergos hat an der National and Kapodistrian University in Athen (Griechenland) und an der Queen Mary University in London (England) studiert. In seiner Promotion, die er 2017 am MPS abschloss, beschäftigte er sich mit der Rekonstruktion historischer Helligkeitsschwankungen der Sonne. Diese Arbeit setzte er während eines zweijährigen Aufenthaltes am INAF Osservatorio Astronomico di Roma in Rom (Italien) fort. Seit Mitte 2020 forscht Chatzistergos wieder am MPS. Vor zwei Jahren erhielt er den 2022 Distinguised Young Scientist Award des Scientific Committee on Solar-Terrestrial Physics (SCOSTEP).

Mit der Alexander-Chizhevsky-Medaille würdigt die Europäische Gesellschaft für Weltraumwetter und Weltraumklima jährlich eine Wissenschaftlerin oder einen Wissenschaftler, die oder der noch am Anfang der wissenschaftlichen Laufbahn steht und bereits durch einen innovativen Ansatz herausragende Beiträge zum Forschungsfeld Weltraumwetter und Weltraumklima gemacht hat.   

 

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