Translationsbiedermeier
Translationsbiedermeier
Translationsbiedermeier
Erich Prun
Vom Translationsbiedermeier
zur Cyber-translation
vorgelegt worden wre, htte sich zu fragen, welcher Code, welche Sprache
es wohl sein knnte, in der in einer so kurzen Zeichenkette die Zeichen
und relativ hufig vorkommen. Daraus knnte er vielleicht Rckschlsse
auf ihre Funktion ziehen. So knnte er sich etwa fragen, ob sie einen Laut
bzw. ein Buchstabenzeichen reprsentieren oder die Funktion eines
Worttrennzeichens haben. Nehmen wir an, unser Kryptologe wrde eine
Hypothese bilden, das Zeichen stnde fr ein Worttrennzeichen. Damit
wre schon einiges getan. Er wte nmlich, da es sich um eine aus drei
relativ kurzen Wrtern bestehende Mitteilung handelt. Er knnte sich nun,
wenn er annhme, es handle sich um eine Mitteilung in der Sprache
Deutsch, auf die Suche nach Zwei- und Dreibuchstabenwrtern machen.
Das war offensichtlich ein falscher Zielcode, den wir gewhlt haben, denn
das Ergebnis kann nur von einigen dechiffriert werden. Erst wenn wir nicht
nur
das
richtige
tertium
comparationis,
die
richtigen
Transkodierungsregeln und den richtigen Zielcode whlen, wird Ihnen als
Lesern, die auch die sterreichischen Varietten des Deutschen
beherrschen, verstndlich:
(1c)
Nix is fix
Aber haben Sie dadurch schon verstanden, was die Botschaft bedeuten,
was damit wirklich gesagt werden soll? Die linguostilistischen Merkmale
des Textfragments sprechen wohl dafr, da es so eigentlich nicht in den
Kontext eines wissenschaftlichen Diskurses pat und deshalb wohl auf
einer anderen als der unmittelbaren Kommunikationsebene zu verstehen
sein wird.
Deshalb wollen wir nun diesen Satz aus der Sprache der Schlager in
die Sprache der Wissenschaft bersetzen, auf unseren Objektbereich
beziehen und die ersten Thesen formulieren.
2. Vorannahmen
Bei der Beobachtung und Beschreibung von Translation gehen wir
konsequent von einer dreifachen Arbitraritt aus:
von der Arbitraritt des Zeichens;
von der Arbitraritt des Referenzbereiches des Begriffes Translation;
von der Arbitraritt der Translationsnormen und -konventionen.
Die radikale Relativierung aller translationsrelevanten Prmissen soll
jedoch nicht Selbstzweck sein. Sie soll uns vielmehr ermglichen, ein
kohrentes System von Entscheidungsparametern, die auch in konkreten
Translationssituationen anwendbar sind, aufzubauen.
2.1 Von der Arbitraritt des Zeichens
Die Arbitraritt des Zeichens braucht seit Saussure [Quelle] wohl nicht
mehr nher begrndet zu werden. Sie ist grundstzlich auch dann gegeben,
wenn etwa, wie bei ikonischen Zeichen, eine hnlichkeitsbeziehung
zwischen dem Objekt und dem materiellen Zeichentrger, mit dem dieses
Objekt bezeichnet wird, feststellbar ist. Sprach- und kulturspezifische
hnlichkeitsbeziehungen knnen Translation zwar erschweren, jedoch
nicht verunmglichen. Die TLW hat also nicht etwa mit der These von der
Unbersetzbarkeit die Hnde in den Scho zu legen, sondern im Rahmen
einer adquaten Translationsdidaktik nach Instrumentarien und
Lsungsvorschlgen zu suchen, wie diese Hindernisse zu nehmen sind.
Die grundstzliche Arbitraritt des Zeichens schliet auch die
grundstzliche
Arbitraritt
der
zugrundeliegenden
kognitiven
Gliederungssysteme ein, durch welche die Welterfahrung vorgeprgt wird.
Die sprachlich und/oder kulturell bedingten Unterschiede der kognitiven
Gliederung fiktiver oder realer Welten sind Relativierungsfaktoren, die von
der Translationswissenschaft und der Translationsdidaktik in Rechnung zu
stellen sind.
2.2 Von der Arbitraritt des Begriffes Translation
Aus der Arbitraritt des Zeichens ergibt sich logisch auch die
grundstzliche Arbitraritt des Referenzbereiches der zu verwendenden
Termini. Wir ntzen diese Arbitraritt, um ohne es zunchst weiter zu
begrnden Translation wie folgt zu definieren:
11
13
15
Der Terminus Skopos eignet sich in dieser Form sowohl fr die Planung
aktueller Translationsprojekte als auch fr die Beschreibung und
Evaluierung abgeschlossener Translationsleistungen.
Um schlielich auch alle Mglichkeiten abzudecken, mit denen sich
TranslatorInnen auf dem modernen Translationsmarkt konfrontiert sehen,
mssen wir allerdings auch den Ausgangs- und den Zieltext neu definieren,
und zwar:
Als Ausgangstext (AT) definieren wir jedes semiotische Gefge, das als Informationsund/oder Ausgangsbasis fr die Herstellung eines Zieltextes dient/dienen kann.16
Als Zieltext (ZT) definieren wir jedes semiotische Gefge, das fr eine bestimmte
AdressatInnengruppe interpretierbar und/oder in seiner Intentionalitt erfabar ist.
Sptestens jetzt werden einige sagen: Das ist mir jetzt zu dicht. Wie kann
eine so abstrakt formulierte Maxime berhaupt Anspruch auf Praxisnhe
erheben? Klopfen wir also die Definitionen auf die vielgepriesene
Praxisrelevanz ab.
Zuerst zu den Definitionen von Ausgangs- und Zieltext.
Solange die bersetzerInnen in Spitzwegmanier in ihrem stillen
Kmmerlein saen, sich ber den erteilten, nicht weiter reflektierten
bersetzungsauftrag freuten, sich mit gespitztem Bleistift an die
Ausgangstexte setzten und von Satz zu Satz vorkmpften, von Zeit zu Zeit
vielleicht noch ein Wrterbuch konsultierten, nach jeder intuitiv guten
Lsung wie ein Kind jubelten und jedem unvermeidlichen
Translationsverlust eine Trne nachweinten, um dann nach angemessener
Zeit ein ebenfalls nicht weiter reflektiertes ausgefeiltes Endprodukt
abzuliefern, reichte es vielleicht aus, von einem lediglich sprachlich
gefaten, in sich abgeschlossenen und notwendigerweise kohrenten Text
auszugehen. Der moderne und global vernetzte Translationsmarkt fordert
jedoch von TranslatorInnen, auch von defekten Texten ausgehen und
mit Textoiden, Textentwrfen und diffusen Textagglomeraten umgehen zu
knnen, um auf dieser Basis einen oder vielleicht sogar mehrere Zieltexte
zu verfassen.
Wenn also bersetzerInnen heute noch immer von ihren
AuftraggeberInnen fordern, ihnen zuerst einen perfekten Text zu liefern17,
um daraus eine perfekte bersetzung machen zu knnen, so katapultieren
sie sich selbst aus weiten Segmenten der language industries und
berlassen sie Textproduzenten, die etwas vom jeweiligen Thema oder
Fach verstehen, die Zielsprache beherrschen und bereit sind, diese Arbeit
mehr oder minder gut zu tun.
Wenn TranslatorInnen nur bereit sind, ein perfekt formuliertes Translat
aus der Hand zu geben und es den AuftraggeberInnen auch dann
aufzuschwatzen versuchen, wenn diese nicht das geringste Interesse an
einer perfekten Formulierung , sondern z. B. lediglich an einer groben,
stichwortartigen, fr sie jedoch interpretierbaren Notiz oder gar nur an
einer Evaluierung oder metasprachlichen Beschreibung von Texten
interessiert sind, so drfen sie sich nicht wundern, wenn die
AuftraggeberInnen frher oder spter Rationalittskriterien folgen und die
Natrlich hat der/die TranslatorIn einen Anspruch darauf, fr allfllige
Zusatzleistungen, die auf Grund eines defekten Ausgangstextes notwendig werden, ein
entsprechendes Entgelt zu fordern.
17
17
18
1996).
Wir verwenden in diesem Zusammenhang auch den Terminus der kalkulierten
Suboptimalitt (vgl. Prun 1997a).
19
3. Typologie
Die im folgenden vorgeschlagene Typologie der Skopoi ist als
Prototypologie20 zu verstehen. Der Gesamtbereich der Translation als
konventionalisierter interlingualer transkultureller Interaktion (KITI) wird
als Kontinuum mglicher Realisierungsformen verstanden, in welchem
einzelne Exemplare von Translation mehr oder minder ausgeprgte
Eigenschaften besitzen und auf Grund dieser Musterkonstellation als mehr
oder minder prototypische Vertreter zu gelten haben. Mit anderen Worten,
zwischen den einzelnen prototypischen Vertretern eines Typs, durch die ein
bestimmter Sachverhalt fokussiert wird, haben wir unscharfe
bergangsbereiche zu den benachbarten Prototypen anzusetzen. In diesem
fuzzy-Bereich sind einzelne Mischformen angesiedelt, in denen die
prototypischen Elemente mehr oder minder deutlich ausgeprgt sind.
19
3.1 Null-Translation
Auf den ersten Blick scheint es widersinnig, die Null-Translation als
eigenen Translationstyp auszuweisen. Wenn wir jedoch ihre
Realisierungsformen, das Translationsverbot, die Translationsverweigerung
und den Translationsverzicht ins Auge fassen, wird die historische und
berufspraktische Relevanz eines eigenen Typus der Null-Translation
evident. Auerdem tritt gerade am Beispiel der Null-Translation die
gesellschaftssteuernde und ideologische Funktion von Translation
einerseits und die Komplexitt des Translationsprozesses andererseits am
deutlichsten zutage.
3.1.1 Das Translationsverbot
Das Translationsverbot ist die geronnene Angst der Mchtigen vor der
Translation. Es zielt darauf ab, im Sinne des Machterhalts auch das
Monopol auf transkulturelle Kommunikation fr sich selbst zu
beanspruchen oder es an eine kontrollierbare Elite z. B. an eine
privilegierte Priesterkaste oder Funktionrsklasse zu delegieren.
Beispiele von Translationsverboten lassen sich in der gesamten Geschichte
der Translation, von den Verboten der bersetzung heiliger Schriften
(Bibel, Koran) bis zu den Translationsverboten diktatorischer Regime im
20. Jahrhundert, nachweisen.
3.1.2 Die Translationsverweigerung
Translationsverweigerung ist eine der mglichen Formen des Widerstandes
der TranslatorInnen gegen die aktuell Mchtigen. Vom semiotischen Aspekt
aus ist Translationsverweigerung hnlich wie andere Null-Zeichen in
hchstem Mae signifikant. Verschiedene Formen des selbstauferlegten
kulturellen Schweigens, wie es etwa zur Zeit der nazistischen Besetzung
Jugoslawiens hie, die Flle von innerer und uerer Emigration in NSDeutschland, in der stalinistischen UdSSR und in ihren Satellitenstaaten
mgen als historische Belege fr diesen Skopostyp gelten.
Im professionellen Alltag ist Translationsverweigerung dann
angebracht, wenn die Voraussetzungen fr eine professionell einwandfreie
bersetzungs- oder Dolmetschleistung nicht erfllt sind. In einem solchen
Fall ist jede(r) TranslatorIn gut beraten, deutlich zu signalisieren, da er/sie
nicht bereit ist, unzumutbare Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen. Dies
21
Rohbersetzung
Fassung v. H.
23
Immendrffer
Um
zu
verbergen
(verschwinden
zu
lassen) voreinander die
geistige Armut, wir,
kleiden wir uns in
schne
(wirkungsvoll
inhaltlose) Phrasen, in
billige
Fetzen
literarischer
Weisheit
(:der Bcherweisheit) ...
Um unsere geistige
Armut voreinander zu
verbergen, hllen wir
uns in schne Phrasen, in
die billigen Fetzen von
Bcherweisheit ...
Grausam
ist
das,
Warwara Michajowna,
zu zweifeln in (:an) der
Aufrichtigkeit
des
Sthnens (:der Seufzer)
des Menschen.
An der Aufrichtigkeit
des
menschlichen
Sthnens zu zweifeln, ist
grausam,
Warwara
Michailowna.
Dovolno alob, imejte Gengend der Klagen Genug der Klagen, habt
(gibts); besitzen Sie den Mut zu schweigen!
muestvo molat!
(haben
Sie)
die
Mannhaftigkeit
zu
schweigen!
18
25
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgaben Lipu ### und Lipu/Handke
? ###; Hervorhebungen E. P.
24
Handke glaubt in Lipu Neologismus grm-a-ri-ti das Substantivum grm (der
Strauch) erkennen zu knnen und bricht nach diesem Vorbild die Motivation des
deutschen strauch-eln auf.
23
26
27
Vgl. dazu die Analysen einsprachiger Kommunikation vor Gericht bei Stygall
(1994).
Es wrde uns zu weit fhren, vor diesem Hintergrund die Prinzipien
dekonstruktivistischer Translation zu diskutieren, ganz abgesehen davon, da in diesem
Fall die Abgrenzung zwischen homologer und trialogischer Translation sehr schwierig
ist.
30
29
UNBESIEGBARE PREISE
Wir bieten die eifrigste der eifrigen Preise, manchmal eben mehr eifrige als
diese. Unsere Hilfe Gesellschaft in der USA existiert ausschlielich um die
Quellen der letzten technischen Erforschungen zu entdecken befor sie fr Europa
geeignet sind fr Preise welche unmglich sind um niederzuschlagen.
[Quelle]
In der Antwort auf die Bemerkungen von Bill gaben Allgemeinesmotoren eine
Pressemittelungskonstatierung aus: Wenn GM Technologie wie Microsoft
entwickelt hatte, wrden wir Autos mit den folgenden Merkmalen das alle
fahren: 1. Aus berhaupt keinem Grund wrde ihr Auto zweimal tglich
abstrzen. 2. Jede Zeit sie repainted die Zeilen unterwegs Sie mssen kaufen
einen Neuwagen. 3. Ihr Auton wrde ab und zu, da dies kein Grund und sie
einfach akzeptieren wrden, auf der Autobahn sterben, beginnen Sie wieder und
fahren sie auf. 4. Gelegentliche, ausfhrt ein Manver wie eine Linkskurve,
verursachte Ihr Auto zuur Stillegung und lehnte beginnen in welchem Fall Sie
mssen installieren den Motor. 5. Nur eine Person gleichzeitig konn benutzte das
Auto auer wenn Sie kauften Car95 oider CarNT. Aber auch sie mssten kaufen
mehrere Sitze. 6. Macintosh machte ein Auto, das von der Sonne angetrieben
wurde, die Zeit mit reliable, five als schnell, und zweimal genau so leicht, um
zu fahren, aber lief nur auf fnf Prozent der Fahrbahnen. 7. Das l, die
Wassertemperatur und die Lichtmaschinen-Warnungs-Lichter wrden von einem
einzelnen gerneral-Auto-Default-Warnungs-Licht ersetzt werden. 8. Neue
Sitze wrden jedem erzwingen, die gleiche Gentonne zu haben. 9. Das
Lufttaschen System sagte Are Sie sure? bevor geht aus. 10. Ab und zu aus
keinem Grund berhaupt Ihr Auto aussperren Sie und weigern hereinzulassen bis
sie gleichzeitig aufhoben den Trgriff drehen der Schssel und Greifergriff der
Rundfunkantenne. 11. GM wrde alle Autokufer zu auch dem Kauf verlangen,
31
33
32
Anmerkung zu Grice-Konversationsmaximen
Doch genau an diesem Punkt tritt auch die normative Blockade ein. Im
Vortext zu diesem Beispiel heit es bei Koller (ibid.) nmlich:
Ein seriser bersetzer literarischer Texte wird sich natrlich hten, in den
Text einzugreifen selbst wenn die betreffende Textstelle auf den
franzsischen Leser etwas befremdlich wirken sollte.
35
37
39
HT
Kokot (1999:110f)
Bald
danach
wurde
Francka wieder verhrt.
(5)
[0 (6)]
Der Mann zeigte ihr die
Ansichtskarte(7),
die
Francka Onkel Koternik ins
Gestapo-Mann
die
Ansichtskarte
in
der
Hand hielt (7), die sie
Onkel Kotrnik in das
Gefngnis geschickt hatte.
Sie wute, da man den
Onkel, der aus religisen
Grnden die Mitarbeit in
der Deutschen Wehrmacht
[0]
abgelehnt hatte, verfolgt
und in Wiesloch in der
Kamen spotike (10) je bil Nhe
von
Heidelberg
[95] verz (11) slovenske eingesperrt hat. (8).
pesmi izseljenca in rojaka
(12) Janka Ogrisa
[0]
[...]
ki ga je Francka napisala Der Stein des Anstoes
na razglednico in poslala (10) war der Vers (11)
stricu v zapor (13). Kljub eines
slowenischen
prevodu je gestapovec hotel Gedichtes
des
vedeti, kaj ta verz (14) Ausgesiedelten
und
pomeni. Zlasti ga je Landsmannes (12) Janko
zanimala
beseda Ogris
vstajenje. Francka se je [...],
zagovarjala, da to ne den Francka auf die
pomeni nic posebnega. Ansichtskarte
Njeno zagovarjanje ne bi geschrieben und dem
nic zaleglo (15),
Onkel
ins
Gefngnis
geschickt hatte. (13)
[0=(16)]
Trotz der bersetzung
wollte er wissen, was
ce se ne bi oglasila gospa dieser
Vers
(14)
,
Benz.
Gestapovca
je insbesondere das Wort
prepricala (17), da je Auferstehung bedeutet.
Francka to napisala aus Francka verteidigte sich,
religisen Grnden. Ce da dies nichts besonderes
gospa Benz ne bi bila ena bedeutet. Ihre Verteidigung
visokega
esesovskega wrde nichts fruchten (15),
oficirja, se gestapovec
gotovo
ne
bi
dal [0 = (16)]
prepricati (18).
wenn sich nicht Frau
Benz zu Wort gemeldet
[0=(19)]
htte. Sie berzeugte den
Mann von der GestapoFrancki je pred odhodom (17), da Francka dies aus
zagrozil, da jo bodo religisen
Grnden
41
[0=(19)]
Vor dem Weggehen drohte [0=(20) 18]
er Francka, da man sie vor
das Militrgericht stellen
werde, wenn sie noch
einmal hnliches tun sollte. [0=(21)]
Francka war Frau Benz
dankbar, da sie sie vor
einer
schweren
Strafe
gerettet hatte. Frau Benz tat
dies vor allem deshalb, weil
sie Angst hatte, eine gute
Arbeitskraft zu verlieren
(18). Onkel Hanzi wurde in
eine andere Haftanstalt
verlegt (21).
43
HT
Kokot (1999:150)
Cim dalj smo se vozili, tem Je lnger wir fuhren, desto Je lnger unsere Reise
bolj smo se zavedali, da se mehr wurden wir uns (2a)dauerte, um so mehr
dessen bewut, da
wurde uns bewut, da wir
rjava
kaca
ivinskih
[0 (1)]
Im Beispiel (8) wird sogar die Anspielung an die braune Vergangenheit, die
durch die Schlangenmetapher (1) evoziert wird, getilgt. Der
menschenunwrdige Transport in Viehwaggons wird euphemistisch zu
einer einfachen Reise (2a, 2b), die emotionsgeladene Rckkehr zu einer
neutralen Fahrt (3) umgestaltet. Das in dieser Situation durchaus
verstndliche Gefhl des Triumphes, das die Vertriebenen nach dem
Zusammenbruch des Nazi-Regimes erfllt haben mu, wird zu einem
Gefhl von Selbstbewutsein abgeschwcht (4). Die Verharmlosung der
NS-Herrschaft und die ideologische Neutralisierung ihrer Proponenten bis
zur Salonfhigkeit sind fr eine Einstellung charakteristisch, die der
Verfasser bei seinen deutschsprachigen Lesern annimmt. Im Einklang mit
dieser Erwartungshaltung wird auch ein Selbstbild der Krntner Slowenen
als brave, vershnungswillige Mitbrger gezeichnet, die sogar in der
Extremsituation der Heimkehr aus dem Lager keinen Triumph ber ihre
Peiniger empfinden, sondern lediglich vom politisch korrekten Gefhl von
Selbstbewutsein beflgelt werden drfen.
Die Anpassungsstrategie wird durch die Auslassung smtlicher Tabus
des Krntner politischen Diskurses fortgesetzt. So wird etwa die historische
Tatsache, da Krnten auch von den Partisanen und nicht nur von den
Englndern besetzt worden war und da von slowenischer Seite auch
Gebietsforderungen erhoben wurden, einfach verschwiegen. In diesem
Sinne darf in der deutschen bersetzung natrlich nicht erwhnt werden,
da an der Waggontr die slowenische (und nicht die sterreichische)
Fahne angebracht wurde, obwohl die Handlung der Burschen und Mdchen
in der im Translat geschilderten Form vllig unmotiviert erscheint (9):
(9)
Kokot (1996:8)
HT
Kokot (1999:151)
Preden smo se s postaje Bevor wir vom Bahnhof Bevor wir den Bahnhof in
Bckstein
zapeljali
v Bckstein in den Tunnel Bckstein verlassen hatten
predor, so fantje in dekleta einfuhren, brachten die und der Zug mit uns im
45
HT
Kokot (1999:150)
47
TcT 14 = NF 4, 2000, 1,
metaphorischen Ausdrucksweise bewenden lassen und lediglich
pragmatisch auf zwei der mglichen Anwendungsfelder trialogischer
Translation hinweisen wollen: die postkoloniale (vgl. u. a. lvarez-Vidal
1996; Wolf 1997) und die feministische Translation (vgl. u. a. LotbinireHarwood 1991; Flotow 1991; Masardier-Kenney 1997).
3.6.1 Translatorischer Trialog und Macht
Die in den europischen Kulturwissenschaften hufig bersehene Rolle der
TranslatorInnen im Proze der Entstehung von Weltbildern und Kulturen
wurde im postkolonialen Diskurs thematisiert. Die Agenten, die hinter den
Sprach- und Translationspolitiken der Kolonialherren standen, stehen nun
im Focus des Interesses. Die Folgen der jahrhundertelangen Dominanz und
kulturellen Infiltration fr das kulturelle Selbstverstndnis der
Kolonisierten, das auch nach dem offiziellen Ende des Kolonialismus
weiterwirkte, wurden aufgezeigt. Dabei wurde der Faktor Macht immer
deutlicher als bestimmender Faktor fr den transkulturellen Diskurs
herausgearbeitet. Der Translation wurde eine entscheidende Rolle sowohl
bei der Propagierung und Durchsetzung (vom Aspekt der Kolonisatoren)
als auch fr die Internalisierung und das Fortleben (vom Aspekt der
Kolonisierten) der imperienerhaltenden Ideologien zugewiesen. Die
logische
Schlufolgerung
daraus
konnte
nur
lauten:
Die
Entkolonialisierung des Geistes wird nur durch eine ebenso offensive Rolle
der TranslatorInnen, die sich bewut als Vermittlerinstanz einschalten, zu
bewltigen sein. Diese Grundtendenz im postkolonialen Diskurs lt den
Groteil der Translationsmodelle und -normen in den Bereich oder
wenigstens in die Nhe der trialogischen Translation rcken.
Am eindeutigsten der trialogischen Translation zuordenbar ist das
sogenannte anthropophagische bersetzungsmodell, das in Brasilien von
der translatorischen Avantgarde (Vieira 1997:106) in den spten 70er und
in den 80er Jahren vertreten wurde und als deren Hauptvertreter die Brder
Augusto und Haroldo de Campos gelten. Der Kannibalismus als rituelle
Form der Erniedrigung, Auslschung und Einverleibung des Feindes, der
im kolonialen Kontext oft genug stereotyp zugeschrieben und zur
Diskriminierung der kolonisierten Kulturen verwendet wurde, wurde als
Metapher fr ein bestimmtes Verhalten gegenber kulturellen
Vormachtstellungen
genommen.
Die
anthropophagische
bersetzungsphilosophie zielt darauf ab, Machthierarchien, insbesondere
jene zwischen Original und bersetzung aufzuheben sowie Original und
49
51
Lotbinire-Harwood
198641
Leider ist auch bei der feministischen Translation derzeit noch die Theorie
der Praxis weit voraus. Deshalb wird auch bei der feministischer
Translation vor einer endgltigen Typologisierung auf ein entsprechend
groes Corpus feministischer Translate zu warten sein.
*** [Anmerkung4 Vermeer; s. unten]
3.7 Die diaskopische Translation
Wird bei den Translationsnormen und -konventionen, auf Grund welcher
die bisher errterten Skopostypen zu produzieren sind, wenigstens
deklarativ von einem holistischen Textkonzept ausgegangen, wird bei der
diaskopischen Translation auch mit diesem Konzept gebrochen.
Unter diaskopischer Translation verstehen wir nmlich eine
Translation, bei welcher Teilaspekte, Teilelemente oder Teilsegmente
(Inhaltswiedergabe,
Kondensierung,
Streckung,
metasprachliche
Beschreibung etc.) eines Ausgangstextes nach frei definierbaren
Zielvorgaben fr eine frei definierbare Rezeptionsfunktion zugeschnitten
werden.
41
53
einen, Zielsprache und -kultur auf der anderen Seite aufgelst. Ebenso
wie die Ausgangskulturen und ihre Originale hybride Formen koexistenter
Kulturen darstellten, htten sich auch Translate durch Hybriditt
auszuzeichnen. Nur eine solche Hybriditt ermgliche es allen Beteiligten,
sich ohne Selbstaufgabe oder knstliche Homogenisierung im
transkulturellen Proze wiederzufinden.42
Damit scheinen wir endgltig bei unserer anfnglichen
Geheimbotschaft angelangt: In der modernen, globalen und
multikulturellen Gesellschaft scheinen uns alle Koordinaten abhanden
gekommen zu sein, an denen sich noch die traditionelle Translation und mit
ihr die Translationswissenschaft orientieren konnten. In der Tat, es ist
nichts mehr fix, woran man einfach festhalten knnte.
3.7.1 Blick nicht zurck in Harm
Wenn wir die mglichen Realisierungsformen von Skopoi noch einmal
Revue passieren lassen, so scheint sich eine Entwicklungslinie
abzuzeichnen.
Je mehr wir uns vom Konzept des heiligen Originals und seiner
sklavischen Widerspiegelung durch Translation entfernen, um so
dynamischer wird auch das Konzept der Translation und um so mehr
entfernt sich diese von der bloen Oberflchenstruktur der Texte. Text wird
sptestens bei der dialogischen Translation nicht mehr lediglich zu dem,
was da steht. Er schliet in der dialogischen Translation auch das ein, was
nicht da steht43, was also auf Grund der Textoberflche lediglich
erschliebar ist und von den Textproduzenten und -rezipienten
stillschweigend vorausgesetzt wird. In der trialogischen Translation wird
von den TranslatorInnen als selbstverantwortlichen AgentInnen im
transkulturellen Diskurs auch das an die Oberflche geholt, was auf Grund
asymmetrischer Machtbeziehungen nicht da stehen durfte oder konnte,
was jedoch aus der (ideologischen) Sicht der TranslatorInnen da stehen
(und deshalb in den Zieltext eingeschrieben werden) sollte. In der
diaskopischen Translation wird schlielich der Umgang mit den Texten
dem freien Krftespiel von Interessen und Zielvorgaben berlassen, das
lediglich durch den gemeinsam zu erzielenden Konsens ber das
professionell zu Erreichende geregelt wird.
Die zweite Tendenz, die wir in den realen Handlungsfeldern von
Translation zu erkennen glauben, ist die, da sich auf dem Weg vom
42
43
55
Wenn es uns jedoch gelungen ist, die bunte Palette von Mglichkeiten,
die in der nunmehr dreitausendjhrigen Geschichte der Translation
realisiert wurden, zu klassifizieren und Konturen einer knftigen
Entwicklung aufzuzeigen, rigide und kulturell vorgeprgte normative
Sichtweisen aufzureien, dann haben wir ein erstes Etappenziel erreicht.
4.1 Von der Asymmetrie der Sprachen zur Asymmetrie der Macht
Wir waren auch bestrebt aufzuzeigen, da die Prferenz fr einen
bestimmten
Skopostyp
primr
von
den
vorherrschenden
Machtverhltnissen, genauer, vom Interesse der Mchtigen an Translation
bestimmt wird. In diesem Sinne reprsentieren die einzelnen Skopostypen,
die Art, wie die Asymmetrie zwischen Sprachen und Kulturen bewltigt
wird, nicht bessere oder schlechtere, sondern jeweils andere Translationen,
die im vielfltigen Gewebe transkultureller Beziehungen anderen
gesellschaftlichen, sthetischen und ideologischen Voraussetzungen
entsprechen. Sie sind der unmittelbare Niederschlag der Asymmetrien der
Macht in konkreten transkulturellen Diskursen.
Es wre deshalb eine Illusion zu glauben, da sich Translation durch
realittsfremde Objektivittspostulate der realiter stattfindenden
Instrumentalisierung entziehen knnte. Das Idealbild absolut objektiver
TranslatorInnen ist ein aus naiven Illusionen genhrtes ideologisches
Konstrukt, das im Endeffekt manipulatorischen Strategien Vorschub leistet.
Denn gerade die Naivitt, mit der man sich die Augen vor realiter
ablaufenden
sprachlichen,
ideologischen
und
politischen
Manipulationsprozessen verschliet, lt die Manipulierten zu schutzlosen
, weil nicht sensibilisierten Opfern von Manipulation werden.
Die ideologische Vereinnahmung von Translation unter dem
Vorwand objektiver quivalenzbeziehungen lt sich anhand des scheinund unheiligen Streites ber die Treue zum heiligen Original anschaulich
illustrieren. Der Streit war lediglich scheinheilig, weil er den jeweils
Mchtigen unter dem vordergrndigen Vorwand, den Ewigkeitsanspruch
der Originale zu schtzen, die Mglichkeit bot, die Mitbewerber im Turnier
der Macht, vor allem aber die TranslatorInnen, mit ideologischen Mitteln
aus dem Sattel zu werfen. Das eigentliche Pferd, das dabei geritten wurde
und wird, war die unheilige Heiligkeitsanmaung der eigenen Diskurswelt,
in deren geschlossenem System sich Macht trefflich ausben lie. Jedes
Aufbrechen des Interpretationsmonopols am Original konnte (und kann)
das System an sich erschttern. So sahen sich die selbsternannten Vertreter
heiliger Originale berall dort zu unheiligen Mitteln der Inquisition und
57
5. Translationskultur
Unter Translationskultur verstehen wir das historisch gewachsene
Subsystem einer Kultur, das sich auf das Handlungsfeld Translation
bezieht, und das aus einem Set von gesellschaftlich etablierten, gesteuerten
und steuerbaren Normen, Konventionen, Erwartungshaltungen und
Wertvorstellungen aller in dieser Kultur aktuell oder potentiell an
Translationsprozessen beteiligten HandlungspartnerInnen besteht. Da wir
uns mit der Translationskultur bereits anderweitig ausfhrlicher befat
haben (vgl. Prun 1997), seien im folgenden nur jene Elemente der
Translationskultur skizziert, die einen unmittelbaren Einflu auf das
translatorische Handeln haben.
Sie braucht sich deshalb nicht zu wundern, wenn sie in den Augen der
zugewandten Disziplinen nach wie vor einen niedrigen Stellenwert einnimmt. Sie
wird auch vergeblich darauf warten, da diese Funktion von den zugewandten
Wissenschaften entdeckt oder gar von auen der Translationswissenschaft zugeordnet
wird.
45
59
61
Was wir hier gezeichnet haben, sind die Konturen des Zusammenspiels in
einer demokratisch konzipierten Translationskultur. Sie unterscheidet sich
von anderen historischen oder aktuellen Realisierungsformen von
Translationskultur vor allem dadurch, da sie auf Grund des
Kooperativittsprinzips alle PartnerInnen in die Pflicht nimmt und trotz
realer Asymmetrien der Macht ein konstruktives, wenn auch nicht
spannungsfreies Gleichgewicht herzustellen sucht.
Um eine Zwischenbilanz zu ziehen: Die Normen und Konventionen
der relevanten Translationskultur sind die wichtigste/vorrangige
Ausgangsbasis fr die Festlegung des Skopos. Der Skopos einer konkreten,
vor allem einer explizit deklarierten Translation steht allerdings in einem
dynamischen Spannungsverhltnis zu den vorherrschenden Normen und
Konventionen der jeweils relevanten Translationskultur.48 Unter relevanter
Translationskultur verstehen wir jene Kultur, deren normatives
Regelsystem fr die konkrete Translationshandlung gltig ist. Damit wollen
wir unterstreichen, da in Abhngigkeit von der in der konkreten
Translationssituation jeweils vorherrschenden Machtkonstellation sowohl
die Ziel- als auch die Ausgangskultur als normensetzendes System
fungieren kann.49 Von diesem System werden auch allenfalls in Kauf zu
nehmende Sanktionen fr Normen- und Konventionsbrche abzuleiten
Nord unterscheidet allerdings nicht zwischen Translationsnormen und
-konventionen der Zielkultur und jenen der relevanten Translationskultur. Vom Aspekt
einer adquaten Valorisierung des translatiorischen Handelns scheint uns jedoch gerade
diese Differenzierung entscheidend zu sein.
49
So ist z. B. beim Gerichtsdolmetschen und beim Community Interpreting jeweils
das Normensystem jener Gesellschaft magebend, in deren Rahmen die konkrete
Translation stattfindet, unabhngig davon, ob die Mehrheitssprache dieser Gesellschaft
als Ausgangs- oder Zielsprache und somit als Ausgangs- oder Zielkultur fungiert.
48
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6. Translationsethik
Aus der grundstzlichen Arbitraritt der Translationsnormen und
-konventionen auf der einen und der grundstzlichen Arbitraritt des
Skopos auf der anderen Seite folgt vom Aspekt der TranslatorInnen aus,
da translatorische Entscheidungen sowohl konformistisch im Einklang mit
den Normen und Konventionen der relevanten Translationskultur, aber
auch nonkonformistisch, im bewuten Gegensatz und Widerspruch zu
diesen gefllt werden knnen (vgl. Toury 1980). Die konkrete
Entscheidung ber den zu whlenden Skopos obliegt in letzter Konsequenz
also stets den selbstverantwortlichen und kompetenten TranslatorInnen.
Das Ma der Freiheit, die sie bei dieser Entscheidung genieen und
beanspruchen, ist gleichzeitig auch das Ma ihrer Verantwortung, die sie
auf sich zu nehmen haben.
Selbstverantwortliche TranslatorInnen mssen sich vor allem bewut
sein, da sie mit dem Machtdreieck AutorIn InitiatorIn AdressatIn
konfrontiert sind und deshalb nicht umhin knnen, sich auch den
Interessenskonflikten, die sich innerhalb dieses Machtdreieckes ergeben
knnen, zu stellen. Es mu ihnen klar sein, da sie nicht konfliktfrei drei
HerrInnen zugleich dienen und vielleicht noch sich selbst treu bleiben
knnen. Sie haben, ob sie wollen oder nicht, in jenen Fllen, in denen kein
ausgleichender Konsens zu erzielen ist, auch Wertentscheidungen
zugunsten des einen oder anderen Partners/der einen oder anderen Partnerin
zu treffen. Ob sie sich dabei hinter bestehende Translationsnormen, die den
Status des jeweils ausgehandelten Machtausgleichs widerspiegeln, stellen
oder ob sie darber hinaus willens und imstande sind, das Risiko eines
nonkonformistischen Verhaltens und die damit verbundenen Sanktionen auf
sich zu nehmen, wird von ihrer fachlichen Qualifikation, ihrer Kreativitt,
ihrer moralischen oder knstlerischen Autoritt und ihrem
gesellschaftlichen Status, kurzum, von ihrer (symbolischen) Machtposition
abhngig sein, die sie in den jeweiligen Translationsproze einbringen
knnen.
Die ethische Verantwortung der TranslatorInnen nimmt also zunchst
proportional zur demokratischen Strukturierung der Translationskultur zu.
In autoritr strukturierten Translationskulturen wrde es das Prinzip der
Loyalitt der TranslatorInnen zu sich selbst sogar ermglichen, aus
ethischen Grnden das Loyalittsprinzip einseitig aufzukndigen und zu
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7. Ausblick
Sobald wir den ahistorischen und eurozentrischen Standpunkt verlassen
und Translation nicht nur wie z. B. Koller (1992, 1993) auf jene
Phnomene
einschrnken,
die
den
derzeit
vorherrschenden
Prskriptivnormen der eigenen Kultur entsprechen, erweisen sich
prskriptive quivalenznormen als obsolet. An ihre Stelle tritt ein
komplexes, diachron variables System von Translationskulturen mit jeweils
eigenen normativen Subsystemen.
Aus der sozialen Funktion von Normen und Konventionen folgt
stringent, da die jeweilige Translationskultur den erzielbaren Konsens
zwischen divergierenden gesellschaftlichen Interessen reprsentiert und
deshalb auch jeweils vorherrschende Machtkonstellationen widerspiegelt.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Translationskulturen bleiben also
trotz Globalisierung konstitutives Element der Individualitt der
kooperierenden Gesellschaften. Wenn die globalisierte Gesellschaft nicht
auf einen Krieg der Kulturen zusteuern will, der alle zivilisatorischen
Errungenschaften vernichten knnte, bleibt ihr nichts anderes brig, als
Translationskulturen zu entwickeln, durch welche die kulturelle Vielfalt in
ein dynamisches Verhltnis zueinander gebracht wird.
Translation als konkrete Manifestation der Translationskultur ist
allerdings nicht bloe Widerspiegelung der Machtstrukturen, sondern auch
selbst Ausdruck von Ideologien, durch die vorherrschende
Machtkonstellationen gesttzt, neutralisiert oder untergraben werden
knnen. Die Auseinandersetzung mit Faktoren der Macht im Rahmen einer
Translationsethik ist bei der Beurteilung sowohl der Prozesse als auch der
Produkte translatorischen Handelns unabdingbar. Waren nmlich den
Faktoren Macht und Manipulation im Translationsbiedermeier wenigstens
noch gewisse raum-zeitliche Grenzen gesetzt, sind im entgrenzten Raum
des Cyberspace auch die Kategorien von Realitt und Fiktion aufgehoben.
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Sehr geehrter Herr Prun, Ihr Beitrag ist grandios! Darf ich ein paar Bemerkungen als
freibleibende Angebote machen? Herzlichen Gru, Hans J Vermeer
Anmerkung 1: Mir scheint die Darstellung der Skopostheorie hier einseitig. Gewi geht sie
von den Belangen der Zielkultur aus. Auch da, wo ein Ausgangstext homolog nachgeahmt
wird, mu dies im Blick auf die Zielkultur geschehen und ist nur mglich, wenn die Zielkultur
eine solche Translation erlaubt.. Wenn Sie spter vom Machtdreieck sprechen, wird die Sache
klarer: Gegen die Mglichkeiten der Zielkultur kann keine Macht Translation erzwingen;
Translation wrde einfach nicht funktionieren. Wohl aber kann man sie gegen die
Mglichkeiten der Ausgangskultur durchsetzen und sie funktioniert, wenn die Zielkultur sie
akzeptiert.
Anmerkung 2: Stimmt die Behauptung, da homologe Translation im Interesse aller
Prozebeteiligen liege? Ist die Entscheidung ber den Translationstyp nicht klar eine
Machtfrage? Wenn ein Serbe vor einem sterreichischen Gericht steht, weil er einen Albaner
beleidigt habe und der Serbe sich damit verteidigt, da sein Fluch keineswegs beleidigend sei,
wie der Albaner als Mohammedaner behauptet, dann hilft dem sterreichischen Richter keine
homologe Translation, weil er die religisen Implikationen damit nicht versteht; er braucht
eine Zusatzerklrung seitens des Dolmetschers. (Ein realer Fall; Quelle: ein Wiener Kollege)
Der Serbe kann meiner Meinung nach zu seiner Verteidigung nicht an einer homologen
Translation interessiert sein, mu sie aber hinnehmen, wenn der Richter dies verlangt und
keiner anderen zustimmt.
Anmerkung 3: Wurde die homologe Translation in der UdSSR nicht angewandt, weil es nach
ihrer marxistischen Lehre keine relevanten Kulturunterschiede gab? Das scheint mir ein
anderer als der von Ihnen geschilderte Fall zu sein: Es wurde homolog bersetzt, weil es
angeblich keine Kulturunterschiede gibt.
Anmerkung 4: Sie haben den trialogischen Typ als ein Typ mit Funktionskonstanz gesetzt.
Sollte nicht auch ein Untertyp mit funktionsvarianz angesetzt werden? Beim homo- und
dialogischen Typ haben Sie Funktionsvarianz als Resultat des Translationstyps angesetzt.
Beim trialogischen Typ kann dies auch der Fall sein, nehme ich mal an. Aber gibt es nicht
auch den Fall, da Varianz bewut gesucht wird? Ich habe mal gehrt, in der Hitlerzeit habe
es eine bersetzung von Saint-Exupries Zitadelle ins Deutsche gegeben, die entgegen den
Intentionen des Autors den Krieg verherrlicht habe. (Ich kann fr die Richtigkeit nicht
garantieren; gewi gibt es bessere Flle.)