09 Grammatik Des Polnischen PDF
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GRAMMATIK
DES
POLNISCHEN
GRAMMATIK DES
POLNISCHEN
Das vorliegende Handbuch enthält eine umfassende Beschreibung der Strukturen der mo-
dernen polnischen Standardsprache. Es richtet sich zum einen an Lerner des Polnischen als
Fremdsprache: Es bietet die wichtigsten Informationen über die Strukturen des polnischen
Sprachsystems und kann somit als Nachschlagewerk verwenden werden. Das Buch erfasst
in übersichtlicher Weise die Laut-, Wort- und Satzstrukturen der polnischen Sprache, wo-
bei die Funktionen im Vordergrund stehen. Es enthält detaillierte Angaben zum Gebrauch
der einzelnen Formen; d.h. der Lerner kann sich darüber informieren, in welchen Kontex-
ten welche Form die richtige ist. Diese Angaben zur funktionalen Seite, die dem Nicht-
muttersprachler eine zentrale Hilfestellung bei der Produktion eigener polnischer Texte
leisten, heben das vorliegende Werk von anderen Beschreibungen der polnischen Gram-
matik ab.
Zum anderen eignet sich das Buch für die Lehre der Polonistik bzw. der polni-
schen Philologie an deutschen Hochschulen. Neben seiner Funktion als Referenz-
grammatik kann es in Lehrveranstaltungen zur Sprachwissenschaft des Polnischen ver-
wendet werden; denn neben den detaillierten Beschreibungen der einzelnen Elemente fin-
det der Leser auch Definitionen der wichtigsten linguistischen Termini aus den Bereichen
der Laut-, Wort- und Satzstruktur des Polnischen. Da alle linguistischen Termini und Ka-
tegorien klar und allgemeinverständlich definiert werden und keine linguistischen Vor-
kenntnisse vorausgesetzt werden, kann das Handbuch auch als Textbasis zur Einführung in
die Sprachwissenschaft des Polnischen fungieren. In seiner theoretischen Ausrichtung ist
die Grammatik der ‚Funktionalen Linguistik’ zuzuordnen. Die funktionale Linguistik fragt
immer danach, wozu Sprecher in einer konkreten Äußerungssituation eine bestimmte Form
benutzen und was diese Formen in der Kommunikation leisten. Erst der funktionale Zu-
gang ermöglicht ein vollständiges Verständnis des Funktionieren eines Sprachsystems.
Um dem Charakter einer resultatsorientierten Einführung gerecht zu werden,
nehmen die Autoren nur vereinzelt explizit auf die Forschungsliteratur Bezug. Der interes-
sierte Leser sei auf die Literaturliste am Ende des Buches hingewiesen.
Die Grammatik ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil ist überschrieben mit
‚Der Laut und der Buchstabe’ und enthält alle wichtigen Informationen zu Aspekten der
Aussprache des Polnischen und seiner Verschriftlichung. Im Teil ‚Das Wort’ werden die
zentralen Aspekte der Wortstruktur wie Bildung von Wortformen oder Bildung von neuen
Wörtern behandelt, wobei den Funktionen große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ein
Schwerpunkt liegt hier auf der Beschreibung der Wortart ‚Verb’. Da das Verb die wich-
tigste und zugleich die komplexeste Wortart ist, wird es hier ganz besonders ausführlich
behandelt: Aufgrund der Tatsache, dass deutsche Lerner des Polnischen große Schwierig-
keit beim Erlernen des Aspekts haben, wird diese Verbalkategorie detaillierter als andere
beschrieben. Der dritte Teil ‚der Satz’ enthält eine Beschreibung der Mittel, mit denen
Wörter zu Sätzen zusammengesetzt werden.
Die Grammatik ist das Ergebnis der mehrjährigen Zusammenarbeit zwischen pol-
nischen und deutschen Polonisten und Polonistinnen. Als Basis dient die auf Polnisch ver-
fasste Grammatik der beiden Koautorinnen Barbara Bartnicka und Halina Satkiewicz
(1990) Gramatyka je±zyka polskiego dla cudzoziemców, Warszawa. Dieses Werk ist in vie-
lerlei Hinsicht eingeflossen und zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Grammatik.
Die Autoren
Autorenverzeichnis:
1. Einleitung.................................................................................................................................7
1.1. Inklusionsbeziehungen ..............................................................................................7
1.2. Modellierung..............................................................................................................8
1.3. Beispiel zur Modellbildung: die Vokabel.................................................................9
1.4. Kombinatorik ...........................................................................................................12
1.5. Defaults ....................................................................................................................13
1.6. Typen und Vorkommen...........................................................................................14
1.7. Paradigmatik und Syntagmatik ...............................................................................16
1.8. Beschreibung und Erklärung...................................................................................16
1.9. Formen und Funktionen .........................................................................................17
1.9. Die äußere Form sprachlicher Einheiten ................................................................18
1.10. Funktionen sprachlicher Einheiten........................................................................19
1.11. Zur vorliegenden Grammatik................................................................................22
3. Phonologie .............................................................................................................................65
3. Distribution und Kombinatorik .........................................................................................71
3.1. Kombinatorik der Vokale........................................................................................72
3.2. Kombinatorische Alternationen der Vokale ...........................................................73
3.3. Kombinatorik der Konsonanten ..............................................................................73
3.4. Konsonantengruppen...............................................................................................75
3.5. Kombinatorische Alternationen der Konsonanten .................................................75
5. Orthografie............................................................................................................................85
5.1. Das phonetische Prinzip ..........................................................................................85
5.2. Das morphologische Prinzip ...................................................................................86
5.3. Das historische Prinzip ............................................................................................87
5.4. Das konventionelle Prinzip .....................................................................................89
6. Morphonologische Alternationen.......................................................................................92
6.1. Konsonanten ............................................................................................................92
6.2. Vokale ......................................................................................................................94
2. Substantive ..........................................................................................................................145
2.1. Lexikalisch-grammatische Kategorien des Substantivs.......................................145
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen...........................................................148
2.3. Deklinationen.........................................................................................................183
2.4. Grammatische Kategorien des Substantivs...........................................................218
2.5. Bedeutungen und Verwendung von Kategorien des Substantivs ........................228
3. Adjektive..............................................................................................................................250
3.1. Lexikalisch-grammatische Kategorien der Adjektive..........................................250
3.2. Adjektivische Wortbildungsformationen..............................................................251
3.3. Deklinationen der Adjektive .................................................................................265
3.4. Syntaktische Funktion der Adjektive....................................................................270
3.5. Komparation der Adjektive...................................................................................271
4. Numeralia ............................................................................................................................276
4.1. Bestand und Wortartenzugehörigkeit ...................................................................276
4.2. Kardinalia...............................................................................................................278
4.3. Kollektiva...............................................................................................................285
4.4. Ordinalia.................................................................................................................286
Inhaltsverzeichnis 3
5. Pronomen.............................................................................................................................288
5.1. Personalpronomen .................................................................................................288
5.2. Reflexivpronomen .................................................................................................292
5.3. Possessivpronomen................................................................................................297
5.4. Interrogativ-Relativpronomen...............................................................................300
5.5. Indefinitpronomen .................................................................................................302
5.6. Demonstrativ- und Determinativpronomen..........................................................305
6. Auxiliare ..............................................................................................................................310
6.1. Kopulae ..................................................................................................................311
6.2. Temporalauxiliare..................................................................................................312
6.3. Diatheseauxiliare ...................................................................................................312
6.4. Modalauxiliare .......................................................................................................313
6.5. Phasenauxiliare ......................................................................................................318
6.6. Exkurs: Wiedergabe deutscher Modalverben.......................................................318
7. Verben..................................................................................................................................328
7.1. Wortbildung der Verben........................................................................................328
7.2. Lexikalisch-grammatische Subkategorien des Verbs...........................................338
7.3. Der Bestand der grammatischen Kategorien des Verbs.......................................347
7.4. Konjugationen der Verben und kombinatorische Formtypen der
Verbstämme ..................................................................................................................348
7.4.1. Konjugation -m/-sz .............................................................................................350
7.4.2. Konjugation -e±/-isz .............................................................................................353
7.4.3. Konjugation -e±/-esz.............................................................................................356
7.5. Genus verbi und Diathese......................................................................................364
7.6. Der Aspekt .............................................................................................................372
7.7. Das Tempus ...........................................................................................................419
7.8. Modus.....................................................................................................................438
7.9. Person.....................................................................................................................449
7.10. Partizipien ............................................................................................................452
7.11. Adverbialpartizipien ............................................................................................454
7.11.1. Adverbialpartizip der Gleichzeitigkeit.............................................................455
7.11.2. Adverbialpartizip der Vorzeitigkeit .................................................................455
7.12. Infinitiv.................................................................................................................456
4 Inhaltsverzeichnis
8. Adverben .............................................................................................................................462
8.1. Semantische Subkategorien von Adverben ..........................................................462
8.2. Formen ...................................................................................................................462
8.4. Komparation ..........................................................................................................467
9. Präpositionen ......................................................................................................................469
9.1. Primäre Präpositionen ...........................................................................................470
9.2. Sekundäre Präpositionen .......................................................................................470
9.3. Verwendung der Präpositionen .............................................................................471
Eine Grammatik muss aus dem großen Angebot linguistischer Ansätze, Verfahren und
Termini, die für eine Beschreibung des polnischen zur Verfügung stehen, eine Auswahl
treffen. Dies wird hier getan entsprechend dem Zweck der Studiengrammatik und der
allgemeinen Orientierung, nämlich die sprachlichen Formen unter dem Gesichtspunkt
ihrer Funktionen darzustellen. Im vorliegenden Abschnitt werden in diesem Sinne die all-
gemeinen, alle oder mehrere sprachliche Ebenen betreffenden Begriffe erläutert.
Die diversen Schreibungen der sprachlichen Einheiten in diesem Kapitel entspre-
chen dem, was später noch erläutert wird, in diesem Kapitel sollte der Leser nicht darauf
achten. Die Termini für die einzelnen sprachlichen Einheiten werden in den entsprechen-
den Kapiteln ausführlich behandelt. Zunächst soll es um Begriffe gehen, die für die Be-
schreibung aller oder der meisten Einheiten relevant sind.
1.1. Inklusionsbeziehungen
Texte bestehen aus Äußerungen und die Äußerungen ihrerseits aus Wortformen. Betrach-
ten wir dazu folgende Äußerung aus dem Roman Lalka von Prus:
Pan Ignacy od dwudziestu pie±ciu lat mieszkaΩ w pokoiku przy sklepie. ‚Pan Ignacy
wohnte seit 25 Jahren in einem kleinen Zimmer beim Laden.’
Diese Äußerung ist Bestandteil eines Textes, und besteht aus folgenden Wortformen:
Pan
Ignacy
od
dwudziestu
pie±ciu
lat
mieszkaΩ
w
pokoiku
przy
sklepie
Die Wortformen bestehen aus Allomorphen, u.a.:
/pan-/
/ignat⁄s-/
/-¥-/
8 1. Einleitung
/od/
/pj™∆t⁄©-/
/-u/
/lat-/
/mje∫ka-/
/-w/
/v/
…
Die äußere Form der Allomorphe besteht aus Allophonen, vgl. z.B. zu /pan/:
/p/
/a/
/n/
Die Allophone bestehen aus phonologischen Merkmalen, z.B.:
/p/: Obstruent: plosiv, labial, stimmlos
/a/: Vokal: tief, zentral
/n/: Sonant: dental, nasal
Zwischen den Einheiten bestehen also Inklusionsbeziehungen: Allophone sind Bestand-
teile von Allomorphen bzw. Allomorphe enthalten Allophone usw. Ein größeres Segment
(Stück) enthält ein kleineres. Bei Allophonen besteht ein anderes Verhältnis zwischen
Ganzem und Bestandteilen: Ein Allophon besteht nicht aus Segmenten, sondern besitzt
bestimmte Merkmale. Segmente kann man sich isoliert vorstellen, Merkmale nicht.
Zu beachten ist der Spezialfall, dass eine Einheit Bestandteil einer höheren Einheit
werden kann, ohne dass sich dabei seine Form oder Bedeutung ändert. A? steht für ein
Allophon, ein Allomorph, eine Wortform und eine Äußerung (a kann u.a. eine Konjunkti-
on oder einer Interjektion sein, als letztere tritt sie in der Form einer Äußerung des Erstau-
nens u.ä. auf.). Als Allophon, Allomorph, Wortform usw. unterscheidet es sich nur durch
den Status (in der Äußerung kommt allerdings die spezifische Intonation hinzu). Die In-
terjektion Oj! ist ein Allomorph, eine Wortform und eine Äußerung, ebenso die Präpositi-
on przy.
Man kann sprachliche Einheiten also nach ihrem ‚Format’ unterscheiden, danach,
welche Bestandteile sie enthalten können. Allomorphe sind die Einheiten, die als Segmente
Allophone enthalten können, Wortformen sind die Einheiten, die Allomorphe enthalten
können. Elementarsätze können Wortformen enthalten, usw.
1.2. Modellierung
pie±ciu ‚fünf’, piecioka˛t ‚Fünfeck’) und das Allomorph /pjCnt-/ (das z.B. vorkommt in den
Wortformen pia˛ty, pia˛tego ‚fünft’) zusammengefasst werden zum Morphem {pj™∆t⁄©-,
pjCnt-}. Entsprechendes gilt für Laute und Phoneme. Die polnischen Wortformen mieszkaΩ,
mieszkaΩa, mieszkam usw. können zusammengefasst werden zur Vokabel mieszka(c´). Be-
griffsnamen wie ‚Allomorph’ oder ‚Vokabel’ fungieren als Bezeichnungen für Abstraktio-
nen, Modellbildungen, denen bestimmte Klassen von sprachlichen Einheiten entsprechen.
Die konkreteren Einheiten bezeichnen wir als Gebrauchseinheiten, die Abstraktionsresul-
tate dazu als Modell-Einheiten.
In der folgenden Tabelle bezeichnet der Pfeil die Richtung der Abstraktion vom
Konkreteren zum Abstrakteren. Die Beispiele sollen verdeutlichen, dass mehreren ‚kon-
kreteren’ Gebrauchseinheiten eine Modelleinheit entsprechen kann, z.B. dem nicht palata-
lisierten [t] und dem palatalisierten [t,] das Phonem /t/ oder den Allomorphen /pj™∆t⁄©-/,
/pjCnt-/ das Morphem {pj™∆t⁄©-, pjCnt-}:
⇓ ⇓ ⇓
Phoneme Morpheme Vokabeln
/o/, /d/, /t/, … {od}, {pj™∆t⁄©-, pjCnt-}, {u-}, od, pie˛c´, …
…
Betrachten wir als ein Beispiel´ die Einheiten des Bereichs ‚Wort’ etwas genauer. ‚Wort’
wird alltagssprachlich für alle möglichen Existenzformen gebraucht, u.a. für ‚Vokabel’ und
für ‚Wortform’. ‘Wörter’ bilden einerseits ein Inventar, den Wortschatz einer Sprache.
‚Wörter’ können aber auch sprachliche Erzeugnisse sein. Einmal wird unter ‚Wort’ eine
Einheit verstanden, wie sie im Wörterbuch beschrieben wird, etwa pisac´, napisac´, dom,
10 1. Einleitung
duz˙y, dzis´. Zum anderen wird zu Ausdrücken wie pisaΩa, pisza±, napisze±, domu, duz˙a± auch
‚Wort’ gesagt. Der Satz
Mieli napisac´, ale nie napisali. ‚Sie sollten schreiben, schrieben aber nicht.’
enthält 4 Wörter im ersten Sinne von ‚Wort’ und 5 Wörter im zweiten. Diesen beiden
Verwendungsweisen von ‚Wort’ liegen zwei Betrachtungsweisen zugrunde, die systemati-
schen Charakter haben. Nehmen wir als Beispiel den Ausdruck napisano ‚man hat ge-
schrieben’. Wenn wir diesen Ausdruck im Kreise seiner Nachbarn in einem Satz wie
Napisano o tym wiele ksia±z˙ek. ‚Man hat darüber viele Bücher geschrieben.’
betrachten, dann ist er ein Wort unter mehreren Wörtern dieses Satzes. Wir können diesen
Ausdruck aber auch im Kreise folgender anderer Ausdrücke betrachten:
napisano
przeczytano
powiedziano
wiedziano
Auch hier liegen verschiedene Wörter vor, aber sie unterscheiden sich jeweils nur im ers-
ten Teil, in napisa-,przeczyta-, powiedzia-, wiedzia-. Und wenn wir den anderen Teil des
Ausdrucks napisano verändern, sagen wir trotzdem noch, es sei ein Wort,
napisa-Ωem
napisa-li
napisa-ny
napisa-Ωbym
Einmal wird also von ‚Wort’ im Satz- bzw. Textzusammenhang gesprochen, einmal von
‘Wort’ als Element des Wortschatzes, also des Inventars der Wörter einer Sprache. Ein
Wort im Text ist die Ausformung des Wortes, das vom sprachlichen Inventar zur Verfü-
gung gestellt wird. Deshalb kann man je nachdem, was man im Auge hat, zu napisac´ als
Einheit des Wortschatzes ebenso wie zu napisali sagen, es sei ein Wort. In der Regel wird
aus dem Kontext klar, aus welcher Perspektive von einem Wort gesprochen wird. Eindeu-
tigkeit kann hergestellt werden, wenn man ‚Wortform’ für ein Wort mit bestimmten
grammatischen Affixen gebraucht und wenn man ‚Vokabel’ für ein Wort als Einheit des
Wortschatzes verwendet.
Die Modell-Einheiten bilden jeweils Inventare in ihrem Bereich, die Vokabeln
z.B. bilden den Wortschatz des Polnischen. Eine Vokabel wie lato hat mehrere Bedeutun-
gen, 1. ‚Sommer’, 2. ‚Jahr’ (im Plural). Beim Gebrauch von lato im Text kommt nur eine
der beiden Bedeutungen zum Zuge (im Satz Pan Ignacy od dwudziestu pie±ciu lat mieszkaΩ
w pokoiku przy sklepie ist es die 2. Bedeutung von lato) und das Wort lato hat eine be-
stimmte Endung mit bestimmten Bedeutungen (die ‚Endung’ des Genitiv Plural, ausge-
drückt durch die Abwesenheit von Phonemen). Die Wortform lat ist in unserem Beispiels-
1. Einleitung 11
satz sowohl hinsichtlich der Wortbedeutung, als auch hinsichtlich der grammatischen Form
eine bestimmte Ausprägung der Vokabel lato (die, was hier irrelevant ist, in der 2. Be-
deutung nur im Plural verwendet wird). Welche Ausprägung jeweils vorliegt, hängt vom
Sinn der ganzen Äußerung ab und damit vom Kontext.
In ähnlicher Weise hat das Morphem {lat-} je nach der Morphem-Umgebung, in
dem es gebraucht wird, verschiedene Varianten. Im Kontext von w lecie ist die phonologi-
sche Gestalt des Morphems eine ganz andere, als im Kontext von od dwudziestu pie±ciu lat,
was jedoch nichts mit der Bedeutung zu tun hat, weil die Variante lat auch der Genitiv
Plural des Wortes mit der Bedeutung ‚Sommer’ ist. Mit anderen Worten, das Morphem
{lat-} kann je nach Verwendung als anderes Allomorph auftreten.
Die Definition des Unterschieds zwischen Vokabeln und Wortformen muss die
zentrale Frage entscheiden, welche Wortformen zu derselben Vokabel gehören. Wir wollen
mit der Vokabel eine Modell-Einheit bezeichnen, in der von den verschiedenen grammati-
schen Formen eines Wortes (den grammatischen Endungen u.a.) abstrahiert ist. Die Stich-
wörter in den Wörterbüchern sind in aller Regel Vokabeln. Aber die Wörterbücher führen
z.B. auch pisac´ und napisac als verschiedene Stichwörter an. Der Unterschied zwischen
den beiden ist aber rein grammatisch. Was ein Wörterbuch als Stichwort angibt, hängt vor
allem von seinem Umfang und seinem Zweck ab. Deshalb braucht man ein anderes Krite-
rium als die Aufnahme eines Wortes als Stichwort in ein Wörterbuch, wenn es um Voka-
beln geht, also um die Klasse der Wortformen, die sich nur grammatisch unterscheiden.
Hier wird wie in Teilen der Slavistik für diesen Zweck der Ausdruck ‚Vokabel’
benutzt. Vokabeln kann man terminologisch verwenden und definieren als diejenigen
Wörter, die keine bestimmten grammatischen Formen besitzen. D.h., dass sie anstelle von
grammatischen Formen Variablen für solche Formen (pisac´, poko´j) oder dass sie nicht
über verschiedene grammatischen Formen verfügen können (od, w, dzisiaj).
Wir haben also dem alltagssprachlichen Ausdruck ‚Wort’ zwei präzisierende Ter-
mini zur Seite gestellt, die aufeinander bezogen sind:
1. ‚Vokabel’ (wokabular) – Wort ohne bestimmte grammatische Form (weitge-
hend, aber nicht ganz identisch mit ‚Wort, wie es im Wörterbuch erscheint’).
2. ‚Wortform’ (sΩowoforma) – Wort, wie es im Gebrauch (in Texten, Äußerungen)
erscheint (gegebenenfalls mit grammatischen Formen).
Wenn wir uns über ein Wort, im Sinne einer Vokabel oder eines Stichworts im Wörter-
buch, unterhalten, oder wenn es in einer Grammatik beschrieben wird, dann trägt es einen
Namen. Als Name für ein solches Wort dient eine bestimmte Wortform: Der Name einer
Verb-Vokabel ist sein Infinitiv, d.h. Verben werden im Infinitiv genannt, vgl. mieszkac´,
z.B. ‚mieszkac´ ist ein imperfektives Verb’), der Name eines Substantivs ist identisch mit
der Wortform im Nominativ Singular, vgl. pan, poko´j, ein Adjektiv mit der des Nominativs
Singular maskulin, vgl. duz˙y. Die benutzte Wortform darf also nicht darüber hinwegtäu-
schen, dass dies nur die Nennform des Wortes ist. Zu einem solchen Wort gehören als
12 1. Einleitung
Potenz alle Wortformen, mieszkac´ steht für mieszkam, mieszkasz, … usw. poko´j für poko-
jowi, pokoju, usw., d.h. für alle Möglichkeiten der grammatischen Realisierung im Satz.
Bestimmte Modell-Einheiten wie die Vokabeln poko´j oder mieszkac´ können also
beschrieben werden durch die Angabe einer Nennform (oder Grundform) und der Variab-
len, die nach bestimmten Regeln durch bestimmte Werte ersetzt werden können. Dies ist
das Verfahren, das in Grammatikbüchern für derartige Einheiten üblicherweise angewen-
det wird, um zu zeigen, wie aus Stichwörtern des Wörterbuchs mithilfe von morphologi-
schen Mustern (z.B. Deklinationsmustern) Wortformen gemacht werden. Das Verfahren ist
aber nicht für alle Modell-Einheiten angemessen. Wenn man über eine Einheit wie ‚das
Morphem {pj™∆t⁄©-, pjCnt-}’ spricht, so ist es nicht immer sinnvoll, mit einer Grundform
und Variablen zu arbeiten. Hier kann es es angebracht sein, die entsprechenden
Gebrauchseinheiten aufzuzählen, also zu sagen {pj™∆t⁄©- und pjCnt-} bzw. einfach {pj™∆t⁄©-,
pjCnt-}. Bei einer Vokabel wie mieszkac´ ist es demgegenüber in der Regel nicht sinnvoll,
alle Wortformen, die zu dieser Vokabel gehören, aufzuzählen. Hier ist es angebracht die
Verschiedenheiten der Wortformen allgemeinen Regelangaben zu überlassen. Anhand der
Regeln können dann alle Wortformen von mieszkac´ aufgezählt werden.
In der Syntax ist es gar nicht mehr möglich, alle in der Sprache möglichen
Gebrauchseinheiten, also Äußerungen, aufzuzählen. Hier können nur die entsprechenden
Regeln für die Kombination von Wortformen sowie allgemeine Strukturen genannt wer-
den, um zu bestimmen, welche polnischen Sätze es geben kann.
Modell-Einheiten sind, wie gesagt, linguistische Konstrukte, linguistische Mini-
Theorien, Gebrauchseinheiten sind es auch, aber bei ihnen ist das nicht so deutlich zu
erkennen. Modell-Einheiten sind Elemente von linguistischen Modellen für bestimmte
Sprachbereiche wie den der lautlichen Formen oder den der Sätze und werden nach be-
stimmten Prinzipien ‚konstruiert’. Wie sie aussehen, hängt von der jeweiligen Theorie, von
den in deren Rahmen angewendeten Kriterien ab.
1.4. Kombinatorik
Wir können die bisherige Perspektive der Konstruktion von Systemeinheiten aus
Gebrauchseinheiten bzw. konkreten Äußerungsvorkommen auch umkehren und sagen:
‚Eine Gebrauchseinheit kann aus der Kombination der entsprechenden Modell-Einheit und
dem Kontext rekonstruiert werden.’ Z.B. können wir, wenn wir das Morphem {pj™∆t⁄©-,
pjCnt-} als Modell angesetzt haben, voraussagen, dass als Allomorph, als Gebrauchsein-
heit, /pjCnt-/ auftritt, wenn das Morphem in einer Wortform mit der Bedeutung ‚fünfter’
auftritt, dass aber das Allomorph /pj™∆t⁄©-/ erscheint, wenn das Morphem in einer Wortform
mit der Bedeutung ‚funf’ erscheint. Ein anderes Beispiel: Die Regel für das Auftreten des
Genitivs in od dwudziestu pie±ciu lat besagt, dass das mit od kombinierte Substantiv (und
die mit dem Substantiv kombinierten Adjektive) die Wortform des Genitivs haben. Mit
solchen Regeln kann erklärt werden, warum eine sprachliche Form so und nicht anders
1. Einleitung 13
aussieht, hier erklärt es, warum das Substantiv in der Form des Genitivs gebraucht sind.
Man kann auch sagen: Mit der Regel kann vorausgesagt werden, dass Substantive in dieser
Position in der Form des Genitivs gebraucht werden.
Wir sind hier von einer induktiven zu einer deduktiven Perspektive gewechselt.
Diese Perspektive entspricht – in umgekehrter Interpretation der Pfeilrichtung in Schema 1
– der Anwendung einer allgemeinen Kombinationsregel, die lautet: ‚Die Modell-Einheit
M erscheint als Gebrauchseinheit G dann, wenn sich die Modell-Einheit M in der Umge-
bung U befindet.’ Diese Kombinationsregeln sind also die Gebrauchsbedingungen von
Modellen. Mit den Kombinationsregeln kann man sprachliche Phänomene rekonstruieren
und erklären. Man ‚erklärt’, warum es im Polnischen im vorliegenden Kontext pie˛ciu heißt
und nicht pie˛cioma. Das Verhältnis zwischen Gebrauchs- und Modell-Einheiten ist also:
Gebrauchseinheit = Modell-Einheiteinheit plus Kombinationsregeln
Neben den Kombinationsregeln als Zwischenglied zwischen Modell- und Gebrauchsein-
heiten gibt es noch andere Arten von Kombinationsregeln. Eine bestimmte Art dient dazu,
Modell-Einheiten zu rekonstruieren. Z.B. gibt es Kombinationsregeln, mit denen die Ab-
leitung neuer Vokabeln aus bestehenden Vokabeln rekonstruiert wird, etwa pokoik ‚Zim-
merchen’ aus poko´j ‚Zimmer’.
Die Kombinationsregeln und die Modell-Einheiten bilden das Inventar des
Sprachsystems. Das umfangreichste Inventar einer Sprache ist der Wortschatz (das Voka-
bel-Inventar). Das Inventar des Systems entspricht ungefähr dem, was als sprachliches
Wissen im Langzeitgedächtnis gespeichert und in der Regel unbewusst genutzt wird.
1.5. Defaults
Wenn wir für oddawac´ als eigentliche Bedeutung ‚zurück-, abgeben (z.B. ein Buch)’ an-
setzen, für koza ‚Ziege’, dann ist in oddawac´ sie± lekturze ‚sich der Lektüre hingeben’,
gΩupia koza ‚dumme Göre’ deren Bedeutung verändert, die Wörter sind nicht in ihrer ei-
gentlichen Bedeutung gebraucht. Das Wort oddawac´ und das Wort koza haben dann je-
weils zwei Bedeutungen, eine eigentliche und eine uneigentliche. Die uneigentliche Be-
deutung erscheint nur in bestimmten Kontexten (z.B. lekturze, gΩupia), und zwar in Kon-
texten, die im Widerspruch zur eigentlichen Bedeutung stehen. Man kann die Sache so
darstellen: Koza hat eine bestimmte Bedeutung ‚B 1.’, wenn das Wort aber in einem be-
stimmten Kontext K erscheint, dann hat es die Bedeutung ‚B 2.’. Allgemein gesagt: Es
gilt X, außer wenn es Hinweise dafür gibt, dass Y gilt. Im Computer wird Derartiges als
‚Default’ bzw. ‚Voreinstellung’ bezeichnet, z.B.: ‚Die Schrift für Dokumente ist 12 Pkt.,
außer wenn ein anderer Befehl erteilt wird’. Wir sagen also: Ein Default (eine Default-
Regel, Default-Funktion usw.) liegt vor, wenn die Aussage unter dem Vorbehalt gemacht
wird, dass bestimmte Faktoren in der Umgebung nicht etwas Anderes besagen. Die Aussa-
ge, dass koza ‚Ziege’ heißt, wird unter dem Vorbehalt gemacht, dass das Wort nicht in
einem Kontext wie z.B. gΩupia erscheint.
14 1. Einleitung
Die ‚Abstraktion’, die zum Ansetzen eines Default führt, ist eine andere, als die o-
ben besprochene Art der Modellbildung. Denn wenn wir sagen, die Bedeutung von koza
sei ‚Ziege’ oder die von oddawac´ sei ‚zurück-, weggeben’, dann haben wir von den ande-
ren Bedeutungen dieser Vokabeln ‚abstrahiert’. Wir haben also Alternativen, die unter
bestimmten Bedingungen gelten, weggelassen. Wenn wir dagegen zwei Gebrauchseinhei-
ten, z.B. Allomorphe, zu einer allgemeinen Einheit zusammenfassen, einem Morphem,
dann lassen wir die Unterschiede zwischen zwei Varianten einer Einheit weg. Es ist aber
deutlich, dass es in beiden Fällen um die Interaktion einer sprachlichen Einheit mit ihrer
Umgebung geht.
Wer über eine sprachliche Einheit sagt, sie entspreche nicht dem Default (z.B. die
Bedeutung von koza 2. ‚Göre’), könnte sie auch als ‚Ausnahme von der Regel’ bezeichnen,
wobei der Default ‚die Regel’ darstellt. Der wichtigste Vorteil bei der Verwendung des
Default-Prinzips besteht darin, dass man nicht einfach von einer Ausnahme spricht, son-
dern dass man auch sagen muss, worin genau ‚die Regel’ und ‚die Ausnahme’ bestehen
und vor allem, welches die Bedingungung ist, unter der die Regel zur Ausnahme revidiert
wird. Wenn dies beachtet wird, kann statt ‚Default’ auch der Ausdruck ‚Regel’ und statt
‚Alternative (zum Default)’ der Ausdruck ‚Ausnahme’ verwendet werden.
Das Default-Prinzip ist ein ganz allgemeines. Es kann auf die Beziehung zwischen
Modell-und Gebrauchs-Einheiten, auf die Beziehung zwischen Modell-Einheiten unterein-
ander oder zwischen Gebrauchseinheiten untereinander angewendet werden. Der Begriff
des Defaults ist für alle Sprachbereiche relevant.
Wenn Termini für Gebrauchseinheiten wie ‚Wortform’ oder ‚Allomorph’ verwendet wer-
den, dann kann man sich damit auf Typen (types) oder auf Vorkommen (token) beziehen.
Eine Wortform wie pie˛ciu kann im selben Text mehrfach erscheinen und darüber hinaus
noch in vielen anderen Texten verschiedener Sprecher. Das aktuelle Erscheinen einer
sprachlichen Einheit E, z.B. einer Wortform wie pie˛ciu oder lat, eines Allomorphs, eines
Lautes usw. an einer bestimmten Stelle eines bestimmten Textes oder Gesprächs ist ein
Vorkommen. Den Vorkommen einer Einheit E entspricht der Typus dieser Einheit E. Er ist
eine wissenschaftliche Abstraktion aus den Vorkommen. Mit Beispielen für Wortformen
wie pie˛ciu oder lat oder mit der Beschreibung eines Lauts in einer Grammatik bezieht man
sich auf den jeweiligen Typus. Das Erscheinen solcher Typen in einer Erzählung, einem
Gedicht oder in einem aktuellen Frühstückgespräch ist ein Vorkommen.
Wenn jemand eine Hausarbeit über den Aspekt schreibt und in seinem Korpus,
z.B. Ausgaben aus dem Jahrgang einer Zeitung, zig Zitate mit perfektiven und imperfekti-
ven Verben wie pisac´ und napisac´ herausgeschrieben hat, dann hat er eine Sammlung von
Vorkommen der Wortformen von Verben.
1. Einleitung 15
Es geht ebenfalls um Typen, wenn wir in einer Grammatik über die Eigenschaften
von Systemeinheiten wie des Morphems {pj™∆t⁄©-, pjCnt-} oder einer Vokabel wie mieszkac´
lesen. Entsprechen diesen Typen auch Vorkommen? Indirekt ja, da ja eine Vokabel im
Gebrauch als Wortform, ein Morphem als Allomorph erscheint und diesen wiederum
Wortform-Vorkommen bzw. Allomorph-Vorkommen entsprechen. In der aktuellen Reali-
sierung von Pan Ignacy od dwudziestu pie±ciu lat mieszkaΩ w pokoiku przy sklepie kommt
die Vokabel mieszkac´ einmal vor, und zwar in der Wortform mieszkaΩ. In dem folgenden
Beispiel gibt es je ein Vorkommen der Wortform napisac´, napisali, napisano und drei
Vorkommen der Vokabel pisac´´:
Mieli napisac´, ale nie napisali. Nic nie napisano o tym.
Wenn jemand eine Arbeit über den Spracherwerb des Adjektivs schreibt, dazu die Vor-
kommen von Adjektiven in einem Elternprotokoll auswertet und dann u.a. die Frage
stellt, ob Adjektive für Dimensionen wie duz˙y früher als Adjektive für Farben erworben
werden, dann kann er diese Frage beantworten bezogen auf die Anzahl der Adjektive für
Dimensionen oder Farben (a) als Vorkommen von Wortformen, oder (b) als Vokabel-
Typen. Es kann z.B. sein, dass in den ersten Monaten nur das Qualitätsadjektiv duz˙y, die-
ses aber sehr häufig verwendet wird, dagegen mehrere Adjektive für Farben, die aber nur
ganz selten. Dann gibt für diesen Zeitraum bei den Adjektiven für Farben eine größere
Anzahl von Typen, bei den Dimensions-Adjektiven eine größere Anzahl von Vorkommen.
einmaliges Vorkommen, ein Okkasionalismus, bleibt, oder ob sie als Typus in das System
der Grammatik oder des Wörterbuchs aufgenommen wird.
Wenn wir das Morphem {pj™∆t⁄©-, pjCnt-} aus den Allomorphen /pj™∆t⁄©-/ und /pjCnt-/ kon-
struieren, müssen wir uns fragen, ob der Unterschied zwischen diesen Allomorphen einer
Regelmäßigkeit entspricht und zu pie˛c´ mit pia˛ty analoge Paare zusammenstellen, z.B.
pie±ciu ‚fünf', Genitiv usw.’ : pia˛tego ‚fünfter, Genitiv’
pie˛cioma ‚fünf, Instrumental’ : pia˛tym ‚fünfter, Instrumental’
re˛ka ‚Hand’ : ra˛czka ‚Griff’
ksie˛ga ‚(großes) Buch’ : ksia˛z˙ka ‚Buch’
Wir stellen also eine Regelmäßigkeit fest zwischen Reihen von Gebrauchseinheiten. Es
sind Einheiten, die wir unserem Sprachwissen entnehmen, nicht dem unmittelbaren Kon-
text der Allomorphe pj™∆t⁄©-/ und /pjCnt-/. Wenn wir dies nicht mir unserem Sprachwissen
machen können, z.B. weil wir keine kompetenten Sprecher dieser Sprache sind, müssen
wir große Mengen von Texten durchsuchen oder Muttersprachler befragen. Wir stellen
also Einheiten zusammen, die in der Sprache auch vorkommen oder vorkommen können.
Relationen zwischen sprachlichen Einheiten aus verschiedenen Verwendungskontexten,
die über mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede verfügen, bezeichnen wir als paradig-
matisch.
Eine Gebrauchseinheit, eine Wortform wie pie˛ciu, unterhält daneben auch syn-
tagmatische Relationen. Dies sind Beziehungen zwischen einer Einheit und direkten oder
indirekten Nachbarn des engeren sprachlichen Kontextes. Eine solche ist z.B. die zum
Substantiv lat, mit dem es den Genitiv gemeinsam hat und zur Präposition od, die den
Genitiv regiert (‚erfordert’). Auch die Tatsache, dass mieszkac´ in der vorliegenden Bedeu-
tung als Subjekt die Bezeichnung für eine Person fordert, beruht auf einer syntagmatischen
Beziehung, hier zwischen der Vokabel mieszkac´ und den möglichen Subjekten.
Der Unterschied zwischen paradigmatischen und syntagmatischen Relationen wird
oft mit dem Gegensatz zwischen vertikaler und horizontaler Betrachtungsrichtung um-
schrieben.
Synchrone Rekonstruktionen und Erklärungen erfassen nicht die Entwicklung des Polni-
schen und noch weniger die Entwicklung der Sprachfähigkeit des Menschen überhaupt.
Damit beschäftigen sich jeweils eigene linguistische Sparten.
Solange die Rekonstruktionen und Erklärungen Phänomene nicht auf allgemeine
Gesetzmäßigkeiten wie auf die allgemeine Denkfähigkeit des Menschen oder auf dem
1. Einleitung 17
Die bisher vorgestellten sprachlichen Einheiten (Texte, Sätze; Vokabeln, Morpheme u.a.)
sind in der Linguistik des Polnischen unter Berücksichtigung ihrer äußeren Form (ihrer
lautlichen oder graphischen Gestalt) und ihrer Funktion ermittelt worden. Der spezifisch
linguistische Gesichtspunkt bei der Untersuchung von Sprache ist die Orientierung an der
äußeren Form (im Unterschied z.B. zur Orientierung der Psychologie oder der Literatur-
wissenschaft, die andere Fragestellungen haben und die natürlich auch Formen berück-
sichtigen können). In der hier vorgestellten, deskriptiven Linguistik werden die Typen der
äußeren Formen in aller Regel unter Heranziehung funktionaler Eigenschaften ermittelt. Es
handelt sich insofern um eine funktional orientierte Deskription.
Der Begriff ‚Funktion’ wird hier im allgemeinen Sinne verwendet. Kurz gesagt
sind die Funktionen einer Einheit die Folge der Anwesenheit dieser Einheit in einer größe-
ren Einheit. Wenn wir z.B. /w/ in mieszkaΩ durch /m/ ersetzen, dann hat die Worform eine
andere Tempus-Funktion, darüber hinaus kann keine Endung wie /-a/ mehr angefügt wer-
den. Oder wenn wir in z.B. /a/ in mieszkaΩ anfügen, dann muss das Subjekt ein feminines
Substantiv sein. Als Funktionen von Einheiten bezeichnen wir also alle Eigenschaften, die
verändert werden (bzw. wegfallen), wenn die Form der Einheit verändert (oder weggelas-
sen) wird. Die Funktion einer sprachlichen Einheit ist damit genau der Teil am Verstande-
nen bzw. Gemeinten einer Äußerung und an dem, was mit ihr beabsichtigt und bewirkt
wird, das der Äußerung aufgrund der Anwesenheit dieser Einheit zukommt und das der
Äußerung nicht zukäme, wäre diese Einheit nicht eines ihrer Bestandteile.
Sprachliche Zeichen, damit sind meist Wörter oder Morpheme gemeint, haben ei-
ne äußere Form und eine Bedeutung. Es sind, wie Anfang des 20. Jh. gesagt wurde, zwei
Seiten des Zeichens, oft wird auch von den Dimensionen des Zeichens gesprochen. Die
Bedeutung ist ein mit der äußeren Form gespeichertes geistiges Potenzial, das Potenzial
der Funktionen der zugehörigen äußeren Form: Sie ist die Bedingung für die Fähigkeit, mit
Zeichen auf Weltausschnitte zu verweisen und geistige Inhalte zu organisieren, mit Zei-
chen einen für Sprecher und Hörer gemeinsamen Sinn zu konstituieren und ein Instrument
18 1. Einleitung
des interpersonalen Handelns. Denn das sprachliche Zeichen steht mit seiner Form und
seiner Bedeutung in Beziehung zu verschiedenen Umgebungen, zu Sprecher und Hörer
und zur Welt, zur Gesellschaft und zum menschlichen Geist. Die Dimensionen des Zei-
chens und die Umgebungen, mit denen es in Beziehung steht, sind Aspekte, die bei der
wissenschaftlichen Betrachtung einer Sprache und der Sprache überhaupt fokussiert wer-
den. Diese Begriffe dienen hier als Bezugsgrößen bei der folgenden Erläuterung der
sprachlichen Funktionen und der Charakterisierung der linguistischen Teildisziplinen.
Im folgenden Schema entspricht dem Zeichen mit seinen beiden Seiten (Dimensi-
onen) der eingerahmte Teil, den Umgebungen des Zeichens die anderen nicht kursiven
Begriffe. Die kursiv gesetzten Begriffe sind eine Auswahl aus den wichtigen Zeichen-
funktionen:
Welt
semantische Funktion
‚Kontexte’ sind die Umgebung von Wörtern im Gebrauch, also von Wortformen. Damit
kann die sprachliche Umgebung, also andere Wörter oder Sätze gemeint sein (dann auch
‚sprachlicher Kontext’ oder ‚Ko-Text’) oder auch nichtsprachliche Umgebung, wie sie in
der Tabelle aufgeführt ist (‚außersprachlicher Kontext’). Auch Texte können einen Kon-
text haben, der ist dann außersprachlich. Andere Morpheme innerhalb derselben Wortform
wie z.B. po- als Umgebungselement zu -m in pomieszkam ‚ich werde wohnen’ können als
‚wortforminterner Kontext’ bzw. ‚wortforminterne Umgebung’ bezeichnet werden.
Die äußere sprachliche Form einer Einheit ist alles das, was sich auf Laute bzw. Buchsta-
ben und ihre Kombinationen zurückführen lässt. (Diese Bedeutung des Ausdrucks ‚Form’
ist zu unterscheiden von der, die im Zusammenhang mit ‚grammatischer Form’ und ‚Wort-
form’ vorkommt; wenn der Kontext den Unterschied nicht erkennen lässt, sind Ergänzun-
gen wie ‚äußere / sprachliche / phonetische (Form)’ notwendig). Eine zentrale gemeinsame
1. Einleitung 19
Funktion der Allomorphe des Morphems {pj™∆t⁄©-, pjCnt-} besteht in der Bezeichnung der
Anzahl. Diese Funktion haben die Wortformen mit /pj™∆t⁄©-/ genauso, wie die mit /pjCnt-/.
Die Funktionen können je nach Ausrichtung und Gegenstand der Beschreibung
eine größere oder eine geringere Rolle spielen. Man kann sprachliche Einheiten, z.B. Mor-
pheme, primär unter Verwendung formaler oder primär unter Verwendung funktionaler
Eigenschaften definieren.
Auch bei einer funktional ausgerichteten Beschreibung ist nicht zu vergessen, dass
äußere Formen Eigenschaften haben können, die nicht funktional bedingt sind, sondern auf
andere Bedingungen zurückzuführen sind, nämlich auf die materiellen Gegebenheiten
menschlicher Sprachfähigkeit (vor allem die Artikulationsorgane) und darauf, dass jede
sprachliche Form Produkt einer Entwicklung ist, die nicht nur funktionalen Prinzipien
folgt.
Bevor auf die Arten der Funktionen näher eingegangen wird, ist nochmals darauf
hinzuweisen, dass Phoneme eine prinzipiell andere Art von Funktion haben, als Morphe-
me, Wörter, Sätze, u.s.w. Sie haben als einzelne Phoneme keine Bedeutung, sie dienen –
fast immer im Verbund mit anderen Phonemen – dazu, Formen zu konstituieren, die dann
eine Bedeutung haben. Sie sind nicht mit einer bestimmten Bedeutungsintention gekoppelt
wie Morpheme, Wörter oder Sätze.
Als Funktion einer sprachlichen Form wurde oben alles das bezeichnet, was sich ändert,
wenn die Form verändert wird und als Bedeutung das Gesamt der Funktionsmöglichkeiten,
die sich mit dem Gebrauch einer äußeren Form ergeben. Die Bedeutung des Satzes To nie
jest poko´j ändert sich ins Gegenteil, wenn nie weggelassen wird, weil das in diesem Satz
enthaltende Element nie die Bedeutung ‚nicht’ hat. Die Bedeutung ist der Kern dessen, was
die meisten Sprecher in Verbindung mit der entsprechenden Form gespeichert haben. Häu-
fig sind es mehrere Bedeutungen, die in Verbindung mit einer Form gespeichert sind, z.B.
in Verbindung mit prawy 1. ‚recht(e) (Hand …)’, 2. ‚ehrlich’, 3. ‚recht(er) (Flügel einer
Partei)’. Eine Form und ihre Bedeutung(en) gehören zum sprachlichen Wissen und bilden
als Komponente dieses Wissens ein Paar.
Wir folgen einer allgemeinen Tendenz in der Verwendung der Ausdrücke für die
funktionale Seite von sprachlichen Einheiten, wenn wir sagen: Bedeutungen sind den For-
men vor allem von Morphemen oder Wörtern als Systemeinheiten zugeordet, und Funktio-
nen sind ihnen als Gebrauchseinheiten zugeordnet. Das, was mit Äußerungen und Texten
als abgeschlossenen sprachlichen Erzeugnissen mitgeteilt und auch getan wird (z.B. dann,
wenn jemand mit einer Äußerung gelobt oder beleidigt wird) kann man demgegenüber als
den Sinn eines Textes bezeichnen. Es ist die ‚Gesamtfunktion’ eines Textes im Hinblick
auf seine Rolle in einem größeren kommunikativen Zusammenhang.
20 1. Einleitung
Besonders bei der Konstitution von Sinn geschieht etwas, was auch für die gram-
matischen Bereiche und den Bereich ‚Diskurs’ und die Konstitution von formalen Einhei-
ten gilt: Größere Einheiten können sehr oft nicht als bloße Summe der Verbindung kleine-
rer Einheiten rekonstruiert werden. Die Kombination von formalen und/oder funktionalen
Einheiten führt oftmals zu größeren Einheiten, in denen mehr enthalten ist, als das, was
sich bei einem bloßen Zusammenkoppeln (der ‚Komposition’) der kleineren Einheiten
ergäbe. Vgl. z. B. folgende Äußerungen:
pod zdechΩym psem = ‚sehr schlecht, unter aller Kanone’, wörtlich: ‚unter einem
toten Hund’
jestem do przodu = ‚ich habe Erfolg gehabt’, wörtlich: ‚ich bin nach vorn'.
Jeder, der nicht nur primitive Texte liest, weiß, wieviel Wissen häufig zugeschossen wer-
den muss, um sprachliche Erzeugnisse zu verstehen. Die Kenntnis der Bedeutung der
Morpheme oder auch der Wörter und die der Regeln ihrer Kombination reicht dazu nicht
aus.
Kraft ihrer Bedeutung kann mit der äußeren Form etwas bezeichnet werden, mit
dom kann im entsprechenden Kontext ein reales Haus bezeichnet werden, aber auch ein
fiktives wie das Hexenhaus von Hänsel und Gretel. Mit zapomniaΩam z.B. kann ein realer,
aber auch ein erlogener Akt des Vergessens bezeichnet werden. Diese Funktion einer
sprachlichen Einheit ist ihre semantische Funktion (Bezeichnungsfunktion). Semantisch
sind also die Relationen zwischen der äußeren Form und dem dargestellten Sachverhalt
oder dem geistigen Inhalt, der dem dargestellten Sachverhalt entspricht (der semantischen
Bedeutungskomponente). (Besonders in der Slavistik wird allerdings ‚semantisch’ und
‚Semantik’ auch in einem weiten Sinne gleichbedeutend für alle Funktionen der Form, die
ganze ‚Bedeutung’, den ‚Sinn’ und die ‚Bezeichnungsfunktion’ verwendet. Damit wird
der Ausdruck ‚Semantik’ in einem weiten Sinne gebraucht.)
Während die semantischen Relationen die Beziehung des sprachlichen Zeichens
zur Welt erfassen, beziehen sich die pragmatischen Relationen auf seine Beziehungen zu
Sprecher und Hörer und ihr Handeln. Denn es können mit sprachlichen Formen bestimmte
Akte vollzogen werden, z.B. kann mit Tak. ‚Ja.’ ein vorliegender Vertrag abgeschlossen
werden. Die Funktion einer Form, mit der ein Sprecher einen sozialen Akt ausführt bzw.
ausführen kann, mit der er seine Einstellung gegenüber seiner Äußerung zu erkennen gibt,
vgl. Moz˙e, przyjdzie. oder mit der er seine Einstellung zur dargestellten Sachverhalt deut-
lich macht, vgl. Janek zjadΩ az˙ pie±c´ banano´w, pragmatische Funktionen, die entsprechen-
den Bedeutungskomponenten sind pragmatisch. (In einem weiteren Sinne wird ‚pragma-
tisch’ auch für Funktionen gebraucht, die sich ergeben, wenn logische oder wahrscheinli-
che Schlüsse/Inferenzen aus gegebenen Äußerungen gemacht werden; z.B. wäre der
Schluss aus Auch ich war in Warschau, dass der oder ein Gesprächspartner in Warschau
war, oder ein möglicher Schluss aus Jan verließ das Restaurant, ohne ein Trinkgeld zu
geben, dass Jan unzufrieden mit dem Kellner war.)
1. Einleitung 21
Anfangs wurde gesagt, dass sich sprachliche Einheiten nach ihrem ‚Format’ unterscheiden,
in Abhängigkeit davon, welche Bestandteile sie enthalten können. Sprachliche Einheiten
eines oder mehrerer Formate gehören bestimmten sprachlichen Ebenen an und werden in
bestimmten linguistischen Diszplinen beschrieben. Dem entspricht in dieser Grammatik
folgende Einteilung:
Im Teil ‚Der Laut und der Buchstabe’ werden Laut, Phonem und Allophon behan-
delt. Der Teil ‚Das Wort’ enthält neben dem Elementarbereich der Morphemik (Gegens-
tand sind die Morpheme und Allomorphe unabhängig von ihrem lexikalischen oder
grammatischen Status) und einem Abschnitt über die Wortarten jeweils in einem Kapitel
zum Substantiv, Adjektiv, Pronomen, Numerale, Adverb, Verb, Auxiliar, Konjunktion,
Präposition, Partikel und Interjektion dessen lexikalische Wortbildung (soweit vorhanden)
und morphologische Kategorien, damit die Flexionen, grammatischen Derivationen und
weitere Kategorien. Im Teil ‚Der Satz’ werden die syntaktischen Kategorien der Wortfü-
gung, des Elementarsatzes und der Äußerung beschrieben.
Aufgrund der Inklusionsbeziehungen muss die Beschreibung der Einheiten eines
Formats berücksichtigen:
(a) die relevanten Funktionen der Bestandteile der Einheit: z.B. ist für die gram-
matische Beschreibung von Wortformen auch die lexikalische Bedeutung des
Wortes relevant, für die Beschreibung der syntaktischen Struktur eines Satzes
die grammatische Funktion der Morpheme;
(b) die Formen und Funktionen, die eine Einheit in der jeweiligen sprachlichen
Umgebung hat: od hat in der Umgebung od dwudziestu pie±ciu lat eine tempo-
rale Funktion und das /d/ ist stimmhaft, in der Umgebung od strony Warszawy
hat es lokale Funktion und das Phonem /d/ tritt es als stimmloses Allophon
auf.
Wenn also eine Einheit oder eine Kategorie beschrieben wird, dann wird mit der Berück-
sichtigung seiner Bestandteile auf Eigenschaften von Einheiten kleineren Formats zurück-
gegriffen und mit der Berücksichtigung seiner (möglichen) Umgebungen werden Eigen-
schaften von Einheiten größeren Formats einbezogen. Insofern hat z.B. ein Satz nicht nur
syntaktische Eigenschaften, sondern auch morphologische und lextlinguistische, der As-
pekt nicht nur morphologische, sondern auch lexikalische und syntaktische Eigenschaften.
Und so gibt es nicht nur eine Syntax des Satzes und eine Morphologie des Aspekts, son-
dern auch eine Syntax des Wortes und des grammatischen Morphems und nicht nur eine
Morphologie des Aspekts, sondern auch eine Lexik, eine Syntax und eine Textlinguistik
des Aspekts.
Der Laut und der Buchstabe
1. Phonetik
Die Phonetik (fonetyka) beschäftigt sich mit der lautlichen Seite der Sprache, indem sie 1
den Bestand der minimalen Lauteinheiten bestimmt und diese bezüglich ihrer Bildung
(Artikulation) und ihrer physikalischen Struktur (Akustik) beschreibt. Die kleinsten Laut-
einheiten mit festen artikulatorischen und akustischen Eigenschaften heißen Laute (gΩoski).
Laute, die ein durchschnittlicher Muttersprachler in einer Äußerung als identisch
empfindet, sind als funktionale Einheiten anzusehen, die über eine distinktive Kraft verfü-
gen und folglich Bedeutungen von Ausdrücken unterscheiden. Diese können wir als selbst-
ständige Laute oder als Grundlaute (gΩoski podstawowe) bezeichnen. Die Laute, die als
identisch wahrgenommen werden, können sich durch bestimmte Eigenschaften voneinan-
der unterscheiden, was im Wesentlichen durch die Laute in der Nachbarschaft bedingt ist.
In diesem Falle sprechen wir von positionsbedingten Varianten der Grundlaute.
Im Hinblick auf den Status ‚funktionale Einheit’ (jednostka funkcjonalna) oder
‚Variante’ (wariant) herrscht unter den Linguisten in einigen Fällen große Uneinigkeit.
Daher ist die Anzahl der funktionalen Lauteinheiten in den einzelnen Untersuchungen un-
terschiedlich groß (⇑Phonologie). Einige Laute sind territorial oder sozial begrenzt.
Eine wichtige Aufgabe der Phonetik besteht darin, die Regeln der Verbindbarkeit
der Laute und die Regeln der Lautveränderungen, die in Abhängigkeit von der Position
inmitten anderer Laute vor sich gehen, zu untersuchen. Die Phonetik beschreibt darüber
hinaus prosodische Eigenschaften von Lautgruppen wie ⇑Akzent und ⇑Intonation. Darüber
hinaus spielt die Beziehung von Laut und Buchstabe (= Graphem) eine Rolle. Aus prag-
matischer Sicht erlaubt die Phonetik die Formulierung von Prinzipien der korrekten Aus-
sprache (Orthophonie) und der korrekten Schreibung (Orthografie).
Die Laute werden im Folgenden mit Hilfe des Internationalen Phonetischen Al-
phabets IPA geschrieben.
a) diakritische Zeichen
– Schrägstrich über einem Buchstaben: z´, o´, n´, c´, s´.
– Punkt über einem Buchstaben: z˙
– Häkchen (Ogonek) unter einem Buchstaben: a±, e±
– Querstrich durch einen Buchstaben: Ω
Im deutschen Alphabet kommen zwei Punkte vor: ä, ö, ü
b) Buchstabenkombinationen
– aus zwei Buchstaben: cz, sz, dz, rz, ch, zi, ni, ci, si, ki, gi. Es kommen auch
kombinierte Buchstaben mit einem diakritischen Zeichen vor: dz´, dz˙. Im
Deutschen gibt es sehr viele kombinierte Buchstaben: ie, ei, eu, äu, ch, uh
und andere.
– aus drei Buchstaben: dzi. Im Deutschen: sch.
Die in anderen europäischen Sprachen vorkommenden Kombinationen aus mehr als drei
Buchstaben gibt es im Polnischen nicht, wie z.B. das deutsche tsch.
Die Buchstaben q, v und x kommen nur sehr selten vor; in der Regel handelt es
sich um Eigennamen oder wissenschaftliche Termini, die bisweilen auch eine rein polni-
sche Form aufweisen:
quasi, varia, quorum – kworum, vademecum – wademekum
Die Buchstaben q, v und x werden in der polonisierten Fassung durch kw, w und k s
(kwadrat, waluta, ksylofon) wiedergegeben.
Ein und derselbe Laut kann durch verschiedene graphematische Zeichen wieder-
gegeben werden. Die Verbindungen der Buchstaben ni, si, zi, ci und dzi in Position vor
einem Vokal haben den gleichen Lautwert wie die entsprechenden Zeichen mit Diakritika:
n´, s´, z´, c´ und dz´ am Wortauslaut oder vor einem Konsonanten. Den Buchstaben u und o´
entsprachen früher verschiedene Laute, heute sind sie zusammengefallen. Das gleiche gilt
für die Paare rz – z˙ und ch – h. Ein und derselbe Laut kann mit den Graphemen j oder i, in
einigen Fremdwörtern auch y wiedergegeben werden: jest, wieje, yeti. Das Phänomen, das
ein Laut durch verschiedene Grapheme repräsentiert wird, ist in der deutschen Orthografie
weit verbreitet: Stein, Schuhe, Chance oder wichtig, Variable.
Als nächste sei die umgekehrte Beziehung von Laut und Graphem genannt: ein
Graphem kann für mehrere Laute stehen. In den Wörtern zupa und autor steht der Buch-
stabe u für zwei verschiedene Laute. Das gleiche gilt für den Buchstaben b in baba vs.
dro´b. Diese Polyfunktionalität einzelner Buchstaben ist im Deutschen noch stärker ausge-
bildet; man vergleiche nur die Lautgestalt hinter folgenden Verwendungen des Buchsta-
bens e: elf, eben, Rabe.
Es gibt Laute, für die überhaupt keine graphemischen Entsprechungen existieren.
Im Polnischen und Deutschen gilt dies für den Laut [N] in den Wörtern Bank – bank (Wei-
teres zur ⇑Orthografie).
1.1. Laut und Buchstabe. Das Internationale Phonetische Alphabet 27
Die Einteilung der Laute basiert auf einer Reihe von artikulatorischen Kriterien, die sich
auf die Bildung der Laute durch die Artikulationsorgane beziehen. Diese Kriterien sind
nicht objektiv existent, da sie auf Wahrnehmung beruhen.
30 1. Phonetik
1.2.2. Vokale
5
Als Vokale (samogΩoski) bezeichnen wir diejenigen Laute, die bei einem maximalen Öff-
nungsgrad entstehen. Hierbei trifft der Luftstrom auf keinen Widerstand im Ansatzrohr.
Das Polnische hat die Vokale:
[Å], [C], [™], [u], [¥], [i]
Die Vokale lassen sich nach mehreren Merkmalen einteilen:
• nach der Lippenstellung
– gerundete (zaokra±glone) – [C] [u]
– nichtgerundete (pΩaskie) – [™] [¥] [i]
– neutrale (oboje±tne) – [Å]
• nach der Horizontallage der Zunge
– vordere (przednie) – [™] [¥] [i]
– hintere (tylne) – [C] [u]
– zentrale (s´rodkowe) – [Å]
32 1. Phonetik
i
u (wird neu gemacht)
¥
C
™
Å
oder ein Viereck
Diese Darstellung beruht auf ‚Fonetyka i fonologia’ 1995.
In dieser Darstellung stehen die großen fettgedruckten Zeichen – z.B. Å für die polnischen
Vokale und die kleinen Zeichen wie – Å – für die Grundlaute nach dem Internationalen
Phonetischen Alphabet.
i (wird neu gemacht)
i
u
e ¥ u
o
™
™ C
C
a Å
Å
Unter den vorderen Vokalen nimmt [¥] eine Sonderstellung ein, die man zurückgezogen
oder zentralisiert bezeichnen kann.
Traditionell wird neben diesen Lauten eine Gruppe von Vokalen hervorgehoben,
die unter Beteiligung des Nasenraums gebildet werden. Dies sind die Nasale (samogΩoski
nosowe):
[™˜] [C˜] und [i˜] [¥˜] [Ř] [u˜]
1.2. Klassifikation der polnischen Grundlaute 33
Im Vergleich zum deutschen Vokalsystem, das 15 verschiedene Vokale umfasst, ist das
polnische relativ einfach. Im Polnischen gibt es keine Unterscheidung von kurzen und lan-
gen bzw. offenen und geschlossenen Vokalen wie in den Paaren: Ofen – offen, Maße –
Masse. Im Gegensatz zum Deutschen gibt es keine gerundeten vorderen Vokale wie in
Lüge und Vögel. Dafür sind dem Deutschen der Laut [¥] und die Nasale unbekannt.
1.2.3. Halbvokale 6
Einen Zwischenbereich zwischen Vokal und Konsonant nehmen die Halbvokale/Gleitlaute
(po´ΩsamogΩoski/glajdy) – auch als nichtsilbenbildende Vokale bezeichnet – ein:
[j] [w]
1.2.4. Konsonanten
7
Als Konsonanten (spo´ΩgΩoski) bezeichnen wir die Laute, die bei einem Widerstand im Arti-
kulationsraum entstehen.
Einen relativ hohen Öffnungsgrad der Artikulationsorgane haben die halboffenen
Konsonanten, auch Sonanten genannt:
[l] [r] [m] [n] [∆] [N] und – territorial und sozial begrenzt – [Ω]
Den niedrigsten Öffnungsgrad haben die Obstruenten:
[b] [p] [v] [f] [d⁄z] [t⁄s] [d] [t] [z] [s] [d⁄Z] [t⁄∫] [3] [∫] [Ω] [©] [d⁄Ω] [t⁄©] [F] [ç] [c] [g] [k]
[√] [x]
Die Sonanten lassen sich weiter einteilen in Abhängigkeit davon, ob der Luftstrom durch
den Mund- oder den Nasenraum entweicht.
• Orale (ustne) [l] [r] [Ω]
• Nasale (nosowe) [m] [n] [∆] [N]
Die Oralen werden nach ihrer Artikulationsweise auch Liquide (pΩynne) genannt. Diese
teilen sich in:
• Laterale (boczne) [l] [Ω]
• Vibranten (drz˙a±ce) [r]
Ein wichtiges Kriterium zur Klassifikation von Konsonanten ist die Artikulationsstelle
(miejsce artykulacji). Einerseits können wir die Artikulationsstelle benennen, die bei der
Lautbildung passiv bleibt und/oder sich im oberen Mundraum befindet: die oberen vorde-
ren Zähne, die Zahntaschen und das Palatum. Andererseits unterscheiden wir folgende
bewegliche Artikulationsorgane: Lippen, Zungenspitze, Vorderzunge, Mittelzunge und
Hinterzunge und das Velum. In der vorliegenden Darstellung ist der Ort der unbeweglichen
Artikulationsorgane ausschlaggebend; eine kleine Einschränkung gilt für die Labialen.
34 1. Phonetik
• zentrale [f] [v] [s] [z] [t⁄s] [d⁄z] [t⁄∫] [d⁄Z] [p] [b] [t] [d] [m] [n] [r] [l]
• vordere [©] [Ω] [t⁄©] [d⁄Ω] [∆] [c] [ç]
• hintere [k] [g] [x] [√] [N]
Die Konsonanten der vorderen Reihe zählen zu den palatalen oder weichen (mie±kkie)
Lauten; d.h. das Palatum (Prä- oder Postpalatum) bildet ihre Hauptartikulationsstelle. Die
Konsonanten aus den anderen beiden Reihen werden in der polnischen Phonetik ‚hart’
(twarde) genannt.
Neben ihnen unterscheidet man palatalisierte (zmie±kczone) Konsonanten, für die
das Palatum eine zusätzliche Artikulationsstelle bildet. Dies sind vor allem die bilabialen
und labiodentalen Konsonanten:
[p≤], [b≤], [f≤], [v≤], [m≤]
Ihr funktionaler Status wird in der Linguistik unterschiedlich bewertet: Hauptlaut vs. Vari-
ante eines Hauptlauts.
Als palatalisierte betrachtet man auch folgende dentale und alveolare Konsonan-
ten:
[t≤], [d≤], [s≤], [z≤], [∫≤], [3≤], [t⁄s≤], [d⁄z≤], [t⁄∫≤], [d⁄Z≤]
Die übrigen Konsonanten gelten als nichtpalatal bzw. als hart.
Neben dem Merkmal ‚phonetisch palatal’ wirkt bei einigen Konsonanten nach,
dass sie in ihrer Vorgeschichte einmal palatal gewesen sind. Diese phonetisch harten Kon-
sonanten verhalten sich morphologisch genauso wie weiche. Sie ersetzen nichtpalatalisierte
Laute bei Alternationen des Stamms oder erfordern Endungen wie die palatalen Konso-
nanten. Solche Konsonanten heißen historisch oder funktional palatal (historycznie lub
funkcjonalnie mie±kkie):
[t⁄s] [d⁄z] [t⁄∫] [d⁄Z] [∫] [3]
Im Gegensatz zu den Vokalen ergibt ein Vergleich des polnischen Konsonantensystems
mit dem deutschen eine sehr viel höhere Anzahl an polnischen Konsonanten. Dem Deut-
schen fehlen folgende Laute:
[c] [F] [©] [Ω] [t⁄©] [d⁄Ω] [d⁄z] [d⁄Z] [∆] [w]
Demgegenüber verfügt das Polnische nicht über den Hauchlaut [h] wie in Haus und den
Glottalverschluss (wste±pne zwarcie krtani) [$] in dem Paar vereisen – verreisen.
36 1. Phonetik
8 1.3.1. Vokale
9 a) Die Nasalvokale
Nasalität entsteht durch eine mehr oder weniger starke Senkung des Velums, wodurch der
Luftstrom gleichfalls durch den Nasenraum entweicht. Im Polnischen wird von manchen
Linguisten (z.B. Szober 1931) jenen Vokalen Nasalität zugesprochen, die vor den Konso-
nanten [n] und [m] auftreten, wenn auf diese ein Frikativ folgt. Dies kommt in entlehnten
Ausdrücken vor: pensja – emfaza, koncha – komfort, instynkt – nimfa, rynsztok – symfonia,
kwadrans – tramwaj, kunszt – tryumf. In dieser Umgebung könnten die Nasale [Ř], [C˜], [™˜],
[u˜], [¥˜] und [i˜] als Positionsvarianten der entsprechenden nichtnasalen Vokale interpretiert
werden. Diesen entsprechen keine eigenständigen Grapheme.
Die Grapheme e± und a± stehen nicht immer für nasale Vokale. Vor plosiven und af-
frikaten Konsonanten stehen sie für eine Verbindung von zwei Lauten:
• [™m], [Cm] vor Bilabialen: ze±by, za±b
• [™n], [Cn] vor Dentalen: rze±dy, rza±d, wie±c, gora±co
• [™∆], [C∆] vor Palatalen: be±dzie, ba±dz´
• [™N], [CN] vor Velaren: re±ka, ra±k
Ähnliches gilt für die Sonanten [l], [Ω] sowie für den Halbvokal [w], bei denen die Buchsta-
ben e± und a± von der Mehrheit der polnischen Sprecher als [™] bzw. [C] gesprochen wird:
wypocze±lis´my, zacze±Ωo sie±, zaja±Ωem sie±.
Der Status der durch die Buchstaben e± und a± wiedergegebenen Vokale vor Frikati-
ven (cze±sto, wa±z˙) und im Auslaut (mo´wie±, mo´wia±) wird in der Linguistik unterschiedlich
behandelt. Viele Wissenschaftler, darunter die Autoren des Aussprachewörterbuchs
‚SΩownik wymowy polskiej’ (1977), sind der Auffassung, dass vor frikativen Konsonanten
immer die Monophtonge [™˜] und [C˜] ausgesprochen werden. Das gleiche gilt für die Aus-
sprache am Wortauslaut, wobei die Nasalität von [™˜] abgeschwächt wird wie in jade± ulica±.
Die Autoren, die diese Position vertreten, sind außerdem der Meinung, dass die Öffnung
des Nasenraums erst nach der Artikulation im Mundraum eintritt und bezeichnen die Aus-
sprache der Nasale als asynchronisch. Andere Sprachwissenschaftler – z.B. die Autorinnen
der ‚Fonetyka i fonologia’ (1995) – gehen unter Berufung auf auditive und akustische
Tests davon aus, dass die Laute, denen die Buchstaben e± und a± vor frikativen Konsonanten
und vor Pausen entsprechen, aus zwei oder drei Lautsegmenten bestehen. In den aus zwei
Segmenten bestehenden Strukturen (meist vor Frikativen) wird das erste Element von [™]
bzw. [C] gebildet und das zweite von einem Laut, den man als frikativen nasalen Hinter-
zungensonanten oder als hohen hinteren nichtlabialen Halbvokal [M˜] beschreiben kann. In
den aus drei Segmenten bestehenden Strukturen (meist im Auslaut) erscheint in der Mitte
nasaliertes [™˜] bzw. [C˜]. Am Auslaut können nicht nasaliertes [™] bzw. [C] stehen, im Falle
von e± kann [™] als einziges Segment auftreten.
40 1. Phonetik
Nach diesem Verständnis werden die Gruppen en, on, em, om, in, im, yn, ym, an,
am, un, um vor Frikativen in Fremdwörtern als der Schreibung entsprechende Verbindun-
gen von Lauten aufgefasst oder als Verbindung von [™] bzw. [C] mit den frikativen Varian-
ten der nasalen Sonanten.
Die Unterschiede in der Aussprache der Nasale vor Frikativen und im Auslaut rüh-
ren her von der starken Tendenz des Polnischen zur Denasalierung, also zum Abbau der
nasalen Vokale. Einige Sprecher sprechen sie nasal aus. Eine bestimmte Sprechergruppe
betrachtet die Nasalität als Zeichen der sprachlichen Korrektheit und bemüht sich die Na-
sale in allen Lautkontexten auszusprechen, was als Hyperkorrektheit anzusehen ist. Zu
einer deutlichen nasalen Aussprache fühlen sich manche Sprecher durch das Vorhanden-
sein der beiden ursprünglich auf Nasalität spezialisierten Buchstaben geneigt. In der Aus-
sprache vieler polnischer Muttersprachler werden jedoch die durch die Buchstaben e± und a±
markierten Laute unabhängig von der lautlichen Umgebung als bisegmental realisiert.
1.3.2. Halbvokale 11
13
a) Bilabiale
14 b) Labiodentale
15 c) Dentale
Der Luftstrom versetzt die
Stimmlippen in Schwingun-
[d]
gen. Er bewegt sich durch
den Mundraum, wo er auf
einen durch die Zungen-
spitze und die oberen Vor-
derzähnen gebildeten Ver-
schluss trifft. Dieser Ver-
schluss wird explosionsartig
gelöst. Dem Konsonanten
[d] entspricht der Buchstabe
d. Das deutsche Lautäqui-
valent ist weniger stimmhaft.
d) Alveolare 16
e) Präpalatale 17
[©]
Der Konsonant [©] gehört zu
den Frikativen. Er wird im
Mundraum und ohne Betei-
ligung der Stimmlippen
gebildet. Die Enge ensteht
zwischen dem mittleren Teil
der Zunge und dem Palatum.
Durch eine starke Anhebung
der Mitte der Zunge zum
Palatum zieht sich der hinte-
re Teil der Zunge von der
hinteren Wand des Rachen-
raums zurück. Dem Laut [©]
entspricht vor Konsonanten
und am Auslaut der Buch-
stabe s´: s´rodek, wies´; vor
den Vokalen a, o, e und u
tritt si auf: siano, siodΩo,
sien´, siusiu; wenn der fol-
gende Buchstabe i für den
Vokal [i] steht, wird nur s
geschrieben: siwy; am Aus-
laut und vor stimmlosen
Konsonanten steht hingegen
auch z´: wez´, wez´cie. D e m
deutschen Lautsystem ist [©]
fremd.
1.3. Beschreibung der Artikulation der einzelnen Laute 59
f) Postpalatale
18
g) Velare 19
41
20
3. Phonologie
21
Die Phonologie (fonologia) beschäftigt sich genau wie die Phonetik mit der lautlichen phy-
sikalischen Seite der Sprache. Im Gegensatz zur Phonetik interessiert sie sich jedoch aus-
schließlich für jene artikulatorischen und akustischen Eigenschaften von Lauten, die die
Funktion der Übermittlung von Information und in der Regel zugleich die der Unterschei-
dung von Bedeutungen haben.
Die funktional relevanten, also die bedeutungsunterscheidenden, Eigenschaften
werden in der Phonologie als distinktive Merkmale bezeichnet. Jedes dieser Merkmale
kann drei Werte annehmen: + oder – oder Ø. Der dritte Wert ‚null’ besagt, dass das Merk-
mal funktional nicht relevant ist. Auf diese Art und Weise bilden sie elementare phonologi-
sche Oppositionen, deren Basis ein Merkmal ist.
Distinktive Merkmale können als die kleinsten sprachlichen Einheiten angesehen
werden. Das Phonem als der zentrale Begriff der Phonologie stellt eine abstrahierte Menge
distinktiver Merkmale dar. (Ein Phonem kann auch als kleinste sprachliche Einheit angese-
hen werden, deren Attribute von den distinktiven Merkmalen gebildet werden.)
Die distinktiven Merkmale können nach dem Grad der Spezifizität der von der op-
positiven bzw. sich ausschließenden Klassen oder Unterklassen von Phonemen hierarchi-
siert werden. Der Aufbau der distinktiven Merkmale und ihre Hierarchie bilden das pho-
nologische System einer Sprache, in dem ein und dasselbe Merkmal nicht für jedes Pho-
nem relevant ist.
Die lautlichen Realisierungen des Phonems heißen in der Phonologie Allophone
oder Varianten eines Phonems. Wenn das Auftreten eines konkreten Allophons phonolo-
gisch von der Umgebung abhängt, sprechen wir von kombinatorischen oder von Positions-
varianten. Hängt die Form des Allophons hingegen nicht von der Umgebung ab, liegen
fakultative Varianten eines Phonems vor. In diesem Sinne werden einzelne Laute, die in
der Phonetik aufgeführt wurden, als Varianten anderer Laute angesehen.
Neuere Beschreibungen des polnischen phonologischen Systems berücksichtigen
zwölf (Laskowski 1992, 1993) oder 23 (Sawicka 1995) distinktive Merkmale und die ent-
sprechenden phonologischen Oppositionen. Unter den 23 Oppositionen Sawickas sind
jedoch fünf mit redundanten Merkmalen und drei mit leeren Segmenten, sog. Junkturen.
Beide Beschreibungen sind sich unabhängig von abweichender Terminologie im Fall der
ersten vier Merkmale der unteren Liste einig. Die übrigen sind das Resultat unterschiedli-
cher Blickwinkel und methodischer Herangehensweise.
Das unten aufgeführte Inventar distinktiver Merkmale des Polnischen ist der Ver-
such, die in früheren Untersuchungen herausgearbeiteten Merkmale auf der Grundlage der
66 3. Phonologie
im Kapitel Phonetik genannten Kriterien und Terminologie von neuem zu ordnen. Im In-
ventar finden sich:
1. ±vokalisch: Fehlen eines durch die Artikulationsorgane gebildeten Hindernisses
Dieses Merkmal ermöglicht die Unterscheidung von vokalischen und konsonantischen
Phonemen
2. ±silbisch: Fehlen einer starken Verengung in den Artikulationsorganen
Dieses Merkmal dient zur Bestimmung eigentlicher oder vollständiger Konsonanten. Es
wird auch als Silbenhaftigkeit bezeichnet. Artikulatorisch handelt es sich um eine starke
Verengung des Stimmkanals im Vergleich zu den Sonanten oder um eine artikulator-
sche Veränderlichkeit im Vergleich zu eigentlichen Konsonanten. Das Merkmal ist
wichtig in der Klasse der konsonantischen Phoneme und erlaubt eigentliche Vokale
(+silbisch) von Halbvokalen (–silbisch) zu unterscheiden.
3. ±halboffen
Eine andere Bezeichnung ist ‚Sonorität’. Artikulatorisch liegt ein recht hoher Öff-
nungsgrad des Stimmkanals vor. Dieses Merkmal spielt bei den Konsonanten eine
Rolle, indem es Sonanten (+halboffen) und Obstruenten (–halboffen) unterscheidet.
4. ±nasal
Nasalität bezeichnet den Anteil des Nasenraums bei der Artikulation. Sie spielt aus-
schließlich bei den Sonanten eine Rolle und grenzt Nasale (+nasal) von Liquiden
(–nasal) ab.
5. ±lateral
Dieses Merkmal spielt nur bei den Liquiden eine Rolle, die es in Laterale (+lateral) und
Vibranten (–lateral) einteilt.
6. ±zentral
Das Merkmal (± zentral) bezieht sich auf die horizontale Lage der Zungenmasse. Es ist
relevant für die Abgrenzung von /Å/ (+zentral) von allen anderen vokalischen Phone-
men (–zentral). Im letzteren Falle ist das Merkmal redundant.
7. ±nichthoch
Dieses Merkmal, das die Lage der Zungenmasse in der Senkrechten betrifft, ermöglicht
eine Differenzierung von hohen (–nichthoch) und mittleren bzw. niedrigen (beide
+nichthoch) Vokalen. Außerdem tritt es im Falle der nasalen Sonanten und Ob-
struenten auf. In beiden Gruppen haben die Palatalen und Velaren das Merkmal
(–nichthoch) im Gegensatz zu den anderen nasalen Sonanten und Obstruenten (+nicht-
hoch).
1.3. Beschreibung der Artikulation der einzelnen Laute 67
8. ±labial
Labialität hat mit der Artikulationsstelle der Lippen zu tun. Auf der Basis dieses Merk-
mals können wir die Labialen (+labial) von den Phonemen mit anderer Artikulations-
stelle (–labial) abheben. Es wirkt auch bei den Halbvokalen und den Sonanten und
Obstruenten, die mit nichthoher Lage der Zungenmasse gebildet werden.
9. ±dental
Unter den Obstruenten, die nicht an den Lippen gebildet werden, lassen sich Dentale
(+dental) und Alveolare (–dental) unterscheiden.
10. ±vordere (palatal)
Wie (±zentral) bezieht sich dieses Merkmal auf die horizontale Lage der Zungenmasse.
Es ist distinktiv bei den vokalischen Phonemen außer bei /Å/, das phonologisch durch
(+zentral) gekennzeichnet ist, und unterteilt diese in vordere (+vordere) und hintere
(–vordere) Vokale. Phonologisch (+vordere) sind gleichermaßen alle palatalen Phone-
me (+vordere) in Opposition zu den hinteren Velaren (–vordere).
11. ±präpalatal
Das Merkmal (±präpalatal), das als Artikulationsstelle den vorderen Teil des Gaumens
angibt, teilt die palatalen Obstruenten in präpalatale (+präpalatal) und postpalatale
(–präpalatal).
12. ±zentralisiert
Dieses von Sawicka in das Inventar eingeführte Merkmal bezeichnet im Falle des Pho-
nems /¥/ die im Vergleich zu /i/ leichte Bewegung nach hinten bei gleichzeitigem
leichten Absenken. ‚± zentralisiert’ ist für die Abgrenzung dieser Phoneme wichtig: /¥/
(+zentralisiert) und /i/ (–zentralisiert).
13. ±plosiv
Dieses Merkmal ist relevant für alle Obstruenten und unterteilt die Phoneme in Plosive
(+plosiv) und in solche mit anderer Artikulationsart (–plosiv). Die Obstruenten
(–plosiv) sind Frikative, soweit sie nicht der Opposition (± affrikativ) unterliegen.
14. ±affrikativ
Dieses Merkmal besitzen die Phoneme der Obstruenten mit dem Merkmal (–plosiv), die
über zwei Artikulationsarten verfügen. Der Wert (+affrikativ) zeigt die Artikulationsart
(affrikativ) im Gegensatz zum Wert (–affrikativ), das für Frikativität steht.
15. ±stimmhaft
(±stimmhaft) ist ein distinktives Merkmal aller Obstruenten außer /ç/ und /x/, deren
stimmhaften Pendants nicht als Phoneme zu werten sind.
Auf der Basis dieser Merkmale lässt sich das phonologische System des Polnischen einmal
als Matrix und einmal als Baumdiagramm darstellen.
68 3. Phonologie
1.3. Beschreibung der Artikulation der einzelnen Laute 69
70 3. Phonologie
Die hier vertretene Auffassung ist als relativ anzusehen und bestreitet keinesfalls
die Korrektheit anderer Ansätze. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass das phonologische
System des heutigen Polnischen nicht einheitlich ist und sich in Bewegung befindet.
Als eigenständige Phoneme werden /i/ und /¥/ aufgefasst. Konsequenterweise gel-
ten alle palatalisierten Konsonanten als Varianten der nichtpalalatisierten Phoneme, wes-
halb (± palatalisiert) nicht zu den distinktiven Merkmalen zählt. Ausdrücke wie pyΩ und piΩ
– ausgesprochen als [p¥w] und [p≤iw] – werden phonologisch als /p¥w/ und /piw/ analysiert.
Würde man alternativ den Laut [¥] als kombinatorische Variante von [i] ansehen, könnten
die bilabialen, labiodentalen und dentalen Konsonanten mit zusätzlicher Palatalisierung als
eigenständige Phoneme angesehen werden.
Das Fehlen der palatalisierten bilabialen, labiodentalen und dentalen Konsonanten
im Phoneminventar bringt es mit sich, dass Wortpaare wie pasek – piasek, wesz – wiesz,
tara – tiara phonologisch analysiert werden als /pÅs™k/ – /pjÅs™k/, /v™∫/ – /vj™∫/, /tÅrÅ/ –
/tjÅrÅ/. Bei Aufnahme der palatalisierten Konsonanten in das Phoneminventar käme man
zu einer anderen phonologischen Umschrift, nämlich /pÅs™k/ – /p≤Ås™k/, /v™∫/ – /v≤™∫/, /tÅrÅ/
– /t≤ÅrÅ/.
Unter den Vokalen werden die Nasale [™˜] und [C˜] nicht als eigene Phoneme ange-
sehen. Dies hängt mit der Ansicht zusammen, dass die den Buchstaben e± und a± entspre-
chenden Laute in allen phonetischen Positionen biphonematisch realisiert werden (vgl.
Fonetyka i fonologia 1995). Vor Plosiven und Affrikaten sind dies folgende Konsonanten-
gruppen: /Cm/ und /™m/ vor Bilabialen, /Cn/ und /™n/ vor Dentalen, /C∆ / und /™∆/ vor Präpa-
latalen und /CÑ/ und /™Ñ/ vor Postpalatalen und Velaren. Vor Frikativen sind dies /CN/ und
/™N/, wobei im Auslaut statt /™N/ auch /™/ stehen kann. In beiden Fällen ist das Allophon für
/N/ der Laut [M˜].
Viele Beschreibungen des polnischen Phonemsystems enthalten die nasalen Pho-
neme /™˜/ und /C˜/, wenn diese Laute vor Frikativen und am Auslaut auftreten. Eine andere
ebenfalls biphonematische Analyse der Nasalvokale schlägt M. Sπwidzin´ski (1997) vor,
indem er das Nasalphonem [w˜] in das Phoneminventar einführt. Dieses tritt als zweites
Element nach den Allophonen [™] und [C] in den Gruppen /™˜w˜/ und /C˜w˜/ auf. In dieser Po-
sition können außerdem Allophone der Phoneme /m/, /n/, /∆/ und /Ñ/ auftreten. Vor Frikati-
ven würde nach Sπwidzin´ski ein Allophon der als nasalisierte Enge aufgefassten, reinen
Nasalität /~/ vorliegen.
Im Inventar der Phoneme fehlen /√/, /√≤/ und /Ω/, da sie zwar in Dialekten, im Stan-
dardpolnischen jedoch kaum vorkommen. Folglich betrifft die Opposition (± stimmhaft)
unter den Obstruenten nicht die Phoneme /x/ und /ç/.
Aufgenommen in das Inventar wurden jedoch die postpalatalen Konsonanten /c/,
/F/ und /ç/, obwohl sie weitgehenden Distributionsbeschränkungen unterliegen. Dies ge-
schieht mit Hinblick auf die fehlende Austauschbarkeit der Gruppen [k™], [g™], [x™], [c™],
[F™], [ç™], [cj™], [Fj™] und [çj™] in der Standardsprache. Andere Linguisten sehen [ç] als Po-
sitionsvariante des Phonems /x/ an.
3. Distribution und Kombinatorik
22
(Dystrybucja i kombinatoryka) In der Sprache treten die einzelnen Laute fast immer in
Begleitung weiterer Laute auf. Diese Kontexte sind nicht beliebig, sondern unterliegen
weitgehenden Beschränkungen.
Die Distribution eines Lauts ist die Menge der Umgebungen bzw. Kontexte, in de-
nen dieser Laut auftreten kann; anders ausgedrückt: die Menge der möglichen Verbindun-
gen mit anderen Lauten und die Position, die der Laut in solchen Strukturen wie Silbe,
Morphem und Akzenteinheit einnehmen kann. Die Position zu Beginn dieser Komplexe
heißt ‚Anlaut’ (nagΩos), in der Mitte ‚Inlaut’ (s´rodgΩos) und am Ende ‚Auslaut’ (wygΩos).
Der Anlaut nach einer akustischen Pause und der Auslaut vor einer solchen Pause werden
als absolut bezeichnet. Die Verbindungen mit anderen Lauten kommen auch an Wortgren-
zen vor.
Die Kombinatorik beschäftigt sich mit der Beschreibung der Kontexte, bzw. der
Verbindungen mit anderen Lauten und der Positionen im Komplex, in denen es während
des Sprechens zur Entstehung von Varianten kommt.
Bei den Vokalen kommen folgende kombinatorische Alternationen vor:
• Dehnung der Aussprache
• Verlagerung nach vorn und nach oben
• Nasalierung
• Reduktion
Bei den Konsonanten:
• Verlust der Stimmhaftigkeit im Auslaut
• Assimilation (progressiv oder regressiv)
– im Hinblick auf Stimmhaftigkeit
– im Hinblick auf die Artikulationsstelle
– im Hinblick auf die Artikulationsart
Assimilation bezeichnet eine Änderung in der Artikulation eines Lautes, die auf dessen
teilweiser Anpassung an folgende Laute (in diesem Fall sprechen wir von progressiver
Assimilation) oder an vorhergehende Laute (regressive Assimilation) beruht. Wenn sich
der Laut vollständig angleicht, entsteht ein Geminat. Die progressive Assimilation ist im
Polnischen auf historisch abgeschlossene Prozesse beschränkt. Die heute produktiven As-
similationserscheinungen sind immer regressiv.
72 3. Distribution und Kombinatorik
23
3.1. Kombinatorik der Vokale
a) Die Vokale [Å], [C], [u], [™], [¥] und [i] können vor allen Konsonanten auftreten. Be-
schränkt ist jedoch ihr Vorkommen nach Konsonanten (⇑Kombinatorik der Konsonan-
ten). Die Vokale [Å], [C], [u], [™], [¥] und [i] erscheinen im Anlaut, Inlaut und Auslaut.
Die Anzahl der Ausdrücke mit einem vokalischen Anlaut ist relativ klein; außer bei [u]
handelt es sich meist um Wörter fremder Herkunft. Der Laut [¥] tritt nicht im Anlaut auf;
Ausnahme: der Name des griechischen Buchstaben Y – ypsylon.
b) Die Nasalvokale – mit den Buchstaben e± und a± geschrieben – treten niemals im Anlaut
auf. Die Nasalvokale sind vor Frikativen obligatorisch, im Auslaut fakultativ (⇑Aus-
sprache der Nasale). Von den anderen Nasalvokalen werden die nasalen Varianten [Å]
und [i] bisweilen im Auslaut und Inlaut gesprochen (ambaras, instynkt, kampania, win-
da), die nasalen Varianten von [u] und [¥] kommen nur im Inlaut vor (tryumf, ryngraf).
Keiner dieser Laute kann im Auslaut stehen.
c) In der polnischen Wortstruktur können Vokale neben anderen Vokalen stehen (aorta,
zaorac´, zaimek, na szyi). Kombinationen von mehr als drei Vokalen zählen zu den ab-
soluten Ausnahmen. Sehr selten sind Kombinationen mit dem Vokal [i]. Die Verbin-
dungen [Å™], [CÅ], [C™], [¥i] und [™Å] in den Lehnwörtern aerodynamika, toaleta, wyizo-
lowany, poeta, Beata und [ÅC], [Åu], [Cu] in den einheimischen Ausdrücken naoczny,
nauczyc´, pouczac´, zaimek können die beiden Vokale recht klar voneinander getrennt
werden. Diese Kombinationen treten bei Lehnwörtern nur im Anlaut und Inlaut, bei ein-
heimischen Wörtern nur im Inlaut auf. Die grafischen Verbindungen eu und au werden
als Kombination eines Vokals mit einem Halbvokal ausgesprochen: [™w] (Europa) [Åw]
(auto). Die gleiche Buchstabenverbindung wird im Inlaut unabhängig von der Herkunft
des Ausdrucks als zwei unabhängige Vokale ausgesprochen (nauka, liceum).
3.2. Kombinatorische Alternationen der Vokale 73
a) Halbvokale
[j] tritt vor allen Vokalen auf außer vor [¥]. Der Laut kann in allen Positionen eines Aus-
drucks stehen, immer in unmittelbarer Nachbarschaft von Vokalen (jajko, daj). Ausge-
schlossen ist [j] hingegen in Konsonantengruppen zwischen zwei Konsonanten und als
letztes Element im Auslaut. Gleichermaßen ausgeschlossen ist die Stellung nach Präpala-
talen und nach [w].
[w] kann in allen Positionen auftreten (Ωyz˙ka, buΩka, daΩ). Vor [i] tritt er nicht auf.
b) Sonanten
[m] und [n] sind in allen Positionen im Wort möglich (mamy, na manez˙u, dam, pan, nie).
[m] und [n] treten im Anlaut und Inlaut auf vor Vokalen außer [i] und [j], [∆] kommt vor
allen Vokalen außer [¥] vor.
Vor [i] und [j] kommt nur das palatalisierte [m≤] vor (mis´, chemia).
[N] wird nur im Inlaut vor [k] und [g] (bank, gang), auch in den Buchstabenkombinationen
e±k, a±k, e±g, a±g gesprochen (wdzie±k, ba±k, wste±ga, dra±g). Der Laut findet sich auch im Auslaut
74 3. Distribution und Kombinatorik
als letztes Segment der mit den Buchstaben e± und a± markierten Lautkombination. Vor den
Postpalatalen [c] und [F] erscheint die Variante [N≤] (ba±ki, wste±gi).
[l] kann in allen Positionen des Worts und vor allen Vokalen außer [i] und [¥] auftreten (los,
lalka, belka, wilk, z˙al). Ausgeschlossen ist es auch vor [j]. Vor [i] und [j] steht immer [l≤].
Die Distribution des Dentalen [Ω] ist die gleiche, nur dass dieser Laut auch vor [¥] stehen
kann.
[r] kann in allen Positionen des Worts und vor allen Vokalen außer [i] auftreten. Vor [j]
steht es nicht. In beiden Positionen steht das palatalisierte [r≤] (riposta, wariat).
Im Inlaut können alle Sonanten außer [∆] und [N] in geminierter Form stehen (gamma,
panna, willa, JagieΩΩo, kontrreformacja). Sehr selten sind diese Geminate im Auslaut (meΩΩ,
fontann). Geminierten Sonanten – außer [N] – begegnet man auch an der Grenze zwischen
zwei Ausdrücken (dom Marii, pan nasz, len´ nie pracuje, car ruski). Am häufigsten ist die
Verbindung nn, die als ein Laut mit verlängertem Verschluss ausgesprochen wird.
c) Obstruenten
Die eigentlichen Konsonanten, also die Obstruenten, können in allen Wortpositionen aus-
gesprochen werden, wobei am absoluten Auslaut nur stimmlose Obstruenten auftauchen
können.
Die Plosiven [p], [b], [t], [d], [k] und [g] können im Anlaut und im Inlaut vor allen Voka-
len außer vor [i] stehen. Sie stehen nicht vor [j]. Vor [i] und [j] treten die palatalisierten
Laute auf [p≤] ,[b≤], [t≤], [d≤], [c] und [F] auf (pijak, Ωapie, biwak, skubie, tik, tartinka, dia-
ment, radio, kisiel, jasko´Ωki, gimnastyka, piegi), welche ihrerseits wieder vor [¥] ausge-
schlossen sind. [k] und [g] verbinden sich in einheimischen Ausdrücken nicht mit [¥]. Diese
Verbindung finden wir nur in ganz wenigen Lehnwörtern und ausschließlich im Anlaut
(kynolog, gyros).
Die Distributionsregeln, die die Verbindungen der Laute [i] und [j] im An- und Inlaut re-
geln, gelten auch für die frikativen Obstruenten [f], [v], [s], [z], [∫], [Z], [x], [√] und die
Affrikate [t⁄s], [dz], [t∫] und [dZ]. Vor [i] und [j] werden ihre palatalisierten bzw. postpala-
telen Äquivalente [f≤], [v≤], [s≤], [z≤], [∫≤], [Z≤], [ç] und [√≤] gesprochen (filolog, trafika, wino,
odwioza±, sinus, cosinus, zirytowac´ sie±, Raszid, z˙igolak, historia). Die palatalisierten Affri-
kate [ts≤], [t∫≤] und [dZ≤] sind selten (racja, chilijski, dz˙insy). Die Variante [dz≤] tritt weder
im An- noch im Inlaut auf. Die erwähnten palatalisierten Frikative und Affrikative stehen
nicht vor [¥].
Vor [¥] sind gleichermaßen die Frikative [©], [Ω] sowie die Affrikate [t©] und [dΩ] ausge-
schlossen.
Geminaten begegnet man im Anlaut und vor allem im Inlaut (motto, poddany, lekko, ssak,
wyssac´, dz˙dz˙ownica, uczcze±). Außerdem treten sie zwischen zwei Wörtern auf (chΩop pol-
3.4. Konsonantengruppen 75
ski, pod tablica±, wrak kra± z ˙ o wnika, plac cesarski, dach chaty). Die Doppelung von
Obstruenten kann auch von Assimilationsprozessen ausgelöst werden.
3.4. Konsonantengruppen
26
Die Anhäufung von Konsonanten ist für das Polnische recht typisch und bereitet dem deut-
schen Lerner große Schwierigkeiten, nicht nur wegen der Laute, die dem Deutschen fremd
sind, sondern auch wegen der ungewöhnlicher Kombination übereinstimmender Laute
(pstry, sklep, schludny, ksztaΩt, wzbraniac´, szkliwo, mglisty, mkna±c´, brzda±c).
In Konsonantengruppen können Konsonanten nebeneinander stehen, die die gleiche (plosiv
kpic´, ktos´, frikativ wszystko, wzajemnie, affrikativ czcic´) oder eine andere Artikulationsart
haben (stac´, sklep, stworzyc´, zdrowy). Manchmal haben sie die gleiche Artikulationsstelle
(szczyt), meist jedoch unterschiedliche (ktos´, ptak).
Konsonantengruppen kommen in allen Positionen des Worts vor. Im Anlaut kommen
Gruppen mit zwei (ptak, gwaΩt), drei (grdyka, wzmacniac´) oder vier Konsonanten vor
(wzdΩuz˙, wzgla±d). Am stärksten entwickelt sind sie im Inlaut, wo sogar bis zu fünf Konso-
nanten nebeneinander auftauchen können (przeste±pstwo [p∫™st™mpstfC], bezwzgle±dny). Im
Auslaut sind die Konsonantengruppe weniger stark ausgebaut, es können aber trotzdem in
einigen Flexionsformen drei oder vier Elemente zusammen auftreten (wydawnictw,
gΩupstw, warstw). Konsonantengruppen sind im Inlaut sehr viel häufiger als im An- bzw.
Auslaut.
Alle Gruppentypen können auch zwischen zwei Ausdrücken vorkommen.
Die mit [w] oder [j] gebildeten Gruppen bzw. die Kombinationen Sonant + Obstruent (-Ωc-,
-jrz-, -mp-, -nb-, -nc´-, -ns´-, -rc-, -lc-) können nicht im Anlaut stehen, wohl aber im Inlaut
(ujrzec´, lampa, na koncie, w awansie, wzorcowy, palcowy). Eine Ausnahme sind die Grup-
pen -Ωb-, -Ωk- und -rd- in den Ausdrücken Ωba, Ωkac´, rdest.
Konsonantengruppen aus Obstruenten müssen homogen sein bezüglich der Stimmhaftig-
keit; d.h. sie bestehen entweder aus stimmhaften oder aus stimmlosen Konsonanten. Nicht
möglich sind daher solche Kombinationen wie [zt], [sd], [gp], [kb], [∫d], [3t], [∫g] und [3k].
Gemischt stimmhaft – stimmlos sind nur Gruppen, die Sonanten (branka, mamka, walka,
warta, odsmaz˙yc´, straszyc´) oder [w], [j] enthalten (auto, racja).
[vit⁄s], pisarz [pisÅ∫], wez´ [v™©], idz´ [it⁄©]), das gilt auch für Konsonantengruppen im Aus-
laut (wjazd [v≤jÅst], wydawnictw [v¥dÅv≤∆it⁄stf]. Dem Verlust der Stimmhaftigkeit im Aus-
laut unterliegen auch Sonanten, wenn ihnen ein stimmloser Obstruent vorhergeht (rytm,
wiatr, ples´n´). Bei stimmhaften Obstruenten ist diese Assimilation fakultativ (impresjo-
nizm).
z dzieckiem [ Ωd⁄ Ω ™t⁄ s c™m], z ciebie [ ©t⁄ © ™b≤j™], zzieleniec´ [ΩΩ™l™∆™t⁄©], romantyzmie
[rCmÅnt¥Ωm≤j™].
In den Regionen Großpolen und Kleinpolen wird der dentale Laut [n] vor dem velaren [k]
immer als [N] ausgesprochen (piosenka, dziewczynka, okienko). In der Standardaussprache
Warschaus kommt diese Assimilation jedoch nicht vor.
e) Reduktionen in Konsonantengruppen
[w] am Auslaut der maskulinen Verbformen der 3. Person Singular nach einem stimmlosen
Konsonanten verschwindet meist: rzekΩ [3™k], padΩ [pÅt], zjadΩ [z≤jÅt]. Ähnliches geschieht
in anderen mit dem Element -Ω- gebildeten Formen: rzekΩszy [3™k∫¥], padΩbym [pÅdb¥m],
zjadΩbym [z≤jÅdb¥m].
In Gruppen, in denen ein Sonant zwischen zwei Konsonanten steht, meist zwischen zwei
Obstruenten oder zwischen einem Obstruenten und einem anderen Sonanten, wird der So-
nant reduziert. Die Reduktion findet vor allem dann statt, wenn einer der umgebenden
Konsonanten stimmlos ist: pomys´ l ny [pCm¥©n¥], ziarnko [ΩÅrkC], garnki [Garci], jabΩko
[jÅpkC], bezpΩciowy [b™spt⁄©Cv¥]. Dies tritt häufig bei der Imperativbildung bestimmter Ver-
ben auf: pomys´lcie [pCm¥©t⁄©™], mo´dlcie sie± [mutt⁄©™ ©™]. In der zweiten Person Singular des
Imperativs kann der Sonant [l] reduziert werden: pomys´l [pCm¥©].
Außerdem kann man die sehr seltenen geminierten Sonanten im Auslaut reduzieren: meΩΩ
[m™w], fontann [fCntÅn].
Im Auslaut mit der Gruppe -izm/-yzm kann der Sonant [m] ausfallen: idealizm [id™Ål≤is],
romantyzm [rCmÅnt¥s]. In den Gruppen -wsk- und -wstwo verschwindet zumeist das [v]:
warszawski [vÅr∫Åsci], je±zykoznawstwo [j™nz¥kCznÅstfC].
In den Ausdrücken trzeba und drzewo kommt es vor allem in einigen Gebieten Kleinpolens
zu einer weitergehenden Reduktion, sodass sie wie [t⁄∫™bÅ] bzw. [d3™vC] ausgesprochen
werden.
In der Umgangssprache wird die Gruppe -s´c´ im Auslaut reduziert, wodurch [t⁄©] verschwin-
det: szes´c´ [∫™©], miΩos´c´ [m≤iwC©], wyjs´c´ [v¥j©].
78 3. Distribution und Kombinatorik
Ähnliches gilt für die Gruppen -stn- und -zdn- im Inlaut; hier kann der Konsonant [t] bzw.
[d] ausfallen: chrzestny [x∫™sn¥], gwizdna±c´ [Gv≤iznC∆t⁄©].
In der Standardaussprache wird das -n- aus der Gruppe -en- in Numeralia weggelassen;
pie± t nas´ c ie [p≤j™tnÅ©t⁄ © ™] statt [p≤j™ntnÅ©t⁄ © ™], dziewie± t nas´ c ie [d⁄Ω™v≤j™tnÅ©t⁄©™] statt
[d⁄ Ω ™v≤j™ntnÅ©t⁄ © ™]. Auch das -c´- kann ausfallen: pie±c´dziesia±t [p≤j™∆d⁄ Ω ™©Cnt] statt
[p≤j™∆t⁄©d⁄Ω™©Cnt].
Im Fall der Numerale szes´ c ´ [∫™©] bleibt die Reduktion von [t⁄©] auch bei den Derivaten
szes´c´dziesia±t [∫™Ωd⁄Ω™©Cnt], szes´c´set [∫™©s™t]. Bei diesen Lexemen ist die Aussprache nicht
fest normiert, sodass es zu einer Reihe von Varianten kommt: [∫™©], [∫™j©], [∫™Ωd⁄Ω™©Cnt],
[∫™jΩd⁄Ω™©Cnt], [∫™jd⁄Ω™©Cnt], [∫™©s™t], [∫™j©s™t], [∫™ss™t], [∫™s™t].
4. Akzent und Intonation 28
Akzent (akcent) und Intonation (intonacja) gehören neben der im Polnischen äußerst mar-
ginalen Vokallänge zu den prosodischen Eigenschaften der Sprache, d.h. zu den phoneti-
schen Eigenschaften von Lauteinheiten, die länger sind als ein einzelner Laut (Silben oder
Silbengruppe). Hierzu zählt auch die Pause.
Als Akzent bezeichnen wir im Allgemeinen die Hervorhebung
• einer Silbe in einem Ausdruck, der aus mehreren Silben besteht (Wortakzent –
akcent wyrazowy)
dobry ‚gut’, znajomy ‚bekannt’, niezapomniany ‚unvergesslich’
• der einzigen Silbe in einem einsilbigen Ausdruck (Wortakzent)
pies ‚Hund’, kot ‚Katze’
• eines Ausdrucks bzw. einer Gruppe von Ausdrücken im Satz (Satzakzent – ak-
cent zdaniowy)
Wczoraj przyjechaΩ tata. ‚Gestern ist Papa gekommen.’
Diese Hervorhebung kann in verschiedenen Sprachen auf folgende Art und Weise gesche-
hen:
• Intensivierung des Atemdrucks (dynamischer Akzent – akcent dynamiczny)
• Änderung der Tonhöhe (musikalischer Akzent – akcent tonalny)
• Änderung der Länge des Tons (quantitativer Akzent – akcent iloczasowy)
Der Wortakzent fällt in vielen Sprachen immer auf die in Bezug auf die Wortgrenze glei-
che Silbe (fester Wortakzent – akcent staΩy) oder auf unterschiedliche Silben (freier Wort-
akzent – akcent swobodny). Der feste Wortakzent kann auf die erste Silbe (Erstbetonung –
akcent inicjalny), auf die vorletzte Silbe (paroxytonische Betonung – akcent paroksyto-
niczny), auf die drittletzte (proparoxytonische Betonung – akcent proparoksytoniczny) oder
auf die letzte Silbe (Endbetonung – akcent oksytoniczny) eines Worts fallen. Wenn der
freie Akzent immer auf die gleiche Silbe eines Morphems in allen Flexionsformen eines
Wortes fällt, sprechen wir von vom freien unbeweglichen Akzent (akcent swobodny nieru-
chomy). Fällt er jedoch auf verschiedene Silben, liegt ein freier beweglicher Akzent vor
(akcent swobodny ruchomy). Der freie Akzent signalisiert die Anzahl der Worteinheiten,
aber nicht ihre Grenzen. Er kann Bedeutungen unterscheiden (vgl.: übersetzen – überset-
zen).
80 4. Akzent und Intonation
4.1. Wortakzent
29
(akcent wyrazowy) Der feste Akzent hat die Funktion, die Grenzen eines Ausdrucks er-
kennbar bzw. voraussehbar zu machen. Ausdrücke, die über einen eigenen Akzent verfü-
gen, bezeichnen wir als orthotonische Ausdrücke, diejenigen, die dies nicht können, als
Klitika. Klitika bilden in der Äußerung eine Akzenteinheit mit einem benachbarten Aus-
druck. Orthotonische Ausdrücke und ihre Kombinationen mit atonischen Elementen bilden
prosodische Einheiten, die man als phonetischer Ausdruck, Takt oder Akzenteinheit be-
zeichnet (zestro´j akcentowy – Terminus von M. DΩuska). Die Klitika können sich entweder
an den vorhergehenden Ausdruck (Proklitika), wie in
SpotkaΩem ‡ go wczoraj. ‚Ich habe ihn gestern getroffen.’
‚Wir haben alles rechtzeitig mit Hilfe der neuen Technik geschafft.’
Die Flexionsformen der flektierbaren Wörter haben jedoch den regulären paroxytonischen
Akzent.
Corneille’a, MDM-u emdeemu
b) Betonung auf der drittletzten Silbe (akcent proparoksytoniczny) haben:
• einige Substantive
okolica ‚Umgebung’, rzeczpospolita ‚Republik’,
• einige Numeralia
osiemset ‚800’, czterysta ‚400’, tysia±ckroc´ ‚1000-mal’
• Verben im Präteritum
bylis´my ‚wir waren’, zrobilis´my ‚wir machten’
• Formen des Modalauxiliars powinien
powinnis´my ‚wir sollten’, powinnis´cie ‚ihr solltet’
• Verbindungen der Konjunktivpartikel by plus Konjunktion
abys´my ‚damit wir’, z˙ebys´cie ‚damit ihr’
• viele Fremdwörter auf -ika/-yka und andere
polityka ‚Politik’, muzyka ‚Musik’, uniwersytet ‚Universität’, ryzyko ‚Risiko’
Bei der Flexion und Wortbildung übernehmen diese Ausdrücke den regulären
Akzent.
w uniwersytecie ‚in der Universität’, z ryzykiem ‚mit Risiko’
Ausdrücke auf -yk haben die Betonung auf der drittletzten Silbe nur in einigen
Kasus (Sg: Genitiv, Akkusativ, Instrumental, Präpositiv; Pl: Nominativ, Genitiv,
Akkusativ, Lokativ).
dydaktyk ‚Didaktiker’ → dydaktyka ‚Didaktik’, dydaktycy ‚Didaktiker’
c) Betonung auf der viertletzten Silbe haben die enklitischen Konjunktivformen der Ver-
ben
chciaΩybys´my ‚wir möchten’
d) Einige ausländische Namen behalten die Erstbetonung der Ausgangssprache nur im
Nominativ bei. Bei der Flexion setzt sich immer mehr die reguläre Betonung der vor-
letzten Silbe durch.
Waszyngton → o Waszyngtonie, Hanniball → Hanniballowi
In allen diesen Fällen tritt in der polnischen Umgangssprache die Tendenz zur Vereinheit-
lichung des Akzents und damit zur Übernahme des paroxytonischen Akzents auf.
In einigen wenigen Fällen – vor allem in der Sprache der Gebildeten – ist eine ent-
gegengesetzte Tendenz festzustellen: es wird die dritt- statt der zweitletzten Silbe betont:
nauka ‚Wissenschaft’, oficer ‚Offizier’, biblioteka ‚Bibliothek’
4.2. Satzakzent 83
4.2. Satzakzent
Der Satzakzent (akcent zdaniowy) bzw. die Hervorhebung eines Ausdrucks in einer Reihe 31
weiterer Elemente oder im Satz besteht darin, dass die betonte Silbe in einem der Ausdrü-
cke durch eine Anhebung der Stimmenstärke von den betonten Silben in anderen Ausdrü-
cken hervorgehoben wird. Dadurch wird die Relevanz des Wortes, in dem sich diese Silbe
befindet, unterstrichen. Der Satzakzent fällt immer auf das Rhema und markiert dadurch
den Ausdruck mit der höchsten Informationsladung. Meist liegt er auf Elementen am Ende
einer Äußerung.
Janek jest studentem. ‚Janek ist Student.’ Janek czyta Pana Tadeusza. ‚Janek
liest Pan Tadeusz.’ Janek powiedziaΩ jej o wszystkim. ‚Janek hat ihr von allem er-
zählt.’
Wenn der Satzakzent verschoben wird, wird ein anderes Element prosodisch hervorgeho-
ben.
Janek powiedziaΩ jej o wszystkim (= a nie ktos´ inny). ‚Janek hat ihr davon erzählt
(und nicht jemand anderes).’
Janek powiedziaΩ jej o wszystkim (= jednak powiedziaΩ). ‚Janek hat ihr davon er-
zählt (= erzählt hat er es).’
Janek powiedziaΩ jej o wszystkim (= wΩas´nie jej a nie komus´ innemu). ‚Janek hat
alles ihr erzählt (= und nicht jemand anderem).’
Die Hervorhebung des Ausdrucks, auf den man besondere Aufmerksamkeit lenken möchte,
wird auch als logischer Akzent (akcent logiczny) bezeichnet.
4.3. Intonation
32
Als Intonation bezeichnet man die Veränderung in Tonhöhe, Intensität und Dauer des Tons
innerhalb eines Wortes (Wortintonation) oder eines Satzes (Satzintonation). Im heutigen
Polnischen gibt es keine Wortbetonung mit distinktivem Charakter, d.h. die Betonung kann
nicht Bedeutungen unterscheiden. Daher ist im Polnischen Intonation immer Satzintonati-
on.
Silben, in denen die intonatorischen Veränderungen vor sich gehen, heißen into-
natorische Segmente (segmenty intonycyjne). Im Polnischen unterscheidet man neben dem
neutralen drei fallende und drei steigende Segmente (Steffen-Batogowa 1966). Die Seg-
mente bilden intonatorische Phrasen bzw. – anderer Terminus – Intonationseinheit (zestro´j
intonacyjny), die mit Sätzen, Satzkomponenten oder selbstständigen nichtsatzwertigen
Äußerungen zusammenfallen. Bezüglich ihrer Akzentstruktur können intonatorische Phra-
sen aus einem oder mehreren Takten bestehen. Tritt das fallende Segment ( \ ) in einer
intonatorischen Phrase in der letzten Silbe nach dem Akzent auf, sprechen wir von der
84 4. Akzent und Intonation
Kadenz (kadencja), tritt in dieser Position das steigende Segment ( / ) auf, von Antikadenz
(antykadencja). Das neutrale Segment, in der weder ein Steigen noch ein Fallen der Ton-
höhe festzustellen ist, wird progredient (progredencja) genannt.
Die Intonation kann ein Signal beendeter oder nicht beendeter Äußerungen sein. In
den beendeten Äußerungen, zu denen Aussagesatz und andere Komponenten zweigliedri-
ger Sätze gehören, tritt die Kadenz auf.
Oz˙enisz sie± ( \ ). ‚Du heiratest.’ Oz˙enisz sie±, z˙eby miec´ dzieci. ( \ ) ‚Du heiratest,
um Kinder zu kriegen.’
Für nicht beendete Äußerungen, das sind Fragen und der erste Satz in zusammengesetzten
Aussagesätzen, ist die Antikadenz typisch.
Oz˙enisz sie± ( / )? ‚Heiratest du?’ Oz˙enisz sie± ( / ), z˙eby miec´ dzieci. ‚Du heiratest,
um Kinder zu kriegen.’
Die übrigen Satztypen enden mit der Kadenz. In gleich lautenden Sätzen kann die Intonati-
on Frage und Aussage unterscheiden
Oz˙enisz sie± ( / )? ‚Heiratest du?’ vs. Oz˙enisz sie±. ( \ ). ‚Du heiratest.’
Die Kadenz mit starkem Akzent markiert in diesem Falle eine Aufforderung.
Oz˙enisz sie±! ( \ ) ‚Du heiratest!’
Ebenfalls bei gleichlautenden Sätzen kann die Intonation zusammengesetzte Sätze von
⇑Parzellierungen unterscheiden.
Oz˙enisz sie± ( / ), z˙eby miec´ dzieci. ‚Du heiratest, um Kinder zu kriegen.’
Oz˙enisz sie± ( \ ). Z∆eby miec´ dzieci. ‚Du heiratest. Um Kinder zu kriegen.’
Änderungen in der Intonation können auch den Gemütszustand des Sprechers ausdrücken
und die erwartete Reaktion des Hörers forcieren. In diesem Fall liegt eine emotionale Into-
nation vor. Emotionen können durch Veränderung der Sprechgeschwindigkeit, der Stim-
menstärke, durch eine gedehnte Artikulation einiger Laute oder durch Pausen zum Aus-
druck gebracht werden. Die Pause ist ein leeres Segment, eine kürzere oder längere Unter-
brechung der Lautabfolge. Sie dient der Abgrenzung, indem sie Wörter oder Sätze vonein-
ander trennt.
5. Orthografie
Die Orthografie (ortografia) ist ein kodifiziertes Regelwerk, das die korrekte Schreibung 33
von Wörtern festlegt. Die polnischen Orthografieregeln sind z.T. aus historischer Sicht zu
erklären. Mit der Annahme des römischen Christentums im 10. Jahrhundert übernahmen
die Polen genau wie Tschechen, Sorben, Slowaken, Slowenen und Kroaten das lateinische
Alphabet, im Gegensatz zu den slawischen Völkern im Bereich des byzantinischen Chris-
tentums (Bulgaren, Russen, Ukrainer, Weißrussen, Makedonier und z.T. Serben), welche
die auf einer Variante des griechischen Alphabets beruhende kyrillische Schrift einführten.
Phonetische Unterschiede zwischen dem Lateinischen und dem Polnischen
erzwangen Modifikationen und Ergänzungen des lateinischen Alphabets, welche wie in
anderen europäischen und außereuropäischen Sprachen, die diese Schrift übernahmen, in
der Kombination einzelner Buchstaben, in der Zugabe von Sonderzeichen (Diakritika)
oder in der Zuschreibung mehrerer Funktionen an einen Buchstaben bestanden.
Die ersten Versuche der Kodifizierung der Schreibung des Polnischen gehen auf
das 15. Jh. zurück. Eine spürbare Vereinheitlichung der vielen Schreibweisen ging im 16.
Jh. im Zusammenhang mit dem Aufkommen des Buchdrucks und mit der Verbreitung
eines entregionalisierten schriftsprachlichen Standards vor sich. Weitere Maßnahmen zur
Kodifizierung wurden im 18. und 19. Jh. unternommen. Die heute geltende Orthografie
des Polnischen wurde mit kleinen Änderungen im Jahre 1936 eingeführt.
Die heutige Orthografie beruht auf vier Prinzipien:
• dem phonetischen Prinzip,
• dem morphologischen Prinzip,
• dem historischen Prinzip,
• dem konventionellen Prinzip.
b) 1 Laut – ein Buchstabe mit diakritischem Zeichen (z˙aba, z´rebak, nac´, kon´,
wo´z);
c) 1 Laut – Buchstabenkombination, auch mit Buchstaben mit diakritischen Zei-
chen (szopa, czapka, rzeka, dzwon, dz´wig, dz˙dz˙ownica).
Besondere Probleme treten bei der Schreibung der Palatalen auf. Die präpalatalen Konso-
nanten [∆], [©], [Ω], [t‡©] und [d‡Ω] werden auf drei verschiedene Arten geschrieben:
a) als Buchstaben bzw. Buchstabenkombination mit Diakritika n´, s´, z´, c´, dz´ vor
einem Konsonanten oder am Wortauslaut (ban´ka, kon´, Kas´ka, ktos´, buz´ka,
paz´, c´ma, nac´, dz´wig);
b) als Kombination n, s, c, dz plus i, wobei letzteres ausschließlich die Palatalität
markiert, vor Vokalen (nie, siano, ziemia, ciaΩo, dziecko);
c) als n, s, z, c, dz vor dem folgenden Vokal [i].
Der Buchstabe i hat hier eine doppelte Funktion, einerseits steht er für einen Vokal, ande-
rerseits markiert er die Palatalität eines Konsonanten (niski, siwy, zima, cisza, dziki). Die
Postpalatalen [c], [F] und [ç] werden durch die Kombination der Buchstaben k, g, h oder ch
mit i geschrieben, vor dem Vokal [i] hat der Buchstabe i eine doppelte Funktion: er mar-
kiert die Palatalität des Konsonanten und gleichzeitig den Vokal (kieszen´, Gienia, kino,
dΩugi, historia, Chiny).
In Lehnwörtern steht der Buchstabe i nach Konsonanten (außer nach c, s, z) und
vor Vokalen für den Laut [j]: akademia, armia, liana, materia, biologia, entropia, studio,
mafia, fioΩek, wiadukt, diabeΩ, tiara, portier, hiena. Außerdem werden die Sonanten und
Obstruenten (bilabiale, labiodentale, dentale und postpalatale) vor [j] palatalisiert. Der
Sonant n nimmt in dieser Position die Lautgestalt [∆] an: Hiszpania, Dania, Abisynia, Ru-
munia, Niagara.
Die gleiche Buchstabenkombination in nichtentlehnten Ausdrücken wie miara,
mierny, miasto, piasek, piesek, piosenka, biaΩy, wiadro, wiedziec´ und wioska werden von
einigen Linguisten anders interpretiert, nämlich als Markierung der Palatalisierung der
labialen und labiodentalen Konsonanten durch den Buchstaben i. Diese Analyse hängt
nicht zuletzt mit der unterschiedlichen Warschauer und Krakauer Aussprache zusammen.
Das morphologische Prinzip (zasada morfologiczna) beruht auf der Beibehaltung der
Schreibung in den Flexionsformen eines Worts, wobei es zu einer Diskrepanz zwischen
Lautung und Schreibung kommt: chleb im Auslaut gesprochen als [p] vs. chleba [b]; chle-
bek – chlebka. Gleichermaßen wirkt das morphologische Prinzip bei per Wortbildung ab-
geleiteten Ausdrücken: z˙aba [b] – z˙abka [p]. Der Verlust der Stimmhaftigkeit im Auslaut
5.3. Das historische Prinzip 87
(lat. probare), pro´z˙ny, ro´wny (russ. rovnyj), ro´z˙a (lat. rosa), ro´z˙ny, sko´ra, stro´z˙
(russ. storoΩ), tcho´rz, wiewio´rka, wΩo´czka, wo´jt, wro´bel, wro´z˙ka, z˙o´Ωty, z˙o´Ωw;
u in den vom Präsensstamm der Verben mit -owa-, -ywa- und -iwa- gebildeten
Formen: kupowac´ – kupuje± – kupuja± c y, budowac´ – buduje± – budujcie,
poro´wnywac´ – poro´wnuje± – poro´wnujmy, zyskiwac´ – zyskuje± – zyskuja±c.
Außerdem steht u in den Suffixen -uch (maluch), -uchny (maluchny), -ula
(biedula), -ulec (hamulec), -ulek (biedulek), -un (piastun), -unka (piastunka),
-unek (sprawunek), -ur (kocur), -unia (ciotunia), -unio (piesunio), -us (piegus),
-usia (mamusia), -us´ (tatus´), -uszek (staruszek) und -utki (malutki);
rz in den Ausdrücken burza (russ. burä),
jarzyna,
korzen´ (russ.
koren´), korzys´c´
(russ. koryst´),
kurz, Murzyn (vgl. dt. Maure/Mohr), narze±dzie (russ. naräd),
orzech (russ. orex),
porza±dek (russ. porädok),
porzeczka, rzadki, rza±d (russ. räd),
rzecz, rzeka (russ. reka),
rzemiosΩo (russ. remeslo),
rzesza (dt. Reich), rzez´ b a
(russ. rez´ba), rze±sa, rzodkiew, Rzym (lat. Roma), rzucac´, towarzysz (russ. tova-
riw),
twarz, uderzyc´, urza±d, warzywa, wierzch (russ. verx), zwierze±. rz steht nach
den Buchstaben p, b, t, d, k, g, ch, j, w (in den Wörtern przed, brzeg, mistrz, drze-
wo, krzak, grzanka, chrzan, spojrzec´, wrzos). Ausnahmen bilden die Wörter ksztaΩt
(dt. Gestalt), pszenica, pszczoΩa, wszystko, wsze±dzie, bukszpan u.a. rz steht auch in
den Suffixen -arz (pisarz, gospodarz, kalendarz, korytarz) und -erz (koΩnierz,
z˙oΩnierz, talerz);
z˙ in den Ausdrücken cie±z˙ar, dyz˙ur, jez˙, juz˙, kaz˙dy, ksia±z˙e±, ma±z˙, me±z˙czyzna, ro´z˙nica,
ryz˙, s´wiez˙y, wa±z˙, z˙aba, z˙o´Ωty, z˙ubr, z˙uk, z˙uraw, z˙ycie, z˙yΩa, z˙Ωobek, z˙ywy und in der
Partikel -z˙/-z˙e (kto´z˙, takz˙e). z˙ tritt auch in den Suffixen -az˙ (sprzedaz˙; aus franz.
-age: pilotaz˙, sondaz˙, sabotaz˙) und -ez˙ (mΩodziez˙, odziez˙) auf;
h in Lehnwörtern aus dem Lateinischen, Deutschen, den slavischen und einigen
anderen Sprachen: haft, hak, hala, hamowac´, handel, harcerz, harfa, harmonia,
hasΩo, hejnaΩ, hektar, heΩm, herb, herbata, herezja, heroizm, hetman, higiena,
historia, hodowac´, hokej, hymn, honor, horror, hotel, huk, humor, hurt, huta u.a.
Der Buchstabe h steht selten im Inneren eines Worts wie in alkohol, filharmonia,
mahon´, ohydny, wahac´ sie±;
ch steht sowohl in Ausdrücken polnischer Herkunft: chory, chlustac´, chciec´,
choinka, chodzic´, chrapac´, chrust, chwalic´ und chowac´ als auch in Entlehnungen:
echo, cho´r, charakter, chronologia, cholera, choreografia.
Auf der Basis des historischen Prinzips erhält sich die Schreibung e± und a± vor Plosiven
und Affrikaten trotz der bisegmentalen Aussprache [™n], [™m], [™∆], [™N], [Cn], [Cm], [C∆]
und [CN] in genuin polnischen bzw. vor langer Zeit entlehnten Wörtern: pamie±tac´, pamie±c´,
kle±kac´, kole±da, pe±dzel, we±drowac´, za±b, ba±belki, ka±piel, ka±t, fla±dra, la±d, ja±kac´ sie±, pocia±g,
kra±g u.a. Entsprechend dem phonetischen Prinzip werden später entlehnte Ausdrücke mit
5.4. Das konventionelle Prinzip 89
gleicher Aussprache jedoch nicht mit e± und a± geschrieben: romb, bomba, kompot, konto,
legenda, tempo, kompozytor, talent, kongres u.a.
Das historische Prinzip begründet die Schreibung von a± in den grammatischen
Suffixen -a±c- und -a±c (pala±cy, pala±c), der Endung der dritten Person Plural Präsens (czy-
taja±, ida±, ucza±), des Instrumentals Singular der Substantive (ulica±, poeta±) und des Instru-
mentals Singular Feminin der Adjektive (Ωadna±, moja±, pierwsza±).
Es wird e± geschrieben in den neutralen Substantiven des Typs imie±, ramie±, ciele±,
kurcze±, dziewcze± in der Endung der ersten Person Singular Präsens (pisze±, ide±, ucze±), des
Akkusativs Singular der Substantive und Personalpronomen (ulice±, poete±, cie±) und im
Wort sie±.
Das gleiche historische Prinzip wirkt bei der Schreibung von e± und a± vor Frikati-
ven, wenn sie bisegmental als [™N] bzw. [CN] ausgesprochen werden. Dies ist der Fall bei
genuin polnischen und vor langer Zeit entlehnten Ausdrücken: cze±sty, ka±sek, pa±sowy, bra±z.
Wenn in diesen Fällen jedoch Nasalvokale gesprochen werden, liegt eine phonetisch ba-
sierte Schreibung vor. In später entlehnten Wörtern steht ein n bzw. m: sens, sensacja,
konstytucja, konsul, koncha, komfort (⇑Beschreibung der Artikulation der einzelnen Laute,
⇑Nasale).
Das konventionelle Prinzip (zasada umowna) betrifft verschiedene Schreibweisen, die auf
mehr oder weniger willkürlichen Festlegungen beruhen und nur bedingt motiviert werden
können. Dieses Prinzip berührt vor allem die Groß- und Kleinschreibung und die Frage
‚zusammen oder getrennt?’
plac Jo´zefa PiΩsudkiego, hotel Metropol, kawiarnia U Pana MichaΩa; aber: Mo-
rze BaΩtyckie.
• Bezeichnungen für Nationalität, Rasse und Herkunft (aber nicht bei Stadtbe-
wohnern!): Polak, Niemiec, Rosjanin, Murzyn, Indianin, Europejczak, Azjata,
Kanadyjczyk, Brytyjczyk, Anglik, Sπla±zak.
• Namen von Institutionen: Ministerstwo Edukacji Narodowej, Uniwersytet War-
szawski, Teatr Narodowy, Polskie Towarzystwo Je±zykoznawcze, Unia Wolnos´ci,
Telekomunikacja Polska.
• Titel von Zeitungen und Zeitschriften: Gazeta Wyborcza, Polityka, Poradnik
Je±zykowy, Pamie±tnik Literacki. Bei Buch- und Filmtiteln wird nur das erste Wort
groß geschrieben: Ogniem i mieczem, Przemine±Ωo z wiatrem.
• Bezeichnungen von Feiertagen: Boz˙e Narodzenie, Wielkanoc, 3. Maja, 11.
Listopada.
b) Großbuchstaben stehen außerdem am Anfang des Satzes.
c) Großbuchstaben werden aus Gründen besonderer Höflichkeit oder Ehrerbietung ver-
wendet. Dies ist der Fall bei Verwandtschaftsbezeichnungen in Briefen (Kochana Cio-
ciu), aber auch bei Personalpronomen (nur in Briefen do Ciebie, do Pana, do Pani etc.)
und Titeln (Panie Profesorze).
d) Mit Kleinbuchstaben stehen Bezeichnungen für Stadtbewohner (berlin´czyk, warsza-
wiak), für Mitglieder von Glaubens- (chrzes´cijanin, buddysta) und von politischen Ge-
meinschaften (socjalista, konserwatysta, chrzes´cijan´ski demokrata, zielony). Auch Wa-
ren- bzw. Markennamen werden klein geschrieben: samocho´d fiat, papierosy marlboro.
standteil der Konjunktionen und freien Morphemkomplexen aby, z˙eby, gdyby, jes´liby,
choc´by, jakby, czyz˙by, gdziez˙by, niby, byleby, niechby, nuz˙by.
c) Getrennt geschrieben werden Präpositionen mit den von ihnen regierten Substantiven
(do go´ry, w domu, ze mna±, po polsku, z polska, za duz˙o, na lewo, po co, na co, za to, na
nic, na ogo´Ω, bez ustanku, o ile). Zusammenschreibung liegt dagegen bei dem klitischen
maskulinen Personalpronomen -n´ in nan´, wen´, zen´ etc., zusammengesetzten Präpositio-
nen (= sekundäre Präpositionen) und einigen Pronomen bzw. Adverben vor: sponad,
poza, spoza, znad, dlaczego, naprawde±, dlaczego, naraz, nadzwyczaj, potem, ponadto,
zazwyczaj, niezadΩugo.
d) Adjektivkomposita werden zusammengeschrieben, wenn das erste Glied das zweite
näher bestimmt. In diesem Fall funktioniert das erste Glied wie ein attributives Adjek-
tiv: wielkomiejski, z˙aroodporny. Adjektivkomposita werden dagegen mit einem Strich
verbunden, wenn beide Glieder gleichberechtigt nebeneinander stehen und keines das
andere näher bestimmt: sztandar biaΩo-czerwony, sΩownik polsko-niemiecki. Durch die
Schreibung können gleichlautende Komposita mit unterschiedlicher Bedeutung gra-
phisch voneinander unterschieden werden: historycznoliteracki ‚literaturgeschichtlich’
vs. historyczno-literacki ‚geschichtlich-literarisch’.
Worttrennung 40
Die Worttrennung am Ende einer Zeile beruht auf phonetischen oder morphologischen
Kriterien.
a) nicht trennbar sind einsilbige Wörter (sto´Ω, s´cisk, wrzos, przez, dzban), Grapheme, die
aus mehr als einem Buchstaben bestehen, (ch, cz, dz, dzi, dz´, dz˙, rz, sz, ci, si, und ni)
und die Kombinationen au und eu, wenn sie monosyllabisch ausgesprochen werden
(au-to, Eu-ro-pa).
b) Das phonetische Kriterium besagt, dass Wörter nur im Einklang mit den Silbengrenzen
zu trennen sind. Konsonantengruppen zwischen den Vokalen können nach Belieben
getrennt werden; also sio-stra, sios-tra oder siost-ra. Dabei muss mindestens ein Kon-
sonant zur zweiten Silbe gezählt werden.
c) Das morphologische Kriterium bewirkt eine Trennung entlang der Grenzen zwischen
Wortbildungsmorphemen, auch wenn diese nicht mit den Silbengrenzen übereinstim-
men. Daher werden Präfixe als Ganzes beibehalten: bez-stron-ny, przed-sta-wie-nie,
prze-sko-czyc´, roz-krwa-wic´, pan-a-me-ry-kan´-ski. Das Suffix -sk- wird grundsätzlich
nicht getrennt.
6. Morphonologische Alternationen
42 6.1. Konsonanten
6.2. Vokale
43
Alternation Beispiel und wichtige Bereiche des Auftretens
o:e nosic´ – nies´c´, anioΩ – aniele, anioΩ – anielski; Konjugation, Deklination,
Wortbildung
o´ : e nio´sΩ – nies´li, kos´cio´Ω – kos´ciele, kos´cio´Ω – kos´cielny; Konjugation, Dekli-
nation, Wortbildung
a:o przeprosic´ – przepraszac´; Wortbildung
e:a musiec´ – musiaΩ, s´wiat – s´wiecie, wietrzny – wiatr; Konjugation, Deklina-
tion, Wortbildung
a± : e± przyja±Ω – przyje±Ωa, za±b – ze±ba, da±b – de±bowy; Konjugation, Deklination,
Wortbildung
o : o´ wozic´ – wio´zΩ, krowa – kro´w, Ωoz˙e – Ωo´z˙ko; Konjugation, Deklination,
Wortbildung
e:Ø bierze – brac´, pies – psa, len – lniany; Konjugation, Deklination, Wortbil-
dung
y:Ø spotykac´ – spotkac´; Wortbildung
i:Ø upominac´ – upomniec´; Wortbildung
a:Ø tarΩ – trzec´; Konjugation
Das Wort
1. Grundlagen
Der Teil ‚Das Wort’ enthält im Wesentlichen das, was außerhalb der Polonistik und zu-
nehmend auch in der Polonistik als ‚Morphologie’ bezeichnet wird. Sie bildet zusammen
mit der Syntax, der hier der Abschnitt ‚Der Satz’ entspricht, die Grammatik im engeren
Sinne. Im Teil ‚Das Wort’ wird jedoch auch die lexikalische Wortbildung behandelt, die
traditionell meist als eigener Bereich außerhalb der Morphologie und damit der Grammatik
angesiedelt wird. Nicht behandelt wird die polnische Lexikologie, die sich mit nicht formal
markierten Bedeutungsbeziehungen innerhalb der Vokabel (Polysemie) und zwischen den
Vokabeln (Synonymie, Antonymie usw.) beschäftigt. Generell geht es hier um die Katego-
rien und die regelmäßigen Veränderungen im Bereich zwischen dem Phonem einerseits
und dem Satz andererseits, insbesondere um die Prozesse, in denen aus Inhaltswörtern
Wortformen werden.
Der Teil ‚Das Wort’ ist entsprechend den traditionellen Wortarten gegliedert, im
ersten Kapitel ‚Grundlagen’ werden Probleme der Unterscheidung von Lexik und Gram-
matik diskutiert und grundlegende Begriffe erläutert: In der Morphematik (auch: Morphe-
mik) wird mit dem Morphem, der kleinsten bedeutungstragenden Einheit, eine Kategorie
behandelt, die unabhängig von der Unterscheidung zwischen Lexik und Grammatik ist. In
der Wortartenlehre werden Wörter unter dem Gesichtpunkt einerseits ihrer lexikalischen,
andererseits ihrer allgemeinsten grammatischen Eigenschaften kategorisiert. Im Abschnitt
über Kategorien werden die Kategorien vorgestellt, die dann in den Kapiteln zu den ein-
zelnen Wortarten beschrieben werden.
1.1. Funktionen
In diesem und dem folgenden Kapitel wird dargestellt, wie hier einige weit verbreitete
linguistische Begriffe wie ‚Funktion’, ‚Form’, ‚grammatisch’, verwendet werden, außer-
dem werden auch einige neue Begriffe erläutert, die für eine angemessene Beschreibung
der Grammatik des Polnischen gebraucht werden.
Der Begriff ‚Funktion’ wird hier allgemein im Sinne der Prager Schule verwendet.
Die Funktion einer sprachlichen Einheit ist genau der Teil am Verstandenen bzw. Ge-
meinten einer Äußerung und an dem, was mit ihr beabsichtigt und bewirkt wird, das der
Äußerung aufgrund der Anwesenheit dieser Einheit zukommt und das der Äußerung nicht
zukäme, wäre diese Einheit nicht eines ihrer Bestandteile. Kurz gesagt, die Funktionen
einer Einheit sind die Folge der Anwesenheit dieser Einheit in der Äußerung.
Die Folge der Anwesenheit von l in kula ‚Kugel’ ist die Möglichkeit der Unter-
scheidung von kura ‚Huhn’. Die Folge der Anwesenheit von be˛da± in be˛da˛ przeczytane ‚sie
98 1. Grundlagen
werden gelesen werden’ ist die Möglichkeit, den temporalen Unterschied zu ‚sie sind gele-
sen worden’ mit zostaΩy przeczytane zu markieren. Als eine Folge der Anwesenheit von
wezme˛ ‚ich werde nehmen’ wird auch die Notwendigkeit angesehen, ein geeignetes Sub-
stantiv im Akkusativ mit diesem Verb zu kombinieren, z.B. ksia˛z˙ke˛, nicht aber *ksia±z˙ce
‚dem Buch’ oder *morze ‚das Meer’.
Betrachten wir die Möglichkeiten, den Begriff ‚Funktion’ zu verwenden etwas nä-
her anhand der Aussageform
‚Einheit Ex hat die Funktion ‚Fx’’.
Dabei geht es um den Träger der Funktion ‚Funktion von Ex’ und die Bereiche der ‚Funk-
tion ‚Fx’’.
1.1.1. Funktionsträger
Träger von Funktionen sind die sprachlichen Einheiten, d.h. Phoneme, Morpheme, Stäm-
me, Wörter, syntaktische Strukturen, daneben auch deren Kombinationen, also grammati-
sche Wortformen, Wortfügungen, Sätze, Äußerungen. Die Trägerfunktion wird in der
Form ‚Funktion von X’ benannt, z.B. ‚Funktion der Genitiv-Endung’, ‚Funktion der En-
dungen’, ‚Funktion der Voranstellung des Satzglieds’, ‚Funktion der Wortstellung’. Aus-
drücke wie ‚morphologische Funktion’ oder ‚syntaktische Funktion’ werden nicht für die
Funktionsträger, sondern für bestimmte Funktionsarten (‚Funktion ‚Fx’’) verwendet.
Die Unterscheidung zwischen dem Träger der Funktion und deren Relevanzbe-
reich wird z.B. an den Kasusendungen deutlich: Die Einheit Kasusendung ist eine mor-
phologische Einheit, ihre Hauptfunktion ist aber eine syntaktische Funktion.
1.1.2. Funktionsbereiche
Hinsichtlich der Bereiche, für die die Anwesenheit einer Einheit in der Äußerung relevant
ist, also der Funktionsbereiche, lassen sich folgende Kategorien unterscheiden. Eine Ein-
heit kann (zugleich) relevant sein für die semantische oder pragmatische Bedeutung einer
Äußerung, für das, was mit der Äußerung bezeichnet wird, welche Handlung damit wie
ausgeführt wird, sowie dafür, wie sie verwendet wird.
• Bedeutungen sind Bestandteile von lexikalischen oder grammatischen Konzep-
ten, d.h. von Wissen, dem bestimmte sprachliche Formen entsprechen.
• Semantische Bedeutungen (Bedeutungen von Einheiten oder Bedeutungskompo-
nenten) sind relevant dafür, welche Entitäten (Objekte, Eigenschaften, Situatio-
nen, Relationen) in der realen oder einer nicht realen Welt (z.B. einer fiktiven
oder möglichen Welt) mit einer Äußerung bezeichnet werden.
• Insofern haben sprachliche Einheiten als Elemente des sprachlichen Inventars
des Polnischen entsprechend ihrer Bedeutung potentielle Bezeichnungsfunktion,
als Elemente von Äußerungen aktuelle Bezeichnungsfunktion.
1.1. Funktionen 99
• Pragmatische Bedeutungen sind relevant dafür, wie und welche sprachlich ver-
mittelten Handlungen mit einer Äußerung realisiert werden.
• Mithilfe von Äußerungen (damit sind im Weiteren immer sprachliche Äußerun-
gen gemeint) können Aussagen gemacht werden (propositionale Punktion), wo-
bei ein Teil der Aussage referentielle und ein anderer prädikative Funktion hat.
Der Aussage entspricht ein Sachverhalt in der realen oder einer nicht realen
Welt, in der sie wahr oder falsch ist.
Die für die Verwendung einer sprachlichen Einheit relevanten Funktionen sind verant-
wortlich
• für die normgerechte Kombination mit anderen Einheiten und nichtsprachlichen
Umgebungsfaktoren (kombinatorische Funktion): für die Kombination autose-
mantischer Einheiten (syntaktische Funktion), für die Kombination morphologi-
scher Einheiten (morphologische Funktion), für die Kombination von Sätzen und
Texteinheiten (textsyntaktische Funktion);
• für die stilistische Kookkurenz (das gemeinsame Vorkommen in einer Äuße-
rung) von Einheiten im Hinblick auf funktionale Stile, Genre/Textsorten oder
Stilebenen (stilistische Funktionen) und im Hinblick auf den Sinn eines Ab-
schnittes und der ganzen Äußerung, vor allem umfänglicher Äußerungen wie
Texten (Sinn-Funktion) oder eines Text- oder Dialog-Abschnitts.
Die Regeln einer Sprache für normgerechte Kombination und stilistische Kookkurrenz
beschreiben nicht vollständig den Gebrauch, den die Sprecher von den Mitteln ihrer ma-
chen. In zwei Sprachen wird sehr oft von gleichartigen Mitteln sehr verschiedenartiger
Gebrauch gemacht. Deshalb kommt es leicht vor, dass eine Polin oder ein Pole einen Satz,
der nach deutschem ‚Gebrauch’ gebildet ist, nicht akzeptiert, obwohl die Regeln des Polni-
schen beachtet wurden.
Die Ausdrücke Kochanowski und der Dichter der „Treny“ haben nicht die gleiche
Bedeutung (Eigennamen haben keine Bedeutung), bezeichnen aber dieselbe Person (den-
selben ‚Weltausschnitt’). Imperativ czytaj ten list! przeczytaj ten list! und ein Aussagesatz
ty przeczytasz ten list! haben verschiedene pragmatische Bedeutungen, die Handlung aber,
die mit der Aufforderung getan wird, ist die gleiche und ebenso die, die beim Glücken des
Aufforderungsaktes erfolgt, dass der Brief geschrieben wird.
Neben der hier gebrauchten Verwendung des Ausdrucks ‚pragmatisch’, dessen
Kern sprechakttheoretische Funktionen sind (Austin-/Searle-Pragmatik; vgl. den Überblick
über pragmatische Funktionen von Einheiten in diesem Sinne bei Apresjan 1995) ist eine
andere im Umlauf, die sich auf nichtexplizite Semantik bezieht (vgl. Implikaturen im Sinne
von Grice 1975). Für diesen Bereich, der hier zum Bereich ‚semantische Bedeutung’ be-
zieht, werden hier die Ausdrücke Inferenz und Konnotation verwendet. Beide beziehen
sich auf konzeptuelle Komponenten, die zur impliziten Bedeutung gehören, d.h. die nicht
100 1. Grundlagen
zum innersten, expliziten Kern der linguistischen Beschreibung (Explikation) der Bedeu-
tung(en) einer Einheit in Wörterbüchern oder Grammatiken gehören (was jeweils zu die-
sem Kern gehört kann beim gegenwärtigen Stand der Dinge erst im Einzelfall entschieden
werden).
Inferenziell werden hier die Bedeutungskomponeten/Funktionen genannt, die re-
levant sind für logische Schlüsse (dazu gehören zunächst Präsuppositionen und Implikati-
onen, im weiteren Sinne auch der sog. nichtmonotonen Logik bzw. dem naiven Weltbild
entsprechende Schlüsse) und die Ergebnisse solcher Schlüsse sind (z.B. der Schluss der
zeitlichen Sequenz aus
Ona wzie˛Ωa gazete˛ i zapaliΩa papierosa. ‚Sie nahm die Zeitung und steckte sich ei-
ne Zigarette an.’
oder: Ona zapaliΩa papierosa i wzie˛Ωa gazete˛. ‚Sie steckte sich eine Zigarette an
und nahm die Zeitung.’
und des zeitlichen Parallelismus aus
Ona czytaΩa gazete˛ i paliΩa papierosa. ‚Sie las Zeitung und rauchte eine Zigarette.’
oder: Ona paliΩa papierosa i czytaΩa gazete˛. ‚Sie rauchte eine Zigarette und las
Zeitung.’)
Alle anderen impliziten Bedeutungskomponenten, vor allem pragmatische im hier ge-
brauchten Sinne und stilstische, werden als Konnotationen (konnotative Funktionen) be-
zeichnet. So sind die möglichen Inferenzen aus der Dichter der „Treny“ z.B. daran zu
erkennen, dass der Ausdruck in Kontexten wie der kleine Dichter der „Treny“ weinte
jämmerlich gar nicht und der in der Wiege liegende Dichter der „Treny“ lächelte nur bei
ironischer Verwendung akzeptabel ist (weil es einen Widerspruch in der Chronologie gibt).
Im letztgenannten Kontext geht die ironische Funktion auch auf den Widerspruch zwischen
den sozialen Situationen zurück, die mit den Ausdrücken konnotiert werden.
Grammatische Rekategorisierung
In traditionellen Grammatiken werden die partizipialen Derivationen (und z.T. das dead-
jektivische Adverb) als Formenbildung angesehen und die anderen Rekategorisierungen
zur Wortbildung gerechnet. Deren grammatischer Charakter überwiegt jedoch. Sieht man
diese Derivationen als Wortbildungsoperationen an, wird auch von ‚syntaktischer Wortbil-
dung’ oder ‚Transposition’ gesprochen. Zu den letzteren wird auch die ‚Konversion’ ge-
rechnet, bei der die Operation nur durch den Kontext, d.h. implizit geschieht. Akzeptiert
man den grammatischen Charakter bei den aufgeführten Rekategorisierungen, dann handelt
es sich auch hier um Formen desselben Wortes, die dann wie die partizipialen Formen im
Abschnitt der motivierenden Wortart zu behandeln sind.
Die Rekategorisierung von Wortarten kann auch ohne formale Markierung, also
implizit vorkommen (sog. Konversion). So können Interjektionen zu Verben rekategorisiert
werden, wenn sie Prädikatsfunktion haben, vgl. Mysz smyk do dziury! ‚Die Maus – husch –
ins Loch.’
1.1.6. Register-Alternationen
Verweisregister sind Mengen von sprachlichen Einheiten (Morphemen oder Morphem-
kombinationen) und semantische oder pragmatische Funktionen, deren explizite oder im-
plizite Funktionen der Opposition zwischen Situationsverweis und Textverweis zugeordnet
werden können. Dem Situationsregister gehören die Einheiten und Funktionen an, deren
Funktionsbeschreibung eine Variable für eine Relation zu einem Parameter der Sprechsitu-
ation enthält, einer Person, vgl. ty, der Zeit, vgl. dzisiaj ‚heute’, oder dem Ort, vgl. tam
‚dort’. So gehören Präsens, Perfekt und Futur, die Personalpronomen der 1. und 2. Person,
die Adverben tutaj ‚hier’, teraz ‚jetzt’, dzisiaj ‚heute’ dem Situationsregister an. Dem Ko-
Textregister gehören diejenigen Einheiten und Funktionen an, deren Funktions-
beschreibung eine Varianble für eine Relation zu einer vorher erwähnten oder einer nach-
her zu erwähnenden Einheit enthält. Die Personalpronomen der 3. Person, Adverben wie
potem ‚dann’ und narratives Präteritum und Plusquamperfekt gehören z.B. dem Textre-
gister an.
Viele sprachliche Einheiten gehören beiden Registern an und enthalten damit Re-
gisteralternationen: Das Adverb tam ‚dort’ kann sowohl deiktisch, auf die Sprechsituation
bezogen, als auch anaphorisch, auf den Vortext bezogen, verwendet werden. Das Personal-
pronomen der 3. Person, primär anaphorisch, kann auch deiktische Funktion haben, z.B.:
Piotr studiowaΩ w Warszawie i tam poznaΩ swoja˛ przyszΩa˛ z˙one˛ ‚Piotr studierte in
Warszawa und dort lernte er seine künftige Ehefrau kennen’.
Das polnische Präteritum auf Ω kann in der Funktion des Perfekts, also deiktisch, mit Situ-
ationsbezug, und in der Funktion des Narrativen Präteritums oder des Plusquamperfekts,
also mit Textbezug verwendet werden, vgl.
„Kto przyszedΩ?“ SpytaΩa ona. ‚„Wer ist gekommen?“ fragte sie.’
In aller Regel hat die Standardfunktion Situationsbezug, während Textbezug durch alter-
nierende Funktionen realisiert wird (die Personalpronomen der 3. Person bilden insofern
eine Ausnahme).
1.2. Morphematik
Morphematik (morfematyka) ist die Lehre von den Typen kleinster Form-Funktionsein-
heiten. Unter Morphen verstehen wir Teile grammatischer Wortformen mit mindestens
einer Bedeutung bzw. grammatischen Funktion. Wir fassen diejenigen Form-
Funktionseinheiten zu einem Morphem zusammen, die
a. die gleiche Bedeutung bzw. Funktion haben und
b. im Phonembestand und in der Phonemabfolge z.T. übereinstimmen.
106 1. Grundlagen
Nach diesem Verständnis bestehen Wörter aus aneinander gereihten Morphemen. Wir
sprechen auch dann von Morphemgrenzen, wenn grammatische Wortformen sich sowohl
durch das Anfügen eines Morphems als auch durch die Änderung des Stamms unterschei-
den; z.B. enthält die Wortform mies´cie ‚Stadt-Präpositiv’ ein Stammmorphem und das
Kasus-Numerus-Morphem. Das Stammmorphem /mjÅst/ alterniert hier mit /mj™©t©/.
Die Kriterien zur Bestimmung des Morphemtyps sind:
• gebunden oder ungebunden (an andere Morpheme);
czyt- vs. dzis
• lexikalisch oder grammatisch; grammatisch heißt: regelmäßig kombiniert mit
tendenziell allen Vertretern einer Wortart; begrenztes Inventar von Oppositionen.
czyta- vs. -Ω -e -m
• Verhältnis zwischen lexikalischem Stamm und grammatischen oder Wortbil-
dungsfunktionen:
a. flektivisch: Stamm impliziert nicht die Kategorie, diese ist bei gleichem
Stamm veränderbar.
zielon -y, zielon -ego, zielon -ych
b. klassifizierend: Stamm impliziert die Kategorie; diese ist bei gleichem
Stamm nicht veränderbar.
Genus: kobieta (fem.), samocho´d (mask.-unbelebt), okno (neutrum)
c. derivational: Stamm impliziert eine Subkategorie, ein Affix eine andere.
Aspekt: robic´ (imperfektiv), z- robic´ (perfektiv)
• Stellung innerhalb der Wortform bezüglich der Wurzel;
prze- czyt- a- Ω- e- m
• referentiell vs. textuell; beziehen sich die Morpheme auf die außersprachliche
Wirklichkeit oder haben sie rein sprachinhärente – sprich textuelle Funktionen.
Bei der morphematischen Analyse von konkreten Wortformen unterscheiden wir folgende
Einheiten:
1.2. Morphematik 107
Morphem
ungebunden gebunden
lexikalisch grammatisch
B. Stammbildend
• -a±c- (Partizip der Gleichzeitigkeit)
czytaja±cy chΩopczyk → -a±c-
• -n-/-t-/-on- (Partizip Passiv, Unpersönliche Verbform Präteritum)
przeczytano → -n- , zaje±ty → -t- , mo´wiony → -on-
• -ni- (Verbalnomen)
przeczytanie → -ni-
• -l-/Ω- (Präteritum, Futur, Konjunktiv)
• Aspektaffixe: w-, po-, z-, prze-, u-, na-, wy-, -a(j)-, -ywa(j)-, -wa(j)-
(Aspekt)
z-robic´, prze-czytac´, u-szyc´, rozmy-wa-c´, sprawi-a-c´
• -sz-/-ejsz, naj-…-sz-/-ejsz- (Komparation des Adjektivs)
wie±kszy → -sz-, naj
• -Ø/-ij (Imperativ)
f) Endung
(kon´co´wka) Teil der Wortform, der die obligatorischen grammatischen Kategorien Kasus,
Person und Numerus enthält sowie Genus aufweist. Diese Kategorien sind flektivisch oder
klassifizierend.
przeczytaΩem → -e- + -m
g) Weitere Analyseeinheiten
In der Morphematik des Verbs spielt der Stamm (temat) eine wichtige Rolle: Teil der
Wortform abzüglich der Endung. Es handelt sich somit in der Regel um eine Kombination
verschiedener Morpheme.
przeczytaΩem → przeczytaΩ
In der Konjugation spielen die stammbildenden Einheiten eine wichtige Rolle. Es sind
Formeinheiten, denen keine eigenständigen Funktionen zukommen.
• Einheiten im Verbalstamm (⇑Konjugationen)
czytac´ → -a-, czytaja± → -aj-
• Bindevokale zwischen zwei Wurzeln
krwiodawca ‚Blutspender’ → -o-
110 1. Grundlagen
Die Hauptquelle der Bereicherung des Wortschatzes ist die Bildung neuer lexikalischer
Einheiten mit Hilfe von Wortbildungsverfahren. Die morphologische Wortbildung besteht
in der Zusammenfügung bestimmter Einheiten zu bedeutungshaltigen neuen Elementen. Zu
diesen Einheiten zählen die Stämme bereits vorhandener Lexeme und Affixe, also Suffixe
und Präfixe. Am Stamm hängt die lexikalische Bedeutung der Worteinheit. Affixe dienen
der Bildung neuer Wörter auf der Basis vorhandener Lexeme.
Das häufigste Verfahren ist die Affigierung (affixale Derivation), bei der einer
Wurzel ein Präfix oder ein Suffix oder zugleich (Zirkumfix) angefügt wird:
bieg-acz ‚Läufer’, prze-pie±kny ‚wunderschön’, u-powszechn-ic´ ‚verbreiten’
Neue Wörter können aber auch auf andere Weise gebildet werden, nämlich durch das Ab-
trennen bestimmter Elemente des Ausgangsworts. Hier sprechen wir von affixloser oder
negativer Derivation:
czoΩgac´ sie± ‚kriechen’ → czoΩg ‚Panzer’
dz´wigac´ ‚heben’ → dz´wig ‚Kran’
Neue Wörter entstehen nicht nur auf dem Wege der Derivation, sondern auch durch Kom-
position, d.h. durch die Verbindung zweier Wurzeln. Das Resultat der Komposition sind
zusammengesetzte Ausdrücke, also Komposita:
woda – cia±gna±c´ → wodocia±g ‚Wasserleitung’
rzecz – znac´ → rzeczoznawca ‚Sachverständiger’
b) Wortbildungsformation
Wortbildungsformationen (formacja sΩowotwo´rcza) sind motivierte Ausdrücke. Ihre Be-
deutung ergibt sich aus den Einzelteilen, deren Bedeutungen an andere in der Sprache
existierende Lexeme anknüpfen. Der Stamm bezieht sich auf die Bedeutung des Basisle-
xems und das Formativ auf die Funktion, die es in anderen, bereits vorhandenen Ausdrü-
cken mit analoger Struktur spielt.
1.3. Grundprinzipien der Wortbildung 111
c) Bedeutungsfunktion
Stamm und Formativ stehen in einer bestimmten Wechselbeziehung, die den allgemeinen
Rahmen für die mögliche Bedeutung der Formation bestimmt. Diese Beziehung wird nor-
malerweise in einem bestimmten Schema erfasst, das auf alle Ausdrücke mit verwandter
Struktur anwendbar ist; z.B.:
badacz ‚Forscher’ ‚ten, kto´ry bada’, sΩuchacz ‚Hörer’ ‚ten, kto´ry sΩucha’, biegacz
‚Läufer’ ‚ten, kto´ry biega’
Diese Bedeutung, die sich aus der Struktur des Ausdrucks ergibt, nennen wir ‚strukturelle
Bedeutung’ (znaczenie strukturalne). Sie bildet den Rahmen der möglichen Verwendungen
der lexikalischen Einheit. In der eigentlichen lexikalischen Bedeutung wird nur ein Teil
dieser Möglichkeiten realisiert; z.B. biegacz ‚Läufer’ ist nicht jeder, der läuft, sondern nur
derjenige, der regelmäßig läuft wie ein Sportler.
Eine zentrale Rolle bei der Bildung der Formation spielt das Formativ. Seine
Grundfunktion der Schaffung neuer Strukturen bezeichnen wir als ‚strukturell’. Darüber
hinaus kann das Formativ auch weitere Funktionen erfüllen. Beispielsweise weist das Suf-
fix -acz in den Ausdrücken badacz ‚Forscher’, biegacz ‚Läufer’ und sΩuchacz ‚Hörer’ auf
die Zugehörigkeit nicht nur zur Klasse der Substantive, sondern auch zur Klasse der Nomi-
na agentis (Handlungsausführenden) hin. Die Funktion der Zuordnung in eine allgemeine
semantische Kategorie nennen wir ‚Bedeutungsfunktion’. Einige Formative können mar-
kierte Ausdrücke bilden. Die Substantive domek ‚Häuschen’ und nosek ‚Näschen’ geben
nicht nur an, dass die Gegenstände klein sind, sondern auch dass der Sprecher eine be-
stimmte emotionale Beziehung zu ihnen hat. Entsprechend beinhalten die Ausdrücke do-
misko ‚Riesenhaus’ und nosisko ‚Riesennase’ eine negative Einstellung des Sprechers zu
den bezeichneten Gegenständen. Die Formative -ek und -isko erfüllen hier eine expressive
Funktion.
In der Kenntnis des Bestands an Stämmen und Formativen kann der Sprecher neue
Formationen bilden. Schriftsteller tun dies bewusst zu künstlerischen Zwecken, Wissen-
schaftler zur Benennung bestimmter Erscheinungen. Der durchschnittliche Sprecher bildet
unbewusst neue Formationen, gezwungen durch die Notwendigkeit, den alltäglichen Wort-
schatz zu erweitern. Er stützt sich dabei auf bestimmte Gebrauchsnormen, die die semanti-
sche und formale Verbindbarkeit der einzelnen Elemente bestimmen.
d) Wortbildungstypen
Neue Ausdrücke entstehen nach bestimmten Schemata, die aus einer größeren Anzahl von
identischen Strukturen abstrahiert wurden; z.B. wiederholt sich in der Gruppe koparka
‚Bagger’, spawarka ‚Schweißgerät’ und spre±z˙arka ‚Kompressor’ das gleiche Schema:
Verbstamm (kop-, spaw-, spre±z˙-) + Formativ -arka = Bezeichnung für eine Maschine. So
ein Modell läßt sich vervielfältigen und wir können neue Ausdrücke bilden wie kruszarka
112 1. Grundlagen
‚Brecher’, zwijarka ‚Wickelmaschine’ u.ä. Die Ausdrücke, die nach einem einheitlichen
Schema gebildet sind und durch eine gemeinsame strukturelle Bedeutung verbunden sind,
bilden ‚Wortbildungstypen’ (typ sΩowotwo´rczy).
e) Wortbildungskategorie
Die gleiche strukturelle Bedeutung können auch Lexeme haben, die zu verschiedenen
Wortbildungstypen gehören. Sie bilden eine Wortbildungskategorie (kategoria
sΩowotwo´rcza); vgl. Nomina agentis:
badacz ‚Forscher’, biegacz ‚Läufer’ – s´piewak ‚Sänger’, pΩywak ‚Schwimmer’ –
kierownik ‚Leiter’, sternik ‚Steuermann’ – nauczyciel ‚Lehrer’, dore±czyciel ‚Bote’
Je nach außersprachlich bedingtem Bedarf werden bestimmte Wortbildungskategorien
durch immer neue Ausdrücke erweitert, sie sind somit produktiv. Produktivität kommt
sowohl Formativen als auch Wortbildungsmodellen zu. Das bedeutet, dass bestimmte Affi-
xe in einer gegebenen Epoche neue Ausdrücke bilden können und dass hierzu bestimmte
Modelle verwendet werden. Auf die Auswahl wirken sich verschiedene Faktoren aus. Zum
einen ist die Bedeutung der Ausgangskomponenten zu nennen. So geht die Ausgangsbe-
deutung von zauwaz˙yc´ ‚bemerken’ in recht genauer Art in die Bedeutung von zauwaz˙alny
‚das-/derjenige, das/den man bemerken kann’ ein. Dies liegt an der Bedeutung des Wort-
bildungsformativs -alny, das die Möglichkeit angibt, an dem Gegenstand die vom Stamm
bezeichnete Handlung auszuführen. Es gibt jedoch auch Formationen, deren strukturelle
Bedeutung weniger klar ist. Die Ausdrücke domowy ‚Haus-’ und ogrodowy ‚Garten-’ las-
sen sich durch ein recht diffuses Schema erklären, das man paraphrasieren könnte als: ‚eine
Beziehung zu Haus oder Garten habend’. Erst der Kontext, in den das Adjektiv eingebettet
ist, erlaubt eine Präzisierung der Bedeutung; vgl.:
ubranie domowe ‚Kleidung, die im Haus getragen wird’
atmosfera domowa ‚die Atmosphäre, die in einem Haus herrscht oder eine Atmo-
sphäre wie in einem Haus’
kΩopoty domowe ‚häusliche Probleme’
Neben diesen im Grad der semantischen Diffusität sehr verschiedenen Formationen gibt es
auch Strukturen, die einander stärker ähneln.
Produktiv sind Konstruktionen sowohl mit einer sehr spezifischen Bedeutung als
auch solche mit unbestimmter struktureller Bedeutung. Dies kann auch von dem Funkti-
onsbereich abhängen. So ist die Wissenschaftssprache, die mit exakten Termini operiert,
durch die Präferenz für Strukturen mit maximaler Informativität geprägt, während in der
Umgangssprache Strukturen mit eher unbestimmter Bedeutung dominieren. Dadurch sind
einige Wortbildungstrukturen stilistisch beschränkt.
Ein weiterer Faktor, der bei der Produktivität von Formationstypen eine Rolle
spielt, ist der Grad der Regelmäßigkeit ihrer Bildung. Als ‚regulär’ (kategorial) sehen wir
solche Formationen an, die nur eine Bedeutung haben und von allen Mitgliedern einer
1.3. Grundprinzipien der Wortbildung 113
Klasse gebildet werden können, wie von allen Substantiven, Adjektiven usw. Eine Voraus-
setzung ist das Vorhandensein eines entsprechenden Musters.
f) Zur Regelmäßigkeit
In der polnischen Wortbildung gibt es kein einziges Modell, das total regelmäßig funktio-
niert. Ein Teil der Modelle verfügt über eine relative Regelmäßigkeit, die meisten sind
jedoch unregelmäßig. Dies hängt mit den Beschränkungen der Verbindbarkeit der Wortbil-
dungselemente zusammen. Eine Beschränkung liegt in der ‚Wortbildungsbasis’ des For-
mativs. Wortbildungsregeln sind nämlich bei weitem nicht so allgemein gültig wie Flexi-
onsregeln, sie operieren nicht nur auf der Basis der Wortart des Ausgangslexems, sondern
auch auf anderen wie morphologischen, lexikalischen und semantischen Merkmalen.
h) Lexikalisierung
(leksykalizacja) Neben den unterschiedlichen Verschiebungen im Wortbildungssystem
vollziehen sich auch Veränderungen in der motivierten Lexik. Parallele Einheiten, die
urprünglich synonym waren, beginnen sich in einem langsamen Prozess semantisch auszu-
differenzieren. Die Ausdrücke können immer weniger in den gleichen Kontexten eingesetzt
werden. Schließlich verlieren sie jeglichen Zusammenhang (owocny ‚fruchtbar’, owocowy
‚Obst-’) oder sie stimmen nur noch in einzelnen Bedeutungen überein (wieczorny ‚1. a-
bendlich, 2. Abend-’, wieczorowy ‚Abend-’).
Die Veränderungen im Wortschatz beruhen auch auf dem Verschwinden des of-
fensichtlichen Zusammenhangs zwischen den Wortbildungsformationen und den Basisle-
xemen, die die Bedeutung motivieren. Je länger ein Ausdruck ‚lebt’, desto eher kommt es
zur Auflösung des Zusammenhangs, dann sprechen wir von ‚Lexikalisierung’. Dieser Pro-
zess kann in unterschiedlichem Maße fortgeschritten sein. Die von der Lexikalisierung
1.4. Wortarten 115
1.4. Wortarten
Den Wortarten (cze±s´ci mowy) werden traditionell drei Arten von Eigenschaften zuge-
schrieben: syntaktische, morphologische sowie semantische bzw. pragmatische. Diesen
Kennzeichen entsprechen im Kern, jedoch nicht vollständig gleiche Kategorien im Sinne
von Mengen von Wörtern. So verhalten sich Personalpronomen, vgl. ja, ty, on, …, syntak-
tisch weitgehend wie Substantive, sie sind – verkürzt gesagt – syntaktisch Substantive, sie
haben aber nicht die morphologische Eigenschaften typischer Substantive wie matka,
116 1. Grundlagen
sklep, kot, student, …, (andere Flexionsparadigmen) und nicht deren typische semantische
Eigenschaft, eine symbolische Bedeutung, die eine inhaltliche Repräsentation des bezeich-
neten Objekts ermöglicht. Substantivierte Adjektive wie sΩuz˙a˛cy und viele Eigennamen wie
Z∆eromski, Janowa, Jerzy, Zakopane haben ebenfalls die syntaktische Funktion typischer
Substantive, aber nicht immer die typischen Flexionsendungen, die substantivierten Adjek-
tive wie biaΩos´c´ ‚das Weiß’ haben deren lexikalische Bedeutung. Heute finden wir das
Resultat der Kategorisierung in den entsprechenden Vermerken der Wörterbücher, wobei
aber verschiedene Kriterien zu verschiedenen Zuordnungen führen können.
Personalpronomen werden in den meisten älteren Grammatiken und in den Wör-
terbüchern als Pronomen, d.h. nach lexikalischen Kriterien aufgeführt, entgegen ihrer syn-
taktischen Funktion (z.B. Personalpronomen syntaktisch wie Substantiv, Demonstrativpro-
nomen wie Adjektiv, Pronominaladverb wie Adverb). Entsprechendes gilt für die Numera-
lia (Ordinalnumeralia haben syntaktisch gesehen Adjektivfunktion).
In diesen drei Eigenschaften unterscheiden sich sowohl die meisten der einzelnen
Wortarten (manche in weniger Eigenschaften), als auch die beiden großen Wortartgruppen,
die Inhaltswörter (Substantive, Adjektive, Adverben, Verben) und die Funktionswörter
(Präpositionen, Konjunktionen, Partikel, Interjektionen, Auxiliare). Diese Termini werden
hier wegen ihrer weiten Verbreitung verwendet, auch wenn sie rein konventionell sind;
auch Funktionswörter haben einen Inhalt und Inhaltswörter haben Funktionen. Wiederum
vor allem aus praktischen Gründen werden bestimmte Unterkategorien der Inhaltswörter zu
Pronomen und Numeralia zusammengefasst und als Sonderwortarten behandelt.
Als das vorrangig geeignete Kriterium der Zugehörigkeit eines Wortes zu einer
Wortart haben sich die syntaktischen Eigenschaften herausgestellt, die typisch oder einzig-
artig für eine bestimmte Wortart sind. Da sie sehr vielfältig sind, werden im Folgenden
daher nur Eigenschaften genannt, die für eine Abgrenzung von Wortarten ausreichen. Das
wichtigste allgemeine Kriterium ist die syntaktische Ordnungsrelation (Überord-
nung/Unterordnung), die sich aus der Verkettung von Wortfügungen ergeben und auf der
die Kategorisierung in Satzglieder beruht. Inhaltswörter sind satzgliedfähig, Funktions-
wörter nicht.
Als morphologische Eigenschaften der Wortarten wird hier die Bildung von oppo-
sitiven grammatischen Paradigmen mithilfe grammatischer Morpheme genannt. Adjektive
z.B. haben typischerweise grammatische Morpheme für Kasus, Numerus und Genus und
die Komparation, Adverben haben typischerweise nur grammatische Morpheme für die
Komparation. Inhaltswörter bilden oppositive grammatische Paradigmen, Funktionswörter
nicht, abgesehen von den meisten Auxiliaren, die die Endungen von Verben haben und
morphologisch gesehen somit ‚Verben’ sind (wenn die satzgliedfähigen Verben davon
abgesetzt werden sollen, können diese als ‚Vollverben’ bezeichnet werden.)
Die allgemeinste, zwei Wortartgruppen unterscheidende lexikalische Eigenschaft
bezieht sich auf die Fähigkeit, ohne Kombination mit einem anderen Wort auf etwas zu
1.4. Wortarten 117
referieren. Mit ihnen kann auf Weltausschnitte verwiesen werden und sie sind relevant für
den logischen Wahrheitswert einer Aussage.
Inhaltswörter haben ein eigenständiges referenzsemantisches Potential, Funkti-
onswörter nicht. Präpositionen und Konjunktionen sowie bestimmte Auxiliare (Phasen-
und Modalverben) sind synsemantisch, d.h. sie sind aufgrund ihres lexikalischen (genauer:
lexikalisch-grammatischen) Stammes relevant für den Wahrheitswert einer Kombination
aus ihnen und autosemantischen Wörtern. Dies gilt auch für Auxiliare, wenn sie neben der
grammatischen eine lexikalische Funktion haben (Phasenverben z.B. haben die lexikalische
Bedeutung ‚Anfang’ oder ‚(kein) Ende’). Andere Auxiliare wie byc´ in Kopulafunktion
dienen nur zur Bildung von analytischen Wortformen und vermitteln ausschließlich gram-
matische Kategorien analog zu Verbalendungen. Alle diese Funktionswörter sind gramma-
tische Wörter, dagegen haben Partikel und Interjektionen pragmatische Funktion, ihre An-
wesenheit ist nicht relevant für den Wahrheitswert einer Äußerung, sondern für deren
kommunikative Angemessenheit.
In der folgenden Tabelle sind die genannten Eigenschaften und Wortarten der bei-
den Wortartgruppen noch einmal zusammengestellt:
Inhaltswörter Funktionswörter
Substantive Präpositionen
Adjektive Konjunktionen
Adverben Partikeln
(Voll-)Verben Interjektionen
Pronomen Auxiliare
Numeralia
Bei Definition der einzelnen Wortarten und der Zuordnung der einzelnen Wörter zu den
Wortarten findet ein Abgleich der lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Ei-
genschaften, wiederum bei Dominanz des letzteren, statt. Der Abgleich führt u.a. dazu,
indeklinable Substantive, vgl. kakao, Rousseau, zu den Substantiven zu rechnen, weil sie
satzgliedfähig (und autosemantisch) sind, aus dem gleichen Grund die nicht flektierbaren
118 1. Grundlagen
Pronominaladverben, vgl. dzisiaj, jak, als Adverben und die Auxiliare, die meist flektiert,
aber nicht satzgliedfähig (und nicht autosemantisch) sind, als eigene Wortart anzusehen.
Wie für die Wortartgruppen gilt also auch für die einzelnen Wortarten, dass die syntakti-
schen, morphologischen und lexikalischen Eigenschaften dem jeweiligen Typ, nicht aber
jedem einzelnen Wort zukommen.
Die Wörter einer Wortart bilden je nach gemeinsamer syntaktischer, morphologi-
scher und lexikalischer Eigenschaft verschiedene Mengen, die sich jedoch sehr weitge-
hend überschneiden. Der Überschneidungsbereich bildet das Zentrum der Wortart, die
Restbereiche deren Peripherien. Zur morphologischen Peripherie der Substantive gehören
z.B. Eigennamen mit adjektivischer Endung. Zur einer anderen Peripherie (der Rekategori-
sierungs-Peripherie), gehören die Wörter, die einer Wortart durch Rekategorisierung ange-
hören, bei den Substantiven z.B. czytanie ‚das Lesen’ oder biaΩos´c´ ‚das Weiß’.
Die stärksten Diskrepanzen zwischen diesen eigenschaftsbestimmten Mengen be-
stehen zwischen den syntaktisch und den lexikalisch definierten Teilmengen. Ein Grund
dafür ist die Möglichkeit, Wörter von einer syntaktischen Wortart in eine andere zu trans-
ponieren, ohne dass dabei eine entsprechende semantische Verändung passiert, d.h. zu
rekategorisieren, z.B. durch die Derivation von Abstrakta wie czytanie ‚das Lesen’, cho-
dzenie ‚das Gehen’, intensyfikacja ‚Intensivierung’, biaΩos´c´ ‚das Weiß’. Da diese syntakti-
schen Rekategorisierungen systematischen Charakter haben und ein wichtiger dynamischer
Faktor der Wortartkategorisierung sind, werden sie hier in einem eigenen Abschnitt behan-
delt.
Mit der Rekategorisierung ergibt sich auch eine Diskrepanz zwischen Bedeutung
und Bezeichnungsfunktion: czytanie hat die Bedeutungs-Funktion ‚als Objekt konzipierte
Situation’, bezeichnet aber genauso wie czytac´ aktionale Situationen; analog entspricht bei
biaΩos´c´ ‚das Weiß’ der Bedeutung ‚als Objekt konzipierte Eigenschaft’ die Funktion, Ei-
genschaften zu bezeichnen, genauso wie biaΩy ‚weiß’. So haben also z.B. alle lexikalischen
Substantive zum einen die gemeinsame lexikalische Eigenschaft ‚Objekt oder als Objekt
konzipierte Entität’, zum anderen hat nur ein Teil der Substantive die Funktion, Objekte zu
bezeichnen, vgl. matka, student, sklep, kot etc. Der andere Teil bezeichnet Nicht-Objekte,
vor allem aktionale Situationen, vgl. czytanie, und Eigenschaften, vgl. biaΩos´c´.
Einen weiteren Anlass für das Auseinanderklaffen von syntaktischer und mor-
phologischer Kategorisierung einerseits und lexikalischer andererseits bieten die traditio-
nellen Wortarten der Pronomen und Numeralia. Ihre gemeinsamen Eigenschaften sind
lexikalisch. Hinsichtlich ihrer syntaktischen und morphologischen Eigenschaften verteilen
sie sich auf mehrere andere Wortarten, in denen sie wegen bestimmter Beschränkungen
meist der Peripherie angehören (s.u.), vgl. die Kreuzklassifikation (‚Hyperkategorien’) in
der folgenden Tabelle:
1.4. Wortarten 119
1.4.1. Substantive
(rzeczowniki) Syntaktisch gesehen ist das Substantiv (Appelativa, Eigennamen, Personal-
pronomen, bestimmte Numeralia) ein Inhaltswort, das (u.a.) einem finiten Verb-Prädikat
als 1. Argument untergeordnet sein kann. Pronominalsubstantive gehören zur syntaktischen
Peripherie der Substantive, weil sie u.a schwer mit Attributen zu verwenden sind.
Morphologisch gesehen sind Substantive: deklinierte Wörter mit spezifischen En-
dungen für Kasus, Numerus, Genus; Kardinalia sind deklinierte Wörter mit spezifischen
Endungen für Kasus. Personalpronomen sind nicht und Eigennamen typischerweise wie
Adjektive flektiert (morphologische Peripherie).
Lexikalisch gesehen bezeichnen Substantive Objekte oder als Objekt konzipierte
Entitäten (aktionale Situationen, Eigenschaften u.a.). Bei appelativischen Substantiven
etwa entspricht der referenzsemantischen Funktion ein symbolischer Bedeutungscharakter,
d.h. die Möglichkeit der Repräsentation, des Sich-Vorstellens der Entität, bei Eigennamen
120 1. Grundlagen
besteht diese Möglichkeit nicht. Bei den Pronominalsubstantiven entspricht der referenz-
semantischen Funktion eine deiktische und/oder anaphorische lexikalische Bedeutung. Bei
Substantiv-Kardinalia besteht sie in der Zählung von Objekten, vgl. siedem kotów.
1.4.2. Adjektive
(przymiotniki) Syntaktisch gesehen ist das Adjektiv ein Wort, das einem Substantiv ohne
Begleiter untergeordnet sein kann und dem ein Verb nicht übergeordnet sein kann. Mor-
phologisch ist das Adjektiv ein dekliniertes Wort mit spezifischen Endungen für Kasus,
Numerus, Genus und grammatischen Morphemen für die Komparation. Adjektive bezeich-
nen Eigenschaften oder als Eigenschaft konzipierte Entitäten.
1.4.2. Verben
(czasowniki) Syntaktisch ist ein (Voll-)Verb ein Inhaltswort, das im einfachen Satz einem
anderen Inhaltswort übergeordnet und selbst keinem Inhaltswort untergeordnert sein kann
(d.h. das in Prädikatsfunktion auftreten kann), ohne mit einem Auxiliar kombiniert zu sein.
Morphologisch gesehen verfügen Verben über paradigmatische Oppositionen für Tempus,
Aspekt, Modus, Genus verbi, Person, Genus und Numerus. Vollverben bezeichnen aktio-
nale Situationen (= Vorgänge und Zustände). Auxiliare verfügen meist über paradigmati-
sche Oppositionen der Vollverben, sind aber nur morphologisch ‚Verben’, gehören jedoch
nicht zur Wortart Verb.
1.4.3. Adverben
(przysΩo´wki) Das Adverb ist syntaktisch ein Wort, das einem Verb untergeordnet und nicht
dessen Argument sein kann. Morphologisch verfügen Adverben in der Regel über Kompa-
rationsparadigmen, dies gilt jedoch nicht für Pronominaladverben. Lexikalisch sind Adver-
ben in aller Regel entweder rekategorisierte Adjektive wie tanio, dobrze, po polsku, … oder
Pronomen, also PronominalAdverben wie teraz, tutaj, jak …
1.4.4. Funktionswörter
gliedern sich in grammatische und pragmatische Wörter: Die grammatischen Wörter sind
syntaktische Begleiter – Präpositionen (przyimki), Konjunktionen (spo´jniki) – oder Auxili-
are (sΩowa posiΩkowe). Syntaktische Begleiter sind Funktionswörter für Relationen zwi-
schen Satzgliedern oder Teilsätzen, entweder als Begleiter verschiedenartiger Konstituen-
ten und regierendes Wort eines Substantivs (Präpositionen) oder als Begleiter gleichartiger
Konstituenten (Konjunktionen). Auxiliare (Kopulae wie byc´, Temporalauxiliare, Diathese-
auxiliare, Modalauxiliare, Phasenauxiliare) markieren zusammen mit nicht finiten Wort-
formen von Inhaltswörtern (Adjektiven, Substantiven, Infinitiven) das Prädikat des Ele-
mentarsatzes.
Die pragmatischen Wörter sind Funktionswörter ohne satzgliedrelationale, mit
pragmatischer und ohne semantische, d.h. für den logischen Wahrheitswert nicht relevanter
1.4. Wortarten 121
Funktion. Partikeln sind syntaktische Wörter mit pragmatischer Relation zur gegebenen
oder zu anderen Äußerungen, vgl. chyba ‚wahrscheinlich’, wprawdzie ‚tatsächlich’, moz˙e
‚vielleicht’, oczywis´cie ‚natürlich’. Sie sind lexikalisch gesehen für Einstellungen, be-
stimmte illokutive Akte oder die Realisierung pragmatischer Maximen relevant. Interjekti-
onen bilden immer eine autonome Äußerung, mit ihnen werden expressive Akte vollzogen.
Sie können eine affektive expressive Funktion haben, vgl. oj, brr oder eine lautmalende
(‚onomatopoetische’) Form, vgl. ciach, bzz und sie haben dann meist keinen Bezug zu
anderen Äußerungen, wie dies bei pragmatische Formeln wie czes´c´, dzie˛kuje, tak der Fall
ist.
Funktionswörter
Neben den erwähnten kreuzenden Wortarten der Pronomen und Numeralia, die ihre Kon-
stitution gemeinsamen lexikalischen Eigenschaften verdanken, ist als weitere klassische,
aber heute nur noch selten beachtete kreuzende Wortart das Nomen zu erwähnen, das die
Substantive und Adjektive aufgrund ihrer gemeinsamen morphologischen Eigenschaften
umfasst (unter angelsächsischem Einfluss wird in der Germanistik gelegentlich ‚Nomen’
(< ‚noun’) auch für ‚Substantiv’ gebraucht.
Als neuere kreuzende Wortart ist die Kategorie der Konnektoren zu nennen. Sie
verbinden Elemente eines Textes ab Satzgröße (‚transphrastische Funktion’) und tragen
dadurch zu dessen Kohärenz bei. In der Kategorie werden Einheiten verschiedener Wort-
arten mit gemeinsamer syntaktischer einschließlich textlinguistischer Funktion zusammen-
gefasst, als Minimum gehören dazu Konjunktionen wie bo, wie˛c 1. ‚denn, weil’, Adverben
mit anaphorischer oder taxischer Funktion wie potem ‚dann’, dlatego ‚deshalb’ und Parti-
kel wie wie˛c 2. ‚denn’. Konnektive Funktion können darüber hinaus Formeln (po pierwsze
‚erstens’, w kon´cu ‚letzendlich’) oder ganze Wortfügungen und Sätze (jak zostaΩo zade-
monstrowane ‚wie gezeigt wurde’) haben.
Das Funktionswort nie ‚nicht’ steht außerhalb der Wortarten (traditionell wird es
zu den Partikeln gezählt, es hat jedoch keine pragmatische, sondern semantische Funktion).
Insbesondere Wörter ohne Flexion können mehreren Wortarten angehören, z.B.
oczywis´cie Partikel ‚offensichtlich’, Interjektion ‚Sicher! (als Antwort)’.
122 1. Grundlagen
1.5. Kategorien
erfüllen und über deren grammatischen Status kein Zweifel besteht. ‚Regelgegründet’ be-
deutet, dass bei der Anwendung der Regel Spielraum für Ausnahmen gelassen werden
muss. Die Definition soll in dieser Form gelten, d.h. als Prinzip, das Ausnahmen zulässt,
wobei zwei Arten der Ausnahmen unterschieden werden können:
(a) Die Ausnahme ist semantisch begründet. Substantive bestimmter lexiko-
grammtischer Kategorien wie die Stoffnamen (z˙elazo ‚Eisen’, woda ‚Wasser’,
wino ‚Wein’) erlauben keine Pluralbildung oder stative Verben wie znaczyc´
‚bedeuten’, stac´ ‚stehen’ keine Ableitung von Aspektpartnern.
(b) Die Ausnahme beruht auf einer sprachhistorisch begründeten Norm, vgl. Plu-
ralwörter wie fusy ‚Fusseln’, drzwi ‚Tür’, nosze ‚Trage’.
Die Definition dessen, was morphologische Funktionskategorien sind, geht im Umfang (in
der Extension) deutlich über die Menge der Funktionen hinaus, die traditionell zu den
‚grammatischen Kategorien’ gezählt werden. Anders gesagt: Die Bedeutungen, die zu den
traditionellen grammatischen Kategorien gehören, z.B. die Tempora, sind nur eine Unter-
menge der grammatischen Funktionen, wie sie hier definiert wurden. Mit dem vorliegen-
den Begriff der grammatischen Funktion wird nicht nur die Grammatizität von flektivi-
schen und bestimmten derivationalen ‚grammatischen Kategorien’ erfasst, sondern auch
die der adjektivische Partizipien oder Adverbialpartizipien und der lexiko-grammatischen
Kategorien wie ‚Stoffname’ oder ‚Transitivität’.
Das Gegenstück zum grammatischen Status von Affixfunktionen ist der lexikali-
sche. Als lexikalisch bezeichnen wir Funktionskategorien von Wortformen, die nicht auf-
grund einer allgemeinen Regel für beliebige Wörter einer Wortart vorausgesagt werden
können. Zu den lexikalischen Funktionen gehören neben den Funktionen der Wurzeln von
Inhaltswörtern die von Stämmen und von Wortbildungsaffixen. Das Suffix {-alnia} wird
nur mit einigen semantisch geeigneten Verben kombiniert, wie smaz˙alnia ‚Grillstube’,
sypialnia ‚Schlafzimmer’, nicht aber mit allen Verben, denn Wörter wie *gotowalnia ‚Kü-
che’ oder *pisalnia ‚Schreibzimmer’ gibt es nicht. Man kann also nicht anhand einer all-
gemeinen Regel voraussagen, dass es zu einem beliebigen Verb ein Derivat gibt mit der
Bedeutung ‚Räumlichkeit, in der der vom motivierenden Wort genannte Vorgang stattfin-
det’. Deshalb ist die Funktion dieses Affixes als lexikalische zu klassifizieren.
Man kann demgegenüber anhand einer allgemeinen Regel voraussagen, dass es im
Polnischen zu einem beliebigen pf. Verb auch die Kombination mit der Funktion des ipf.
Aspekts gibt, oder dass es zu einem transitiven Aktiv-Verb auch die Passiv-Funktion gibt.
Die Funktionskategorien sind eben morphologisch und damit grammatisch, auch wenn mit
den Affixen Wörter gebildet werden.
Da hier die gegenseitige Ausschließung des lexikalischen und grammatischen
Status nur bezüglich der Funktionen angesetzt wird, ist die oben besprochene Tatsache
berücksichtigt, dass Formen von Morphemen und Morphemkomplexen zugleich lexikali-
sche und grammatische Funktionen zugeordnet sein können. Dies ist hinsichtlich eines
1.5. Kategorien 127
lexikalischen Stammes wie dem von me˛z˙czyzna ‚Mann’, der auch die grammatische Funk-
tion ‚maskulin-personal’ trägt, längstens bekannt und wurde oben im Zusammenhang mit
der lexikalischen und zugleich grammatischen Aspekt-Präfigierung, vgl. budowac´ > zbu-
dowac´ ‚bauen’ und po- in podzielic´ ‚teilen’ erläutert.
Dem muss auch die Klassifizierung von Form-Funktions-Einheiten, von Morphe-
men und Stämmen in lexikalische und grammatische Rechnung tragen. Folgende Bezeich-
nungen für Morpheme sollen hinsichtlich ihres Status gelten:
Lexikalisch: Morpheme, die eine oder mehrere lexikalische Funktionen haben, s.o.
{-alnia};
Grammatisch: Morpheme, die eine oder mehrere grammatische Funktionen haben,
z.B. Flexionsmorpheme.
Es gibt damit Affixe, die wie erörtert je nach Funktion und Umgebung sowohl grammati-
schen als auch lexikalischen Status haben können, sei es in verschiedenen Wörtern (na-
jechac´ und na-pisac´), sei es in ein und demselben Wort wie das erwähnte po- in podzielic´
oder sie˛ wie in otwierac´ sie˛ (sie können hinsichtlich des Status ‚ambivalent’ genannt wer-
den). Sie werden sowohl im Rahmen der (lexikalischen) Wortbildung als auch in der Mor-
phologie beschrieben.
Bei lexikalischen Stämmen müssen wir definitorisch anders verfahren, weil diese
neben der lexikalischen Bedeutung fast immer auch grammatische Funktionen haben. Als
lexikalischen Stamm haben wir die Summe der Allomorphe der Wortform(en) eines In-
haltswortes bezeichnet, die lexikalische Funktion haben, also die Wortform ohne die Mor-
pheme, die nur grammatische Funktion haben. Demnach bildet budowa(X)- ‚bau-’ den
lexikalischen Stamm u.a. der Wörter budowac´, zbudowac´, budowac´ sie˛, zbudowany, wäh-
rend przebudowa(X)- ‚umbau-’ den lexikalischen Stamm u.a. der Wörter przebudowac´ ,
przebudowywac´, przebudowawszy.
Aber es gibt sehr verschiedene Ansichten darüber, ob z.B. mit der Bildung von
Aspektpartnern, also durch das Anfügen grammatischer Affixe, vgl. budowac´ > zbudowac´
‚bauen’, pisac´ > napisac´ ,schreiben’, neue Wörter oder nur neue Wortformen entstehen. In
den Wörterbüchern jedenfalls bilden z.B. Aspektpartner eigene Lemmata (= Stichwörter),
so dass aus dieser Sicht zwischen ihnen Wortbildungsbeziehungen bestehen. Und wenn
man den Aspekt als ‚nichtflektivische’ grammatische Kategorie auffasst, wie die russische
Akademiegframmatik von 1980, oder ganz oder teilweise als zur Wortbildung gehörend,
wird die polnische Akademiegrammatik von 1998, dann handelt es sich um grammatische
Wortbildung, damit auch um grammatische Derivation.
entsprechen, geht, dem Kontext überlassen. Wenn nötig, wird explizit von einem ‚Formen-
paradigma’ oder der ‚Funktionskategorie des Aspekts’ oder ‚grammatischen bzw. mor-
phologischen Bedeutungen’ gesprochen.
Ein zentrales Problem ist die Auswahl der als ‚grammatisch’ bezeichneten Katego-
rien. Grammatische Morpheme wie die des adjektivischen Partizips und Adverbialpartizips
oder diejenigen, die Adjektive zu Adverbien machen, s. pie˛kny > pie˛knie ‚schön’ werden
vom traditionellen System der grammatischen Kategorien nicht erfasst. Das gleiche gilt für
die lexiko-grammatischen Kategorien der Transitivität der Verben oder der Homogenität
(‚Zahlbarkeit’) der Substantive. Sie alle haben grammatische Funktionen, bilden aber keine
‚grammatischen Kategorien’.
Damit verbunden ist das Problem, wie man mit den Kategorien umgehen soll, die
zwar als grammatisch angesehen werden, deren formale Entsprechung aber schwer oder
nicht als Flexion angesehen werden kann. Bis heute ist umstritten, ob z.B. der Aspekt, der
in den heutigen slavischen Sprachen nach ganz andern Formprinzipien aufgebaut ist, als im
Urslavischen, Französischen oder Englischen, eine Flexion bildet, oder welche Art von
grammatischer Kategorie er sein könnte. Es ergibt sich folgendes Bild zur Kategorisierung
grammatischer Morpheme:
Grammatische Suffixe, die nicht immer zu den grammatischen Kategorien gerech-
net werden sind Affixe für Komparativ und Elativ/Superlativ, vgl. cieplej ‚wär-
mer’, najcieplej ;am wärmsten’, cieplejszy ,wärmer’, najcieplejszy ,am wärms-
ten’ und Präfixe zur Bildung von pf. Aspektpartnern, vgl. pisac´ > napisac´
‚schreiben’;
Grammatische Suffixe, die nicht zu den grammatischen Kategorien gerechnet wer-
den sind die Affixe für pf. und ipf. Adverbialpartizipien, vgl. przeczytawszy,
czytaja±c ‚lesend’, die Affixe für pf. und ipf. adjektivische Partizipien, vgl. czy-
taja±cy ‚lesend’, czytany, przeczytany ‚gelesen’, robiony, zrobiony ‚gemacht’,
bity, zbity ‚geschlagen’.
Affixe, deren grammatischer Status zweifelhaft ist sind Affixe der Adverbablei-
tung, vgl. ciepΩo ‚warm’, Ωadnie ‚schön’, po niemiecku ‚auf deutsch’.
chend der obigen Definition des grammatischen Status (‚die Kategorie kann ausgehend von
der Wortart vorausgesagt werden’) kann zur Feststellung des grammatischen Status der
Funktion eines Morphems oder einer Morphemkombination die Frage formuliert werden,
ob und inwieweit die Kategorie eine Implikation der Wortart im folgendem Sinne ist:
‚Wenn ein Wort der Wortart W gebraucht wird, wird dann auch die Funktionskate-
gorie K als Teil der Wortformen von W realisiert?’ (oder kurz: ‚W, also auch K?’).
Antwort NEIN: lexikalischer Status der Funktionskategorie.
Antwort JA: grammatischer Status der Funktionskategorie.
Die Feststellung des grammatischen Status vorausgesetzt, kann die funktionale Struktur
des Kategorientyps – flektivischer, grammatisch derivationaler, grammatisch klassifikatori-
scher und erweiterter morphologischer Typ – mit folgenden Fragen ermittelt werden:
‚Impliziert der lexikalische Stamm der Wörter aus der Wortart {W} eine bestimmte funkti-
onale Subkategorie der grammatischen Kategorie {K}?’
NEIN: JA:
z.B. impliziert der lexikalische Stamm eines z.B. impliziert der lexikalische Stamm eines
Substantivs nicht eine bestimmte Kasusbe- Verbs eine bestimmte Aspektbedeutung oder
deutung oder ein Verb nicht eine bestimmte der lexikalische Stamm eines Substantivs ein
Modalbedeutung bestimmtes Genus
Funktionx Funktiony
Stammx Affixx [Funktionsworty ∩(Stammx) Affixy]
Die Markierungen sind im Hinblick auf ihre lokale Position in der Wortform gestuft: die
grammatische Klassifikation bezieht sich auf den Stamm selbst (er wird indirekt markiert
und kann aus einer Wurzel allein bestehen oder lexikalische Wortbildungsmorpheme ent-
halten). Die Derivationsmorpheme sind in der Regel die nächsten Nachbarn des lexikali-
schen Stammes, während die Flexion sich rechts anschließt. Mit der Erweiterung morpho-
logischer Kategorien schließlich kommen andere Wörter, Funktionswörter, hinzu. Je wei-
ter in einer synthetischen Wortform ein Morphem vom lexikalischen Stamm entfernt ist,
desto höher ist sein Grammatizitätsgrad.
Diese Positionierung ist im folgenden Schema abgebildet, das von unten (lexikali-
sche Ebene) nach oben zu lesen ist:
1.5. Kategorien 133
morpho-grammatischer Gebrauchseinheiten
Typ Produkt der Markierung markierende Einheit
erweiterte Wortform
moz˙na / zaczyna czytac´,
o prozie
Mit den genannten Arten der funktionalen Struktur und der morpho-grammatischen Mar-
kierung werden die Typen morpho-grammatischer Kategorien ermittelt. Damit soll jedoch
kein prinzipiell neues Kategoriensystem für die Morphologie aufgestellt werden. Vielmehr
soll ausgehend von der traditionellen Kategorienlehre ein einigermaßen konsistentes Kate-
goriensystem formuliert werden, in dem geläufige Einteilungen definitorisch fundiert und
soweit es geht in terminologischer Kontinuität fortgeführt werden können.
Das Verhältnis zwischen den morpho-grammatischen Kategorien untereinander
entspricht der Struktur konzentrisch angeordneter Flächen. Die morphologische Grammati-
zität nimmt in dieser Anordnung von innen nach außen ab. Im inneren Zentrum befinden
sich die – maximal grammatischen – Flexionskategorien (1). Sie gehören neben den deri-
134 1. Grundlagen
vationalen Kategorien wie dem Aspekt und dem klassifikatorischen Genus des Substantivs
zu den morphologischen Kategorien (2). Diese enthalten prinzipiell synthetische Wortfor-
men, deren grammatische Funktionen die Wortart nicht verändern. Die morphologischen
Kategorien sind wiederum das Zentrum der morpho-grammatischen Kategorien (3). Zu
diesen gehören neben den morphologischen Kategorien solche mit schwächerer Grammati-
zität: die morphologischen Transpositionskategorien (z.B. Partizipien), welche die Wortart
verändern, die lexiko-grammatischen Kategorien (z.B. in/transitive Verben), deren Funk-
tion lexikalisch fundiert ist, und die erweiterten morphologischen Kategorien (z.B. Modal-
Phrasen wie moz˙na zakryc´), die keine strengen oppositiven Paradigmen bilden. Das Ver-
hältnis der Kategorientypen ist im folgenden Diagramm abgebildet:
Flexion 1. flektivische
Kategorien
z.B. Kasus
grammat. 2.1 derivationale Kate- 3.1 lexiko-semantische
Derivation gorien Kategorien
z.B. Aspekt z.B. in/transitive Verben
Funktion(en)x, … Funktion(en)y, …
(Stammz)+Affixx (Stammz)+Affixy
Der Infinitiv ist in die Verbflexion aufzunehmen, weil er funktional in Opposition zu den
anderen flektivischen Kategorien steht. Seine Funktion ist die Markierung der Abwesenheit
der anderen flektivischen Funktionen des Verbs – der Person, des Modus, des Tempus, des
Numerus, des Genus.
Typisch für flektivische Affixe ist, dass sie mehrere grammatische Funktionen ver-
schiedener grammatischer Kategorien zugleich markieren können, und dass umgekehrt die
Funktionen, z.B. die des Akkusativs der Adjektive, durch verschiedene Endungen ausge-
drückt werden. Es gibt jedoch auch Ausnahmen: das Flexionssuffix {-Ω-} hat nur die Tem-
pusbedeutung ‚präterital’.
-wa-, -a-} ist. Das Suffix ist die derivationale Markierung des ipf. Aspekts, es ist Träger
der Funktion ‚verändere das perfektive Verb zu einem imperfektiven Verb’.
Funktionx Funktiony
lexikalischer Stammx (lexikalischerStammx)+Affixy
Funktionx Funktiony
lexikalischer Stammx lexikalischer Stammy
Neben den kongruierenden Adjektiven indizieren bei den unbelebten Substantiven auch die
Endungsparadigmen das jeweilige Genus des Substantivs. Ausgehend von Kempgen
(1995) oder praktischen Grammatiken kann man die Frage stellen, ob nicht die Endungen
selbst als Träger der Genusfunktionen der Substantive angesehen werden sollten, zumin-
dest bei den unbelebten Substantiven. Die Indeklinabilia wie kakao könnten dann als Aus-
nahmen angesehen werden; bei den maskulin-personalen Substantiven ist dies schwieriger,
hier sind Ausnahmen wie me˛z˙czyzna ‚Mann’ recht zahlreich, ganz zu schweigen von semi-
ambigenen Bezeichnungen wie boa ‚Boa’, sierota ‚Waise’, kaleka ,Krüppel’, doktor
‚Doktor’, profesor ‚Professor’ usw. Hier entscheidet die lexikalische Bedeutung über das
Genus.
Aber auch eine Beschränkung auf unbelebte Substantive macht deren Endungen
nicht zu vollgültigen Indikatoren des Genus. Denn ehe ich die Frage stellen kann: Welches
Genus indiziert das Endungsparadigma des Substantivs N, muss ich festgestellt haben, ob
das Substantiv belebt, bzw. maskulin-personal ist, und diese Information entnehme ich der
lexikalischen Bedeutung, deren Träger wiederum der lexikalische Stamm ist. Wenn ich
wissen will, ob die Regel ‚Bestimme das Genus eines unbelebten Substantivs anhand des
Endungsparadigmas’ anwendbar ist, muss ich erst einmal die lexikalische Bedeutung die-
ser Wörter kennen. Erst diese gibt darüber Auskunft, ob das Substantiv maskulin-personal,
belebt oder unbelebt ist und die Regel anwendbar ist oder nicht. Man kommt ohne die lexi-
kalische Bedeutung also auch hier nicht aus, so dass die einfachste Regel zur Feststellung
des Genus von Substantiven die geltende normative Regel ist, also die Kongruenz mit dem
138 1. Grundlagen
Adjektiv. Endungen haben bei den unbelebten Substantiven ebenfalls eine Funktion als
eine Art ‚Klassifikatoren’, so wie andere kontextuelle Wortformen, seien es Pronomina
oder die Endungen von Präterita. Sie haben aber nicht die Funktion des Trägers der Genus-
funktion bei Substantiven, diese hat bei Substantiven der lexikalische Stamm.
Klassifikatorisch sind auch die lexiko-grammatischen Kategorien, über die unten
mehr gesagt wird. Dort wird auch begründet, warum das Genus mit allen seinen Subkate-
gorien (auch den maskulin-personalen und den nicht maskulin-personalen Substantiven mit
deren Subkategorien der maskulin-belebten und maskulin-nicht belebten Substantive)
nicht zu den lexiko-grammatischen Kategorien zu gerechnet wird. Zusammenfassend ge-
sagt: Die Kategorie Genus des Substantivs ist eine morphologische Kategorie, weil sie
weitgehend vollständig durch indirekte Markierung (durch kongruierende Adjektive u.a.)
vorausgesagt werden kann, während die Voraussagbarkeit des Genus anhand der lexikali-
schen Bedeutung (des lexikalischen Sexus / natürlichen Geschlechts) nur in beschränktem
Masse besteht (wobei die Voraussage durch kongruierende Adjektive u.a. in deutlich grö-
ßeren Umfang möglich ist, als durch Auslautformen).
Die Transpositionskategorien
Die morpho-grammatischen Transpositionskategorien umfassen die Adjektiv- Partizipien,
die Adverbialpartizipien , die deadjektivischen Adverben und die Ordinalnumerale . Die
oder eine grammatische Funktion des Derivationsaffixes zeigt an, dass der Stamm in eine
andere grammatische Wortart überführt ist. Wenn das Affix eine solche transpositive
Funktion hat, dann gehört die Kategorie nicht zu den morphologischen Kategorien, weil
diese einer bestimmten Wortart angehören.
Traditionell werden nicht zur grammatischen Wortbildung gerechnet die Affixe der Ablei-
tung von Beziehungsadjektiven, vgl. miejski ‚Stadt-’, hamburski ‚Hamburger’, sowie Affi-
1.5. Kategorien 139
Funktionx Funktiony
∩
Stamm x ModAuxy [(Stammx)Infinitivy]
otworzy- moz˙-esz otworzy-c´
trzeba otworzy-c´
…
Funktionx Funktiony
Stamm x Phas.Verby∩ [(Stammx)Infinitivy]
otwiera- zacze˛-Ω-a otwiera-c´
pisa- skon´czy-Ω-a pisa-c´
…
Analytische Markierung durch Phasenverb in erweiterten Wortformen
• Die Präpositionen gehören zur Peripherie der Kategorie der Kasusfunktionen, er-
gänzen diese und differenzieren sie syntagmatisch; vgl. ZwróciΩ mu uwage˛./
ZwróciΩ na niego uwage˛. ‚Er hat ihn zurechtgewiesen. / Er hat ihn beachtet.’ SpaΩ
bez piz˙amy / na kanapie. ‚Er schlief ohne Pyjama / auf dem Sofa.’
• Die Modalauxilare, vgl. moz˙e (pisac´) ’er/sie/es kann (schreiben)’, trzeba (otwo-
rzyc´) ‚man muss (öffnen)’, wolno (palic´) ‚man darf (rauchen)’ gehören der funk-
tional-semantischen Kategorie (s.u.) der Modalität an und markieren das Satz-
prädikat;
• die Phasenverben, vgl. zacze˛Ωa mówic´ ‚sie begann zu sprechen’, kon´czyΩa sie± u-
bierac´ ‚sie hörte auf sich anzuziehen’, zaczyna pisac´ ‚er/sie/es fängt an zu
schreiben’, stimmen mit bestimmten Aspektfunktionen überein.
Manche der Wörter dieser Paradigmen haben nur in bestimmten Verwendungen eine
grammatische Funktion. So hat das Verb kon´czyc´ nur in Verbindung mit einem Infinitiv,
vgl. konczyc´ pisac´ ‚aufhören zu schreiben’, grammatische Funktion. Regiert es ein sub-
stantivisches Objekt, dann ist es Vollverb, vgl. kon´czyc´ lekcje˛ ‚die Stunde beenden’. Ana-
log verhält es sich mit chciec´, vgl. chciaΩ otworzyc´ ‚er wollte öffnen’ gegenüber chciaΩ
wódki ‚er wollte Vodka’. Byc´ ‚sein’ kann bekanntlich Auxiliar oder Vollverb sein.
Zusammengesetzte Phasenausdrücke wie zacze˛Ωa mo´wic´ ‚sie begann zu sprechen’
oder Präpositionalphrasen wie do je˛zyko´w ‚zu den Sprachen’ werden also nicht erst auf der
syntaktischen, sondern schon auf der morphologischen Ebene beschrieben.
Lexiko-grammatische Kategorien
Hierzu gehören geläufige Kategorien wie Stoffnamen, transitive und intransitive Verben,
persönliche und unpersönliche Verben, telische und nicht telische Verben. Sie bestehen aus
Mengen von Wörtern, genauer Wortstämmen, mit bestimmten grammatischen und lexikali-
schen Gemeinsamkeiten. Die Mengen z.B. der transitiven und intransitiven Verben werden
nicht als morphologische (grammatische) Kategorie angesehen, obwohl auch sie Träger
von so grammatischen Funktionen sind. Mengen dieser Art werden in manchen slavisti-
schen Grammatiken als ‚lexiko-grammatische Paradigmen’ aufgeführt. Sie gehören zum
klassifikatorischen Kategorientyp, transitive Verben z.B. kommen mit einem direkten Ob-
jekt vor und konnen prinzipiell das Passiv bilden, intransitive nicht.
Die lexiko-grammatischen Kategorien können von den morphologischen klassifi-
katorischen Kategieren anhand folgende Definition abgegrenzt werden (vgl. ausführlich
Lehmann 2001): Eine Kategorie, deren Funktionen sowohl aufgrund der klassifikatori-
schen Markierung, als auch aufgrund der lexikalischen Bedeutung für ein beliebiges Wort
der betreffenden Wortart vorausgesagt werden kann, ist eine lexiko-grammatische Katego-
rie. Dazu gehören u.a.:
• die Homogenität mit den Individuativa wie student oder sto´Ω und Kontinuativa
(auch: Stoffnamen; rzeczowniki materiaΩowe) wie glina ‚der Ton’, s´nieg ‚der
1.5. Kategorien 141
Schnee’, metal ‚das Metall’, powietrze ‚die Luft’; Kontinuativa bezeichnen ho-
mogene Objekte, deren Teile oder Vermehrung mit dem gleichen Substantiv
benannt werden können, was für Individuativa nicht gilt;
• die Transitivität mit den transitiven – intransitiven Verben (mit – ohne Passiv,
odkryc´ ‚entdecken’ – spac´ ‚schlafen’); sie bezeichnen Situationen mit – ohne lo-
gisches Objekt;
• die persönlichen – unpersönlichen Verben (czasowniki osobowe – nieosobowe);
bei persönlichen Verben können die Personalendungen verändert werden, bei
unpersönlichen gibt es nur die 3. Person Singular (neutrum), vgl. czytac´ ‚lesen’
– brakuje mi czasu ‚mir fehlt die Zeit’; die unpersönlichen Verben beziehen sich
auf Vorgänge, die als von einer Person nicht beeinflussbar dargestellt werden,
v.a. Naturerscheinungen und innere Vorgänge beim Menschen;
• die Telizität mit den telischen und nicht telischen Verben (czasowniki teliczne –
nieteliczne; tendenziell mit – ohne paarigen Aspektpartner); die atelischen Ver-
ben bezeichnen als lexikalische Einheiten Situationen ohne innere Grenze, so
dass bei deren Teilung oder Verlängerung das Verb weiterhin verwendet werden
kann, vgl. zamieszkac´ ‚bewohnen’, während telische Verben Situationen mit in-
nerer Grenze bezeichnen, vgl. otworzyc´-otwierac´ ‚öffnen’.
Problematisch ist die Zuordnung einiger Subkategorien des Genus der Substantive. Bei den
unbelebten Substantiven aller Genera besteht kein Zweifel über die Zuordnung zu den
morphologischen Kategorien, weil hier das Genus nicht anhand der lexikalischen Bedeu-
tung vorausgesagt werden kann. Bei den belebten Feminina und den maskulin-personalen
Substantiven hingegen stimmt die Klassifizierung durch das kongruierende Adjektiv
(mΩoda kobieta, mΩody poeta, mΩody ojciec) mit der lexikalischen Bedeutung (dem natürli-
chen Geschlecht/Sexus) tendenziell überein. Besonders bei den maskulin-belebten Sub-
stantiven gibt es aber Tendenzen zur Ausweitung der Kategorie, bei der die Übereinstim-
mung zwischen grammatischer Funktion und lexikalischer Bedeutungskomponente verlo-
ren geht: Neben den Tiernamen mit maskulin-belebter lexikalischer Bedeutung wie byk
‚Bulle’, pies ‚Hund’, usw. verbreitet sich die maskulin-belebte Funktion auch auf Substan-
tive, mit denen keine belebten Objekte bezeichnet werden: für Automarken (mercedes,
fiat), Tänze (walc ‚Walzer’, polonez ‚Polonaise’) u.a. sowie auf hinsichtlich des natürlichen
Geschlechts (Sexus) sprachlich nicht unterschiedene Arten von Tieren wie Insekten (mól
‚Motte’, komar ‚Mücke’) Schmetterlinge (motyl ‚Schmetterling’, bielinek ‚Kohlweißling’)
usw. Angesichts dieser Situation rechnen wir den ganzen Komplex zu den morphologi-
schen klassifikatorischen Kategorien.
In der folgenden Tabelle wird eine Übersicht über die morpho-grammatischen
Kategorien gegeben, wobei diese mit der obersten Tabellenzeile den morphologischen und
den anderen morpho-grammatischen Kategorien zugeordnet werden, mit der untersten
142 1. Grundlagen
Kategoriale Korrespondenzen
Korrespondierenden Kategorien sind einerseits die morphologischen Kategorien und die
morphologischen Transpositionskategorien, andererseits solche Kategorien, die deren
Funktionen oder Formen in einem bestimmten Format, d.h. in lexikalischen Stämmen,
Wortformen, Sätzen u.a., enthalten. Diese anderen korrespondierenden sind im Wesentli-
chen:
– die lexiko-grammatischen Kategorien;
– die erweiterten morphologischen Kategorien;
– die Kategorien der Satz- und Textfunktionen der morphologischen und der
morpho-grammatischen Transpositionskategorien;
– diejenigen funktional-semantischen Kategorien (s.u.), deren Zentrum von mor-
phologischen und von morpho-grammatischen Transpositionskategorien gebil-
det wird.
1.5. Kategorien 143
Korrespondierende Kategorien werden im weiteren Text des Teils ‚Das Wort’ in verschie-
denem Umfang behandelt. Das entspricht der gegenwärtigen Grammatikforschung und
-schreibung, in der viele dieser Kategorien keinen klassischen Gegenstand bilden. Sie wer-
den auch im vorliegenden Abschnitt nur erwähnt mit dem Ziel, diesen Kategorien einen
systematischen Ort zuzuweisen. Dieser Ort ist die dem Format der Kategorienelemente
entsprechende Sprachebene: Die obige Aufzählung verläuft vom Format lexikalischer
Stamm (Ebene der Lexik) über die Formate Wortform (Morphologie), Elementarsatz
(Syntax) und Text (Textlinguistik) hin zu den funktional-semantischen Kategorien, die
weder auf ein Format noch auf einen grammatischen oder lexikalischen Status festgelegt
sind. Die Satz- und Textfunktionen werden an dieser Stelle nicht weiter erwähnt, eine aus-
führlichere Behandlung findet sich im Kapitel zum Kasus und zu den Verbkategorien. Oh-
nehin gibt es nicht zu jeder morphologischen oder morpho-grammatischen Transpositi-
onskategorie korrespondierende Kategorien aller Formate. So gibt es z.B. zum Tempus
keine korrespondierende lexiko-grammatische Kategorie.
Funktional-semantische Kategorien
Als funktional-semantische Kategorien werden Mengen von sprachlichen Form-Funktions-
Einheiten aus den Inventaren verschiedener Ebenen und Paradigmen bezeichnet, deren
Bedeutungen ein und derselben semantischen oder pragmatischen Kategorie angehören. So
gehören zur funktional-semantische Kategorie der Temporalität neben den Tempora auch
temporale Adverbien wie dzis´, dzisiaj ‚heute’, Präpositionen und Konjunktionen wie przed
‚vor’, kiedy ‚wenn’, Substantive wie rok ‚Jahr’ und Adjektive mΩody ‚jung’. Für die Defi-
nition solcher Kategorien und die Klassifikation der Einheiten wird nur die funktionale
Seite herangezogen.
Funktional-semantische Kategorien haben eine gestufte innere Struktur, d.h. in al-
ler Regel mindestens ein Zentrum und eine oder mehrere Peripherien. Im Zentrum befindet
sich meist eine morphologische Kategorie, z.B. in der Temporalität die Kategorie Tempus.
Im Folgenden wird kurz auf Kategorien eingegangen, in der sich neben einer morphologi-
schen Kategorie als Zentrum auch die entsprechenden erweiterten morphologischen Kate-
gorien befinden.
Bei der Aspektualität bildet der Aspekt das Zentrum und die Phasenverben (zaczy-
nac´ ‚beginnen’, kon´czyc´ ‚enden’) eine wichtige Peripherie. Daneben gehören z.B. auch
Adverben wie cze˛sto ‚oft’, zawsze ‚immer’ oder nagle ‚plötzlich’ zu dieser Kategorie.
Ein Zentrum der Modalität ist der Modus. Eine wichtige Peripherie sind Modalau-
xiliare wie trzeba ‚man muss’, moz˙na ‚man kann’, wolno ‚man darf’.
Bei semantischen Kasus bilden die Kasusendungen mit ihren Funktionen einen
Kern der funktional-semantischen Kategorie, die Präpositionen die wichtigste Peripherie.
Beispiele für Korrespondenzkategorien finden sich in den folgenden Tabellenzei-
len (ohne syntaktische und textlinguistische Kategorien):
144 1. Grundlagen
In der Wortart der Substantive (rzeczowniki) lassen sich neben den Personalpronomen
zwei Subkategorien ausmachen, die sich in Semantik, Orthografie, Morphologie und auch
Syntax unterscheiden. Beide Kategorien sind sehr groß und offen für neue Mitglieder, die
ständig hinzukommen: Appellativa wie samocho´d und Eigennamen wie Kowalski.
2.1.1. Appellativa
Die eine Klasse bilden die Appellativa – auch Gattungsnamen (nazwy pospolite) genannt.
Hierzu gehören typische Substantive wie dom ‚Haus’, miΩos´c´ ‚Liebe’ und czΩowiek
‚Mensch’. Ihnen entspricht eine überindividuell gleich abgespeicherte Bedeutung, die mit
Hilfe einer beschreibenden Paraphrase (= Explikation) explizit gemacht werden kann. So
haben alle Polnisch Sprechenden eine in etwa übereinstimmende Vorstellung davon, was
ein typisches samocho´d ‚Auto’ ist. Die zentrale Eigenschaft von Appellativa ist ihre Fähig-
keit, sich sowohl auf Kategorien von Objekten, als auch auf konkrete Einzelobjekte zu
beziehen. In der konkreten Kommunikation wird die Referenz dann mit Hilfe anderer
sprachlicher Mittel und die Einwirkung der Sprechsituation näher festgelegt. Dies können
wir an dem typischen Appellativum dom demonstrieren: es kann einmal auf die Klasse der
Häuser und somit auf alle denkbaren Häuser referieren, wie in diesem Satz:
WΩasny dom zawsze jest dobra± inwestycja±. ‚Ein eigenes Haus ist immer eine gute
Investition.’
In diesem Satz ist vom Haus als solchem die Rede; der Sprecher hat keinen einzelnen,
konkreten Repräsentanten der Kategorie, sondern einen allgemeinen Prototypen vor Au-
gen. Er kann mit dem gleichen Substantiv aber auch ein bestimmtes Haus meinen, das der
Hörer eindeutig identifizieren kann. In diesem Falle benutzt er manchmal zusätzlich zei-
gende Wörter wie z.B. Possessivpronomen oder im Deutschen den bestimmten Artikel der:
Sprzedalis´my w zeszΩym roku swo´j dom. ‚Wir haben im vorigen Jahr unser Haus
verkauft.’
Sprzedalis´my dom w zeszΩym roku. ‚Wir haben im vorigen Jahr das Haus verkauft.’
Hier weiß der Hörer, dass nicht die Klasse der Häuser an sich gemeint ist, sondern ein ein-
zelnes, das er in der Situation eindeutig identifizieren kann. Eine noch andere Art der Refe-
renz des Substantivs dom liegt vor, wenn der Sprecher zwar einen konkreten Repräsentan-
146 2. Substantive
ten im Auge hat, der Hörer diesen aber nicht eindeutig identifizieren kann, weil er in der
gegebenen Sprechsituation das erste Mal von ihm hört. In diesem Falle handelt es sich um
einen neuen Gegenstand (im Deutschen steht der unbestimmte Artikel ein).
Kupilis´my nowy dom. ‚Wir haben ein neues Haus gekauft.’
Appellativa haben also die Möglichkeit auf verschiedene Art zu referieren.
Appellativa verhalten sich sprachlich im Prinzip regulär; d.h. sie unterliegen den in
dieser Grammatik dargestellten Regeln der Aussprache, Orthografie, Morphologie und
Syntax.
2.1.2. Eigennamen
Die andere offene Subkategorie der Substantive in jeder Sprache bilden die Eigennamen
(nazwy wΩasne). Sie unterscheiden sich von den Appellativa dadurch, dass ihnen eine
überindividuell gleich abgespeicherte Bedeutung fehlt, die mit Hilfe einer beschreibenden
Paraphrase (= Explikation) erfasst werden kann. In diesem Sinne hat jeder Muttersprachler
des Polnischen unterschiedliche Vorstellungen bzw. Assoziationen zu dem Personennamen
Jerzy Kowalski, je nachdem welche Erfahrung er mit Menschen dieses Namens gemacht
hat. Die einzige überindividuelle Vorstellung, die mit einem solchen Namen verbunden ist,
lässt sich darstellen als: Name eines polnischen Mannes. Diese Merkmale sind aber sehr
viel abstrakter als die semantischen Komponenten, die man einem samocho´d zuschreiben
kann.
Ein zentraler Unterschied zwischen Appellativa und Eigennamen liegt in den Re-
ferenzfunktionen. Während erstere mehrere Möglichkeiten haben (s.o. Bezug auf ganze
Kategorie, auf identifizierbares Einzelobjekt, auf nichtidentifizierbares Objekt), ist der
Eigenname typischerweise nur in Referenz auf konkrete Einzelobjekte verwendbar. Eigen-
namen können sich nicht auf Klassen oder nichtidentifizierbare Objekte beziehen. Es han-
delt sich in der Regel um in der jeweiligen Gemeinschaft unikale Einheiten.
Eigennamen entstehen auf verschiedensten Wegen und sind ganz unter-
schiedlichen Alters. So stammt z.B. der Flussname Odra aus vorslawischer Zeit. Aus die-
sem Grunde weichen Eigennamen häufig von den Appellativa insofern ab, als sie eine be-
sondere Schreibweise bzw. Aussprache haben, sich morphologisch anders verhalten und
gewissen syntaktischen Restriktionen unterliegen. Die meisten Eigennamen werden groß
geschrieben.
a) orthografische Abweichungen; vor allem bei ausländischen Namen
• abweichende Aussprache: Zimmermann [‘t⁄s¥m™rmÅn] statt [Ωi…];
• nur Großbuchstaben: ORBIS
• seltene Buchstaben: Violetta, HOLBEX Ltd.
b) morphologische Abweichungen; z.B.:
• einige (u.a. deutsche) Ortsnamen werden nicht flektiert:
2.1. Lexikalisch-grammatische Kategorien des Substantivs 147
c) Geographische Namen
• Ländernamen (manchmal pluralisch)
Polska, Szwajcaria, Niemcy, WΩochy
• Landschaftsnamen (manchmal pluralisch)
Wielkopolska, MaΩopolska, Mazury, Kaszuby, ZagΩe±bie Ruhry
• Städtenamen und andere Siedlungsnamen
Warszawa, Bonn, Moskwa, Londyn, Mokoto´w
• Straßennamen und Namen anderer Objekte in der Stadt (Häuser, Parks, Plät-
ze etc.); Adressen werden wie in Deutschland geschrieben
ulica CheΩmska, aleja Kos´ciuszki, PaΩac Kultury i Nauki, hotel Hevelius,
al. Ujazdowskie 18/16
Adresse:
Piotr Kowalski
ul. Pomorska 55
80-952 Gdan´sk
Polska
• Gewässernamen
Odra, Morze BaΩtyckie, WisΩa, ∫aba, Narew, Rena
• Bergnamen
Tatry, Babia Go´ra, Go´ry Sπwie±tokrzyskie, Beskidy
d) Ereignisnamen
powstanie listopadowe ‚Novemberaufstand’, druga wojna s´ w iatowa ‚der
zweite Weltkrieg’, bitwa pod Grunwaldem ‚Schlacht bei Grunwald’, rozbiory
Polski ‚die Teilungen Polens’
e) Gegenstandsnamen (nur Namen von Einzelobjekten!; Produktbezeichnungen
wie in KupiΩem sobie fiata. ‚Ich habe mir einen Fiat gekauft.’ zählt man zu den
Appellativa; Titel von künstlerischen Werken bilden einen Zwischenbereich
Pan Tadeusz);
Dar MΩodziez˙y (Schiff), Pomorzanin (Zug)
Die gängigste Art der Schaffung neuer Substantive ist die suffixale Derivation. Sehr viel
seltener treten die suffixlose Derivation, die Präfigierung oder die Komposition auf. Unab-
hängig von ihrer Entstehung können wir alle substantivischen Derivate auf der Basis ihrer
strukturellen Bedeutung in wenige Gruppen, d.h. Wortbildungskategorien, einordnen, in
denen wiederum spezifische Formationen erfasst werden können. Gesondert behandelt
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 149
werden präfixale Derivate und Komposita, da die hier verwendeten Modelle häufig eine
Reichweite haben, die über eine einzelne Kategorie hinausgeht. Bei der Beschreibung der
Wortbildung des Substantivs und der anderen Wortarten muss man auf folgende Punkte
achten: 1) den Grad der Regelmäßigkeit der betreffenden Formation, 2) die Beziehung
zwischen den Formativen mit gemeinsamer Funktion, 3) die Bedeutungsveränderungen der
einzelnen Formationen und 4) den Einfluss, den die sprachliche Tradition auf die Stabili-
sierung der Ausdrücke bestimmter Struktur innerhalb des Wortschatzes spielt.
In den folgenden Abschnitten werden die jeweiligen Wortbildungsmorpheme im-
mer gemeinsam mit einer Endung notiert; z.B. sprechen wir vom Formativ -acja, was als
verkürzte Redeweise für ‚Formativ -acj- plus Endung -a’ zu verstehen ist.
In der Wortbildung des Substantivs unterscheiden wir zwei Gruppen mit abstrakter
Bedeutung, nämlich die Nomina actionis und die Nomina essendi, während alle anderen
Wortbildungskategorien zu den Konkreta zählen.
Typ ‚orientacja’
Das Formativ -acja wurde von einer Reihe entlehnter Lexeme abstrahiert, die im Polni-
schen mit den entsprechenden Verben verbunden sind.
pasteryzowac´ → pasteryzacja ‚Pasteurisierung’, ekranizowac´ → ekranizacja ‚Ver-
filmung’, orientowac´ sie± → orientacja ‚Orientierung’
Im heutigen Polnischen ist es bisweilen schwierig, festzustellen, welche Lexeme entlehnt
und welche auf polnischer Basis neu gebildet worden sind. Dies hängt u.a. damit zusam-
men, dass die Bildung mit -acja einfach ist und auf keine formalen Hindernisse stößt; von
den Verben auf -fikow(ac´) ist die Bildung fast regelmäßig.
elektryfikowac´ → elektryfikacja ‚Elektrifizierung’, intensyfikowac´ → intensyfi-
kacja ‚Intensivierung’, mistyfikowac´ → mistyfikacja ‚Mystifizierung’
In der Norm verbindet sich das Formativ -acja nicht mit genuin polnischen Verben.
150 2. Substantive
Im Prinzip können alle Einheiten, die durch ein Lehnwort motiviert sind, sowohl
-acja als auch das regelmäßige -nie aufweisen.
emigracja ‚Emigration’ – emigrowanie ‚Emigrieren’, koordynacja ‚Koordination’
– koordynowanie ‚Koordinieren’, klasyfikacja ‚Klassifikation’ – klasyfikowanie
‚Klassifizierung’
Für welches Lexem sich der Sprecher entscheidet, hängt davon ab, ob er sich auf eine aktu-
ell verlaufende Handlung oder die Handlung in ihrer Allgemeinheit beziehen möchte. In
syntaktischer Hinsicht unterscheiden sich beide Lexemtypen nicht. Die Bildungen auf -acja
treten vorwiegend, in den Bereichen Kunst und Wissenschaft sowie zunehmend in der
technischen Terminologie auf.
Typ ‚ucieczka’
Das Formativ -ka wird seit alters her zur Bildung von Nomina actionis gebraucht und ein
Großteil dieser Einheiten gehört heute zum stilneutralen Grundwortschatz des Polnischen
wie
ucieczka ‚Flucht’, przejaz˙dz˙ka ‚Spazierfahrt’, przechadzka ‚Spaziergang’
Im heutigen Polnisch ist seine Produktivität jedoch auf die Umgangssprache und
fachsprachliche Varietäten beschränkt.
przeprac´ → przepierka ‚kleine Wäsche’, wywro´cic´ sie± → wywrotka ‚Kippwagen’,
przesiadac´ sie± → przesiadka ‚Umsteigen’
Einige Ausdrücke dieses Typs gehören zum Slang, andere zur Fachsprache. Im Allgemei-
nen werden die stilistisch markierten Lexeme durch die entsprechenden unmarkierten re-
gelmäßig gebildeten Lexeme ersetzt. Dies gilt nicht für Ausdrücke mit terminologischem
Charakter, da sie mit einer spezifischen Bedeutung gekoppelt sind. So bezeichnet obro´bka
‚Bearbeitung’ und obrabianie ‚Bearbeiten’.
Typ ‚bieg’
Unter den unregelmäßigen Formationen stellt die Nullderivation den produktivsten Typ
dar. Ähnlich wie die regelmäßig gebildeten Nomina actionis treffen sie auf keine formal
bedingten Beschränkungen. Es gibt präfigierte und präfixlose Substantive:
cia±g ‚Zug’, bieg ‚Lauf’, upΩyw ‚Abfluss’, zlot ‚Treffen’
Die größte Produktivität entfaltet dieser Typ in der Fachterminologie der Technik und des
Sports. Daneben gibt es recht viele Lexeme dieses Typs im expressiven Wortschatz der
Umgangssprache.
ubaw ‚Spaß’
In der jeweiligen Fachterminologie sind diese Nomina actionis nicht durch die regelmäßig
gebildeten Formen austauschbar. In der Umgangssprache ist dies eher der Fall:
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 151
ubaw = ubawienie sie±
Nicht alle Vertreter des Typs ‚bieg’ werden von der Sprachpflege gutgeheißen. Durchge-
setzt haben sich dagegen gegenüber dem regelmäßigen Typ folgende Lexeme:
przelew ‚Vergießen/Überweisung’, rozlew ‚Überfließen’, wylew ‚Ausguss’, wyjazd
‚Abfahrt’
Typ ‚bieganina’
Das Formativ -anina sticht unter den Nomina actionis durch eine spezifische Semantik
hervor. Es versprachlicht chaotisch verlaufende und sich wiederholende Handlungen.
strzelanina ‚Schießerei’, krza±tanina ‚Geschäftigkeit’, bieganina ‚Hin- und Herge-
laufe’, tupanina ‚Getrampel’
Das Formativ verbindet sich mit nichttransitiven und gleichzeitig imperfektiven Verben auf
-ac´. Die Formationen haben expressiven Charakter, enthalten meist eine negative Beurtei-
lung durch den Sprecher. Sie treten typischerweise in der Umgangssprache auf und werden
in den anderen funktionalen Stilen durch die regelmäßige Formation ersetzt.
Alle Formationen der Wortbildungskategorie Nomina actionis können neben der
Hauptbedeutung sekundäre Bedeutungen enthalten.
nagranie ‚das Aufnehmen’ oder ‚das Aufgenommene’
Typ ‚skΩonnos´c´’
Das Formativ -os´c´ dient der Bildung von substantivischen Eigenschaftsbezeichnungen aus
Adjektiven, die formal unterschiedlich gebildet sind, aber gemeinsame semantische Merk-
male haben.
152 2. Substantive
Typ ‚lenistwo’
Das Formativ -stwo (-ctwo) bildet Nomina essendi, die durch den Bezug zu einem Sub-
stantiv oder zu einem Substantiv und gleichzeitig einem Adjektiv motiviert sind.
bohaterstwo – bycie bohaterem ‚Heldenhaftigkeit’ – bohaterska postawa ‚Helden-
mut’
Es gibt nur wenige Lexeme dieses Typs, die von Adjektiven abgeleitet sind:
lenistwo ‚Faulheit’, Ωakomstwo ‚Naschhaftigkeit’
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 153
Bei den neueren Bildungen handelt es sich meist um die Bezeichnung von Trägern be-
stimmter Merkmale (Nomina attributiva):
rutyniarz → rutyniarstwo ‚Routiniertheit’, ryzykant → ryzykanctwo ‚Waghalsig-
keit’
oder von Berufen:
fryzjer → fryzjerstwo ‚Friseurberuf’, edytor → edytorstwo ‚Herausgeberschaft’
In Verbindung damit hat sich das Formantiv -stwo inzwischen spezialisiert auf Bezeich-
nungen von Berufen, Sportdisziplinen, Industriezweigen, Kunstbereichen u.ä.
hutnictwo ‚Hüttenwesen’, piΩkarstwo ‚Fußball’, pamia±tkarstwo ‚Andenkenindu-
strie’
Das Suffix -stwo ist durch eine recht breit gefächerte Polysemie gekennzeichnet. Einige
Bildungen gehören ausschließlich zu den Nomina essendi, aber ebenso zahlreich sind Le-
xeme, die gleichzeitig zwei Kategorien angehören; z.B. gleichzeitig Nomen essendi und
Nomen actionis:
kres´larstwo ‚Zeichnerberuf’ – ‚Zeichnen’
Bezeichnung eines Kollektivs:
piΩkarstwo ‚Fußball’ – ‚Fußballer’
Diese Polyfunktionalität ergibt sich aus der Möglichkeit, sich mit Substantiven unter-
schiedlicher Struktur und Herkunft zu verbinden. Insofern ist -stwo auch polysemer als
-os´´c´.
Das Formativ des Typs ‚lenistwo’ kann auch in den erweiterten Morphen -ostwo,
-an´stwo, -arstwo, -actwo und -alnictwo auftreten. Dabei ist -ostwo auf die Bezeichnung
von Ehepaaren spezialisiert (vgl. Nomina collectiva).
stryjostwo ‚Onkel und Tante’, StanisΩawowstwo ‚Stanislaw und seine Frau’
Bei der Verschmelzung des Suffixes -stwo mit dem Stamm der Basis kommt es oft zur
Verkürzung.
zwycie±zca → zwycie±stwo ‚Sieg’, Ωupiez˙ca → Ωupiestwo ‚Plünderung’
In Verbindung mit Stämmen, die auf die Konsonanten -k-, -cz oder -t- auslauten, finden wir
die Form -ctwo.
hutnik → hutnictwo, zbieracz → zbieractwo ‚Sammeln’, pro´z˙niak → pro´z˙niactwo
‚Müßiggang’
In den Stämmen auf -n- und -rz- kommt es zu Lautalternationen.
chuligan → chuligan´stwo ‚Rowdytum’, kres´larz → kres´larstwo ‚Zeichnerberuf’ –
‚Zeichnen’
154 2. Substantive
Typ ‚komunizm’
Das Formativ -izm (-yzm) gehört ebenfalls zu den produktiven Suffixen zur Bildung von
Nomina essendi. Es hat sich herauskristallisiert aus einer ganzen Reihe von entlehnten
Ausdrücken mit diesem Formativ, die in der Mehrheit der europäischen Sprachen vorhan-
den sind. Im Wesentlichen handelt es sich um die Bezeichnung für verschiedene geistige
Richtungen in den Gebieten Philosophie, Gesellschaft, Kunst oder für Haltungen bzw.
Erscheinungen aus der Medizin, Psychologie u.ä. Diese Nomina essendi werden meist von
Substantiven fremder Herkunft gebildet, können aber auch von genuin polnischen Lexe-
men vor allem von Eigennamen gebildet werden.
Norwid → norwidyzm, Towian´ski → towianizm
Die Mehrheit der Ausdrücke auf -izm ist durch Substantive mit den Affix -ista oder -ik oder
anderen motiviert.
Hegel → heglista ‚Hegelianer’ → heglizm ‚Hegelianismus’
Typ ‚dostojewszczyzna’
Das Wortbildungsaffix -izna (-yzna) ist heutzutage nur noch schwach produktiv. Es bildet
deadjektivische Derivate, die nur selten in der Funktion eines typischen Nomens essendi
auftreten und meist eine sehr spezielle Bedeutung haben. Einige dieser Formationen be-
zeichnen geistige Strömungen, Haltungen und Ansichten, die für die in der Basis genannte
Person typisch sind.
Dostojewski → dostojewszczyzna, Z∆eromski → z˙eromszczyzna, Towian´ski → to-
wian´szczyzna
Die Personennamen sind dabei adjektivischen Baus. Im Gegensatz zu den semantisch ähn-
lichen Konkurrenten auf -izm, die im Hinblick auf die emotionale Einstellung des Spre-
chers unmarkiert sind, enthalten die Derivate auf -izna eine emotionale Färbung, meist
negativer oder ironischer Art. Anders ist die Bedeutung bei der Verbindung mit Stämmen,
die Länder bezeichnen. Hier wird die Gesamtheit der Eigenschaften einer auf einem be-
stimmten Territorium verbreiteten Kultur oder auch die entsprechende Sprache benannt.
angielszczyzna ‚die englische Kultur’, ‚das Englisch’; francuszczyzna ‚die franzö-
sische Kultur’, ‚das Französische’
Typ ‚krzywica’
Ferner gibt es Nomina essendi, die semantisch stärker spezialisiert sind. Hier wäre die
Formationen mit -ica (-yca) zu nennen, die auf der Basis von Adjektiven oder Substantiven
manchmal auch Verben gebildet sind und Krankheiten bezeichnen.
krzywica ‚Rachitis’, cukrzyca ‚Zuckerkrankheit’
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 155
Typ ‚opanowanie’
Dieser Typ von Nomina essendi bezieht sich auf Handlungen. Er ist durch das Partizip
Passiv motiviert (beherrschen → beherrscht sein → Beherrschung)
opanowanie ‚Beherrschung’, zacofanie ‚Zurückgezogenheit’, zme±czenie ‚Müdig-
keit’
Der Verwendungsbereich sämtlicher Nomina essendi ist durch die jeweilige semantische
Spezialisierung bedingt. Eine stilistische Beschränkung ist außer bei den schriftsprachli-
chen Formationen auf -izm nicht festzustellen. Sie treten in allen funktionalen Stilen des
Polnischen auf. Die produktivsten Affixe sind -os´c´, -stwo und -izm. Sie konkurrieren teil-
weise miteinander. Einige Formationen auf -os´c´ und -izm sind semantisch identisch und
damit austauschbar.
dramatycznos´c´ – dramatyzm ‚Dramatik’, metaforycznos´c´ – metaforyzm ‚Metapho-
rizität’, elitarnos´c´ – elitaryzm ‚Elitarität’
Austauschbarkeit ist nur dann gegeben, wenn die jeweiligen Formationen nicht semantisch
spezialisiert sind. Eine ähnliche Regel gilt für die Suffixe -os´c´ und -stwo .
zuchwaΩos´c´ ‚Frechheit als Eigenschaft’ – zuchwalstwo ‚Frechheit als Tat’
Typ ‚sΩuchacz’
Das Formativ -acz bildet Nomina agentis von imperfektiven Verben auf -ac´.
sΩuchac´ → sΩuchacz ‚Hörer’, biegac´ → biegacz ‚Läufer’
156 2. Substantive
Sehr selten sind Bildungen mit Verben anderer Struktur, z.B. mit Verben auf -ic´:
palic´ → palacz ‚Raucher’ (auch: ‚Heizer’)
Diese Formationen bezeichnen Personen, die die angegebene Handlung regelmäßig aus-
üben und durch diese quasi kategorisiert werden. Es kann sich auch um den Beruf der Per-
son handeln.
gracz ‚Spieler’, spawacz ‚Schweißer’, oblatywacz ‚Testflieger’
Sehr selten sind Formationen dieses Typs bei der Bezeichnung einer Person, die die
Handlung gerade aktuell ausführt.
pocieszacz ‚Tröster’, krzykacz ‚Schreiende‘, wzdychacz ‚Seufzender, Sehnsüchti-
ger'
Typ ‚pracownik’
Dieses Formativ hat eine sehr viel geringere Produktivität als -acz. Es bildet Lexeme vor
allem aus Verben auf -owac´.
pracownik ‚Arbeiter’, kierownik ‚Leiter’, rysownik ‚Zeichner’
Es verbindet sich auch mit substantivischen und adjektivischen Stämmen. Es entstehen
auch Berufsbezeichnungen.
stalownia → stalownik ‚Stahlarbeiter’, litera → liternik ‚Schriftkünstler’
Das Formativ kann in den Morphen -alnik und -ownik auftreten.
Typ ‚kΩamca’
Das Suffix -ca ist spezialisiert auf die Bildung von Nomina agentis, tritt heute jedoch nur
noch selten auf. Es fügt sich an unterschiedliche Verben.
wydawca ‚Herausgeber’, kΩamca ‚Lügner’, kierowca ‚Leiter’, zawiadowca ‚Stati-
onsvorsteher’, obron´ca ‚Verteidiger’, odste±pca ‚Abtrünniger’
Häufiger kommt es in Komposita vor.
rzeczoznawca ‚Sachverständiger’, zleceniobiorca ‚Beauftragter’, zleceniodawca
‚Auftraggeber’
Typ ‚nauczyciel’
Das Formativ -iciel (-yciel) formt wie -ca ausschließlich Nomina agentis. Es tritt fast nur
an Verben auf -ic´ (-yc´):
krzewic´ → krzewiciel ‚Verkünder’, dostarczyc´ → dostarczyciel ‚Lieferant’
Andere Verben sind sehr selten.
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 157
Typ ‚pisarz’
Dieses Suffix zählt zu den hoch produktiven und polyfunktionalen Elementen. Neben No-
mina agentis kann es Nomina attributiva (Träger von Eigenschaften) bilden. Bei der Bil-
dung von deverbalen Nomina agentis taucht es nicht sehr häufig auf.
pisarz ‚Schriftsteller’, kres´larz ‚Zeichner’, nudziarz ‚Langweiler’, dojarz ‚Melker’
Im Wesentlichen kommt es zur Bildung von Nomen, die Ausführende bestimmter Berufe
bezeichnen. Meist handelt es sich um desubstantivische Derivate, die auf einem Substantiv,
das den zentralen Gegenstand der beruflichen Tätigkeit benennt, beruhen.
futrzarz ‚Kürschner’, windziarz ‚Liftboy’, kioskarz ‚Kioskverkäufer’
Außerdem können Spezialisten auf einem bestimmten Gebiet, vor allem in Sportdiszipli-
nen, gemeint sein.
z˙ a bka ‚Brustschwimmen’ → z˙ a bkarz ‚Brustschwimmer’, motylkarz ‚Schmet-
terlingsschwimmer’, tyczkarz ‚Stabhochspringer’, saneczkarz ‚Schlittenfahrer’
Typ ‚naukowiec’
Wie -arz kann -owiec sowohl Berufe als auch Nomina attributiva bilden. Beide sind im
heutigen Polnisch sehr produktiv. Die Mehrheit der Formationen auf -owiec haben eine
doppelte Motivation: durch Substantive und Adjektive auf -owy:
nauka – naukowy – naukowiec ‚Wissenschaftler’
Diese Formationen sind oft synonym zu Umschreibung der Art pracownik przemysΩu.
naftowiec = pracownik przemysΩu naftowego ‚Arbeiter der Ölindustrie’,
stoczniowiec = pracownik przemysΩu stoczniowego ‚Werftarbeiter’
Typ ‚szeregowy’
Neben den rein substantivischen Nomina agentis gibt es die substantivierten Adjektive auf
-owy.
158 2. Substantive
Typ ‚rowerzysta’
Der Bezeichnung von Berufen, Handlungsausführenden sowie Spezialisten verschiedener
Art dient das entlehnte Suffix -ista. Es verbindet sich mit entlehnten und als genuin pol-
nisch empfundenen Ausdrücken.
rowerzysta ‚Radfahrer’, szablista ‚Säbelfechter’, grzbiecista ‚Rückenschwimmer’,
wieloboista ‚Mehrkämpfer’
Am häufigsten tritt -ista jedoch in Nomina attributiva auf.
Typ ‚informator’
Entlehnte Verben bilden Nomina agentis gewöhnlich mit dem Element -ator, das inzwi-
schen als Wortbildungsaffix fungiert. Genuin polnische Stämme sind ausgeschlossen.
demonstrowac´ → demonstrator ‚Vorführer’, informowac´ → informator ‚Aus-
kunftsperson/Wegweiser’, instalowac´ → instalator ‚Installateur’
Die angegebene Vielfalt von Möglichkeiten zur Bildung von Nomina agentis ist durch
äußere Faktoren bedingt. So existiert die Notwendigkeit, diese Wortbildungskategorie
ständig weiter aufzufüllen. Da die typischen Formative im Prinzip auf deverbale Stämme
beschränkt sind, tauchen neue Formative auf, die sich auch mit desubstantivischen und
deadjektivischen Stämmen verbinden können. So erweitern sich die sprachlichen Möglich-
keiten zur Bildung immer neuer Nomina agentis.
Typ ‚kruszarka’
Das Formativ -arka gehört zu den Affixen mit der stärksten Spezialisierung auf Nomina
instrumenti. Es bildet im Wesentlichen Bezeichnungen für Maschinen. Die Basis sind
meist Verben verschiedenen Typs.
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 159
Typ ‚Ωadowaczka’
Das Formativ -aczka wird heute zusehends verdrängt durch -arka. Wir finden es in einigen
Formationen, die durch unvollendete Verben auf -ac´ motiviert sind.
Ωadowaczka ‚Lademaschine’, przecinaczka ‚Säge’
Das Affix -aczka tritt auch bei Bezeichnungen von Frauen auf, die eine bestimmte Tätig-
keit ausüben. Einige dieser Lexeme sind polysem und beziehen sich auf Frauen oder auf
Maschinen bzw. Werkzeug.
kopaczka ‚Gräberin/Roder’, pakowaczka ‚Packerin/Packmaschine’
Die Mehrheit der Formationen auf -aczka hat die personale Bedeutung. Es handelt sich
dann meist um Derivate, die von den entsprechenden maskulinen Substantiven auf -acz
abgeleitet sind und durch das zusätzliche Formativ -ka gebildet sind.
biegacz → biegaczka ‚Läuferin’, sΩuchacz → sΩuchaczka ‚Hörerin’, badacz → ba-
daczka ‚Forscherin’
Daneben gibt es direkt von Verben abgeleitete Ausdrücke, die die Trägerin einer typi-
scherweise von Frauen ausgeführten Tätigkeit bezeichnen.
prac´ → praczka ‚Wäscherin’, cerowac´ → cerowaczka ‚Frau, die sich mit Stopfen
beschäftigt’
Typ ‚wahadΩo’
Das Formativ -dΩo dient der Bildung von Substantiven für einfache Werkzeuge oder für
Bestandteile größerer Maschinen. Wir haben es ausschließlich mit deverbalen Formationen
zu tun.
wahadΩo ‚Pendel’, mieszadΩo ‚Mischgerät’, wia±zadΩo ‚Band’
Typ ‚pisak’
Dieses Suffix tritt in der gleichen Funktionen wie -dΩo auf, ist jedoch wesentlich produkti-
ver. Es verbindet sich mit deverbalen und desubstantivischen Stämmen.
cedzic´ → cedzak ‚Durchschlag’, pisac´ → pisak ‚Filzstift’, jarzyny → jarzyniak
‚Gemüsemesser’
160 2. Substantive
Als Formativ zur Bildung von Nomina agentis hat es seine Produktivität verloren. Die ent-
sprechenden Lexeme gehören einer älteren Wortschatzschicht des Polnischen an.
s´piewak ‚Sänger’, pΩywak ‚Schwimmer’, pijak ‚Trinker’
Neue Einheiten der Wortbildungskategorie der Nomina instrumenti entstehen vor allem im
Bereich der Terminologie der Technik. Jedoch bedient sich auch die Allgemeinsprache der
aufgeführten Wortbildungsverfahren.
Typ ‚wkΩadka’
Das Formativ -ka bildet Resultatssubstantive von transitiven Verben, oft von deren Partizip
Passiv.
wkΩadac´ → wkΩadka ‚Einlage’, wstawiac´ → wstawka ‚Einsatz’, wycinac´ → wyci-
nanka ‚Scherenschnitt’, mroz˙ony → mroz˙onka ‚Tiefkühlware’
Typ ‚tkanina’
Das Formativ -ina bildet Resultatssubstantive von Partizipien oder anderer Verbformen.
tkac´ – tkany → tkanina ‚Stoff’, okleic´/oklejac´ → okleina ‚Furnier’
Typ ‚dorobek’
Unter den älteren Bildungen der genannten Wortbildungskategorie finden sich Lexeme mit
dem Formativ -ek, das heute nicht mehr produktiv ist.
dorobek ‚Ertrag’, dopisek ‚Anmerkung’
Meistens entstehen die Nomina obiecti durch semantische Verschiebungen bei Vertretern
der Kategorie der Nomina actionis. Es handelt sich um Bildungen mit -nie, -cie oder dem
Nullformativ.
dac´ → danie ‚Gericht (Essen)’, zadrasna±c´ → zadras´nie±cie ‚Kratzer’, wypiekac´ →
wypiek ‚Gebäck’
der Formative und ihre stilistischen Färbung. Die strukturelle Bedeutung lässt sich fassen
in der Explikation ‚derjenige oder dasjenige, der/das eine bestimmte Eigenschaft hat’. Es
sind Bezeichnungen belebter wie unbelebter Einheiten, die durch eine bestimmte Eigen-
schaft charakterisiert werden. Es kann sich um qualitative Merkmale auf der Basis von
Qualitätsadjektiven oder um Beziehungen zu anderen Entitäten handeln. Keines der Wort-
bildungstypen funktioniert regelmäßig.
Typ ‚gΩupiec’
Das Formativ -ec, das manchmal zu -owiec erweitert wird, ist ein sehr produktives Affix.
Es bildet sowohl belebte als auch nichtbelebte Lexeme, die durch Adjektive oder gleich-
zeitig durch desubstantivische Adjektive und Substantive motiviert sind.
gΩupi → gΩupiec ‚Dummkopf’, zuchwaΩy → zuchwalec ‚dreister Kerl’, s´wiatowy
→ s´wiatowiec ‚Mann von Welt’, ideowy → ideowiec ‚Idealist’
Unter den zweifach motivierten Bildungen befinden sich viele Derivate, die aus Adjektiven
und Substantiven zusammengesetzte Ausdrücke ersetzen.
samolot odrzutowy → odrzutowiec ‚Düsenflugzeug’, czΩowiek jaskiniowy →
jaskiniowec ‚Höhlenbewohner’
Die Substantive mit dem Formativ -(owi)ec bilden eine Reihe semantischer Gruppen:
• Personen, die durch ihre Mitgliedschaft in einer gesellschaftlichen Organisation
charakterisiert werden
Partia ludowa → ludowiec, AZS (Akademickie Zrzeszenie Sportowe) → azete-
sowiec
• Personen, die aufgrund ihrer Ansichten oder ihrer Anhängerschaft von einer be-
stimmten Richtung charakterisiert werden.
Lenin → leninowiec ‚Leninanhänger’
• Personen eines bestimmten Berufs oder Ausführende einer Handlung (= Nomina
agentis)
nauka – naukowy → naukowiec ‚Wissenschaftler’
Unter den unbelebten Substantiven mit dem Formativ -(owi)ec unterscheiden wir folgende
Gruppen:
• Schiffe
drobnicowiec ‚Frachtschiff’
• Flugzeuge
odrzutowiec ‚Düsenflugzeug’, s´migΩowiec ‚Hubschrauber’
• Gebäude
biurowiec ‚Bürogebäude’, galeriowiec ‚Haus mit Außengalerie’
162 2. Substantive
Typ ‚ponurak’
Wie -owiec bildet das Suffix -ak sowohl belebte als auch unbelebte Nomina attributiva. Die
Wortbildungsbasis bilden dabei ausschließlich Adjektive, hauptsächlich solche auf -ny.
Nicht vorkommen können Adjektive auf -owy. Die Bezeichnungen unbelebter Einheiten
ersetzen feste Wortfügungen aus Adjektiv und Substantiv.
powies´c´ produkcyjna → produkcyjniak ‚Produktionsroman’, dom poprawczy →
poprawczak ‚Besserungsanstalt’
Belebte wie unbelebte Nomina attributiva auf -ak gehören der Umgangssprache an. Sie
enthalten immer eine bestimmte emotionale Bewertung.
• Ironie:
waz˙niak ‚Wichtigtuer’
• Abneigung:
ponurak ‚Griesgram’
• Scherz:
starszak ‚Kind, das zur Gruppe der älteren im Kindergarten oder der Krippe ge-
hört’
Bei der Bildung von unbelebten Nomina attributiva kann sich -ak auch mit substantivi-
schen Stämmen verbinden.
drewniak ‚Holzpantoffel’, waciak ‚Wattejacke’
Typ ‚kresko´wka’
Das Formativ -ka ist bei der Bildung von Nomina attributiva ebenso produktiv wie das
Suffix -owiec. Es dient im Wesentlichen der Derivation von Beziehungsadjektiven.
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 163
Typ ‚szcze±s´ciarz’
In der Bildung von Nomina attributiva ist das Formativ -arz weniger produktiv als in der
Bildung von Berufsbezeichnungen (⇑Nomina agentis). Nomina attributiva mit diesem Suf-
fix charakterisieren eine Person in Hinblick auf ihre Neigungen: kawiarz ‚jemand, der ger-
ne und häufig Kaffee trinkt’. Diese Bedeutung kommt jedoch nicht allen Vertretern dieses
Wortbildungstyps zu. Einige Substantive benennen einfach nur eine Eigenschaft der jewei-
ligen Person.
szcze±s´ciarz ‚Glückspilz’, spryciarz ‚schlauer Kopf’
Die Nomina attributiva mit dem Formanten -arz werden nur von Substantiven gebildet. Sie
haben expressiven Charakter und gehören der Umgangssprache an. Folglich sind sie auch
umgangssprachlich markiert, wenn sie mit Berufsbezeichnungen auf -owiec konkurrieren.
narze±dziowiec – narze±dziarz ‚Werkzeugmacher’, pocztowiec – poczciarz ‚Post-
angestellter’, kosztorysowiec – kosztorysiarz ‚Spezialist für Kostenvoranschläge’
164 2. Substantive
Typ ‚karierowicz’
Das Formativ -owicz bildet auf der Basis von Substantiven Personenbezeichnungen, die
folgende Komponenten enthalten:
• übertriebene Vorlieben oder Neigungen; hier liegt eine expressive Bewertung
vor
karierowicz ‚Karrierist’, majsterkowicz ‚Bastelfritze’
• Merkmale einer Situation, in der sich die Person gerade befindet; meist scherz-
hafte, umgangssprachliche Ausdrücke (selten stilistisch neutral)
plaz˙owicz ‚Strandbesucher’, urlopowicz ‚Urlauber’
Die Derivate mit -owicz unterscheiden sich von denen mit -arz nicht nur durch die Aktua-
lität des zugeschriebenen Merkmals, sondern auch durch die Gebrauchssphäre. Während
erstere der gesamtpolnischen Umgangssprache angehören, zählen die Bildungen mit -arz
eher zu den sozial begrenzten Schichten des Lexikons.
go´wniarz ‚Scheißer’
Der scherzhafte Charakter des Formativs -owicz macht den Gebrauch der entsprechenden
Derivate im öffentlichen Bereich des Polnischen unmöglich. Hier wird die Bildung mit
dem parallelen Suffix -owiec vorgezogen.
dziaΩkowiec – dziaΩkowicz ‚Kleingärtner’
Die Lexeme sind synonym: das erste ist stilistisch neutral, das zweite umgangssprachlich
gefärbt.
Typ ‚nieszcze±s´nik’
Recht geringe Produktivität ist dem Suffix -ik eigen, das aus Adjektiven auf -ny Nomina
attributiva bildet.
nieszcze±s´nik ‚Pechvogel’, okrutnik ‚grausamer Mensch’, bezwstydnik ‚schamloser
Mensch’
Auf ein Adjektiv anderer Struktur geht das Lexem mΩodzik ‚Jugendlicher’ zurück.
Unproduktive Typen
Ein inzwischen nicht mehr produktives Formativ zur Bildung von Nomina attributiva ist
das Suffix -ek. Wir finden es nur noch in älteren Ausdrücken wie
wesoΩek ‚Spaßvogel’, s´miaΩek ‚Draufgänger’, Ωysek ‚Glatzkopf’
Ähnliches gilt für das Formativ -acz, das in Formationen mit substantivischem Stamm
vorkommt.
brzuchacz ‚Fettwanst’, wa±sacz ‚Mann mit Schnurrbart’, brodacz ‚Mann mit Bart’
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 165
Die Beschränkungen hinsichtlich der Produktivität sind eng mit der semantischen Speziali-
sierung verbunden, die in der Bezeichnung einer Person aufgrund bestimmter Teile des
Körpers besteht. Ein paralleler Fall liegt in den Formationen mit dem Suffix -ina vor, das
aufgrund der Bedeutung ‚Fleisch von’ eine sehr kleine Gruppe von Lexemen umfasst.
baranina ‚Hammelfleisch’, ciele±cina ‚Kalbsfleisch’, woΩowina ‚Rindfleisch’
Typ ‚pracownia’
Das Formativ -nia tritt seltener als seine erweiterten Varianten -alnia, -arnia und -ownia
auf. Es verbindet sich mit Verben auf -owac´
pracowac´ → pracownia ‚Arbeitsstätte’, lakierowac´ → lakierownia ‚Lackier-
werkstatt’
oder von Adjektiven auf -owy:
hala montaz˙owa → montaz˙ownia ‚Montagehalle’, oddziaΩ wysyΩkowy → wy-
syΩkownia ‚Versandabteilung’
Von dieser Struktur wurde -ownia abgeleitet, das der Bildung von desubstantivischen For-
mationen dient.
ciepΩo → ciepΩownia ‚Heizanlage’, gaz → gazownia ‚Gaswerk’, cukier →
cukrownia ‚Zuckerfabrik’
Das Formativ -nia tritt nur selten mit anderen Verbstämmen auf.
przychodnia ‚Ambulanz’, zajezdnia ‚Depot’, rozlewnia ‚Abfüllanlage’, poradnia
‚Beratungsstelle’, portiernia ‚Pförtnerloge’
Das Suffix -alnia tritt bei deverbalen Nomina loci auf, die auf eine Handlung hinweisen.
spawac´ → spawalnia ‚Schweißwerkstatt’, przymierzac´ → przymierzalnia ‚Um-
kleidekabine’ jadac´ → jadalnia ‚Speisesaal’ prac´ → pralnia ‚Wäscherei’
-arnia bildet desubstantivische Formationen.
mleko → mleczarnia ‚Molkerei’, mebel → meblarnia ‚Möbelfabrik’, terpentyna
→ terpentyniarnia ‚Terpentinfabrik’
Viele dieser Nomina loci sind durch die entsprechenden Nomina agentis auf -arz motiviert.
166 2. Substantive
Typ ‚lotnisko’
Das Suffix -isko (erweitert auch -owisko und -nisko) bildet Bezeichnungen für Räumlich-
keiten, die nach außen offen sind, aber feste Umrisse aufweisen. Diese Räumlichkeiten
sind durch etwas besetzt, für etwas bestimmt oder es findet in ihnen eine bestimmte Tätig-
keit statt. Ihre Basis bilden entweder Verben
Ωowisko ‚Fanggründe’, rozlewisko ‚Hochwassergebiet’, wysypisko ‚Halde’
oder Adjektive
wczasowisko ‚Ferienanlage’
oder – das ist das häufigste – Substantive.
ka±pielisko ‚Badeort/-anstalt’, lodowisko ‚Eisbahn’, letnisko ‚Sommerfrische’, lot-
nisko ‚Flughafen’, grzybowisko ‚Ort, wo Pilze wachsen’, kartoflisko ‚Kartoffel-
acker’
Dies sind abkürzungsähnliche Bildungen, die sich durch eine starke semantische Differen-
zierung auszeichnen. Die deverbalen Derivate kommen bisweilen in die Nähe von Nomina
obiecti.
usypisko ‚Aufschüttung = ein aufgeschütteter Ort /das Aufgeschüttete’
Unproduktive Typen
Zu den inzwischen unproduktiven Typen im Bereich der Nomina loci zählen -nik, -ina und
-(n)ica.
kurnik ‚Hühnerstall’, s´mietnik ‚Müllhalde’, ro´wnina ‚Ebene’, cies´nina ‚Meerenge’,
ciemnica ‚Dunkelzelle’, dzwonnica ‚Glockenturm’
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 167
Typ ‚rycerstwo’
Das Formativ -stwo tritt in Ausdrücken auf für Gruppen, Kollektive oder Gesamtheiten von
im Stamm genannten Personen bzw. Tieren.
mieszczan´stwo ‚Bürgertum’, ziemian´ s two ‚die Gutsbesitzer’, rycerstwo ‚Ritter-
stand’, ptactwo ‚Vögel’
Einige dieser Ausdrücke sind gleichzeitig Nomina attributiva.
mieszczan´stwo ‚Bürgerlichkeit’
Die Kollektiva mit diesem Suffix haben keinen Plural. Die mit ihnen kongruierenden Aus-
drücke stehen immer im Singular.
Rycerstwo ruszyΩo do walki. ‚Die Ritter zogen in den Kampf.’
Von den Nomina collectiva zu unterscheiden ist das formal ähnliche Personalpronomen
pan´stwo.
Die erweiterte Variante auf -ostwo hat sich auf die Bezeichnung von Ehepaaren
spezialisiert (vgl. Nomina attributiva Typ ‚lenistwo’). Hier treten Bezeichnungen für Titel-
träger, Berufsangehörige, Verwandte und Eigennamen auf.
profesorostwo ‚der Professor und seine Frau’, marszaΩkostwo ‚der Marschall und
seine Frau’, wujostwo ‚Onkel und Tante’, Adamostwo ‚Adam und seine Frau’
Diese Formationen fallen in den Bereich offizieller Kommunikation. In Hinblick auf die
Syntax verhalten sie sich anders als die anderen genannten Lexeme; denn es liegt plurali-
sche Kongruenz vor.
Wujostwo przyszli. ‚Onkel und Tante sind gekommen.’
Typ ‚Adamowie’
Auch das Formativ -owie, das auch als Marker des Plurals männlich-persönlicher Substan-
tive fungiert, kann Ehepaare bezeichnen. Als Basis sind nur Eigennamen einschließlich der
Kosenamen möglich.
Adamowie ‚Adam und seine Frau’, Stasiowie ‚Stas´ und seine Frau’, Staszkowie
‚Staszek und seine Frau’
Diese Bildungen sind in der Umgangssprache sehr beliebt.
168 2. Substantive
Typ ‚Chin´czyk’
Das Formativ -czyk (Erweiterungen: -ijczyk, -an´czyk) verbindet sich im Wesentlichen mit
Ländernamen.
Chiny → Chin´czyk ‚Chinese’, Japonia → Japon´czyk ‚Japaner’, Chile → Chilijczyk
‚Chilene’, Pakistan → Pakistan´czyk ‚Pakistani’
Daneben können auch Bewohner bestimmter nichtpolnischer Städte bezeichnet werden.
Londyn → londyn´czyk ‚Londoner’, Wieden´ → wieden´czyk ‚Wiener’, Sofia → so-
fijczyk ‚Sofioter’
Die Stammerweiterung ist durch die formale Verschmelzung von Stamm und Formativ
bedingt.
Typ ‚warszawianin’
Das Formativ -anin tritt häufiger bei Bewohnern von Städten und Regionen auf.
warszawianin ‚Warschauer’, paryz˙anin ‚Pariser’, Pomorzanin ‚Pomoraner’, Wiel-
kopolanin ‚Großpole’
Es gibt aber auch einige Nationalitätsbezeichnungen.
Rosjanin ‚Russe’, Amerykanin ‚Amerikaner’
Sowohl -czyk als auch -anin taucht in offiziellem Gebrauch auf. Die jeweilige Bezeichnung
wird von eigens zu diesem Zwecke konstituierten Kommissionen festgelegt.
Typ ‚warszawiak’
Die Bildungen dieses Typs haben umgangssprachlichen Charakter und konkurrieren oft mit
den neutralen Bildungen auf -czyk oder -anin.
warszawiak – warszawianin ‚Warschauer’, krakowiak – krakowianin ‚Krakauer’
Seine Derivationsbasis bilden polnische Ortsnamen. Daneben haben sich einige andere
Bildungen erhalten, wie Regionen- und Ländernamen.
Sπla±sk → Sπla±zak ‚Schlesier’, Austria → Austriak ‚Österreicher’
Das parallele Auftreten beider Formative und das Fehlen eindeutiger Unterschiede in der
Semantik und der Verbindbarkeit haben nicht zuletzt formale Gründe. Die Wahl des For-
mativs ist häufig durch die Struktur des – oft ausländischen – Ausgangsworts bedingt, das
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 169
nur einige Formative zulässt und andere ausschließt. Ein weiterer Faktor, der die Unregel-
mäßigkeit der Bildungen in diesem Bereich bewirkt, ist die sprachliche Tradition.
Nicht alle Herkunftsbezeichnungen werden mit den genannten Formativen gebil-
det. So gibt es eine ganze Reihe von Lexemen mit anderer Struktur, die sich schon vor
langer Zeit im Wortschatz des Polnischen etabliert haben.
Litwin ‚Litauer’, Rusin ‚Rusine’, Ukrainiec ‚Ukrainer’, Anglik ‚Engländer’, Fran-
cuz ‚Franzose’, Norweg ‚Norweger’, Szwed ‚Schwede’
Das Formativ -ek bildet Deminutiva von Substantiven, die auf die Konsonanten k, g, ch
oder – wenn ein Vokal vorausgeht – auf r auslauten.
krok → kroczek ‚kleiner Schritt’, piero´g → pieroz˙ek ‚Pirogge’, orzech → orzeszek
‚kleine Nuss’, telewizor → telewizorek ‚kleiner Fernseher’, ser → serek ‚Käse’
Wenn vor dem r ein anderer Konsonant steht, wird die Variante -(rz)yk gebraucht.
teatr → teatrzyk ‚kleines Theater’, wiatr → wietrzyk ‚Windhauch’ (auch wiaterek)
Bezüglich der Verbindbarkeit mit anderen Stämmen lassen sich kaum Regeln formulieren.
So treten die Suffixe -ik und -ek bisweilen bei völlig analog strukturierten Stämmen auf.
nos → nosek ‚Näschen’, las → lasek ‚kleiner Wald’ vs. wa± s → wa±sik ‚kleiner
Schnurrbart’, obcas → obcasik ‚kleiner Absatz’ vs. ogon → ogonek ‚Schwänz-
chen’
In den Stämmen, die sich mit -ik verbinden, kommt es immer zu Veränderungen des aus-
lautenden Konsonanten. Das Suffix -ek hingegen bewirkt solche Veränderungen nur bei
den Velaren k, ch, g. Bei Ausdrücken mit den Suffixen -ka und -ko kommt es zu folgenden
Alternationen: k : cz, ch : sz, g : z˙, o : o´.
s´piewak → s´piewaczka ‚kleiner Sänger’, mucha → muszka ‚kleine Fliege’, noga
→ no´z˙ka ‚Beinchen’, robota → robo´tka ‚kleine Arbeit’, koΩo → ko´Ωko/ko´Ωeczko
‚kleiner Ring’
Nicht alle Deminutiva und Koseformen sind in den Wörterbüchern verzeichnet; denn viele
dieser Ausdrücke werden spontan für bestimmte Zwecke gebildet. Daher kann man sagen,
dass Deminutiva recht regulär zu bilden sind, auch wenn nicht alle Lexeme ihre Bildung
zulassen. Dies gilt zum einen für Ausdrücke auf -ec, -ca, -iciel, -ista und zum anderen für
Abstrakta. Wenn ein Deminutivum von einem Abstraktum gebildet wird, entstehen For-
mationen mit stark ironischer oder scherzhafter Färbung.
teoria → teoryjka ‚lächerliche Theorie’, pisanie → pisanko ‚albernes Geschreibe’
Die Suffixe, die der Funktion der Bildung von Verkleinerungsformen dienen, sind poly-
funktional, d.h. sie treten auch in anderen Wortbildungskategorien auf. Nicht zu den Demi-
nutiva gehören:
mΩynek ‚Kaffeemühle’, cukierek ‚Bonbon’
Es ist zu beachten, dass sich die einander ähnlichen Lexeme u.U. semantisch sehr weit
auseinander entwickelt haben.
saΩata ‚Salat (Pflanze)’ – saΩatka ‚Gemüsesalat’, z˙elazo ‚Eisen’ – z˙elazko ‚Bügel-
eisen’
174 2. Substantive
Durch den Verlust der deminutiven Bedeutung in vielen Lexemen bilden sich sekundäre
Verkleinerungen. Dafür werden die Suffixe -eczek, -iczek, -uszek verwendet, die in drei
Genera realisiert werden.
domeczek ‚Häuschen’, lampeczka ‚Lämpchen’, ko´Ωeczko ‚kleiner Ring’, pokoiczek
‚winziges Zimmer’, ro´z˙yczka ‚Röslein’, kwiatuszek ‚Blümchen’, paczuszka ‚Päck-
chen’, serduszko ‚kleines Herz’
Diese Ausdrücke haben eine ständige oder kontextabhängige hypokoristische Funktion.
Unter den erweiterten Suffixen ist das Formativ -a±tko auf die Bezeichnung von jungen
Lebewesen einer Klasse spezialisiert.
kurcza±tko ‚Küken’, lwia±tko ‚Junglöwe’
Sehr reich ist der Bestand an Formativen, die Hypokoristika von Eigennamen und Ver-
wandtschaftsbezeichnungen bilden. Diese Formative treten in verschiedenen Genera auf
und bewirken meist eine Kürzung des Stamms: -us´, -is´, -ulo, -ula, -cia, -cio, -unia, -unio.
BogusΩaw → Bogus´, Henryk → Henrys´, Anna → Anusia/Anula, babka → bab-
cia/babunia/babusia, dziadek → dziadunio
Die Verwendung dieser Koseformen ist durch die menschliche Nähe zum Angesprochenen
bestimmt.
Typ ‚domisko’
Das Formativ -isko (-ysko) bildet Augmentativa von Substantiven aller drei Genera.
dom → domisko ‚Riesenhaus’, palto → palcisko ‚Riesenmantel’
Dabei kommt es zum Wechsel im Genus; d.h. die kongruierenden Elemente stehen im
Neutrum.
czerwone domisko ‚rotes Riesenhaus’, czarne palcisko ‚schwarzer Riesenmantel’
Zu den Ausgangslexemen zählen Bezeichnungen von Personen, Tieren und konkreten Ge-
genständen. Das Formativ -isko tritt nicht an abstrakte Lexeme und an Deminutiva. Die
Formationen haben meist einen wenig stabilen Charakter; d.h. sie werden oft spontan ge-
bildet, weshalb man sie bisweilen nicht im Wörterbuch findet. In bestimmten Kontexten,
vor allem in Verbindung mit den Adjektiven dobry ‚guter’, kochany ‚geliebter’, poczciwy
2.2. Substantivische Wortbildungsformationen 175
‚lieber’ u.ä., verlieren die Augmentativa ihre negative Färbung und stellen ein Signal für
die positive Einstellung des Sprechers dar. Sie enthalten das semantische Element einer
gewissen Nachsicht.
dobre psisko ‚braver Hund’, kochane chΩopaczysko ‚geliebter Lausbengel’, pocz-
ciwe kobiecisko ‚nette Frau’
In den Stämmen der mit -isko affigierten Substantive kommt es zu Alternationen.
Typ ‚filmidΩo’
Das Formativ -idΩo (-ydΩo) ist durch die Spezialisierung gekennzeichnet, dass es Augmen-
tativa von Bezeichnungen für literarische Werke und andere Kunstwerke bildet. Meist han-
delt es sich um einzelne Ausdrücke aus diesem Bereich.
powies´ c ´ → powies´ c idΩo ‚Schundroman’, sztuka → sztuczydΩo ‚Machwerk’, fil-
midΩo ‚lausiger Film’, wiersz → wierszydΩo ‚erbärmliches Gedicht’
Das einzige Lexem, das nicht von einem Substantiv, sondern von einem Verb abgeleitet ist,
stellt czytadΩo ‚Buch aus der Unterhaltungsliteratur’ dar. Die Formationen mit -idΩo bringen
eine negative Beurteilung durch den Sprecher, seine ablehnende Haltung gegenüber dem
versprachlichten Gegenstand zum Ausdruck. Meist werden sie auf langatmige, weitschwei-
fige Filme oder Bücher angewendet. Das Anfügen des Suffixes -idΩo kann Alternationen im
Stamm bewirken.
Andere Typen
Augmentativa werden auch mit Hilfe anderer Formationen gebildet. Zum einen durch die
Nullsuffigierung.
szpilka → szpila ‚große Nadel’, cie±z˙aro´wka → cie±z˙aro´wa ‚Riesen-LKW’
Dieses Ableitungsverfahren kann von Alternationen des Auslauts auf ch begleitet sein.
ciastko → ciacho ‚leckerer riesiger Kuchen’, kieΩbasa → kieΩbacha ‚Riesenwurst’
Diese Formationen haben insofern einen spezifischen Charakter, als in ihnen neben der
augmentativen Bedeutung eine besondere Färbung vorliegt, die nicht nur die Beziehung
des Sprechers zum versprachlichten Gegenstand ausdrückt, sondern seine allgemeine Ein-
stellung zur Wirklichkeit als nonchalant oder als herablassend markiert. Dieser Derivati-
onstyp ist in der Umgangssprache, besonders unter der städtischen Jugend sehr verbreitet.
Viele dieser Ausdrücke gelten als vulgär.
Nur wenige haben sich fest im Wortschatz des Polnischen als scherzhafte Ausdrücke etab-
liert wie z.B. ciacho ‚leckerer riesiger Kuchen’.
176 2. Substantive
Pejorativa ‚kobiecina’
Die übrigen Vertreter dieser Wortbildungkategorie bilden Lexeme mit unterschiedlichen
Typen der negativen Bewertung (Pejorativa). Eines der häufigsten Formative ist das Suffix
-ina (-yna). Es bildet Derivate mit folgender Bedeutung: Eine Person oder ein Gegenstand
werden hinsichtlich ihrer bzw. seiner Gewöhnlichkeit oder Minderwertigkeit bewertet,
wodurch die Färbung des Mitleids, der Geringschätzung oder gar der Verachtung entsteht.
Als Stamm dienen Substantive aller drei Genera.
urze±dnik → urze±dniczyna ‚kleiner mieser Beamter’, chΩopak → chΩopczyna ‚armer
kleiner Junge’, miasto → mies´ c ina ‚elendes Nest’, kobieta → kobiecina ‚arme
kleine Frau’
Im Gegensatz zu den Formationen auf -isko, die sämtlich das neutrale Genus aufweisen,
haben die Formationen dieses Typs kein einheitliches Genus. Es gilt: maskulin-personale
Substantive behalten dieses Genus, alle anderen sind feminin.
gΩupi urze±dniczyna ‚blöder Beamter’, straszna mies´cina ‚schreckliches Kaff’, miΩa
kobiecina ‚nette kleine Frau’
Die Bildung der entsprechenden Formationen ist mit lautlichen Alternationen verbunden.
Die Ausdrücke mit pejorativer Bedeutungskomponente können Suffixe mit gerin-
ger Produktivität enthalten; z.B. -ica (-yca) bei Nomina feminativa.
aktorzyca ‚Schmierenschauspielerin’, szefica ‚Bossin’
oder -al bei
nos → nochal ‚Zinken’ (Nase)
Einige dieser Ausdrücke haben einen scherzhaften Charakter.
Als Wortbildungsbasis fungieren Qualitätsadjektive, also Adjektive, die nicht von Sub-
stantiven abgleitet sind.
Das Suffix -is´ ist das Pendant zum weiblichen Suffix -isia und wird von Adjekti-
ven auf -ny gebildet.
pie±kny → pie±knis´ ‚Schönling’, dowcipny → dowcipnis´ ‚Witzbold’
Die Suffixe -uch und -och (-ucha, -ocha) binden sich mit Stämmen auf -Ω-, -r-, -t- u.a.
uparty → uparciuch/uparciucha ‚Sturkopf’, tΩusty → tΩus´cioch/tΩus´ciocha ‚Fett-
wanst’, stary → staruch/starucha ‚alter Knacker/alte Schachtel’, niedbaΩy → nied-
baluch/niedbalucha ‚schlampiger Kerl/Schlampe’
Die Formationen auf -is´ haben eine eher ironische und diejenigen auf -uch und -och eine
verächtliche Färbung.
Die Formative -us und -as treten auch in verschiedenen deadjektivischen Deriva-
ten auf.
chytry → chytrus ‚Geizkragen’, dziki → dzikus ‚Wilder’, gruby → grubas ‚dicker
Kerl’
Die entsprechenden femininen Lexeme werden mit Hilfe des Suffixes -ka gebildet.
chytruska ‚Geizkragen (Frau)’, grubaska ‚dicke Frau’
In der Gruppe der Bezeichnungen für junge Lebewesen gibt es einige um-
gangssprachliche Bildungen auf -ak oder -ek.
cielak ‚Kalb’, kociak ‚Kätzchen’, wieprzak/wieprzek ‚Ferkel’, psiak ‚Hündchen’
Eine weitere semantische Spezialisierung liegt in dem Formativ niedo- vor, das das Nicht-
ausreichen oder den geringen Grad des Genannten bezeichnet.
niedorozwo´j ‚Unterentwicklung’, niedowaga ‚Untergewicht’
Zu den recht produktiven Formativen zählt das Präfix wspo´Ω-. Es versprachlicht, dass das
genannte Merkmal gemeinsam mit einem anderen auftritt.
wspo´Ωautor ‚Koautor’, wspo´Ωmieszkaniec ‚Mitbewohner’
2.2.13. Komposita
(rzeczowniki zΩoz˙one) Wortbildungsformationen, die auf dem Wege der Komposition ent-
stehen, gehören in Hinblick auf die strukturelle Bedeutung zu den unter ⇑2.1.1. bis 2.1.12
aufgeführten Wortbildungskategorien. Sie werden gesondert behandelt, da hier ganz andere
Wortbildungsverfahren vorliegen als in den vorher genannten Kategorien. Das entschei-
dende Merkmal der Komposita ist das Vorhandensein von zwei Wurzeln. Wir unterschei-
den zwei Grundtypen von Komposita: a) auf syntaktischen Verbindungen beruhende, b)
eigentliche Komposita. Die Komposition erfreut sich im heutigen Polnischen großer Pro-
duktivität, vor allem im Bereich der Fachterminologie. Der große Benennungsbedarf führt
zur Abkehr von traditionellen Kompositionsmustern und zur Entstehung immer neuer
Formationen, die zum Teil noch nicht in die Gesamtsprache eingedrungen sind und sich
nur im Usus gefestigt haben. Deshalb sind bei weitem nicht alle Komposita in den Wörter-
büchern verzeichnet.
a) Syntaktische Komposita
(rzeczowniki pochodne od wyraz˙en´ syntaktycznych) Es handelt sich um Formationen,
deren Wortbildungsstamm durch die Verbindung zwischen einer Präposition und einem
Substantiv entstehen.
bez ludzi → bezludzie ‚Einöde’, pod gΩowa± → podgΩo´wek ‚Keilkissen’, na ramie-
niu → naramiennik ‚Achselklappe’
Unter formalen Gesichtspunkten nähern sie sich den präfigierten Substantiven an, unter-
scheiden sich jedoch in ihrer Semantik, da die Bedeutung des Stamms sehr stark verändert
wird. Sie bezeichnen Gegenstände, die durch die in der Präpositionalphrase genannten
Merkmale charakterisiert werden. Somit zählen sie zu den Nomina attributiva. Formative
dieser Gruppe sind -ek, -nik, -ka oder -e.
Als Basis für diese Formationen können Phrasen mit verschiedenen Präpositionen
und Substantiven auftreten.
bezdroz˙e ‚unwegsame Gegend’, naroz˙nik ‚Eckhaus’, nadburcie ‚Schanzkleid um
das Schiffsdeck’, podgo´ r ze ‚Vorgebirgsland’, przedwios´ n ie ‚Vorfrühling’,
180 2. Substantive
mie±dzywojnie ‚Zeit zwischen den Weltkriegen’, zarzecze ‚Land jenseits des Flus-
ses’
Diese Ausdrücke gehören zum allen funktionalen Stilen gemeinsamen Wortschatz des
Polnischen.
b) Eigentliche Komposita
Formationen dieser Art beruhen auf zwei autosemantischen Stämmen. Diese beiden Ele-
mente werden mit dem Interfix -o- miteinander verbunden. Neben diesem Morphem tritt
gleichzeitig die Nullaffigierung oder ein weiteres Suffix auf. Bisweilen tritt als zweites
Glied eine Form auf, die als solche auch selbständig vorkommen kann. Abweichungen von
der Grundstruktur sind relativ selten.
Die Wortbildungsbasis des zweiten Gliedes des Kompositums ist entweder ein
Verbal- oder ein Substantivstamm; im ersten Glied können auch Stämme anderer Wortar-
ten wie Adjektive, Adverben oder Numeralia auftreten. Aus der Beziehung beider Glieder
zueinander ergibt sich die strukturelle Bedeutung.
In den Formationen mit Numeralia tritt nicht immer das Interfix -o- auf. In einem heute
sehr produktiven Typ entsteht die Formation durch die alleinige Kombination der beiden
Glieder.
po´Ωetat ‚halbe Planstelle’, c´wierc´finaΩ ‚Viertelfinale’
Einige Numeralia haben die Form des Genitivs oder eine spezifische Form.
dwuszereg ‚Zweierreihe’, stulecie ‚Jahrhundert/Hundertjahrfeier’, tro´jskok ‚Drei-
sprung’
2.2.14. Abkürzungen
Als Abkürzungen (skro´towce) werden Lexeme bezeichnet, die aus der Verkürzung einzel-
ner Ausdrücke entstanden sind, aus den Anfangsbuchstaben oder -silben, die einen neuen
zusammengesetzten Ausdruck bilden.
UW Uniwersytet Warszawski
Ausdrücke dieser Art, die Institutionen bezeichnen, sind im heutigen Polnisch recht häufig.
In der mündlichen Rede unterliegen die Abkürzungen bestimmten Modifikationen, die ihre
Aussprache erleichtern. Nach diesen Modifikationen können wir die Abkürzungen unter-
teilen.
Buchstabentyp ‚ONZ’
Die Buchstabentypen (literowce) sind charakterisiert durch die Aussprache jedes einzelnen
Buchstabens entsprechend der Buchstabenlautung im Alphabet.
ONZ [o™nz™t] Organizacja Narodo´w Zjednoczonych ‚Die Vereinten Nationen’
PKS [p™kÅ™s] Pan´stwowa Komunikacja Samochodowa ‚Staatlicher Busverkehr’
BMW [b™™mvu] ‚BMW’
2.3. Deklinationen 183
Lauttyp ‚PAN’
In diesen Abkürzungen werden die einzelnen Buchstaben nicht entsprechend der Nennform
im Alphabet ausgesprochen, sondern als Lautverbindung wie bei einem gewöhnlichen
Lexem (gΩoskowce). Dies ist möglich, da sich unter den Buchstaben immer ein Vokal be-
findet.
PAN [pÅn] Polska Akademia Nauk ‚Polnische Akademie der Wissenschaften’
GUS [gus] GΩo´wny Urza±d Statystyczny ‚Zentralamt für Statistik’, NATO [nÅtC]
‚NATO’
Silbentyp ‚Pafawag’
In den Silbenabkürzungen (sylabowce) befinden sich die Anfangssilben der Lexeme, die
die Entität bezeichnen.
Pafawag [pÅfÅvÅk] Pan´stwowa Fabryka Wagono´w ‚Staatliche Waggonfabrik’
Mischtyp ‚CPLiA’
Dieser Typ stellt eine Kombination aus dem Buchstaben- und dem Lauttyp dar (skro´towce
mieszane).
CPLiA [t‡s™p™l≤jÅ] Centrala PrzemysΩu Ludowego i Artystycznego ‚Verband des
Kunsthandwerks’
2.3. Deklinationen
Unter Deklination (deklinacje) verstehen wir die formale Veränderung, der ein Substantiv
in verschiedenen syntaktischen Umgebungen unterliegt. Die Substantive des Polnischen
werden nach Kasus und Numerus flektiert. Wir unterscheiden sieben Kasus:
Nominativ (Mianownik)
Genitiv (DopeΩniacz)
Dativ (Celownik)
Akkusativ (Biernik)
Instrumental (Narze˛dnik)
Präpositiv (Miejscownik)
Vokativ (WoΩacz)
Beim Numerus stehen sich Singular und Plural gegenüber.
Die Flektionsformen der Substantive hängen von ihrer Zugehörigkeit zu den ein-
zelnen Deklinationsklassen ab. Die Einteilung in verschiedene Klassen ergibt sich aus dem
Vergleich der Paradigmen, d.h. der Gesamtheit der Flektionsformen eines Substantivs.
Dabei ist zu sehen, dass manche Klassen sich in vielen Kasus-Numerusformen decken,
184 2. Substantive
während andere ganz unterschiedliche Formen haben. In Relation dazu lassen sich die De-
klinationsklassen in einander ähnliche und in einander völlig verschiedene einteilen. Die
Deklinationsklasse hängt direkt mit dem Genus des Substantivs zusammen; denn von der
Klasse lässt sich eindeutig auf das Genus schließen, aber nicht umgekehrt. Wenn wir die
Anzahl der Kasus ansehen, durch die sich die einzelnen Klassen unterscheiden, erhalten
wir eine Hierarchie. Am oberen Ende sind die Klassen mit maximal verschiedenenen Para-
digmen und am unteren diejenigen mit einem Paradigma, das sich nur einem Kasus unter-
scheidet. In dieser Grammatik gehen wir von folgender Ordnung aus:
Substantiv
feminin nicht-feminin
neutral maskulin
maskulin-personal maskulin-nichtpersonal
nichtpersonal-belebt nichtpersonal-unbelebt
Singular
Nominativ kobieta kole±da pszczoΩa koΩdra zmiana
Genitiv kobiety kole±dy pszczoΩy koΩdry zmiany
Dativ kobiecie kole±dzie pszczole koΩdrze zmianie
Akkusativ kobiete± kole±de± pszczoΩe± koΩdre± zmiane±
Instrumental kobieta± kole±da± pszczoΩa± koΩdra± zmiana±
Präpositiv kobiecie kole±dzie pszczole koΩdrze zmianie
Vokativ kobieto! kole±do! pszczoΩo! koΩdro! zmiano!
dt. Frau Weihnachtslied Biene Bettdecke Veränderung
2.3. Deklinationen 187
Plural
Nominativ kobiety kole±dy pszczoΩy koΩdry zmiany
Genitiv kobiet kole±d pszczo´Ω koΩder zmian
Dativ kobietom kole±dom pszczoΩom koΩdrom zmianom
Akkusativ kobiety kole±dy pszczoΩy koΩdry zmiany
Instrumental kobietami kole±dami pszczoΩami koΩdrami zmianami
Präpositiv kobietach kole±dach pszczoΩach koΩdrach zmianach
Vokativ kobiety! kole±dy! pszczoΩy! koΩdry! zmiany!
Im Dativ und im Präpositiv Singular kommt es zu einer Reihe von konsonantischen Alter-
nationen. Diese werden aus Gründen der Anschaulichkeit nicht in phonetischer oder pho-
nologischer, sondern in orthografischer Schreibung angeführt.
• m : mi, tas´ma – tas´mie
• n : ni, zmiana – zmianie
• s : si, klasa – klasie
• z : zi, baza – bazie
• w : wi, gΩowa – gΩowie
• t : ci, kobieta – kobiecie
• d : dzi, bieda – biedzie
• Ω : l, pszczoΩa – pszczole
• r : rz; koΩdra – koΩdrze
• k : c, apteka – aptece
• g : dz, noga – nodze
• ch : sz, mucha – musze
Außerdem gibt es Vokalalternationen:
• o : o´, gΩowa – gΩo´w, noga – no´g
• e : Ø, Ωza – Ωez, koΩdra – koΩder
Singular Plural
Nominativ apteka noga apteki nogi
Genitiv apteki nogi aptek no´g
Dativ aptece nodze aptekom nogom
Akkusativ apteke± noge± apteki nogi
Instrumental apteka± noga± aptekami nogami
Präpositiv aptece nodze aptekach nogach
dt. Apotheke Bein/Fuß
Die Unterschiede der Formen im Genitiv, Dativ und Präpostiv Singular sind hier eher or-
thografisch als real lautlich bedingt. Überall tritt hier die Endung des Lauts -i auf, die sich
nach Vokalen mit dem j verbindet.
szyja – szyi ‚Hals’, aleja – alei ‚Allee’
Ähnlich werden entlehnte Substantive wie idea ‚Idee’ flektiert:
idea – idei ‚Idee’, statua – statui ,Statue’
Wenn der Laut j am Auslaut eines Stamms entlehnter Wörter nach den Konsonanten s, c
und z auftritt, bleibt die Schreibung mit j in allen Kasus erhalten.
lekcja – lekcji ‚Lektion’, sesja – sesji ‚Sitzung’
Nach anderen Konsonanten wird der gleiche Halbvokal als i geschrieben.
armia – armii ‚Armee’, Arabia – Arabii ‚Arabien’, Dania – Danii ‚Dänemark’,
historia – historii ‚Geschichte’
190 2. Substantive
Singular Plural
Nominativ gospodyni pani gospodynie panie
Genitiv gospodyni pani gospodyn´ pan´
Dativ gospodyni pani gospodyniom paniom
Akkusativ gospodynie± pania± gospodynie panie
Instrumental gospodynia± pania± gospodyniami paniami
Präpositiv gospodyni pani gospodyniach paniach
Vokativ gospodyni! pani gospodynie! panie!
dt. Gastgeberin Frau
Plural
Nominativ koleje dΩonie gaΩ±e±zie nici wsie
Genitiv kolei dΩoni gaΩe±zi nici wsi
Dativ kolejom dΩoniom gaΩe±ziom niciom wsiom
Akkusativ koleje dΩonie gaΩe±zie nici wsie
Instrumental kolejami dΩoniami gaΩe˛ziami nic´mi wsiami
Präpositiv kolejach dΩoniach gaΩe±ziach niciach wsiach
Plural
Nominativ pore±cze noce sole
Genitiv pore±czy nocy soli
Dativ pore±czom nocom solom
Akkusativ pore±cze noce sole
Instrumental pore±czami nocami solami
Präpositiv pore±czach nocach solach
192 2. Substantive
Singular Plural
Nominativ -o, -Ø, -i -y, -i, -e
Genitiv -y, -i -Ø, -i, -y
Dativ -e, -y, -i, -om
Akkusativ -e±, -Ø -y, -i, -e
Instrumental -a± -ami, -mi
Präpositiv -e, -y ,-i -ach
Vokativ -o, -u, -y, -i, -y, -i, -e
Fett gedruckt sind die zentralen, häufigsten Endungen.
Plural
2.3. Deklinationen 197
Singular Plural
Nominativ -o, -e -a
Genitiv -a -Ø, -i, -y
Dativ -u -om
Akkusativ -o, -e, -a
Instrumental -em -ami
Präpositiv -e, -u -ach
Vokativ -o, -e -a
Fett gedruckt sind die zentralen, häufigsten Endungen.
Nominativ Plural -a
Der Nominativ Plural ist immer -a.
Genitiv Singular -a
Alle Neutra haben -a.
In einigen Substantiven mit palatalem oder historisch palatalisiertem Auslaut tritt -i oder -y
auf.
narze±dzie – narze±dzi ‚Werkzeug’, nare±cze – nare±czy ‚Arm voll’
Im Genitiv Plural kommt es zu Stammalternationen:
• Ø : e jabΩko – jabΩek ‚Apfel’, okno – okien ‚Fenster’
• o : o´ pole – po´l ‚Felder’, koΩo – ko´Ω ‚Räder’
• e± : a± s´wie±to – s´wia±t ‚Feiertag’
Typ ‚imie±’
Singular Plural
Nominativ imie± ramie± imiona ramiona
Genitiv imienia ramienia imion ramion
Dativ imieniu ramieniu imionom ramionom
Akkusativ imie± ramie± imiona ramiona
Instrumental imieniem ramieniem imionami ramionami
Präpositiv imieniu ramieniu imionach ramionach
dt. Name Schulter
Typ ‚ciele±’
Singular Plural
Nominativ ciele± szczenie± ciele±ta szczenie±ta
Genitiv ciele±cia szczenie±cia ciela±t szczenia±t
Dativ ciele±ciu szczenie±ciu ciele±tom szczenie±tom
Akkusativ ciele± szczenie± ciele±ta szczenie±ta
Instrumental ciele±ciem szczenie±ciem ciele±tami szczenie±tami
Präpositiv ciele±ciu szczenie±ciu ciele±tach szczenie±tach
Vokativ ciele± szczenie± ciele±ta! szczenie±ta!
dt. Kalb Welpe
Plural
Nominativ oczy uszy dzieci
Genitiv oczu uszu dzieci
Dativ oczom uszom dzieciom
Akkusativ oczy uszy dzieci
Instrumental oczami/oczyma uszami dziec´mi
Präpositiv oczach uszach dzieciach
Vokativ oczy! uszy! dzieci!
a) Maskulin-personal
Bei der maskulin-personalen Deklination (odmiana me±sko-osobowa) unterscheiden wir
zwei recht unterschiedliche Subtypen:
• die typisch maskuline Grundform wie student
• die sogenannte Mischform, die im Singular mit der femininen Deklination auf
Vokal und im Plural mit dem Typus student zusammenfällt; z.B. poeta
2.3. Deklinationen 201
Plural
Nominativ studenci chΩopi Francuzi blondyni generaΩowie
Genitiv studento´w chΩopo´w Francuzo´w blondyno´w generaΩo´w
Dativ studentom chΩopom Francuzom blondynom generaΩom
Akkusativ studento´w chΩopo´w Francuzo´w blondyno´w generaΩo´w
Instrumental studentami chΩopami Francuzami blondynami generaΩami
Präpositiv studentach chΩopach Francuzach blondynach generaΩach
Vokativ studenci chΩopi Francuzi blondyni generaΩowie
Singular
Nominativ aktor Polak biolog Czech
Genitiv aktora Polaka biologa Czecha
Dativ aktorowi Polakowi biologowi Czechowi
Akkusativ aktora Polaka biologa Czecha
Instrumental aktorem Polakiem biologiem Czechem
Präpositiv/ aktorze Polaku biologu Czechu
Vokativ
dt. Schauspieler Pole Biologe Tscheche
202 2. Substantive
Plural
Nominativ aktorzy Polacy biolodzy Czesi
Genitiv aktoro´w Polako´w biologo´w Czecho´w
Dativ aktorom Polakom biologom Czechom
Akkusativ aktoro´w Polako´w biologo´w Czecho´w
Instrumental aktorami Polakami biologami Czechami
Präpositiv aktorach Polakach biologach Czechach
Vokativ aktorzy! Polacy! biolodzy! Czesi!
Im Nominativ Plural kommt zu einer Reihe von Alternationen: student – studenci, aktor –
aktorzy, Polak – Polacy etc.
Angeführt sind vier verschiedene Typen, von denen poeta der häufigste ist. poeta hat im
Singular die gleichen Formen wie eine Gruppe femininer Substantive. Als sicherer Marker
des maskulin-personalen Subgenus fungiert durchgehend der Akkusativ Plural. Pejorative
Lexeme wie oferma bilden eine spezifische Gruppe, denn sie bewirken beim Adjektiv und
Verb nicht die maskulin-personale, sondern maskulin-belebte Kongruenz.
Te straszne ofermy nic nie umiaΩy. ‚Diese furchtbaren Waschlappen konnten ein-
fach nichts.’
b) Maskulin-nichtpersonal: belebt
(me±sko-nieosobowy: z˙ywotny)
Nichtpersonal-belebte Substantive zeichnen sich dadurch aus, dass der Akkusativ Singular
nicht mit dem Nominativ, sondern mit dem Genitiv Singular zusammenfällt.
In einigen wenigen Fällen kann im Dativ statt -owi die Endung -u auftreten wie im
Fall kotu.
204 2. Substantive
c) Maskulin-nichtpersonal: unbelebt
(me±sko-nieosobowy: niez˙ywotny)
Plural
Nominativ sklepy nerwy kluby atomy akcenty sady
Genitiv sklepo´w nerwo´w klubo´w atomo´w akcento´w sado´w
Dativ sklepom nerwom klubom atomom akcentom sadom
Akkusativ sklepy nerwy kluby atomy akcenty sady
Instrumental sklepami nerwami klubami atomami akcentami sadami
Präpositiv sklepach nerwach klubach atomach akcentach sadach
Singular
Nominativ adres rozkaz plan artykuΩ bar
Genitiv adresu rozkazu planu artykuΩu baru
Dativ adresowi rozkazowi planowi artykuΩowi barowi
Akkusativ adres rozkaz plan artykuΩ bar
Instrumental adresem rozkazem planem artykuΩem barem
Präpositiv adresie rozkazie planie artykule barze
dt. Adresse Befehl Plan Artikel Bar
Plural
Nominativ adresy rozkazy plany artykuΩy bary
Genitiv adreso´w rozkazo´w plano´w artykuΩo´w baro´w
Dativ adresom rozkazom planom artykuΩom barom
Akkusativ adresy rozkazy plany artykuΩy bary
Instrumental adresami rozkazami planami artykuΩami barami
Präpositiv adresach rozkazach planach artykuΩach barach
Aus den Paradigmen wird klar, dass bei den Substantiven des maskulin-unbelebten Genus
der Nominativ und der Akkusativ im Singular wie im Plural identisch sind (anders nicht-
personal-belebt und maskulin-personal).
Alle Substantive mit nichtpalatalem Auslaut, außer Auslaut auf -g, -k -ch, haben
im Präpositiv Singular die Endung -e, welche folgende Alternationen begleitet:
• p : pi, ukrop – ukropie
• b : bi, klub – klubie
• m : mi, atom – atomie
• t : ci, akcent – akcencie
206 2. Substantive
In der Flexion der Substantive auf -k und -g treten die Varianten -ki und -gi auf vor dem
Instrumental Singular -em (kajakiem – brzegiem) und im Nominativ Plural (kajaki, brzegi).
Zum Genitiv Singular auf -a vs. -u (⇑Subkategorisierung der maskulinen Substantive
3.3.2.).
Singular
Nominativ lis´c´ grzebien´ kraj cel
Genitiv lis´cia grzebienia kraju celu
Dativ lis´ciowi grzebieniowi krajowi celowi
Akkusativ lis´c´ grzebien´ kraj cel
Instrumental lis´ciem grzebieniem krajem celem
Präpositiv lis´ciu grzebieniu kraju celu
dt. Blatt Kamm Land Ziel
Plural
Nominativ lis´cie grzebienie kraje cele
Genitiv lis´ci grzebieni krajo´w celo´w
Dativ lis´ciom grzebieniom krajom celom
Akkusativ lis´cie grzebienie kraje cele
Instrumental lis´c´mi grzebieniami krajami celami
Präpositiv lis´ciach grzebieniach krajach celach
208 2. Substantive
Hier tritt der Vokal e nur im Nominativ Singular bzw. beim maskulin-unbelebten Genus
auch im Akkusativ Singular auf. In den anderen Kasusformen verflüchtigt er sich.
2.3. Deklinationen 209
Plural
Nominativ s´wiaty sa±siedzi anioΩy/anieli/ popioΩy
anioΩowie
Genitiv s´wiato´w sa±siado´w anioΩo´w popioΩo´w
Dativ s´wiatom sa±siadom anioΩom popioΩom
Akkusativ s´wiaty sa±siado´w anioΩy/ anioΩo´w popioΩy
Instrumental s´wiatami sa±siadami anioΩami popioΩami
Präpositiv s´wiatach sa±siadach anioΩach popioΩach
Singular Plural
Nominativ -Ø, -o, -a -i, -y, -e, -owie
Genitiv -a, -u, -i, -y -o´w, -i, -y
Dativ -owi, -u, -e, -i, -y -om
Akkusativ -Ø, -a, -e± -o´w, -i, -y, -e
Instrumental -em, -a± -ami, -mi
Präpositiv -e, -u, -i, -y -ach
Vokativ -e, -u, -o -i, -y, -e, -owie
Die Tabelle und die folgenden Kommentare enthalten die zentralen Endungen der maskuli-
nen Deklinationsklassen. Fettgedruckt sind die typischen und häufigtsten Endungen.
-i bzw. -y treten in den sogenannten Mischklassen mit Nominativ Singular auf -a und -o in
Erscheinung:
me±z˙czyzna – me±z˙czyzny ‚Mann’, poeta – poety ‚Dichter’, cies´la – cies´li ‚Zimmer-
mann’, Kos´ciuszko – Kos´ciuszki ‚Kos´ciuszko’
kot – kocie ‚Katze’, nos – nosie ‚Nase’, kwiat – kwiecie ‚Blume’, orzeΩ – orle
‚Adler’
-u finden wir bei Substantiven, die auslauten auf:
• einen palatalen Konsonanten,
poko´j – pokoju ‚Zimmer’, lis´c´ – lis´ciu ‚Blatt’, kon´ – koniu ‚Pferd’
• einen historisch palatalisierten Konsonanten,
piec – piecu ‚Ofen’, ma±z˙ – me±z˙u ‚Ehemann’, lekarz – lekarzu ‚Arzt’,
• -g, -k, -ch
rok – roku ‚Jahr’, pro´g – progu ‚Schwelle’, dach – dachu ‚Dach’,
Neben diesem regelhaften Vorkommen gibt es einige Ausnahmen:
dom – domu ‚Haus’, pan – panu ‚Herr’, syn – synu ‚Sohn’
Ganz besondere Paradigmen haben die Vokabeln brat ‚Bruder’ und ksia±dz ‚Priester’.
216 2. Substantive
Singular Plural
Nominativ brat ksia±dz bracia ksie±z˙a
Genitiv brata ksie±dza braci ksie±z˙y
Dativ bratu ksie±dzu braciom ksie±z˙om
Akkusativ brata ksie±dza braci ksie±z˙y
Instrumental bratem ksie±dzem brac´mi ksie±z˙mi
Präpositiv bracie ksie±dzu braciach ksie±z˙ach
Vokativ bracie! ksie±z˙e! bracia! ksie±z˙a!
Irreguläre Stammveränderungen finden wir auch bei przyjaciel ‚Freund’ und tydzien´ ‚Wo-
che’.
Singular Plural
Nominativ przyjaciel tydzien´ przyjaciele tygodnie
Genitiv przyjaciela tygodnia przyjacio´Ω tygodni
Dativ przyjacielowi tygodniowi przyjacioΩom tygodniom
Akkusativ przyjaciela tydzien´ przyjacio´Ω tygodnie
Instrumental przyjacielem tygodniem przyjacio´Ωmi tygodniami
Präpositiv przyjacielu tygodniu przyjacioΩach tygodniach
Vokativ przyjacielu! tygodniu! przyjaciele! tygodnie!
Personenbezeichnungen auf -anin bilden eine relativ große Gruppe von Substantiven. Sie
zeichnen sich durch zwei verschiedene Singular- und Pluralstämme aus. Dabei fällt im
Plural die Lautfolge -in- aus.
Singular Plural
Nominativ chrzes´cijanin Amerykanin chrzes´cijanie Amerykanie
Genitiv chrzes´cijanina Amerykanina chrzes´cijan Amerykano´w
Dativ chrzes´cijaninowi Amerykaninowi chrzes´cijanom Amerykanom
Akkusativ chrzes´cijanina Amerykanina chrzes´cijan Amerykano´w
Instrumental chrzes´cijaninem Amerykaninem chrzes´cijanami Amerykanami
Präpositiv chrzes´cijaninie Amerykaninie chrzes´cijanach Amerykanach
Vokativ chrzes´cijaninie! Amerykaninie! chrzes´cijanie! Amerykanie!
dt. Christ Amerikaner
Singular Plural
Nominativ rok czΩowiek lata ludzie
Genitiv roku czΩowieka lat ludzi
Dativ rokowi czΩowiekowi latom ludziom
Akkusativ rok czΩowieka lata ludzi
Instrumental rokiem czΩowiekiem latami ludz´mi
Präpositiv roku czΩowieku latach ludziach
Vokativ roku czΩowieku! lata! ludzie!
dt. Jahr Mensch
Eine besondere Deklination weist auch das Substantiv me±z˙czyzna auf. Es gehört zur Klasse
der feminin-maskulinen Mischformen, weist aber auch im Plural einige mit den Feminina
zusammenfallenden Formen auf, nämlich den Genitiv und den Akkusativ Plural: statt -o´w
steht -Ø.
Singular Plural
Nominativ me±z˙czyzna me±z˙czyz´ni
Genitiv me±z˙czyzny me±z˙czyzn
Dativ me±z˙czyz´nie me±z˙czyznom
Akkusativ me±z˙czyzne± me±z˙czyzn
Instrumental me±z˙czyzna± me±z˙czyznami
Präpositiv me±z˙czyz´nie me±z˙czyznach
Vokativ me±z˙czyzno! me±z˙czyz´ni!
Ein weiterer Sonderfall liegt bei Substantiven vor, die wie se±dzia ‚Richter’ oder ausländi-
sche Familiennamen wie Linde eine gemischt adjektivisch-substantivische Deklination
aufweisen. Der Singular entspricht der Adjektiv-, der Plural der maskulin-personalen De-
klination.
218 2. Substantive
Singular Plural
Nominativ se±dzia Linde se±dziowie Lindowie
Genitiv se±dziego Lindego se±dzio´w Lindo´w
Dativ se±dziemu Lindemu se±dziom Lindom
Akkusativ se±dziego Lindego se±dzio´w Lindo´w
Instrumental se±dzia± Lindem se±dziami Lindami
Präpositiv se±dzi Lindem se±dziach Lindach
Vokativ se±dzio! Linde! se±dziowie! Lindowie!
Schließlich sei auf solche fremden Namen hingewiesen, die aufgrund ihres vom Polnischen
stark abweichenden Lautbestands nicht flektiert werden. Dazu zählen auch einige Städte-
namen.
Delacroix, Dumas, Honululu, Tokio, Verdun, Bonn, Oslo
2.4.1. Genus
Das Genus (rodzaj) ist eine grammatische Kategorie des Substantivs (im traditionellen
Sinne), Pronomens, Numerales, Adjektivs und Verbs.
Bei Substantiven und Personalpronomen ist Genus eine klassifizierende grammati-
sche Kategorie; d.h. der Stamm des Lexems impliziert die Kategorie und diese ist bei glei-
chem Stamm nicht veränderbar (Sonderfälle: pejorative Verschiebung eines maskulin-
personalen Substantivs ins maskulin-belebte: rzemies´lniki statt rzemies´lnicy wie in te
przekle˛te rzemies´lniki ‚die verdammten Handwerker’).
Für die anderen Wortarten ist das Genus flektivisch; d.h. sie passen sich dem je-
weiligen Substantiv an, mit dem sie kongruieren.
sportowa odziez˙ ‚Sportkleidung’, sportowy styl ‚sportlicher Stil’, koΩo sportowe
‚Sportkreis’
Das Genus unterteilt die Substantive in verschiedene Typen von Kongruenzklassen. Bei
der Kongruenz geht es um die Form der ein Substantiv begleitenden Lexeme wie Adjekti-
ve, Pronomen, Numerale und Verben. So bestimmt das Genus des Substantivs, ob das Ad-
jektiv im Nominativ Singular die Endung -y, -a oder -e annimmt:
nowy samocho´d ‚ein neues Auto’ – biaΩa s´ciana ‚eine weiße Wand’ – pie±kne mia-
sto ‚eine schöne Stadt’
2.4. Grammatische Kategorien des Substantivs 219
Substantiv
feminin nicht-feminin
neutral maskulin
maskulin-personal maskulin-nichtpersonal
nichtpersonal-belebt nichtpersonal-unbelebt
Als zentrales Kriterium für die Bestimmung der Genera werden in der Polonistik traditio-
nell die Formen des Akkusativs herangezogen. Der Testsatz lautet Widze± ten X ‚Ich sehe
dieses X.’
Singular Plural
Das Merkmal ‚Synkretismus (Zusammenfall) der Endungen des Akkusativs und des Geni-
tivs im Singular’ erfasst die maskulin-personalen und die maskulin-belebten Substantive;
sonst ist der Akkusativ gleich dem Nominativ; vgl.:
To jest kapelusz tego chΩopca. ‚Das ist der Hut von diesem Jungen.’ (Genitiv)
Widze± tego chΩopca. ‚Ich sehe diesen Jungen.’ (Akkusativ)
To jest noga tego stoΩu. ‚Das ist das Bein dieses Tischs’. Widze± ten sto´Ω. ‚Ich sehe
diesen Tisch.’
Der Zusammenfall des Akkusativs mit dem Genitiv tritt im Plural nur bei den maskulin-
personalen Substantiven auf; vgl. chΩopiec ‚Junge’, pies ‚Hund’ und sto´Ω ‚Tisch’.
To sa± kapelusze tych chΩopco´w. (Genitiv) ‚Das sind Hüte dieser Jungen.’ Widze±
tych chΩopco´w. (Akkusativ) ‚Ich sehe diese Jungen.’
To sa± nogi tych stoΩo´w. ‚Das sind Beine dieser Tische.’ Widze± te stoΩy. ‚Ich sehe
diese Tische.’ Widze± te psy. ‚Ich sehe diese Hunde.’
An der Zuweisung des Genus sind morphologische und semantische Eigenschaften betei-
ligt, die eng interagieren:
a) Deklinationsklassen der Substantive; d.h. die Menge der verschiedenen Flexi-
onsformen eines Substantivs
b) Sexus; d.h. das natürliche Geschlecht des vom Substantiv bezeichneten Refe-
renten.
Bei den Deklinationsklassen handelt es sich um den reinen Formenbestand eines Substan-
tivs; semantische Merkmale finden keine Berücksichtigung. Die Zuordnung zu den drei
Grundgenera geschieht aufgrund von folgenden Regeln, die nicht absolut wirken, sondern
sich gegenseitig aufheben können. Das morphologische Prinzip:
• Substantive aus den maskulinen Deklinationsklassen sind maskulin.
chΩopiec ‚Junge’, pies ‚Hund’, sto´Ω ‚Tisch’, poeta ‚Dichter’
• Substantive aus den femininen Deklinationsklassen sind feminin.
kobieta ‚Frau’, s´ciana ‚Wand’, pore±cz ‚Lehne’, gospodyni ‚Gastgeberin’
• Substantive aus den neutralen Deklinationsklassen sind neutrum.
drzewo ‚Baum’, niemowle± ‚Säugling’, pole ‚Feld’
Gleichzeitig gilt das semantische Prinzip:
• Substantive, die männliche Lebewesen bezeichnen, sind maskulin.
chΩopiec ‚Junge’, kot ‚Kater’, pies ‚Hund’, me±z˙czyzna ‚Mann’, profesor (dekli-
nabel) ‚Professor’, sierota (maskulin) ‚Weise’
• Substantive, die weibliche Lebewesen bezeichnen, sind feminin.
kobieta ‚Frau’, nauczycielka ‚Lehrerin’, dziewczyna ‚Mädchen’, profesor (in-
deklinabel) ‚Professorin’, sierota (feminin) ‚Weise’
2.4. Grammatische Kategorien des Substantivs 221
In fast allen Fällen kann man von der Deklinationsklasse auf das Genus schließen. In eini-
gen Sonderfällen liegt jedoch eine andere Beziehung zwischen Deklinationsklasse und
Genus vor, z.B. bei weiblichen Berufsbezeichnungen des Typs profesor ‚Professorin’ (in-
deklinabel) oder bei den Substantiven des Genus communes, bei denen das Genus bei glei-
cher Form wechseln kann. Hier gilt das semantische Prinzip.
RozmawiaΩem z nasza± nowa± profesor / z naszym nowym profesorem. ‚Ich habe mit
unserer neuen Professorin / unserem neuen Professor gesprochen.
Janek jest biednym sierota±. Magda jest biedna± sierota±. ‚Janek/Magda ist ein armes
Waisenkind.’
Die Bezeichnungen der maskulinen Subgenera ‚personal’, ‚belebt’ und ‚unbelebt’ beziehen
sich auf die Tatsache, dass sie eng mit diesen semantischen Merkmalen korrelieren; d.h.
die überwiegende Mehrheit der Substantive des maskulin-unbelebten Genus bezeichnen
unbelebte Gegenstände. Es gibt jedoch einige Ausnahmen: zu diesem Genus gehören auch
Automarken und Tänze.
KupiΩem sobie nowego mercedesa. ‚Ich habe mir einen neuen Mercedes gekauft.’
Tan´czyΩem walca. ‚Ich habe Walzer getanzt.’
Einige Substantive des maskulin-belebten Genus, das eng mit der semantischen Kompo-
nente ‚Tier’ korreliert, haben personale Bedeutung wie niemowlak ‚Säugling’, dzieciak
‚Kind’ u.a.
• Maße
hektar – hektara ‚Hektar’, litr – litra ‚Liter’, metr – metra ‚Meter’, kilogram –
kilograma ‚Kilogramm’
• die meisten polnischen Städtenamen
Gdan´sk – Gdan´ska, Torun´ – Torunia, Poznan´ – Poznania, Krako´w – Krakowa,
Szczecin – Szczecina, WrocΩaw – WrocΩawia, Radom – Radomia (aber: BiaΩystok
– BiaΩegostoku)
• ‚individuierte’ Lebensmittel wie z.B.
piero´g – pieroga ‚Pirogge’, kotlet – kotleta ‚Kotelett’
Substantive mit gestaltloser Semantik tendieren zu -u:
• Substanzen
budyn´ – budyniu ‚Pudding’, pasztet – pasztetu ‚Pastete’, krupnik – krupniku
‚Graupensuppe’, mio´d – miodu ‚Honig’, sok – soku ‚Saft’, cukier – cukru ‚Zu-
cker’
• Abstrakta
rozum – rozumu ‚Verstand’, smutek – smutku ‚Trauer’, z˙al – z˙alu ‚Bedauern’,
gniew – gniewu ‚Wut’, wstyd – wstydu ‚Schande’, bo´l – bolu ‚Schmerz’
• Kollektiva
puΩk – puΩku ‚Regiment’, las – lasu ‚Wald’, tΩum – tΩumu ‚Menschenmenge’, na-
ro´d – narodu ‚Volk’, sejm – sejmu ‚Sejm’, oddziaΩ – oddziaΩu ‚Abteilung’
In diesen semantischen Feldern hält sich die Endung -u. Steht wider Erwarten die Endung
-a, liegt meist eine andere Bedeutung vor.
strach – strachu ‚Angst’ vs. strach – stracha ‚Vogelscheuche’
Die andere Motivierungstendenz ist formal; d.h. die Verteilung von -a/-u, hängt nicht von
semantischen, sondern von morphologischen Eigenschaften ab. Die Endung -a tritt auf bei
derivierten Substantiven mit einem Suffix, das auch bei belebten Substantiven vorkommt:
uΩamek – uΩamka ‚Bruch’, odsetek – odsetka ‚Prozent’ (vgl. skoczek – skoczka
‚Springer’, kotek – kotka ‚Katze’), wapien´ – wapnia ‚Kalk (vgl. jelen´ – jelenia
‚Hirsch’)
Zu beachten sind Deminutiva wie doΩek – doΩka ‚Kuhle’ trotz do´Ω – doΩu ‚Grube’ und da-
szek – daszka ‚Schutzdach’ trotz dach – dachu ‚Dach’. Die Endung -u haben:
• viele Lehnwörter
tekst – tekstu ‚Text’, teatr – teatru ‚Theater’, dramat – dramatu ‚Drama’, numer
– numeru ‚Nummer’, lokal – lokalu ‚Räumlichkeit’, akcent – akcentu ‚Akzent’
• deverbale Substantive mit Nullsuffix, auch Komposita
2.4. Grammatische Kategorien des Substantivs 223
2.4.3. Numerus
a) Allgemeines
Der Numerus (liczba) ist eine flektivische Kategorie des Substantivs, Pronomens, Adjek-
tivs und Verbs. Wie im Deutschen gibt es zwei Subkategorien:
a) Singular (liczba pojedyncza)
b) Plural (liczba mnoga)
Nur beim Substantiv hat der Numerus eine semantische Funktion; bei Verb und Adjektiv
handelt es sich um syntaktische Kongruenz. Die Numerusform des Adjektivs und Verbs
kongruiert mit dem Numerus des Substantivs.
Während der Plural eine Menge von mehr als ‚eins’ bezeichnet, ist der Singular
semantisch unmarkiert. Er bezeichnet zwar in der Regel einen einzelnen Gegenstand, kann
aber auch auf eine Menge von Gegenständen bezogen werden. Weitere Ausdrucksmittel zu
Mengenangaben s. Box-Nr. Numerlia.
miΩos´c´ ‚Liebe’, pogarda ‚Verachtung’, spoko´j ‚Ruhe’, woda ‚Wasser’, z˙elazo ‚Ei-
sen’, drzwi ‚Tür’
a) Substantive im Singular mit defektivem Plural:
• der Plural fehlt (singularia tantum); Abstrakta, Kollektiva, Eigennamen
miΩos´c´ ‚Liebe’, pogarda ‚Verachtung’, listowie ‚Laub’, Krzyszstof Najderek
• der Plural hat eine andere Bedeutung; bei Substanzbezeichnungen: Angabe
der Sorte.
W sklepie sprzedaje sie± ro´z˙ne wina (= ro´z˙ne gatunki wina). ‚Im Laden wer-
den verschiedene Weine (= Weinsorten) verkauft.’
Auch: Angabe einer abgepackten bzw. abgefüllten Menge.
WypiΩem trzy piwa (= trzy butelki/szklanki piwa). ‚Ich habe drei Bier (= drei
Flaschen/Gläser) getrunken.’
b) Substantive im Plural ohne Singular (Pluralia tantum)
• zählbar; sie bezeichnen einzelne Gegenstände, die als aus zwei Teilen beste-
hend aufgefasst werden (im Deutschen oft regulärer Singular!)
okulary ‚Brille’, obce±gi, ‚Zange’, noz˙yczki ‚Schere’, drzwi ‚Tür’, usta
‚Mund’, sanie ‚Schlitten’
Bei genauer Angabe der Menge werden obligatorisch die Kollektivnumeralia
wie dwoje verwendet.
Zamo´wiΩem u stolarza dwoje nowych drzwi do mojego domku weekendo-
wego. ‚Ich habe beim Tischler zwei neue Türen für mein Wochenendhaus
bestellt.’
• nichtzählbar; Substanzen
me±ty/fusy ‚Bodensatz’
Als Formen mit defektivem Plural lassen sich auch die Personalpronomen ansehen; denn
my ‚wir’ bedeutet nicht ‚der Sprecher + der Sprecher’, sondern vielmehr ‚der Spre-
cher + der Hörer’ oder ‚der Sprecher + X’. Ähnliches gilt für die Pluralformen von Famili-
ennamen wie Kowalscy ‚Herr Kowalski und seine Familie’.
c) Neutralisierung
Wie im Deutschen kann die Opposition von Singular vs. Plural in allgemeinen Kontexten
neutralisiert werden; d.h. in solchen Fällen sind beide Subkategorien gegeneinander aus-
tauschbar. Diese Fälle zeigen, dass der Singular semantisch unmarkiert ist: er kann auch
die pluralische Bedeutung abdecken.
Wieloryb jest ssakiem. = Wieloryby sa± ssakami. ‚Der Wal ist ein Säugetier. = Wale
sind Säugetiere.’
2.4. Grammatische Kategorien des Substantivs 225
2.4.4 Kasus
Die Kategorie Kasus (przypadek) gehört zu den zentralen morphologischen Kategorien des
Substantivs. Sie ist den Substantiven, Pronomen, Adjektiven, Numeralen und Partizipien
eigen. Im Wesentlichen dient der Kasus dazu, die Beziehungen nominaler Elemente im
Satz anzuzeigen. Das Polnische hat sieben Kasus, die hier mit den entsprechenden Testsät-
zen aufgelistet sind:
Nominativ (Mianownik): To jest __. /To sa˛ __. ‚Das ist/sind __.’
Genitiv (DopeΩniacz): Nie ma __. ‚Es gibt kein __.’
Dativ (Celownik): Nic nie mam przeciw __. ‚Ich habe nichts gegen __.’
Akkusativ (Biernik): Widze˛ __. ‚Ich sehe __.’
Instrumental (Narze˛dnik): WΩadam __. ‚Ich beherrsche __.’
Präpositiv (Miejscownik): Mo´wie˛ o __. ‚Ich spreche über __.’
Vokativ (WoΩacz): Zmien´ sie˛, __! ‚Änder dich, __!’
Alle Kasus außer Vokativ und Nominativ können sowohl mit als auch ohne Präpositionen
stehen. Bei den Funktionen der Kasus lassen sich zwei Arten unterscheiden:
• rein grammatische: Ein Kasus kann eine Relation zwischen zwei Elementen an-
zeigen, die rein relationeller Art ist; z.B. zeigt der Gebrauch des Instrumentals
nach der Kopula das Prädikatsnomen an:
Jestem nauczycielem. ‚Ich bin Lehrer.’
• semantische: In einzelnen Fällen kann der Kasus eine konkrete Bedeutung ha-
ben, wie z.B. die Bezeichnung des Instruments durch den Instrumental:
wbijac´ gwo´z´dz´ mΩotkiem ‚einen Nagel mit einem Hammer einschlagen’
Nominativ
Der Nominativ (mianownik) ist ein rein grammatischer Kasus, dem keinerlei Bedeutung
eigen ist. Seine Funktion besteht im Anzeigen des grammatischen Subjekts des Satzes. Der
polnische Terminus stellt eine direkte Übersetzung des lateinischen nominativus von no-
men dar: von miano ‚Name, Titel’.
MΩodzi ludzie znowu zacze˛li chodzic´ do kina. ‚Junge Leute haben angefangen wie-
der ins Kino zu gehen.’
226 2. Substantive
Genitiv
In seiner grammatischen Funktion signalisiert der Genitiv (dopeΩniacz) primär den
Gebrauch eines Substantivs in der Funktion einer abhängigen Nominalgruppe. Bei ver-
neinten Verben hingegen erfüllt er die gleiche Funktion wie der Akkusativ oder in be-
stimmten Konstruktionen auch des Nominativs:
Jeszcze nie kupiΩem sobie nowego sΩownika. (vs. KupiΩem sobie nowy sΩownik) ‚Ich
habe mir noch kein neues Wörterbuch gekauft. (vs. Ich habe mir ein neues Wör-
terbuch gekauft.’
Gazu nie ma do tej pory, bo w kasie pusto. (vs. Gaz jest.) ‚Es gibt bis jetzt kein
Gas, denn die Kasse ist leer. (vs. ‚Es gibt Gas.’)
Eine weitere obligatorische Gebrauchsbedingung des Genitivs besteht in der Verwendung
nach Numeralen. Im Deutschen verwenden wir hier dagegen den Nominativ. Nach den
Numeralen 2 bis 4 steht der Nominativ Plural, ab 5 der Genitiv Plural.
4 ksia˛z˙ki ‚vier Bücher’, 1730 czoΩgo´w ‚1730 Panzer’
Daneben kann der Genitiv auch gewisse semantische Funktionen haben, wenn das betref-
fende Substantiv nach einem anderen Substantiv steht. Das vom Genitiv begleitete Sub-
stantiv kann dann eine Art Merkmal im weiteren Sinne ausdrücken, das der Entität im
attribuierten Substantiv zukommt.
a) Merkmal der Entität
syn kolejarza ‚der Sohn des Eisenbahners’
b) das Ganze, von dem das erstgenannte Substantiv ein Teil benennt:
drzwi mieszkania ‚die Wohnungstür’
c) Subjekt einer Handlung:
krzyk dziecka ‚der Schrei des Kindes’
d) Objekt einer Handlung:
zabo´jstwo ksie˛dza PopieΩuszki ‚der Mord an Pfarrer PopieΩuszko’, u.a.
Im Sinne dieses Merkmals, das zusätzlich genannt wird, ist der Terminus ‚dopeΩniacz’ zu
verstehen: dopeΩniac´ ‚hinzufügen’.
Dativ
Der Dativ (celownik) zeigt als grammatischer Kasus das indirekte Objekt an. In unpersön-
lichen Konstruktionen mit Verben des psychischen Erlebens bezeichnet der Dativ den Trä-
ger des Erlebnisprozesses.
Pies uciekΩ wΩas´cicielowi. ‚Der Hund ist seinem Eigentümer weggelaufen.’
Zimno mi. ‚Mir ist kalt.’
2.4. Grammatische Kategorien des Substantivs 227
In bestimmten Kontexten kann der Dativ eine semantische Funktion erfüllen, also eine
Bedeutung haben. Dann markiert er die Entität, auf die die Handlung des Verbs gerichtet
ist. Daher auch der polnische Terminus ‚celownik’ von cel ‚Ziel’.
Dzisiaj opowiem wam, jak powstaΩ pierwszy czΩowiek. ‚Heute werde ich euch da-
von erzählen, wie der erste Mensch entstand.’
Akkusativ
Der Akkusativ (biernik) ist ein rein grammatischer Kasus, der keinerlei eigene Bedeutung
annehmen kann. Seine syntaktische Funktion besteht im Anzeigen des direkten Objekts.
SpoΩeczen´stwo poprze prezydenta. ‚Die Gesellschaft wird den Präsidenten unter-
stützen.’
Daneben kann er auch adverbielle Bestimmungen versprachlichen.
Nie spaΩem caΩa˛ noc. ‚Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen.’
Der Terminus ‚biernik’ ist auf einer anderen Basis gebildet als der lateinische. Er geht auf
das Wort bierny zurück, das soviel wie ‚passiv’ bedeutet und auch tatsächlich die entspre-
chende grammatische Kategorie bezeichnet: ‚strona bierna’ ‚Passiv’.
Instrumental
In einer seiner grammatischen Funktionen signalisiert der Instrumental (narze˛dnik) das
Prädikatsnomen bei Kopulae.
Berlin jest stolica˛ Niemiec. ‚Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands.’
Podsekretarzem stanu zostaje Radek Sikorski. ‚Stellvertretender Staatsekretär wird
Radek Sikorski.’
Außerdem kann der Instrumental wie auch der Akkusativ in adverbiellen Bestimmungen
auftreten.
Nie spaΩem caΩymi nocami. ‚Ich habe ganze Nächte nicht geschlafen.’
In seiner semantischen Funktion tritt die Bezeichnung – wie der Name schon sagt – für ein
Instrument und ein Hilfsmittel im weiteren Sinne auf (narze˛dzie ‚Instrument’).
OtworzyΩ mieszkanie Ωomem. ‚Er öffnete die Wohnung mit einem Brecheisen.’
Präpositiv
Der Präpositiv (miejscownik) tritt ausschließlich nach Präpositionen auf. Diese bestimmen
seine Funktionen.
W akademiku w pokoju studenckim trwa impreza. ‚Im Wohnheim im Studenten-
zimmer läuft eine Party.’
228 2. Substantive
Po chwili wycia˛gne±li narciarza wodnego na brzeg. ‚Dann haben sie den Taucher
ans Ufer gezogen.’
Der Terminus ‚miejscownik’ rührt daher, dass die meisten Präpositionalkonstruktionen, in
denen der Präpositiv vorkommt, eine lokativische Bedeutung haben.
Vokativ
Der Vokativ (woΩacz) fällt aus dem Kasussystem insofern heraus, als er im Gegensatz zu
allen anderen Kasus keine syntaktischen Beziehungen zwischen nominalen Elementen des
Satzes anzeigt. Das Nomen im Vokativ steht immer außerhalb jeglicher Satzstruktur und ist
somit von anderen Nomen völlig isoliert. Seine Funktion ist somit auch eine andere. Der
Vokativ tritt bei der direkten Anrede an einen Hörer auf, um ihn z.B. zum Zuhören zu be-
wegen. Aus diesem Grunde tritt er zumeist bei Eigennamen und Personenbezeichnungen
auf. ‚WoΩacz’ geht auf das Verb woΩac´ ‚rufen’ zurück.
Panie doktorze, bardzo boli mnie Ωokiec´. ‚Herr Doktor, mein Ellbogen tut mir sehr
weh.’
Hinweis: beim Adjektiv erfüllt der Nominativ meist prädikative Funktion in zusammenge-
setzten Prädikaten.
ohne Präposition
Der präpositionslose Genitiv kann bei 1) Verben, 2) Substantiven und 3) Numeralia auf-
treten.
1. Der präpositionslose Genitiv bei Verben tritt in folgenden Funktionen auf:
• Genitiv der Negation drückt das direkte Objekt bei verneinten Verben aus; er
bildet das Pendant zum Akkusativ in den nicht verneinten Sätzen:
Czytam ksia±z˙ke±. – Nie czytam ksia±z˙ki. ‚Ich lese kein Buch.’
Lubie± sport. – Nie lubie± sportu. ‚Ich mag Sport nicht.’
Mam czas. – Nie mam czasu. ‚Ich habe keine Zeit.’
• Im Gegensatz zum Deutschen regieren einige Verben den Genitiv als direktes
Objekt:
Chce± zrozumienia. ‚Ich will Verständnis.’ Pragne± wolnos´ci. ‚Ich sehne mich
nach Freiheit.’ ZapomniaΩem re±kawiczek. ‚Ich habe die Handschuhe vergessen.’
SΩucham muzyki. ‚Ich höre Musik.’
• Der Genitiv tritt als direktes Objekt in der Funktion des Partitivs auf, in der Kon-
struktionen mit der Bedeutung einer nur teilweisen nicht vollständigen Involvie-
rung des Gegenstandes bei der Handlung:
Genitiv obligatorisch: NapiΩem sie± herbaty. ‚Ich habe Tee getrunken.’
Genitiv fakultativ: ZjadΩem zupy. ‚Ich habe Suppe gegessen.’ KupiΩem chleba
‚Ich habe Brot gekauft.’
Die partitive Funktion tritt besonders oft bei Verben des perfektiven Aspekts mit
dem Präfix na- auf:
ZbieraΩem grzyby. – NazbieraΩem grzybo´w. ‚Ich habe genug Pilze gesammelt.’
CzytaΩem gazety. – NaczytaΩem sie± gazet. ‚Ich habe genug Zeitungen gelesen.’
2. Der präpositionslose Genitiv bei Substantiven tritt in folgenden Funktionen auf:
• Genitivus possessivus: Anzeige des Besitzes.
piΩka Jurka ‚der Ball von Jurek’, pΩaszcz ojca ‚Vaters Mantel’, torebka siostry
‚die Tasche der Schwester’
• Angabe eines Teiles einer geteilten Ganzheit
talerz zupy ‚ein Teller Suppe’; szklanka mleka ‚ein Glas Milch’; kawaΩek chleba
‚ein Stück Brot’; s´ciany budynku ‚Wände eines Gebäudes’
230 2. Substantive
• Bezeichnung des logischen Subjekts oder des Objekts einer Handlung bei von
Verben abgeleiteten Substantiven
rz˙enie konia (= kon´ rz˙y) ‚Wiehern eines Pferdes’, odpowiedz´ ucznia (= uczen´
odpowiada) ‚Antwort eines Schülers’ vs.
egzaminowanie studento´w (= studenci sa± egzaminowani) ‚das Prüfen der Stu-
denten’, jedzenie jabΩek (= jabΩka sa± jedzone) ‚das Essen der Äpfel’
3. Der präpositionslose Genitiv bei Numeralia
Bei Kardinalia ab 5 aufwärts und bei Kollektivzahlwörtern wie dwoje stehen die Substanti-
ve im Genitiv Plural:
szes´c´ krzeseΩ ‚sechs Stühle’, pie±c´ lat ‚fünf Jahre’, dwanas´cie miesie±cy ‚zwölf Mo-
nate’, troje dzieci ‚drei Kinder’, dwoje drzwi ‚zwei Türen’
Bei Bruchzahlen steht der Genitiv Singular:
po´Ω bochenka ‚ein halber Laib (Brot)’, dwie trzecie litra ‚zwei Drittel Liter’,
po´Ωtora roku ‚anderthalb Jahre’
mit Präposition
Mit Präposition bildet der Genitiv Konstruktionen dieser Bedeutungen:
1. adlativ; in Verbindung mit der Präposition do nach Verben:
• Ort, auf den die Bewegung gerichtet ist, räumliche Grenze der Handlung.
przyjs´c´ do tablicy ‚an die Tafel kommen’, podejs´c´ do okna ‚ans Fenster gehen’,
dojechac´ do granicy ‚an die Grenze kommen’, przypΩyna±c´ do brzegu ‚am Ufer
anlegen’
• das Innere einer Räumlichkeit als Zielpunkt der Ortsveränderung eines Gegens-
tandes (illativ)
przyjechac´ do domu ‚nach Hause kommen’, wejs´c´ do pokoju ‚ins Zimmer hi-
neingehen’, wbiec do szkoΩy ‚in die Schule hineinlaufen’
In dieser Konstruktion treten auch Ortsnamen auf – Dörfer, Städte, Länder, Kon-
tinente:
przyjechac´ do Wo´lki ‚nach Wólka kommen’, do Warszawy ‚nach Warschau’, do
Polski ‚nach Polen’, do Europy ‚nach Europa’, wro´cic´ do kraju ‚ins Land zu-
rückkommen’
2. ablativ
• In Verbindung mit der Präposition od nach Verben der Bewegung bezeichnet der
Genitiv, dass sich etwas von einem Gegenstand wegbewegt:
odejs´c´ od okna ‚vom Fenster weggehen’, odpΩyna±c´ od brzegu ‚vom Ufer fort-
schwimmen’
2.5. Bedeutungen und Verwendung von Kategorien des Substantivs 231
• In Verbindung mit der Präposition z bildet der Genitiv Konstruktionen, die einen
Ort bezeichen, von dem etwas ausgeht, sich entfernt, herstammt, Bewegung aus
der Mitte eines Gegenstandes:
wyjs´c´ z domu ‚aus dem Haus herausgehen’, wyjechac´ z miasta ‚aus der Stadt he-
rausfahren’, pochodzic´ z Krakowa ‚aus Krakau stammen’
3. lokativ
• In Verbindung mit den Präpositionen dookoΩa/dokoΩa und woko´Ω benennt der
Genitiv einen Ort von allen Seiten eines in der Mitte befindlichen Punktes.
DokoΩa/woko´Ω domu rosΩy drzewa. ‚Um das Haus herum wuchsen Bäume.’
• Eine ähnliche Bedeutung hat die Verbindung des Genitivs mit der Präposition
ws´ro´d:
Dom staΩ ws´ro´d drzew. ‚Das Haus stand mitten unter Bäumen.’
• Ebenfalls eine lokative Bedeutung liegt in den Verbindungen mit wzdΩuz˙ ‚parallel
zu einem länglich geformten Objekt’, wszerz ‚senkrecht zur Länge, auf ganzer
Breite’ und w poprzek ‚quer’ vor:
WzdΩuz˙ ulicy staΩy latarnie gazowe. ‚Am Weg entlang standen Gaslaternen.’
W poprzek pokoju lez˙aΩ chodnik. ‚Quer über das Zimmer lag ein Läufer.’
• Die Relation ‚unterhalb vom Gegenstand’ wird durch die Kombination u + Ge-
nitiv ausgedrückt. In der gleichen Funktion tritt u in den Ausdrücken u doΩu
‚unten’ und u go´ry ‚oben’ auf.
• Die Präposition u + Genitiv von Personenbezeichnungen bilden Ausdrücke des
Wohnorts, des Aufenthaltsorts, des Besuchs, des Arbeitsplatzes u.a.
MieszkaΩem u siostry. ‚Ich habe bei meiner Schwester gewohnt.’ NocowaΩem u
kolegi. ‚Ich habe bei einem Freund übernachtet.’ Spe±dzalis´my s´wie±ta u dziadko´w.
‚Wir verbrachten die Feiertage bei den Großeltern.’
Bylis´my na imieninach u Kowalskiego. ‚Wir waren auf der Namenstagsfeier bei
Kowalski.’ Jedlis´my pa±czki u Bliklego. ‚Wir aßen Krapfen bei Blikle.’ Z∆ona pra-
cuje u ogrodnika. ‚Meine Frau arbeitet bei einem Gärtner.’ Buty sa± u szewca.
‚Die Schuhe sind beim Schuster.’ Jutro musze± byc´ u dentysty. ‚Morgen muss ich
beim Zahnarzt sein.’
4. temporal
• In Verbindung mit den Präpositionen za/podczas ‚während’ bildet der Genitiv
Konstruktionen, die die gegenwärtigen Umstände einer verlaufenden Handlung
angeben.
232 2. Substantive
9. abessiv
• Das Fehlen, das Nichtvorhandensein von etwas wird mit Hilfe der Konstruktion
bez + Genitiv ausgedrückt.
Pojedziemy z wizyta± bez dzieci. ‚Wir fahren zu Besuch ohne Kinder.’
• In Situationen, in denen etwas bzw. jemand durch etwas anderes bzw. jemand
anderes ersetzt wird, tritt die Konstruktion zamiast ‚statt’ + Genitiv auf.
Zamiast Kowalskiego pojedzie do Krakowa Nowak. ‚Statt Kowalski fährt Nowak
nach Krakau.’ Zamiast telewizora kupiΩem sobie radio. ‚Statt eines Fernsehers
habe ich mir ein Radio gekauft.’
Wenn wir anzeigen, dass die Handlung des Prädikats jemanden bzw. etwas nicht
betrifft, verwenden wir die Konstruktion pro´cz/opro´cz ‚außer’ + Genitiv:
Wszyscy byli w teatrze opro´cz Zosi. ‚Alle waren im Theater außer Zosia.’
ZjadΩem caΩy obiad opro´cz deseru. ‚Ich habe das ganze Mittagessen bis auf den
Nachtisch aufgegessen.’
Diese Konstruktion kann wie im Deutschen auch das Gegenteil bedeuten (kom-
pletiv).
Opro´cz telewizora kupiΩem sobie takz˙e radio. ‚Außer einem Fernseher habe ich
mir auch ein Radio gekauft.’
10. attributiv
• Der Genitiv bildet mit den Präpositionen dla, do und od Präpositionalattribute
mit finaler Bedeutung.
powies´c´ dla mΩodziez˙y ‚Jugendroman’, gramatyka dla cudzoziemco´w ‚Gramma-
tik für Ausländer’, mydΩo do prania ‚Seife zum Waschen’, szczoteczka do ze±bo´w
‚Zahnbürste’, chustka do nosa ‚Taschentuch’, okulary od sΩon´ca ‚Sonnenbrille’,
guzik od koszuli ‚Hemdknopf’, kluczyki od samochodu ‚Autoschlüssel’
• mit der Präposition z Attribute der Herkunft
zabytek z XVI wieku ‚ein Denkmal aus dem 16. Jh.’, wiersz z cyklu ‚Pejzaz˙e’ ‚ein
Gedicht aus der Reihe ‚Landschaften’’, list z Ameryki ‚ein Brief aus Amerika’,
kwiatki z wΩasnego ogro´dka ‚Blumen aus eigenem Garten’
• mit der Präposition z Attribute des Materials, aus dem der Gegenstand besteht
bzw. einzelne Bestandteile.
dzbanek z gliny ‚eine Kanne aus Ton’, sweter z owczej weΩny ‚Pullover aus
Schurwolle’, wia±zanka z biaΩych ro´z ‚ein Strauß aus weißen Rosen’˙
• mit der Präposition u Attribute der Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen.
234 2. Substantive
palce u no´g ‚Zehen’, palce u ra±k ‚Finger’, falbanki u re±kawo´w ‚Falbel bei den
Ärmeln’
ohne Präposition
Der präpositionslose Dativ tritt in der Funktion des indirekten Objekts auf und bezeichnet
meist eine Person bzw. einen Gegenstand, auf die die Handlung des Prädikats gerichtet ist.
Der präpositionslose Dativ verbindet sich mit Verben der folgenden Bedeutungen:
• Verben des Gebens und Nehmens
dac´ ‚geben’, poz˙yczyc´ ‚leihen’, zabrac´ ‚wegnehmen’, ukras´c´ ‚stehlen’ + Dativ
• Verben von Handlungen, die jemandem nützen bzw. schaden
pomo´c ‚helfen’, szkodzic´ ‚schaden’, przeszkadzac´ ‚stören’ + Dativ
• Verben des Sagens
mo´wic´ ‚sprechen’, opowiadac´ ‚erzählen’, radzic´ ‚raten’, obiecywac´ ‚verspre-
chen’ + Dativ
• Verben des Lenkens der Wahrnehmungssinne
przygla±dac´ sie± ‚ansehen’, przypatrywac´ sie± ‚betrachten’, przysΩuchiwac´ sie± ‚zu-
hören’, pokazywac´ ‚zeigen’ + Dativ
mit Präposition
Mit Präposition tritt der Dativ recht selten auf. Die Konstruktion ku + Dativ hat
buchsprachlichen Charakter; sie bezeichnet die Bewegungsrichtung im Raum, das Lenken
der Sinne auf etwas oder die Folge einer Handlung.
kierowac´ sie± ku wyjs´ciu ‚sich zum Ausgang wenden’, skierowac´ wzrok ku niebu
‚den Blick himmelwärts richten’, Poz˙ar szerzyΩ sie± ku przeraz˙eniu tΩumu. ‚Der
Brand verbreitete sich zum Schrecken der Menge.’
In Verbindung mit der Präposition przeciw bildet der Dativ die Beziehung der Gegner-
schaft gegen etwas bzw. jemanden.
walczyc´ przeciw najez´dz´cy ‚gegen den Angreifer kämpfen’, wysta±pic´ w dyskusji
przeciw referentowi ‚in der Diskussion gegen den Referenten auftreten’
Er bildet auch Konstruktionen mit der Bedeutung der Absicherung vor einer Gefahr.
zio´Ωka przeciw gora±czce ‚Kräuter gegen Fieber’, szczepienia przeciw cholerze
‚Impfungen gegen Cholera’
2.5. Bedeutungen und Verwendung von Kategorien des Substantivs 235
ohne Präposition
Der präpositionslose Akkusativ zeigt in erster Linie das direkte Objekt an.
Widze± dom. ‚Ich sehe ein Haus.’ Sypie± so´l. ‚Ich streue Salz.’ Otwieram okno. ‚Ich
öffne das Fenster.’
Bei der Umsetzung eines aktivischen Satzes ins Passiv wird das im Akkusativ stehende
Nomen, das die Funktion des direkten Objekts ausübt, zum grammatischen Subjekt im
Nominativ.
Kon´ cia±gnie wo´z. ‚Ein Pferd zieht den Wagen.’ – Wo´z jest cia±gnie±ty przez konia.
‚Der Wagen wird von einem Pferd gezogen.’
Nach Verneinung des Verbs wird der Akkusativ durch den Genitiv ersetzt.
Ola czyta kia±z˙ke±. – Ola nie czyta ksia±z˙ki. ‚Ola liest ein Buch.’ – ‚Ola liest kein
Buch.’
Ola lubi koty. – Ola nie lubi koto´w. ‚Ola mag Katzen.’ – ‚Ola mag keine Katzen.’
Außerdem kann der präpositionslose Akkusativ die Funktion einer adverbiellen Bestim-
mung des Maßes annehmen.
Poczekaj chwile±. ‚Warte einen Moment.’ Mieszkalis´my tam trzy lata. ‚Wir haben
dort drei Jahre gewohnt.’ To potrwa caΩy tydzien´. ‚Das wird eine ganze Woche
dauern.’ Nie spaΩem caΩa± noc. ‚Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen.’ Zna-
czek kosztowaΩ pie±c´ tysie±cy. ‚Die Briefmarke hat 5.000 gekostet.’ Przejechalis´my
trzy kilometry. ‚Wir sind drei Kilometer gefahren.’
mit Präposition
In Verbindung mit Präpositionen bildet der Akkusativ verschiedene Konstruktionen mit
sehr unterschiedlichen Funktionen.
I. Adverbielle Bestimmungen
1. Adverbielle Bestimmungen des Ortes
• adlativ; es wird der Ort bezeichnet, in dessen Richtung die Bewegung geht. In
Kombination mit der Präposition na bildet der Akkusativ Konstruktionen, die zu
der Kombination do + Genitiv synonym sind. Während sich do + Genitiv auf
Örtlichkeiten innerhalb geschlossener Räumlichkeiten bezieht (do domu ‚nach
Haus’, do biura ‚zum Büro’), liegt bei na + Akkusativ meist eine nach außen of-
fene Örtlichkeit ohne konkrete Begrenzungen vor.
przyjs´c´ na cmentarz ‚auf den Friedhof kommen’, na stadion ‚in das Stadion’, na
dworzec ‚zum Bahnhof’, na pole ‚aufs Feld’, na Ωa±ke± ‚auf die Wiese’
236 2. Substantive
Die Konstruktion na + Akkusativ wird ebenfalls bei Namen von Inseln und
Halbinseln verwendet.
leciec´ na Krete±, na Sycylie±, na Rugie±
Auch bei Landesteilen und Stadtteilen:
pojechac´ na Mazowsze, na Pomorze; jechac´ na Mokoto´w, na Prage± (Warschauer
Stadtteil); aber pojechac´ do Pragi (Hauptstadt Tschechiens)
Weiterhin bildet der Akkusativ mit folgenden Präpositionen Konstruktionen mit
adlativer Bedeutung.
nad: jechac´ nad morze ‚an die See’, nad jezioro ‚an den See’, po´js´c´ nad rzeke±
‚an den Fluss gehen’
w: zejs´c´ w do´Ω ‚nach unten kommen’, udac´ sie± w inna± strone± ‚sich in eine ande-
re Richtung begeben’, patrzec´ w niebo ‚in den Himmel schauen’
przed: wyjs´c´ przed dom ‚vor das Haus hinausgehen’
za: sΩon´ce zaszΩo za chmury ‚die Sonne versteckte sich hinter den Wolken’,
schowac´ sie± za szafe± ‚sich hinter den Schrank verstecken’
mie±dzy: samocho´d wjechaΩ mie±dzy drzewa ‚das Auto fuhr zwischen die Bäume
hinein’
pod: pies wszedΩ pod sto´Ω ‚der Hund ging unter den Tisch’
Die Konstruktion pod + Akkusativ drückt nicht nur eine unterhalb eines Ge-
genstandes befindliche oder durch etwas verdeckte Örtlichkeit aus, sondern auch
eine Örtlichkeit in der Nähe eines Gegenstandes:
Wyjedziemy do znajomych pod Warszawe± ‚Wir fahren zu den Bekannten in der
Nähe von Warschau.’
• perlativ; es wird die Richtung einer Bewegung angezeigt.
Diese Bedeutung liegt in der Konstruktion przez + Akkusativ vor. Sie antwortet
auf die Frage kto´re±dy? ‚auf welchem Wege’.
jechac´ przez most ‚über die Brücke fahren’, przechodzic´ przez ulice± ‚über die
Straße gehen’, is´c´ przez las ‚durch den Wald gehen’, wygla±dac´ przez okno ‚zum
Fenster herausschauen’, przeskoczyc´ przez pΩot ‚über den Zaun springen’
Bei der Verbindung der Präposition na + Akkusativ von Städtenamen wird nicht
eine auf die Stadt als Ziel der Reise gerichtete Bewegung verstanden, sondern
die Richtung der räumlich verstandenen Fahrt. Wenn wir sagen Jedziemy na
Krako´w ‚Wir fahren in Richtung Krakau’, meinen wir nicht die Reise bis nach
Krakau, sondern die Fahrt in diese Richtung, z.B. auf der Landstraße. Der End-
punkt der Reise kann auf dem Wege nach oder auch hinter Krakau liegen. Die
2.5. Bedeutungen und Verwendung von Kategorien des Substantivs 237
ohne Präposition
Der präpositionslose Instrumental erfüllt im Satz folgende Funktionen:
• prädikativ; er markiert das Prädikatsnomen in zusammengesetzten nominalen
Prädikaten.
Maria jest nauczycielka±. ‚Maria ist Lehrerin’.
Jan jest moim synem. ‚Hans ist mein Sohn’.
• instrumentell; bezeichnet das Werkzeug oder Mittel, mit deren Hilfe die Hand-
lung des Prädikats realisiert wird.
uderzac´ mΩotkiem ‚hämmern’, kopac´ Ωopata± ‚schaufeln’, polewac´ woda± ‚be-
sprengen’, wycierac´ sie± re±cznikiem ‚sich mit einem Handtuch abwischen’
Bei Verben der Bewegung steht der Instrumental auch bei den Bezeichnungen
des Fortbewegungsmittels.
jechac´ rowerem ‚Rad fahren’, pΩyna±c´ Ωo´dka± ‚rudern’, leciec´ samolotem ‚mit dem
Flugzeug fliegen’
• perlativ; bezeichnet den Umstand der Bewegung, der auf die Frage kto´re±dy? ‚auf
welchem Wege’ antwortet.
is´c´ ulica± ‚die Straße entlang gehen’, jechac´ szosa± ‚die Straße fahren’ pΩyna±c´ ka-
naΩem ‚durch den Kanal schwimmen’
• temporal; bezeichnet die zeitlichen Umstände; im Allgemeinen handelt es sich
um historisch erstarrte Formen; z.B. zima± ‚im Winter’, jesienia± ‚im Herbst’,
dniem ‚am Tage’, noca± ‚in der Nacht’. Einige Formen des Instrumentals werden
bereits als Adverben angesehen: wieczorem ‚abends’, czasami ‚manchmal’,
tymczasem ‚inzwischen’.
• kausal; Angabe des Grundes:
martwic´ sie± zΩa± wiadomos´cia± ‚sich wegen einer schlechten Nachricht sorgen’,
cieszyc´ sie± z˙yciem ‚das Leben genießen’
• Angabe der Art und Weise;
240 2. Substantive
mit Präposition
I. Adverbielle Bestimmungen
• Adverbielle Bestimmungen des Ortes
przed + Instrumental lokalisiert einen Gegenstand auf der Vorderseite eines an-
deren.
Przed domem rosΩy drzewa. ‚Vor dem Haus wuchsen Bäume.’
za + Instrumental lokalisiert einen Gegenstand oder eine Handlung auf der
Rückseite eines anderen Gegenstandes.
Za oknem pada deszcz. ‚Hinter dem Fenster regnet es.’ Parasol stoi za szafa±.
‚Der Schirm steht hinter dem Schrank.’
nad + Instrumental lokalisiert einen Gegenstand oder eine Handlung an einem
Ort, der höher gelegen ist als der vom Nomen im Instrumental bezeichnete Ge-
genstand.
Nad miastem unosi sie± mgΩa. ‚Über der Stadt lagert Nebel.’ Nad polana± kra±z˙yΩ
soko´Ω. ‚Über der Lichtung kreiste ein Falke.’
Die Verbindung der Präposition nad mit dem Instrumental von Gewäs-
serbezeichnungen ist synonym der Konstruktion w pobliz˙u + Genitiv.
Warszawa lez˙y nad WisΩa±. ‚Warschau liegt an der Weichsel.’ Gdan´sk lez˙y nad
morzem. ‚Danzig liegt am Meer.’
pod + Instrumental lokalisiert einen Gegenstand oder eine Handlung unterhalb
eines anderen Gegenstandes.
Pod lodem pΩyne±Ωa rzeczka. ‚Unter dem Eis floss ein kleiner Fluß.’ Kot spaΩ pod
fotelem. ‚Die Katze schlief unter dem Sessel.’ Prezenty lez˙aΩy pod choinka±. ‚Die
Geschenke lagen unter dem Weihnachtsbaum.’
Diese Konstruktionen können auch einen Ort bezeichnen, der von etwas bedeckt
ist.
spac´ pod koΩdra± ‚unter der Decke schlafen’, is´c´ pod parasolem ‚unter dem
Schirm gehen’
Die Verbindung pod + Instrumental kann – zumeist bei Ortsnamen auch in der
Bedeutung w pobliz˙u + Genitiv auftreten.
2.5. Bedeutungen und Verwendung von Kategorien des Substantivs 241
mieszkac´ pod Krakowem, pod Warszawa± ‚in der Nähe von Krakau/Warschau
wohnen’
mie± d zy + Instrumental a + Instrumental oder mie± d zy + Instrumental + Plural
bestimmen einen Ort in der Mitte zweier Objekte:
Fotel stoi mie±dzy stoΩem a telewizorem. ‚Der Sessel steht zwischen dem Tisch
und dem Fernseher.’ Mie±dzy polem a Ωa±ka± biegnie droga. ‚Zwischen dem Feld
und der Wiese verläuft ein Weg.’ Mie±dzy drzewami staΩ zamek. ‚Zwischen den
Bäumen stand eine Burg.’
• Adverbielle Bestimmungen der Zeit
przed + Instrumental bedeutet so viel wie ‚früher als’.
przed s´wie±tami ‚vor dem Fest’, przed wojna± ‚vor dem Krieg’, przed upΩywem
trzech lat ‚vor Ablauf von drei Jahren’
mie±dzy + Instrumental + a + Instrumental
Wro´ce± do domu mie±dzy sio´dma± a o´sma±. ‚Ich komme zwischen 7 und 8 Uhr nach
Hause.’
z + Instrumental können auch bilden:
• Adverbielle Bestimmungen des Ziels (final)
przyjs´c´ z pomoca ± ‚zu Hilfe kommen’, po´js´c´ z wizyta± ‚zu Besuch gehen’
• Adverbielle Bestimmungen des Umstands
Witalis´my sie± z rados´cia±. ‚Wir begrüßten uns mit Freude.’ Wojsko maszerowaΩo
ze s´piewem. ‚Die Soldaten marschierten mit Gesang.’
In diesen Konstruktionen können neben Personenbezeichnungen auch Tierbe-
zeichnungen auftreten.
• Ausdrücke, die einen Gegenstand bezeichnen, den jemand besitzt oder bei sich
trägt.
Ulica± szedΩ uczen´ z tornistrem na plecach. ‚Die Straße entlang ging ein Schüler
mit einem Ranzen auf dem Rücken.’ Kasia idzie z siatka± na zakupy. ‚Kasia geht
mit einer Tasche einkaufen.’
poza + Instrumental bildet Konstruktionen, die synonym sind zu opro´cz + Geni-
tiv.
Poza dozorca± nikt wie±cej tu nie mieszka. ‚Außer dem Hausmeister wohnt hier
keiner.’
II. Indirektes Objekt
przed + Instrumental
242 2. Substantive
wysta±pic´ przed publicznos´cia± ‚vor Publikum auftreten’, schowac´ sie± przed desz-
czem ‚sich vorm Regen verstecken’
za + Instrumental
te±sknic´ za rodzicami ‚Eltern vermissen’, powtarzac´ za lektorem ‚nach dem Lek-
tor wiederholen’
nad + Instrumental
siedziec´ nad ksia±z˙ka± ‚über dem Buch sitzen’, nad robota± ‚über der Arbeit sitzen’,
pracowac´ nad soba± ‚an sich arbeiten’, zastanawiac´ sie± nad przyszΩos´cia± ‚über die
Zukunft nachdenken’
pod + Instrumental
byc´ pod czyja±s´ opieka± ‚unter jemandes Schutz stehen’, z˙yc´ pod rza±dami ‚unter
der Regierung leben’
mie±dzy + Instrumental +a +Instrumental oder mie±dzy + Instrumental + Plural
Widac´ podobien´stwo mie±dzy ojcem a synem. ‚Man sieht die Ähnlichkeit zwi-
schen Vater und Sohn.’ Mie±dzy posΩami powstaΩa ro´z˙nica zdan´. ‚Zwischen den
Abgeordneten entstand eine Meinungsverschiedenheit.’
z + Instrumental bildet
• Ausdrücke, die eine begleitende Person bezeichnen, die an der Handlung mitbe-
teiligt ist.
Ide± na spacer z kolez˙anka±. ‚Ich gehe mit einer Freundin spazieren.’ ‚GraΩem w
tenisa z kolega±. ‚Ich spielte Tennis mit einem Freund.’, RozmawiaΩem z ojcem.
‚Ich sprach mit meinem Vater.’
III. Attribute
z + Instrumental bezeichnet ein begleitendes Element bzw. einen Bestandteil:
torba z jabΩkami ‚Tasche mit Äpfeln’, deszcz ze s´niegiem ‚Regen mit Schnee’, ka-
wa ze s´mietanka± ‚Kaffee mit Sahne’
oder ein Merkmal:
dziewczyna z niebieskimi oczami ‚ein Mädchen mit blauen Augen’
Mit anderen Präpositionen werden Attribute gebildet, die semantisch den adverbiellen Be-
stimmungen entsprechen.
I. Adverbielle Bestimmungen
• Adverbielle Bestimmungen des Orts (lokal)
w/we + Präpositiv bezeichnet gewöhnlich die Lage eines Gegenstandes im In-
nern einer Räumlichkeit.
byc´ w pokoju ‚im Zimmer sein’, mieszkac´ w starym domu ‚in einem alten Haus
wohnen’, zajmowac´ poko´j w hotelu ‚ein Zimmer in einem Hotel haben’, przeby-
wac´ w Warszawie ‚sich in Warschau aufhalten’
auch über Gegenstände, die sich an verborgenen Orten befinden:
trzymac´ dokumenty w szufladzie ‚Dokumente in der Schublade aufbewahren’,
miec´ pienia±dze w kieszeni ‚Geld in der Tasche haben’
auch metaphorisch:
przechowywac´ cos´ w pamie±ci ‚etwas im Gedächtnis bewahren’, miec´ w sercu ‚im
Herzen haben’, miec´ zame±t w gΩowie ‚Verwirrung im Kopf haben’
na + Präpositiv bezieht sich auf die Lage einer Person bzw. eines Gegenstandes
in einer offenen Räumlichkeit
czekac´ na dworcu ‚auf dem Bahnhof warten’, na przystanku ‚an der Haltestelle’,
mieszkac´ na wsi ‚auf dem Lande wohnen’, byc´ na stadionie ‚im Stadion sein’, na
s´lizgawce ‚auf der Eisbahn’, na cmentarzu ‚auf dem Friedhof’
oder auf der Oberfläche von etwas:
Ksia±z˙ka lez˙y na stole. ‚Das Buch liegt auf dem Tisch.’, siedziec´ na krzes´le ‚auf
dem Stuhl sitzen’, pisac´ na papierze ‚auf dem Papier schreiben’
przy + Präpositiv bezeichnet die räumliche Nähe zwischen der Handlung und
dem Gegenstand, der von dem Substantiv im Präpositiv versprachlicht wird.
zatrzymac´ sie± przy poczcie ‚bei der Post anhalten’, kupowac´ przy stoisku ‚bei
dem Verkaufsstand kaufen’, mieszkac´ przy ulicy Sienkiewicza ‚in der Sienkie-
wicz Straße wohnen’
po + Präpositiv bezieht sich auf eine Örtlichkeit, auf der eine Bewegung in eine
oder verschiedene Richtungen stattfindet.
ungerichtet: Chmury pΩyne±Ωy po niebie. ‚Die Wolken zogen am Himmel vor-
über.’ Chodzilis´my po Warszawie ‚Wir sind in Warschau herumgegangen.’, po
mies´ c ie ‚in der Stadt’, po ulicach ‚auf den Straßen’, PerΩy rozsypaΩy sie± po
podΩodze. ‚Die Perlen haben sich auf dem Fußboden zerstreut.’
gerichtet: is´c´ ‚gehen’, schodzic´ ‚heruntergehen’, wchodzic´ po schodach ‚die
Treppe hinaufgehen’, po drabinie ‚die Leiter hinaufklettern’
244 2. Substantive
Diese Konstruktion wird ebenfalls verwendet, wenn die Bewegung bzw. die
Handlung viele verschiedene Örtlichkeiten erfasst.
Chodzilis´my po sklepach. ‚Wir bummelten in Geschäften.’, po go´rach ‚auf den
Bergen’, We±drowalis´my po wsiach. ‚Wir wanderten durch die Dörfer.’
• Adverbielle Bestimmungen der Zeit (temporal)
w/we + Präpositiv in Verbindungen mit den Monatsnamen:
UrodziΩ sie± w lipcu. ‚Er ist im Juli geboren.’ Kowalski wyjechaΩ we wrzes´niu.
‚Kowalski ist im September ausgereist.’
mit den Bezeichnungen für Jahreszeiten:
w zimie ‚im Winter’, w lecie ‚im Sommer’
und mit anderen Substantiven zur Bezeichnung von Zeiträumen:
w mΩodos´ci ‚im Jugendalter’, w czasie wojny ‚in der Kriegszeit’, w dniu 11.
listopada ‚am 11. November’, w roku 1918 ‚im Jahre 1918’
na + Präpositiv tritt sehr viel seltener auf als die Präposition w/we.
na jesieni ‚im Herbst’; na pocza±tku lipca ‚Anfang Juli’
o + Präpositiv in Verbindung mit dem Substantiv godzina ‚Stunde’ und den Or-
dinalzahlwörtern.
o godzinie o´smej ‚um acht Uhr’, o dwudziestej drugiej ‚um zweiundzwanzig
Uhr’, o dwunastej w poΩudnie ‚um zwölf Uhr mittags’
und anderen Substantiven, die etwas mit Zeit zu tun haben:
o po´Ωnocy ‚um Mitternacht’, o s´wicie ‚beim Anbruch des Tages’
po + Präpositiv bezeichnet den Zeitraum, der einer Handlung vorausgeht.
Po obiedzie poszlis´my na spacer. ‚Nach dem Mittagessen sind wir spazieren ge-
gangen.’ Wro´ciΩem ze szkoΩy po siedmiu lekcjach. ‚Ich bin nach sieben Unter-
richtsstunden aus der Schule zurüchgekehrt.’ Po wojnie odbudowano Warszawe±
z gruzo´w. ‚Nach dem Krieg hat man Warschau aus den Trümmern wiederaufge-
baut.’
po + Präpositiv in Verbindung mit Personenbezeichnungen benennt die Reihen-
folge einer Handlung
Wejde± do dentystki po tobie. ‚Ich gehe nach dir zur Zahnärztin herein.’
• Adverbielle Bestimmungen des Umstands
przy + Präpositiv
2.5. Bedeutungen und Verwendung von Kategorien des Substantivs 245
rozmawiac´ przy obiedzie ‚beim Mittagessen reden’, zakochac´ sie± przy pierwszym
spotkaniu ‚sich beim ersten Treffen verlieben’, s´piewac´ przy akompaniamencie
fortepianu ‚mit Klavierbegleitung singen’, polec przy zdobywaniu Monte Cassi-
no ‚bei der Eroberung von Monte Casino fallen’
• Adverbielle Bestimmungen der Art und Weise
na + Präpositiv
chodzic´ na palcach ‚auf Zehen gehen’, jez´dz´ic´ na nartach ‚Ski fahren’, na ro-
werze ‚Rad fahren’, grac´ na gitarze ‚Gitarre spielen’
Den adverbiellen Bestimmungen des Umstandes bzw. der Art und Weise kom-
men präpositionale Ausdrücke mit Substantiven nahe, die eine Handlung be-
zeichnen, an der jemand teilnimmt:
uczestniczyc´ w obradach ‚an einer Sitzung teilnehmen’, walczyc´ w powstaniu ‚in
dem Aufstand kämpfen’
auch bei Institutionen und Personengruppen:
s´piewac´ w cho´rze ‚im Chor singen’, grac´ w orkiestrze ‚im Orchester spielen’,
sΩuz˙yc´ w wojsku ‚beim Militär dienen’, byc´ w harcerstwie ‚bei den Pfadfindern
sein’
II. Objekte
o + Präpositiv nach Verben des Sagens und Denkens bezeichnet das Thema der
Aussage, des Textes bzw. Gedankens:
mo´wic´ o sa±siadach ‚über Nachbarn sprechen’, opowiadac´ o podro´z˙y ‚von der Rei-
se erzählen’, mys´lec´ o dzieciach ‚an Kinder denken’, marzyc´ o samochodzie ‚von
einem Wagen träumen’
na + Präpositiv
znac´ sie± na malarstwie ‚sich mit Malerei auskennen’
III. Attribute
w + Präpositiv bezeichnet Merkmale, die mit dem Aussehen wie z.B. Kleidung zu-
sammenhängen.
pani w czarnym pΩaszczu ‚eine Frau im schwarzen Mantel’, me±z˙czyzna w kapelu-
szu ‚ein Mann mit Hut’, chΩopak w okularach ‚ein Junge mit Brille’, staruszka w
z˙aΩobie ‚eine Oma in Trauer’
na + Präpositiv bezeichnet Merkmale von Gegenständen.
pantofle na obcasie ‚Schuhe mit Absätzen’, fotel na biegunach ‚Schaukelstuhl’,
jajka na boczku ‚Eier mit Speck’
246 2. Substantive
• In allgemeinen Aussagen, wenn das Geschlecht keine große Rolle spielt, tritt
immer die maskuline Form auf; das gleiche gilt für das Prädikatsnomen.
Torun´ ma turystom duz˙o do zaoferowania. ‚Torun´ hat den Touristen viel zu bie-
ten.’
Moja mama jest kierownikiem maΩego przedsie±biorstwa. ‚Meine Mutter ist Leite-
rin eines kleinen Unternehmens.’
• Im Plural tritt ebenfalls häufig die maskuline Form auf.
Studenci nie sa± zadowoleni z seminarium. ‚Die Studenten sind mit dem Seminar
nicht zufrieden.’
Es gibt folgende Mittel im Substantivbereich, die einem Sprecher zur Verfügung stehen,
um das Geschlecht einer Person zum Ausdruck zu bringen:
Eigene Lexeme
Das Geschlecht wird durch verschiedene Lexeme ausgedrückt; wuj ‚Onkel’ vs. ciocia
‚Tante’, kobieta ‚Frau’ – me±z˙czyzna ‚Mann’, babcia ‚Großmutter’ – dziadek ‚Großvater’
Komposita
Bei einigen Berufsbezeichnungen können die Lexeme kobieta oder pani vorangestellt wer-
den; kobieta-murarz ‚Maurerin’, pani profesor ‚Professorin’.
a) auf -ski und -cki; pan Kowalski – pani Kowalska, pan Kubicki – pani Kubi-
cka. Hierbei handelt es sich um offizielle Nachnamen.
b) auf Konsonant; mit Hilfe der Affixe -owa und -o´wna können Nachnamen
gebildet werden. Diese Formen haben keine amtliche Geltung und werden
nur umgangssprachlich verwendet. -owa bezeichnet die Ehefrau und das
sehr seltene, veraltete -o´wna die Tochter; pan Nowak – pani Nowakowa –
panna Nowako´wna (auch -ina/-yna; Weiteres ⇑Nomina feminativa)
Indeklinabilität
Neben der eben genannten Ableitung kann ein feminines Nomen von einem maskulinen
dadurch unterschieden werden, dass es nicht deklinierbar ist. Die Lexeme nehmen dabei
gänzlich das feminine Genus an.
• Berufsbezeichnungen; besonders bei gesellschaftlich angesehenen Berufen;
RozmawiaΩem z nasza± profesor. ‚Ich habe mit unserer Professorin gesprochen.’
• Nachnamen; betrifft auf Konsonant auslautende Nachnamen;
RozmawiaΩem z pania± Nowak. ‚Ich habe mit Frau Nowak gesprochen.’
Achtung: die genannten Personenbezeichnungen können nicht im Plural auftreten; sie sind
defektiv.
*RozmawiaΩem z naszymi profesor.
Hier ist eine explizite Ausdrucksweise mit Hilfe des Lexems pani notwendig (s.o.):
RozmawiaΩem z naszymi paniami profesor.
d) Sonderfälle
In einigen Fällen fehlt die übliche Übereinstimmung zwischen grammatischem Genus und
semantischem Sexus.
a) Neutra; einige wenige Personenbezeichnungen zur Bezeichnung von
• Nichterwachsenen, z.B. dziecko ‚Kind’, dziewcze± ‚Mädel’, z´rebie± ‚Fohlen’
Niemowle± gΩos´no zakrzyczaΩo. ‚Der Säugling schrie laut auf.’
• Ableitungen mit dem Augmentativsuffix -(i)sko; Typ ‚domisko’
Biedaczysko nie wiedziaΩo co robic´. ‚Der arme Teufel wusste nicht, was er
tun sollte.’
• pejorative Bezeichnungen; chuchro ‚schwaches Geschöpf’, popychadΩo
‚Aschenbrödel’
b) Maskulin-belebt; diese Personenbezeichnungen benennen meist Kinder und Ju-
gendliche (sonst: maskulin-belebt zumeist Tiere); z.B. niemowlak ‚Säugling’,
przedszkolak ‚Kindergartenkind’, nastolatek ‚Jugendlicher’, babsztyl ‚Frauen-
zimmer’
Wspo´Ωczesne nastolatki nie lubia± rock ‚n roll’a. ‚Die heutigen Jugendlichen
mögen keinen Rock’n Roll.’
c) maskulin-belebte Endung statt maskulin-personal; alle maskulin-personalen Per-
sonenbezeichnungen können in emotionalen Kontexten nach maskulin-belebten
Muster dekliniert werden; das Lexem erhält dadurch eine stark pejorative Be-
deutung;
Te rzemies´lniki by caΩy dzien´ tylko spaΩy! ‚Diese Handwerker möchten den gan-
zen Tag nur schlafen!’
3. Adjektive
Bei den Adjektiven (przymiotniki) kann man zunächst einmal zwei große Gruppen unter-
scheiden; zum einen die ursprünglichen und zum anderen die aus anderen Wortarten reka-
tegorisierten Adjektive. Diese Unterscheidung ist für die Verwendung insofern zentral, als
die grammatische Kategorie der Komparation hier unterschiedlich funktioniert. Zu den
ursprünglichen Adjektiven zählen die Qualitätsadjektive, also Wörter des Typs duz˙y ‚groß’,
maΩy ‚klein’, wesoΩy ‚fröhlich’ u.ä. Sie sind nicht primär von anderen Wortarten abgeleitet
und bezeichnen ein gradierbares Merkmal. Gradierbar heißt soviel, dass das Merkmal auf
eine Skala bezogen wird, die eine Normalmitte und zwei extreme Pole aufweist. Der Bezug
auf die Skala bildet bei diesen Adjektiven einen festen Bestandteil der Bedeutung; d.h. ein
großes Haus ist ein Haus, dessen Größe den Normalwert eines typischen Hauses übersteigt.
Adjektive für räumliche Dimensionen und Bewertungen bilden antonymische Paare wie
duz˙y – maΩy ‚groß – klein’, wysoki – niski ‚hoch – tief’, dobry – zΩy ‚gut – schlecht’. Solche
Adjektive verhalten sich in Hinblick auf die Komparation regulär.
Es gibt aber auch andere Qualitätsadjektive, die zwar auch auf zwei entgegenge-
setzte Pole bezogen sind, wobei die Skala zwischen diesen beiden Möglichkeiten aber kei-
nen festen Bedeutungsbestandteil bildet, sondern im Kontext erschlossen wird, z.B. z˙ywy
‚lebendig’, martwy ‚tot’, s´lepy ‚blind’, gΩuchy ‚taub’ o.ä. Diese Adjektive sind nicht so
leicht steigerbar, sie benötigen dafür ganz spezifische Kontexte.
In die zweite große Gruppe gehen die Beziehungsadjektive ein. Sie sind per Wort-
bildungsverfahren von anderen Wortarten abgeleitet:
• von Substantiven
samocho´d → samochodowy ‚Auto-’, rybak → rybacki ‚Fischer-’, noc → nocny
‚Nacht-’
• von Verben
mylic´ sie± → mylny ‚fälschlich’, domys´lac´ sie± → domys´lny ‚scharfsichtig’,
we±drowac´ → we±drowny ‚Wander-’
Sie bezeichnen meist eine Eigenschaft im Sinne ‚etwas mit X zu tun habend’. samochodo-
wy Y heißt soviel wie ‚Y hat etwas mit Auto zu tun’. Die Grenzen zwischen Qualitäts- und
Beziehungsadjektiven oder zwischen gradier- und nichtgradierbaren Adjektiven ist nicht
stabil, sodass viele Wörter sich in die andere Kategorie ausweiten können. Hierbei handelt
es sich um eine semantische Veränderung: die Einführung der Vergleichsskala bewirkt eine
3.2. Adjektivische Wortbildungsformationen 251
Bei der Wortbildung der Adjektive sind nicht so viele verschiedene Bildungsmodelle und
Bedeutungsfunktionen festzustellen wie beim Substantiv. Die semantische Spezialisierung
ist eng mit den grammatischen Eigenschaften des Stamms verbunden. Daher sind die Deri-
vate am sinnvollsten nach diesen formalen Kriterien einzuteilen. Wir unterscheiden:
a) Stämme mit einer Wortbildungsbasis
• deverbal – von Verben abgeleitet
• desubstantivisch – von Substantiven abgeleitet
• deadjektivisch – von Adjektiven abgeleitet
b) Stämme mit mehr als einer Wortbildungsbasis
Ein semantischer Unterschied besteht manchmal darin, dass das Adjektiv ein ständiges und
das Partizip ein vorübergehendes, nur momentan vorhandenes Merkmal benennt.
pΩaczliwe dziecko ‚takie, kto´re cze±sto pΩacze’ – weinerliches Kind
pΩacza±ce dziecko ‚takie, kto´re pΩacze w danym momencie’ – weinendes Kind
Der Gebrauch der beiden sprachlichen Einheiten unterscheidet sich u.a. in der Kombinier-
barkeit mit adverbiellen Bestimmungen der Zeit. Adjektive lassen diese im Gegensatz zu
Partizipien nicht zu.
pΩacza±ce przed chwila± dziecko juz˙ sie± uspokoiΩo ‚das Kind, das eben geweint hat,
hat sich wieder beruhigt’
Die vom deverbalen Adjektiv bezeichnete Eigenschaft wird dem Gegenstand bzw. der
Person im Hinblick auf verschiedene Relationen zur zugrundeliegenden Handlung zuge-
schrieben. Der Gegenstand bzw. die Person führt die Handlung ständig aus, unterliegt ihr
ständig oder hat diese Neigung bzw. Fähigkeit. Die einzelnen Formative sind in unter-
schiedlichem Maße auf den Ausdruck dieser Relationen spezialisiert. Die mit dem Forma-
tiv -ny gebildeten deverbalen Derivate sind in dieser Hinsicht am wenigsten semantisch
festgelegt und unterliegen am ehesten einer Bedeutungsveränderung. Enger spezialisiert
sind die Formative -liwy und -alny.
Typ ‚mylny’
Das Formativ -ny bildet Derivate zweierlei Bedeutungen:
• die Eigenschaft wird dem Handlungsträger zugeschrieben.
czΩowiek domys´lny – czΩowiek, kto´ry sie± domys´la ‚scharfsinnig’
we±drowny ptak – ptak, kto´ry we±druje ‚Zugvogel’
mylny napis – napis, kto´ry myli ‚falsche Aufschrift’
• die Eigenschaft wird demjenigen zugeschrieben, auf den die Handlung gerichtet
ist.
najemny pracownik – pracownik, kto´ry zostaΩ naje±ty ‚Lohnarbeiter’
umowny termin – termin, kto´ry zostaΩ uwo´wiony ‚Vertragstermin’
So gibt es eine Beziehung zur grammatischen Kategorie des ⇑7.3.1. Genus verbi. Die ad-
jektivischen Derivate werden in der Regel nur von transitiven Verben gebildet. Es gibt
jedoch einige intransitive Wortbildungsbasen: we±drowny ptak – ptak, kto´ry we±druje ‚Zug-
vogel’. Ist die Basis eine Prozess- oder Zustandsbezeichnung, sind die Derivate in Bezug
auf Genus verbi neutral.
sΩyna±c´ → sΩynny ‚berühmt’, zalez˙ec´ → zalez˙ny ‚abhängig’
3.2. Adjektivische Wortbildungsformationen 253
Typ ‚oz˙ywczy’
Adjektive zur Bezeichnungen von Eigenschaften, die dem Handlungsträger zugeschrieben
werden, können auch mit dem Formativ -czy bzw. seinen Erweiterungen -awczy, -niczy
gebildet werden.
oz˙ywczy ‚belebend’, ostrzegawczy ‚warnend’, wykonawczy ‚Ausführungs-’, kie-
rowniczy ‚Leitungs-’
Einige dieser Formationen sind sowohl durch ein Verb als auch ein Substantiv motiviert.
zespo´Ω wykonawczy – zespo´Ω, kto´ry wykonuje/zespo´Ω wykonawco´w ‚Ausführungs-
gremium’
Einige dieser Derivate bilden eine besondere Gruppe, weil sie unmittelbar von einem No-
men actionis abgeleitet sind.
zadania wydobywcze – zwia±zane z wydobyciem ‚Förderaufgaben’, normy zaΩa-
dowcze – dotycza±ce zaΩadowania ‚Ladenormen’
Typ ‚pΩaczliwy’
Das Formativ -liwy bildet Bezeichnungen von Eigenschaften, die einem Gegenstand im
Hinblick auf die Neigung, die zugrundeliegende Handlung auszuführen, zugeschrieben
werden.
pΩaczliwy – taki, kto´re cze±sto pΩacze ‚weinerlich’
uste±pliwy – ten, kto´ry Ωatwo uste±puje ‚nachgiebig’
podejrzliwy – ten, kto´ry Ωatwo podejrzewa ‚argwöhnisch’
Einige haben eine passivische Orientierung:
draz˙liwy – taki, kto´rego Ωatwo jest (roz)draz˙nic ‚reizbar’
pobudliwy – taki, kto´rego Ωatwo jest pobudzic´ ‚erregbar’
Die Basis für die Bildungen auf -liwy wird vor allem von Verben gestellt, die Zustände
oder mentale Aktivitäten des Menschen bezeichnen.
Typ ‚zmywalny’
Unter den adjektivischen Wortbildungsformativen ist -alny das am weitesten spezialisierte.
Es geht in Formationen ein, die potentielle Merkmale einem Gegenstand zuschreiben, auf
den die Handlung übergeht (passivisch).
zmywalny – taki, kto´ry moz˙na zmyc´ ‚waschbar’
przyswajalny – taki, kto´ry moz˙na przyswoic´ ‚aufnehmbar’
Diese Adjektive sind zumeist Attribute zu nichtbelebten Substantiven. Sie werden im We-
sentlichen von transitiven Verben gebildet. Intransitive sind selten.
mieszkalny – taki, w kto´rym moz˙na mieszkac´ ‚bewohnbar’
254 3. Adjektive
Die Formationen mit dem Suffix -alny sind heute sehr produktiv. Besonders häufig treten
sie im Fachwortschatz auf, aber auch in der Standardsprache sind sie weit verbreitet.
Die Bedeutungen der deverbalen Formationen sind im Großen und Ganzen nicht
sehr stabil. Nur das Formativ -alny ist auf potentiell passivische Bildungen beschränkt. Die
übrigen Affixe können tendenziell sowohl in passivischen als auch aktivischen Bildungen
auftreten.
Typ ‚osiwiaΩy’
An der Grenze zu den deverbalen Adjektiven befinden sich bestimmte Formen auf -Ω(y),
die auch die Form des Präteritums bilden. Es handelt sich um Derivate von Verben, die
Prozesse bezeichnen.
osiwiaΩy ‚ergraut’, oniemiaΩy ‚sprachlos’, ogΩuchΩy ‚taub geworden’, os´lepΩy ‚er-
blindet’
Sie benennen Eigenschaften oder Zustände, die sich nach einem Zustandswechsel ergeben
haben.
Typ ‚samochodowy’
Das Formativ -owy gehört heute zu den produktivsten Wortbildungsaffixen des Polnischen.
Den Formationen entsprechen im Deutschen oft Komposita. -owy verbindet sich im Prinzip
mit allen Typen von Substantivstämmen. Es gibt aber einige – in der Praxis nicht immer
berücksichtigte – Beschränkungen in der Verbindbarkeit mit bestimmten Stammtypen, die
3.2. Adjektivische Wortbildungsformationen 255
auf -acz, -owiec, -nik, -arz (= Nomina agentis) oder -stwo, -owos´c´ enden. Besonders stark
ist das Verbindungsverbot bei Stämmen auf -arz (die adjektivischen Derivate nehmen -ski
an), auf -nik (nehmen -i), -stwo und -owos´c´. Die einzigen Ausnahmen bei -stwo sind:
pan´stwo → pan´stwowy ‚staatlich’, mocarstwo → mocarstwowy ‚Macht-’
Formationen des Typs osobowos´ciowy kommen vor, werden aber aufgrund der Wiederho-
lung der Lautfolge -ow- von der Sprachpflege nicht gutgeheißen, gelten somit als schlech-
ter Stil. Wenn die Elemente -acz, -owiec, -nik bei unbelebten Substantiven auftreten, kön-
nen sie ein Adjektiv auf -owy bilden.
powielaczowy ‚Kopierer-’, dopeΩniaczowy ‚Genitiv-’, szybowcowy ‚Segelflug-’,
lodowcowy ‚Gletscher-’, poradnikowy ‚Ratgeber-’, silnikowy ‚Motor-’
Derivate mit dem Suffix -owy, die von Eigennamen gebildet werden, haben eine stilistische
Markierung.
Ωo´dz´ Piotrowa ‚die katholische Kirche’, przyszΩa Andrzejowa ‚Andrzejs Frau ist
gekommen’
Typ ‚piΩkarski’
Das Formativ -ski zeichnet sich durch hohe Produktivität aus. Es hat die Morphe -owski,
-arski, -an´ski, -en´ski, -in´ski, -ijski, -yjski. Mit seiner Hilfe werden hauptsächlich Adjektive
von zwei Basen gebildet:
• maskulinen Personenbezeichnungen
• Ortsnamen
Zur ersten Gruppe gehören vorwiegend Substantive auf -arz und -ak:
kres´larz → kres´larski ‚Zeichner-’, piΩkarz → piΩkarski ‚Fußballer-’, naiwniak →
naiwniacki ‚Naivling-’, rybak → rybacki ‚Fischer-’, pΩywak → pΩywacki
‚Schwimmer-’
Unter den Wortbildungsbasen nichtpolnischer Herkunft finden sich auch andere Stämme:
inwestor → inwestorski ‚Investoren-’, profesor → profesorski ‚Professoren-’, stu-
dent → studencki ‚Studenten-’, partyzant → partyzancki ‚Partisanen-’
Bei der Anfügung von -ski an Stämme, die auf -k, -t und -d auslauten, kommt es zu Alter-
nationen.
k → c, rybak → rybacki ‚Fischer-’
t → c, student → studencki ‚Studenten-’
d → dz, sa±siad → sa±siedzki ‚Nachbar-’
An der Morphemgrenze können noch weitere Alternationen vorkommen.
256 3. Adjektive
Typ ‚nocny’
Das Formativ -ny tritt heute nur relativ selten bei genuin slavischen Basen auf. Die beleg-
ten Bildungen sind bereits sehr alt:
pole → polny ‚Feld-’, ziemia → ziemny ‚Erd-’, noc → nocny ‚Nacht-’
In neueren Bildungen wird meist das erweiterte Morph -any gebraucht.
kopalnia → kopalniany ‚Gruben-’, kawiarnia → kawiarniany ‚Cafe´-’, uczelnia →
uczelniany ‚Hochschul-’
Die größte Produktivität entfaltet das Suffix unter entlehnten Substantiven. In der nichter-
weiterten Form erfüllt es die Funktion, entlehnte Adjektive ins Polnische einzupassen.
elementarny ‚elementar’, popularny ‚populär’, aktualny ‚aktuell’, punktualny
‚pünktlich’
Mit den erweiterten Allomorphen -ijny, -yjny, -iczny kann es auch nichtentlehnte Bezie-
hungsadjektive bilden. Das Suffix -ijny (-yjny) tritt regulär in Adjektiven auf, deren sub-
stantivische Basis auf -acja, -cja, -sja, -zja auslauten.
dokumentacja → dokumentacyjny ‚Dokumentations-’, abstrakcja → abstrakcyjny
‚abstrakt’, dyskusja → dyskusyjny ‚Diskussions-’, aluzja → aluzyjny ‚anspielend’
Das Suffix -iczny wird bei Stämmen auf -logia, -grafia und -izm (-yzm) verwendet.
geologia → geologiczny ‚geologisch’, romantyzm → romantyczny ‚romantisch’
Substantive auf -ia bilden die Basis für verschiedene Formationen, auf -iczny oder auf
-ijny.
chemia → chemiczny ‚chemisch’, familia → familijny ‚familiär’
3.2. Adjektivische Wortbildungsformationen 257
In der Bildung von Beziehungsadjektiven aus Substantiven mit den Suffixen -izm und -ista
konkurriert das Formativ -czny mit -owski.
marksizm → marksistowski ‚marxistisch’
komunizm → komunistyczny ‚komunistisch’
Typ ‚tajemniczy’
Das Element -y (genauer: Ø-Suffix) formt Adjektive aus Substantiven mit dem Auslaut -k
oder -c.
tajemnica → tajemniczy ‚geheimnisvoll’, urze± d nik → urze±dniczy ‚Beamten-’,
osiedleniec → osiedlen´czy ‚Siedler-’, je±zykoznawca → je±zykoznawczy ‚sprach-
wissenschaftlich’
Formationen dieses Typs sind gleichzeitig durch das entsprechende Verb und das Nomen
agentis motiviert.
nadawczy ‚Sende-/Sender-’ – nadawac´/nadawca, wykonawczy ‚Ausführungs-’ –
wykonywac´/wykonawca
Substantive auf -ca und -ec können Adjektive auschließlich mit dem Suffix -y bilden. Bei
anderen Substantiven kann parallel das Suffix -owy gebraucht werden.
miednica → miedniczy/miednicowy ‚Becken-’ (anatomisch), obro´bka → obro´bczy/
obro´bkowy ‚Bearbeitungs-’
Eine weitere große Gruppe unter den Adjektiven auf -y bilden diejenigen, die durch Nomi-
na agentis auf -nik und gleichzeitig durch Abstrakta auf -stwo motiviert sind.
obuwniczy ‚Schuh-’, chaΩupniczy ‚Heim-’
Typ ‚beczuΩkowaty’
Einen stark spezialisierten Typ stellen die Adjektive auf -owaty dar. Es handelt sich um
Bezeichnungen von Merkmalen, die die Ähnlichkeit des attribuierten Gegenstands zu dem
in der Wortbildungsbasis genannten Gegenstand ausdrücken.
beczuΩkowata postac´ – postac´ przypominaja±ca beczuΩke± ‚fassförmige Figur’
haczykowaty nos – nos, podobny do haczyka ‚Hakennase’
Die Formationen dieses Typs treten recht häufig in der Umgangssprache auf, wo sie eine
expressive Färbung aufweisen. Andererseits sind sie auch in der Fachterminologie ver-
breitet, wo sie keine expressive, sondern fachsprachliche Färbung aufweisen.
ruchy amebowate – ruche, podobne do tych, kto´re wykonuje ameba ‚amöbenhafte
Bewegungen’, ros´liny malwowate ‚malvenhafte Pflanzen’
258 3. Adjektive
Semantische Präzisierungen
Die Mehrheit der Beziehungsadjektive bezeichnet eine Eigenschaft in Hinblick auf eine
ganz allgemeine, nicht spezifizierte Beziehung zu dem in der substantivischen Basis ge-
nannten Gegenstand; samochodowy ‚irgendwie mit Auto zusammenhängend’. Daneben
gibt es auch Adjektive, in denen die semantische Beziehung zum Ausgangsgegenstand
weiter präzisiert ist.
Die Adjektive mit den Suffixen -iny (-yny), -i, -ski (-owski) und -owy können bei
Personenbezeichnungen als Basis eine Besitzrelation ausdrücken.
matczyna chustka ‚Mutters Tuch’, ojcowski pΩaszcz ‚Vaters Mantel’, Stasiowe
ubranie ‚Stanislaws Kleidung’
Diese Bildungen sind selten und haben eine archaische Färbung. Besitzrelationen werden
gewöhnlich mit dem Genitiv ausgedrückt.
chustka matki, pΩaszcz ojca, ubranie Stasia
Die Adjektive mit den Suffixen -asty, -aty und -isty charakterisieren meist einen Gegend-
stand bezüglich des Besitzens dessen, was von dem Substantiv bezeichnet wird.
3.2. Adjektivische Wortbildungsformationen 259
drzewo lis´ciaste – ‚ein Baum, der Blätter hat’ ‚Laubbaum’, czΩowiek brodaty – ‚ein
Mann, der einen Bart hat’, teren go´rzysty ‚ein Gebiet, das Berge hat’ ‚bergiges
Terrain’
Viele Bildungen auf -owy und -any drücken die Relation der Herkunft aus. Ihr Stamm zeigt
auf die Materie, aus der der attribuierte Gegenstand hergestellt worden ist oder auf den Ort,
wo er herkommt.
weΩniana kurtka ‚Wolljacke’, poziomki ogrodowe ‚Erdbeeren aus dem Garten’
Einige dieser Bildungen beziehen sich auf die Zielbestimmung des Gegenstandes – meist
Suffix -owy:
tas´ma magnetofonowa ‚Tonband’, tkanina ubraniowa ‚Bekleidungsstoff’, miejsca
staz˙owe ‚Praktikumsplätze’
Vor allem in der Presse und im offiziellen Stil verbreitet ist die Verwendung von Bezie-
hungsadjektiven statt den entsprechenden substantivischen Attributen.
prawa pracownicze – prawa pracowniko´w ‚Arbeiterrechte’, kierowca samocho-
dowy – kierowca samochodu ‚Autofahrer’, wycieczka autokarowa – wycieczka
autokarem ‚Bustour’, leczenie uzdrowiskowe – leczenie w uzdrowisku ‚Kur-
behandlung’
Typ ‚malutki’
Der Bildung von Adjektiven der Intensivierung dienen die Suffixe -utki, -uten´ki, -uchny,
-sien´ki und -us´ki.
maΩy → malutki, maluten´ki, maluchny, malusien´ki, malus´ki ‚winzig + niedlich’
Diese Suffixe enthalten eine expressive Komponente, die sich in etwa wiedergeben lässt als
‚der Sprecher ist gegenüber X positiv eingestellt’ oder als ‚der Sprecher gibt zu erkennen,
dass er sich gut fühlt’ (vgl. ⇑2.1.11. Nomina expressiva)
Das Suffix -utki kann darüber hinaus auch in nichtexpressiver Bedeutung auftre-
ten, dann drückt es ein hohes Ausmaß der genannten Eigenschaft aus.
malutki kotek ‚winzige Katze’, wa±ziutki pasek ‚ein sehr enger Gürtel’
260 3. Adjektive
Diese Formative verbinden sich in der Regel nicht mit Adjektiven, die eine als negativ
bewertete Eigenschaft bezeichnen. Kommt es trotzdem zu einer solchen Verbindung, liegt
eine spezifische Markierung der Einstellung des Sprechers zum genannten Gegenstand vor:
es handelt sich um Nachsicht, Mitleid oder auch Ironie.
gΩupi → gΩupiutki ‚Dummerchen’
ne±dzny → ne±dzniutki ‚miserabel’
Typ ‚przepie±kny’
Intensivierte Adjektive können gleichermaßen mit folgenden Präfixen gebildet werden:
prze-, przy-, nad- und arcy-.
przemiΩy ‚allerliebst’, przezabawny ‚sehr unterhaltsam’, przydΩugi ‚zu lang’, przy-
ciasny ‚zu eng’, arcykomiczny ‚urkomisch’
Die Derivate mit prze- sind meist buchsprachlich markiert. Dagegen gehören die Bildun-
gen mit przy- eher der Umgangssprache an. Sie bezeichnen die Überschreitung einer für
den näher bestimmten Gegenstand angenommenen Norm, im Sinne von ‚zu lang’, ‚zu
eng’. nad- kommt meist in der Fachsprache vor.
nadczuΩy ‚überempfindlich’
Neben arcy- gibt es noch eine Reihe weiterer auch im Deutschen bekannte Präfixe: hiper-,
super-, ultra- und ekstra-. Sie verbinden sich mit Stämmen sowohl entlehnter als auch
slavischer Wörter.
arcyzabawny ‚urkomisch’, hiperpoprawny ‚hyperkorrekt’, ultrakro´tki ‚Ultrakurz-’,
superdoskonaΩy ‚superperfekt’, ekstramocny ‚extrastark’
Typ ‚grubawy’
Das wichtigste Formativ zur Bildung von Adjektiven, die die Abschwächung des genann-
ten Merkmals ausdrücken, ist das Suffix -awy. Hier wird zum Ausdruck gebracht, dass das
Merkmal in einem nur geringem Maße ausgebildet ist: grubawy ‚ein klein wenig dick’ oder
‚dicklich’. Das Formativ zeichnet sich durch eine große Produktivität aus und kann mit
praktisch allen Qualitätsadjektiven verbunden werden. Die Bildungen gehören im Großen
und Ganzen der Umgangssprache an.
biaΩawy ‚weißlich’, grubawy ‚dicklich’, gorzkawy ‚etwas bitter’, brudnawy
‚schmuddelig’, Ωysawy ‚leicht kahl’
Das Formativ -awy verbindet sich auch mit substantivischen Stämmen von Bezeichnungen
chemischer Elemente. -owy und -awy können chemische Verbindungen unterscheiden.
siarka → kwas siarkowy/siarkawy ‚Schwefelsäure/schwefelige Säure’
3.2. Adjektivische Wortbildungsformationen 261
Typ ‚przedwczesny’
Weiterhin kann eine Abschwächung des Merkmals durch Präfixe versprachlicht werden.
Diese Bildungen sind jedoch sehr selten.
niedookres´lony ‚unterspezifiziert’, niedokwas´ny ‚untersäuert’, podczerwony ‚Infra-
rot-’, przedwczesny ‚verfrüht’
Die Bildungen mit niedo- sind ursprünglich eher von Verben abgeleitet.
niedomyty ‚nicht fertig gewaschen’, niedorozwinie±ty ‚unterentwickelt’, niedotarty
‚nicht eingefahren (Auto)’
3.2.4. Adjektivkomposita
Im Gegensatz zu den Adjektivtypen aus ⇑2.2.1. bis ⇑2.2.3. gehen in die Komposita (przy-
miotniki zΩoz˙one) mindestens zwei Wurzeln ein. Wie bei Substantiven lassen sich auch
unter Adjektiven zwei Strukturtypen unterscheiden, die im Hinblick auf die in die Wortbil-
dungsformation eingehenden Stämme bestimmt werden.
a) Syntaktische Komposita
(przymiotniki pochodne od wyraz˙en´ syntaktycznych) Diese Klasse von Adjektiven stellt
im heutigen Polnisch eine sehr produktive Klasse dar; denn da sie in ihrer Struktur eine
Präposition enthalten, weisen sie eine spezifischere Semantik als desubsantivische Adjekti-
ve auf. Zu den häufigsten Formativen zählen -owy, -ny, -ski, -i(-y) und diejenigen, die De-
rivate von Substantiven bilden. Welches dieser Suffixe zum Tragen kommt, wird meist
durch die Form des nichtsuffigierten desubstantivischen Adjektivs festgelegt.
pan´ski → bezpan´ski ‚herrenlos’, wojenny → przedwojenny ‚Vorkriegs-’, miejsco-
wy → zamiejscowy ‚auswärtig’
262 3. Adjektive
b) Eigentliche Komposita
Eigentliche Komposita (zΩoz˙enia wΩas´ciwe) enthalten zwei volllexikalische Wurzeln. Ge-
wöhnlich tritt das Interfix -o- in Kombination mit einem Suffix auf.
czas-o-chΩon-ny ‚zeitraubend’
3.2. Adjektivische Wortbildungsformationen 263
Im zweiten Teilglied kann – ähnlich wie bei den substantivischen Kompositionen – ein
selbstständiges Element auftreten.
kwasoodporny – odporny na kwas ‚säurebeständig’
Die Bedeutung des Kompositums hängt vom grammatischen Charakter der Basis und der
enthaltenen Wechselbeziehung ab.
Wie bei Typ ‚dΩugodystansowy’ bestimmt das erste Glied das zweite näher. Das Kompo-
situm benennt das Merkmal, das sich aus dem Besitz von z.B. dunklen Augen ergibt.
Das Adjektiv gehört zu den flektierbaren Wortarten. Es weist folgende grammatische Ka-
tegorien auf: Genus, Numerus, Kasus und Komparation. Adjektive treten typischerweise
als Attribut eines Substantivs auf; dieses übergeordenete Lexem bestimmt Genus, Numerus
und Kasus des Adjektivs. Dieses Phänomen bezeichnet man als Kongruenz.
Piotr mo´wiΩ o nowej ksia±z˙ce. ‚Piotr sprach von einem neuen Buch.’
Im Gegensatz zum Substantiv ist das Genus somit nicht vom Stamm festgelegt und ist so-
mit flektivisch. Die Komparation ist eine Kategorie, die nur dem Adjektiv und einigen
Adverben eigen ist. Sie gliedert sich in die Subkategorien:
• Positiv (stopien´ ro´wny); przyjemny
• Komparativ (stopien´ wyz˙szy); przyjemniejszy
• Superlativ (stopien´ najwyz˙szy); najprzyjemniejszy
Die Formen des Adjektivs sind im Singular stark nach Genus ausdifferenziert, während im
Plural viele Endungen zusammenfallen, sodass hier nur noch zwischen maskulin-personal
und allen anderen Genera unterschieden wird.
266 3. Adjektive
3.3.1. Singular
Maskulin
Nominativ mΩody duz˙y obcy wysoki tani
Genitiv mΩodego duz˙ego obcego wysokiego taniego
Dativ mΩodemu duz˙emu obcemu wysokiemu taniemu
Akkusativ mΩody/-ego duz˙y/-ego obcy/-ego wysoki/-iego tani/-iego
Instrumental mΩodym duz˙ym obcym wysokim tanim
Präpositiv mΩodym duz˙ym obcym wysokim tanim
Die Adjektive haben im Akkusativ Maskulin Singular je nach Genus des näher bestimmten
Substantivs entweder die Form des Nominativs oder des Genitivs.
Widze± duz˙y sto´Ω. ‚Ich sehe einen großen Tisch.’ vs. Widze± duz˙ego sΩonia. ‚Ich sehe
einen großen Elefanten.’
Im Vokativ ist die Form immer identisch mit dem Nominativ.
Neutrum
Nominativ mΩode duz˙e obce wysokie tanie
Genitiv mΩodego duz˙ego obcego wysokiego taniego
Dativ mΩodemu duz˙emu obcemu wysokiemu taniemu
Akkusativ mΩode/-ego duz˙e/-ego obce/-ego wysokie/-go tanie/-go
Instrumental mΩodym duz˙ym obcym wysokim tanim
Präpositiv mΩodym duz˙ym obcym wysokim tanim
Die Formen im Neutrum sind weitgehend identisch mit denjenigen im maskulinen Genus.
Abweichungen gibt es lediglich im Nominativ und Akkusativ.
Feminin
Nominativ mΩoda duz˙a obca wysoka tania
Genitiv mΩodej duz˙ej obcej wysokiej taniej
Dativ mΩodej duz˙ej obcej wysokiej taniej
Akkusativ mΩoda± duz˙a± obca± wysoka± tania±
Instrumental mΩoda± duz˙a± obca± wysoka± tania±
Präpositiv mΩodej duz˙ej obcej wysokiej taniej
3.3. Deklinationen der Adjektive 267
3.3.2. Plural
Maskulin-personal
Nominativ mΩodzi duzi obcy wysocy tani
Genitiv mΩodych duz˙ych obceych wysokich tanich
Dativ mΩodym duz˙ym obcym wysokim tanim
Akkusativ mΩodych duz˙ych obcych wysokich tanich
Instrumental mΩodymi duz˙ymi obcymi wysokimi tanimi
Präpositiv mΩodych duz˙ych obcych wysokich tanich
nicht Maskulin-personal
Nominativ mΩode duz˙e obce wysokie tanie
Genitiv mΩodych duz˙ych obcych wysokich tanich
Dativ mΩodym duz˙ym obcym wysokim tanim
Akkusativ mΩode duz˙e obce wysokie tanie
Instrumental mΩodymi duz˙ymi obcymi wysokimi tanimi
Präpositiv mΩodych duz˙ych obcych wysokich tanich
Im Plural wird nur in den Kasus Nominativ und Akkusativ unterschieden zwischen masku-
lin-personal und allen anderen Genera. Die übrigen Formen sind gleich.
Singular Plural
Maskulin Neutrum Feminin Maskulin andere
personal personal
Nominativ -y, -i, -Ø -e -a -i, -y -e
Genitiv -ego -ego -ej -ych, -ich
Dativ -emu -emu -ej -ym, -im
Akkusativ = Nom/Gen -e -a± -ych, -ich -e
Instrum. -ym, -im -ym, -im -a± -ymi, -imi
Präpositiv -ym, -im -ym, -im -ej -ych, -ich
Vokativ = Nom = Nom = Nom = Nom = Nom
268 3. Adjektive
Adjektive können als Attribut zur näheren Bestimmung eines Substantivs oder als Teil des
Prädikats auftreten. Im Prädikat steht das Adjektiv gemeinsam mit der Kopula byc´.
Piotr mo´wiΩ o nowej ksia±z˙ce. ‚Piotr hat von einem neuen Buch geredet.’ vs.
Tamta ksia±z˙ka jest nowa. ‚Das Buch ist neu.’
Im Gegensatz zum Deutschen kongruiert das prädikative Adjektiv mit dem Subjekt nach
Genus und Numerus:
Tamta ksia±z˙ka jest nowa. ‚Das Buch ist neu.’
Tamten samocho´d jest nowy. ‚Das Auto ist neu.’
Tamte budynki sa± nowe. ‚Die Gebäude sind neu.’
Im Prädikat steht in allen Tempora die Form des Nominativs:
Tamta ksia±z˙ka jest nowa. ‚Das Buch ist neu.’
Tamta ksia±z˙ka byΩa nowa. ‚Das Buch war neu.’
Eine kleine Gruppe von Adjektiven hat im Prädikat bei Maskulin Singular eine andere
Form als im Attribut: zdrowy – zdro´w ‚gesund’, gotowy – goto´w ‚fertig’, ciekawy – ciekaw
‚neugierig’, Ωaskawy – Ωaskaw ‚liebenswürdig’, peΩny – peΩen ‚voll’.
On jest zdro´w jak ryba. ‚Er ist kerngesund.’ Jestem goto´w wyjechac´ choc´by jutro.
‚Ich bin bereit schon morgen zu fahren.’ Ogro´d jest peΩen kwiato´w. ‚Der Garten ist
voller Blumen.’
3.5. Komparation der Adjektive 271
Diese Formen auf -Ø sind auf die Prädikatsfunktion beschränkt, können also nicht attribu-
tiv verwendet werden. Die Langformen sind jedoch in beiden Funktionen einsetzbar.
(stopniowanie przymiotniko´w)
c) Besonderheiten
Als Ausnahme haben einige Qualitätsadjektive zu gelten, die trotz ihrer Form, die sie für
die synthetische Komparation qualifizieren würde, die analytische aufweisen. Es handelt
sich um Adjektive, die in ihrer Semantik nicht inhärent auf eine Skala bezogen sind, aber in
bestimmten Kontexten auf eine solche bezogen werden können.
bardziej/najbardziej Ωysy ‚kahlköpfiger/kahlköpfigste’, bardziej/najbardziej pΩaski
‚flacher/flachste’, bardziej/najbardziej s´liski ‚glatter/glatteste’, bardziej/najbar-
dziej gorzki ‚bitterer/bitterste’, bardziej/najbardziej chory ‚kränker/kränkeste’,
bardziej/najbardziej mokry ‚feuchter/feuchteste’, bardziej/najbardziej zielony
‚grüner/grünste’, bardziej/najbardziej rudy ‚rothaariger/rothaarigster’
Einige Adjektive haben keinen Komparativ, wohl aber einen Superlativ.
ukochany → najukochan´szy/najbardziej ukochany ‚geliebt → am meisten geliebt’,
opΩakany → najopΩakan´szy/najbardziej opΩakany ‚kläglich → kläglichste’, roz-
maity → najrozmajtszy ‚verschiedenartig → verschiedenartigste’, przero´z˙ny →
najprzero´z˙niejszy ‚verschieden → verschiedenste’
Einige Adjektive bilden die Komparativformen suppletiv, d.h. mit Hilfe eines anderen
Stamms. Dazu gehören die sehr häufigen Adjektive dobry, zΩy, duz˙y, maΩy.
dobry → lepszy/najlepszy ‚gut → besser/beste’, zΩy → gorszy/najgorszy ‚schlecht
→ schlechter/schlechteste’, duz˙y/wielki → wie±kszy/najwie±kszy ‚groß → größer/
größte’, maΩy → mniejszy/najmniejszy ‚klein → kleiner/kleinste’
Einige Adjektive verfügen sowohl über die synthetische als auch die analytische Form.
grzeczny → grzeczniejszy – bardziej grzeczny/najgrzeczniejszy – najbardziej
grzeczny ‚höflich → höflicher/höflichste’, wygodny → wygodniejszy – bardziej
wygodny/najwygodniejszy – najbardziej wygodny ‚bequem → bequemer/bequem-
ste’
Numeralia (liczebniki) bilden eine semantisch motivierte Kategorie von Ausdrücken. Sie
bezeichnen abgezählte und in einigen Fällen ungefähr gezählte Mengen und Größenanga-
ben. Das Polnische verfügt über folgende Subkategorien:
• Kardinalia (liczebniki gΩo´wne): jeden, dwa etc.
• Kollektiva (liczebniki zbiorowe): dwoje, troje etc.
• Ordinalia (liczebniki porza±dkowe): pierwszy, drugi etc.
• Bruchzahlen (liczebniki uΩamkowe): jedna trzecia etc.
Unter den Numeralia nehmen die Lexeme für eindeutig bestimmte Zahlen den wichtigsten
Platz ein. Es gibt aber auch Numeralia mit unbestimmten bzw. relativen Mengenangaben:
kilka ‚einige’, kilkanas´cie ‚zig’, kilkadziesia±t ‚11 bis 19’, kilkaset ‚einige hundert’,
pare± ‚ein paar’ u.a.
Neben diesen semantischen Subkategorien besitzt die Kategorie der Numeralia Subkatego-
rien abhängig von den syntaktischen Eigenschaften und damit ihrer Wortartenzugehörig-
keit. Ein besonderes Problem stellen die Kardinalia dar, da sie zwar semantisch einheitlich
sind, sich aber syntaktisch ganz unterschiedlich verhalten (s. folgende Tabelle). Ein Teil
der Kardinalia weist gleichzeitig Eigenschaften von Adjektiven und von Substantiven auf.
Das Zahlwort pie±c´ ‚fünf’ regiert den Genitiv Plural – pie±c´ stoΩo´w ‚fünf Tische’. Diese Fä-
higkeit bringt es in die Nähe der Substantive. Andererseits verändert es seine Gestalt in
Abhängigkeit vom Genus des regierten Substantivs; d.h. es kongruiert im Genus: pie±c´
stoΩo´w aber pie±ciu me±z˙czyzn ‚fünf Männer’. Kongruenz im Genus ist nun wiederum eine
für Adjektive typische Eigenschaft. Beide Phänomene – Rektion und Kongruenz sind den
deutschen Numeralia fremd. Das Gleiche gilt für die Flektierbarkeit der Kardinalia nach
Kasus: To sa± trzej panowie. – Mo´wimy o trzech panach.
In dieser Grammatik gehen wir von folgender Verteilung der Numeralia auf die
Wortarten aus:
4.1. Bestand und Wortartenzugehörigkeit 277
Hinweis: In der Tabelle steht der Querstrich ‚-’ für verschiedene Formen eines Lexems und
der Schrägstrich ‚/’ für synonyme Varianten ein und derselben Form.
278 4. Numeralia
4.2. Kardinalia
Die Kardinalia (liczebniki gΩo´wne) zeichnen sich durch eine ganze Reihe von Besonder-
heiten in Form und Syntax aus, die sie von anderen Adjektiven bzw. Substantiven abheben.
Sie verfügen über zwei grammatische Kategorien, die über ihre Form entscheiden:
• Genus: jeden-jedna-jedno
• Kasus: jeden-jednego-jednemu etc.
Dabei gilt tendenziell, dass die Anzahl der verschiedenen Genus- und Kasusformen nach
oben hin immer weiter abnimmt; d.h. während jeden drei Genera und sechs Kasus formal
unterscheidet, hat trzy noch zwei Genera mit sechs Kasus und schließlich sto nur noch zwei
Genus-Kasusformen.
In syntaktischer Hinsicht spielen der Kasus und der Numerus des Substantivs eine
Rolle, dessen Referenten gezählt werden. Ausschlaggebend ist die syntaktische Funktion
der Wortfügung, die mindestens aus Kardinalzahl plus Substantiv besteht; ist die gesamte
Fügung nominativisch oder mit Einschränkungen akkusativisch, gelten folgende Regeln für
den Kasus des ‚gezählten’ Substantivs:
• 1 verändert den Kasus nicht: W pokoju staΩ jeden sto´Ω ‚Ein Tisch stand im Zim-
mer.’
• 2 – 4 verändern den Kasus nicht, das Substantiv steht im Plural: W pokoju staΩy
dwa stoΩy, trzy stoΩy, cztery stoΩy. ‚Zwei, drei, vier Tische standen im Zimmer.’
• ab 5 ist der Genitiv Plural erforderlich: W pokoju staΩo pie±c´ stoΩo´w. ‚Fünf Tische
standen im Zimmer.’
Besonderheit: Die Kardinalia mit maskulin-personalen Substantiven haben ab der Zahl ‚2’
meist eine besondere Form (auf -u), regieren den Genitiv Plural und kongruieren im Prädi-
kat nicht wie erwartet mit der dritten Person Plural maskulin-personal, sondern mit der
dritten Person Singular Neutrum.
PrzyszΩo dwu/dwo´ch pano´w. ‚Es sind 2 Herren gekommen.’
PrzyszΩo pie±ciu pano´w. ‚Es sind 5 Herren gekommen.’
PrzyszΩo jedenastu pano´w. ‚Es sind 11 Herren gekommen.’
PrzyszΩo pie±c´dziesie±ciu pano´w. ‚Es sind 50 Herren gekommen.’
PrzyszΩo stu pano´w. ‚Es sind 100 Herren gekommen.’
Steht die Fügung insgesamt in einem obliquen Kasus, nehmen sowohl das Zahlwort als
auch das folgende Substantiv diesen Kasus an: Mo´wimy o jednym stole, dwu/dwo´ch
stoΩach, pie±ciu stoΩach. ‚Wir sprechen über einen, zwei, fünf Tische.’
4.2. Kardinalia 279
,1’
Maskulin Feminin Neutrum
Nominativ jeden jedna jedno
Genitiv jednego jednej jednego
Dativ jednemu jednej jednemu
Akkusativ jeden- jednego jedna± jedno
Instrumental jednym jedna± jednym
Präpositiv jednym jednej jednym
Das Zahlwort jeden flektiert nach drei Genera und nimmt dabei im Wesentlichen die En-
dungen des Adjektivs an.
,2’
dwa ist die Form in Begleitung von Substantiven des maskulinen Genus außer maskulin-
personal: dwa stoΩy, dwa konie ‚zwei Pferde’, dwa okna ‚zwei Fenster’.
dwie steht bei feminen Substantiven: dwie panie ‚zwei Damen’, dwie ksia±z˙ki ‚zwei
Bücher’.
dwaj ist das Zahlwort für Substantive des maskulin-personalen Genus: dwaj pa-
nowie ‚zwei Herren’. Die Ausdrücke dwu und dwo´ch sind formale Varianten, die jedoch
nicht den Nominativ, sondern den Genitiv Plural regieren. Darüber hinaus steht im Prädikat
die dritte Person Singular Neutrum.
Tam ida± dwaj koledzy. – Tam idzie dwu/dwo´ch kolego´w. ‚Dort gehen zwei Kolle-
gen.’
Tam szli dwaj koledzy. – Tam szΩo dwu/dwo´ch kolego´w. ‚Dort gingen zwei Kol-
legen.’
Ein ganz ähnliches Paradigma liegt bei dem Zahlwort obaj-oba-obie ‚beide’ vor:
280 4. Numeralia
,3 und 4’
trzy und cztery stehen bei allen Substantiven außer bei maskulin-personalen. Diese haben
trzej und czterej: trzy/cztery stoΩy ‚drei/vier Tische’, trzej/czterej panowie ‚drei/vier Her-
ren’. Für die maskulin-personalen Substantive gibt es wie bei dem Zahlwort für ‚zwei’ eine
formale Variante mit abweichender Syntax: trzech/czterech pano´w przyszΩo ‚Es sind
drei/vier Herren gekommen.’ In den Kasusformen gibt es keine Unterschiede zwischen
maskulin-personal und den anderen Genera.
,5 bis 10’
Die Zahlwörter von 5 bis 10 haben bei Substantiven aller Genera außer bei maskulin-
personalen im Nominativ und Akkusativ die folgenden Formen:
5 – pie±c´
6 – szes´c´
7 – siedem
8 – osiem
9 – dziewie±c´
10 – dziesie±c´
Maskulin-personale Substantive in Funktion des Subjekts werden von der Genitivform
begleitet: przyszΩo pie±ciu pano´w. Die gleiche Form tritt im Akkusativ auf. In allen anderen
Kasus tritt ganz unabhängig vom Genus eine einzige Form auf -u auf. Im Instrumental gibt
es auch die Endung -oma.
maskulin-personal andere Genera
Nominativ szes´ciu pano´w siedem koto´w
Genitiv szes´ciu pano´w siedmiu koto´w
Dativ szes´ciu panom siedmiu kotom
Akkusativ szes´ciu pano´w siedem koto´w
Instrumental szes´ciu/szes´cioma siedmiu/siedmioma
panami kotami
Präpositiv szes´ciu panach siedmiu kotach
Die Formen für maskulin-personale Substantive und die aller obliquen Kasus lauten auf -u
aus. Der Instrumental hat als Variante auch -oma.
maskulin-personal andere Genera
Nominativ jedenastu pano´w dwanas´cie koto´w
Genitiv jedenastu pano´w dwunastu koto´w
Dativ jedenastu panom dwunastu kotom
Akkusativ jedenastu pano´w dwanas´cie koto´w
Instrumental jedenastu/jedenastoma dwunastu/jedenastoma
panami kotami
Präpositiv jedenastu panach dwunastu kotach
Die Formen auf -u verbinden sich auch mit den maskulin-personalen Substantiven:
pie±c´dziesie±ciu z˙oΩnierzy maszeruje ‚es marschieren 50 Soldaten’
,21, 22, 23 …’
Die Zahlwörter 21, 22 bis 29 (31–39, 41–49 etc.) sind Zusammensetzungen:
In den Zusammensetzungen, die aus zwei oder drei Elementen bestehen, werden alle flek-
tiert. Unverändert bleibt nur das Endglied jeden, das auch bei femininen und neutralen
Substantiven auftritt: dwadzies´cia jeden domo´w, dwadzies´cia jeden kobiet, dwadzies´cia
jeden okien, dwudziestu jeden chΩopco´w. Besteht die Zahl aus mehr als drei Elementen
werden nur die letzten beiden Elemente flektiert: ‚mit 1525 Personen’ z tysia±c pie±c´set
dwudziestu pie±ciu osobami oder z tysia±c pie±c´set dwudziestoma pie±cioma osobami.
In der Regel wird jedoch die Flexion dieser langen Kardinalia vermieden, indem
andere syntaktische Konstruktionen gewählt werden, sodass die Kardinalzahl im Nomina-
tiv oder Akkusativ steht.
W nocy statek z tysia±c pie±c´set dwudziestu/dwudziestoma pie±ciu/pie±cioma osobami
znalazΩ sie± w niebezpieczen´stwie. ‚In der Nacht geriet ein Schiff mit 1525 Men-
schen an Bord in Seenot.’
statt dessen:
W nocy statek, kto´ry miaΩ tysia±c pie±c´set dwadzies´cia pie±c´ oso´b na pokΩadzie, zna-
lazΩ sie± w niebezpieczen´stwie. ‚In der Nacht geriet ein Schiff in Seenot, das 1525
Menschen an Bord hatte.’
284 4. Numeralia
In den Kardinalia pie±c´set bis dziewie±c´set verändert sich nur der erste Teil des Worts, an den
das unveränderte Morphem -set tritt. Maskulin-personale Substantive verbinden sich im
Subjekt und direkten Objekt mit den Formen auf -stu: c´wiczyΩo pie±ciuset sportowco´w ‚es
trainierten 500 Sportler’, widziaΩem pie±ciuset sportowco´w ‚ich habe 500 Sportler gesehen’.
Singular Plural
Nominativ tysia±c milion tysia±ce miliony
Genitiv tysia±ca miliona tysie±cy miliono´w
Dativ tysia±cowi milionowi tysia±com milionom
Akkusativ tysia±c milion tysia±ce miliony
Instrumental tysia±cem milionem tysia±cami milionami
Präpositiv tysia±cu milionie tysia±cach milionach
Die Zählung der Jahrhunderte weicht insofern vom Deutschen ab, als nicht in Hundertern
sondern in Tausendern gezählt wird: 1999 tysia±c dziewie±c´set dziewie±c´dziesia±t dziewie±c´
‚neunzehnhundertneunundneunzig’.
4.3. Kollektiva 285
4.3. Kollektiva
Die Kollektiva (liczebniki zbiorowe) sind semantisch den Kardinalia ähnlich; d.h. sie be-
nennen eine Anzahl von Einheiten. Sie werden aber nur sehr eingeschränkt gebraucht und
zusehends von den Kardinalia verdrängt. Syntaktisch gehören sie zu den Substantiven, die
den Genitiv Plural regieren: dwoje studento´w ‚zwei Studenten’, pie±cioro drzwi ‚fünf Tü-
ren’. Kollektiva treten auf bei:
• Gruppen von Personen unterschiedlichen Geschlechts;
dwoje ludzi ‚zwei Leute (Mann und Frau)’, czworo studento´w ‚vier Studenten
und Studentinnen’
• Zählung von Pluralia tantum; häufig bei Gegenständen, die aus zwei komple-
mentären Teilen bestehen wie Schere, Tür oder Hose;
dwoje drzwi ‚zwei Türen’, troje spodni ‚drei Hosen’, czworo skrzypiec ‚vier Gei-
gen’
Im Gebrauch sind nur die Kollektiva für die Zahlen 1 bis 10 und die unbestimmten Zahl-
wörter mit kilka-:
2 – dwoje
3 – troje
4 – czworo
5 – pie±cioro
6 – szes´cioro
7 – siedmioro
8 – os´mioro
9 – dziewie±cioro
,einige’ – kilkoro
,zwischen 11 und 19’ – kilkanas´cioro
Die Flexion ist gekennzeichnet durch die Stammerweiterung mit Hilfe von -g-:
4.4. Ordinalia
Ordinalia (liczebniki porza±dkowe) bezeichnen nicht eine Anzahl, sondern ein Element aus
einer Menge, die durchgezählt wird. Sie gehören zur Wortart der Adjektive; wie diese
flektieren sie nach Genus und Kasus des Bezugssubstantivs (⇑Form der Adjektive).
4.5. Bruchzahlen
Die Bruchzahlen (liczebniki uΩamkowe) sind zusammengesetzt aus Kardinalia, die den
Zähler bilden, und Ordinalia, die im Nenner stehen.
1/2 jedna druga ‚ein halb’
1/3 jedna trzecia ‚ein Drittel’
3/4 trzy czwarte ‚drei Viertel’
0.3 trzy dziesia±te
0.01 jedna setna
0.02 dwie setne
In den obliquen Kasus werden beide Elemente dekliniert: pie±c´ setnych → pie±ciu setnych,
pie±ciu setnym.
Daneben gibt es die nach Kasus unflektierten Formen für ‚ein Halb’ po´Ω
1/2 – po´Ω
1 + 1/2 – po´Ωtora (maskulin und neutrum)
– po´Ωtorej (feminin)
Diese Bruchzahlen verbinden sich mit dem Genitiv Singular: po´Ω metra ‚ein halber Meter’,
po´Ωtora roku ‚anderthalb Jahre’, po´Ωtorej godziny ‚anderthalb Stunden’.
4.6. Ableitungen
Von Numeralia kann eine kleine Anzahl halbgrammatischer Ableitungen gebildet werden:
• Adjektive: dwukrotny ‚zweimaliger’, dwojaki ‚zweierlei’, podwo´jny ‚doppelter’
• Adverben: dwukrotnie ‚zwei mal’, trzykroc´ ‚drei mal’, trojako ‚auf dreierlei
Weise’
• Verben: podwoic´ ‚verdoppeln’, potroic´ ‚verdreifachen’
• Substantive: dwo´jka ‚der Zweier, die Zwei’, tro´jka ‚der Dreier, die Drei’, pia±tka
‚der Fünfer, die Fünf’
Daneben gibt es eine unbegrenzte Anzahl weiterer Bildungen:
• Adjektive: dwukolorowy ‚zweifarbig’, dwupokojowy ‚Zweizimmer-’ u.Ä. (⇑Typ
‚dwupokojowy’)
• Substantive: tro´jka±t ‚Dreieck’, dwudziestolecie ‚zwei Jahrzehnte’, dwutakt
‚Zweitakter’ u.Ä. (⇑Typ ‚dziesie±ciolecie’).
5. Pronomen
Die Wortklasse der Pronomen (zaimki) ist nicht syntaktisch oder morphologisch, sondern
rein semantisch motiviert. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie in Abhängigkeit vom
sprachlichen Kontext bzw. der Äußerungssituation auf Personen, Gegenstände oder Sach-
verhalte verweisen. Sie benennen nicht direkt, sondern funktionieren typischerweise wie
eine Art Zeigegeste. Aufgrund ihrer syntaktischen Heterogenität werden sie hier nach den
im Kapitel Wortarten dargelegten Prinzipien nicht als eigene Wortart angesehen; denn die
hier zugrundegelegte Definition der Wortarten beruht im Wesentlichen auf dem syntakti-
schen Prinzip. Somit zählen sie zu den Substantiven (z.B. ja ‚ich’), Adjektiven (z.B. mo´j
‚mein’) oder Adverben (z.B. jak ‚wie’). Da Pronomen von sehr hoher Frequenz sind, wird
ihnen in dieser Grammatik entsprechend alter Tradition ein eigenes Kapitel eingeräumt.
5.1. Personalpronomen
deutschen Formen er, sie, es entsprechen. Im Plural wird diese Opposition ersetzt durch die
Gegenüberstellung maskulin-personaler und nichtmaskulin-personaler Formen (oni, one).
pan´stwo
3. maskulin on
feminin ona
neutrum ono
maskulin-personal oni
nichtmaskulin-personal one
Die distanten Formen des Singulars kongruieren mit einem Verb in der dritten Person Sin-
gular (robi) und diejenigen des Plurals mit einem Verb in der Form der dritten Person Plu-
290 5. Pronomen
ral (robia±). Somit verhalten sie sich wie die ihnen homonymen volllexikalischen Substanti-
ve.
Eine Besonderheit der Personalpronomen pan, pani und pan´stwo ist, dass sie eine
eigene Vokativform aufweisen: Prosze± pana! etc.
5.1.2. Deklination
Da die distanten Pronomen ursprünglich auf Substantive zurückgehen, werden sie auch
substantivisch dekliniert. Die anderen weisen eigene Paradigmen auf.
1. und 2. Person nah
Kasus Singular Plural
Nominativ ja ty my wy
Genitiv mnie ciebie nas was
Dativ mnie/mi tobie/ci nam wam
Akkusativ mnie/mie± ciebie/cie± nas was
Instrumental mna± toba± nami wami
Präpositiv mnie tobie nas was
2. Person distant
Kasus Singular Plural
Nominativ pan pani panowie panie pan´stwo
Genitiv pana pani pano´w pan´ pan´stwa
Dativ panu pani panom paniom pan´stwu
Akkusativ pana pania± pano´w panie pan´stwa
Instrumental panem pania± panami paniami pan´stwem
Präpositiv panu pani panach paniach pan´stwu
Vokativ prosze± prosze± prosze± prosze± prosze±
pana! pani! pano´w! pan´! pan´stwa!
3. Person Singular
Kasus Maskulin Neutrum Feminin
Nominativ on ono ona
Genitiv jego/go/niego jego/go/niego jej/niej
Dativ jemu/mu/niemu jemu/mu/niemu jej/niej
Akkusativ jego/go/niego je/nie ja±/nia±
Instrumental nim nim nia±
Präpositiv nim nim niej
5.1. Personalpronomen 291
3. Person Plural
Kasus maskulin-personal andere Genera
Nominativ oni one
Genitiv ich/nich ich/nich
Dativ im/nim im/nim
Akkusativ ich/nich je/nie
Instrumental nimi nimi
Präpositiv nich nich
Die Deklinationstabellen zeigen, dass das neutrale Pronomen nur im Nominativ und Akku-
sativ eine eigene Form aufweist. In den übrigen Kasus sind seine Formen mit den maskuli-
nen identisch. Ähnlich gestaltet sich der Plural; hier unterscheiden sich die nicht-maskulin-
personalen Formen ebenfalls nur im Nominativ und Akkusativ von den maskulin-persona-
len.
5.2. Reflexivpronomen
Das Wort sie˛, traditionell als Reflexivpronomen (zaimek zwrotny) bezeichnet, hat der
Grammatikschreibung seit jeher Probleme gemacht, weil es sehr verschiedene Funktionen
und Status haben kann. Sie± hat einerseits pronominale Funktionen, andererseits verschiede-
ne halbgrammatische Kategorien des Verbs im Bereich der Diathese und schließlich tritt es
als Wortbildungselement auf.
Die Akademiegrammatik von 1998, I: 1991ff, z.B. zählt acht Funktionen auf, dar-
unter auch die Funktion der Wortbildung.
Die eigentlich reflexive Grundfunktion besteht darin, anzuzeigen, dass der Referent eines
syntaktischen Objekts identisch ist mit dem Subjekt.
Kot widzi siebie w lustrze. ‚Die Katze sieht sich im Spiegel.’
identischer Referent
Siebie markiert hier, dass der Referent der außersprachlichen Wirklichkeit, auf den sich das
Akkusativobjekt bezieht, das von dem transitiven Verb widziec´ ‚sehen’ gefordert ist, mit
dem Subjekt identisch ist.
Im Unterschied zum Deutschen weist das Polnische nur ein Pronomen auf, das für
die 1., 2. und 3. Person sowie für Singular und Plural gleich ist.
Gole± sie±. ‚Ich rasiere mich.’ Golimy sie±. ‚Wir rasieren uns.’
5.2. Reflexivpronomen 293
Golisz sie±. ‚Du rasierst dich.’ Golicie sie±. ‚Ihr rasiert euch.’
Goli sie±. ‚Er rasiert sich.’ Gola±± sie±. ‚Sie rasieren sich.’
Das Reflexivpronomen tritt in allen Kasusformen außer dem Nominativ auf.
Nominativ Ø
Genitiv siebie
Dativ sobie
Akkusativ siebie/sie±
Instrumental soba±
Präpositiv o sobie
In der rein reflexiven Funktion können alle Kasusformen des Reflexivpronomens auftreten:
Genitiv: Janek nie umies´ciΩ siebie na lis´cie. ‚Janek hat sich nicht in die Liste ein-
getragen.’
Dativ: Jak sobie pos´cielesz, tak sie± wys´pisz. ‚Wie man sich bettet, so liegt man.’
Akkusativ: Kot widzi siebie w lustrze. ‚Die Katze sieht sich im Spiegel.’
Instrumental: Zajmij sie± przede wszystkim soba±. ‚Beschäftige dich vor allem mit
dir selbst!’
Präpositiv: Zuzia najbardziej lubi opowiadac´ o sobie. ‚Zuzia spricht am liebsten
über sich selbst.’
Sobie und sie± können daneben auch anders verwendet werden.
Achtung: der Gebrauch des Reflexivpronomens ist obligatorisch. Das Personalpronomen
ist in ähnlichen Kontexten falsch (auch reflexives Possessivpronomen swo´j):
*Gole± mnie.
Das Lexem sie˛ steht im Satz im Prinzip vor dem Verb, kann jedoch nicht am Anfang des
Satzes stehen:
Nie trzeba sie˛ bac´. ‚Man braucht sich nicht zu fürchten.’ Ide˛ sie˛ umyc´. ‚Ich gehe
mich waschen.’ Zda˛z˙yΩem sie˛ ubrac´. ‚Ich bin zur rechten Zeit fertig geworden mit
dem Anziehen.’
aber: Boje˛ sie˛. ‚Ich fürchte mich.’ Umyj sie˛! ‚Wasche dich!’ UbraΩem sie˛. ‚Ich ha-
be mich angezogen’.
294 5. Pronomen
5.2.1. sie±
von mehr als einer Person ausgeführt wird und gegenseitig von einer Person auf die andere
gerichtet ist;
ChΩopcy sie± bija±. ‚Die Jungs schlagen sich (einander).’
Dzieci sie± caΩuja±. ‚Die Kinder küssen einander.’
Das gleiche gilt für einige intransitive Verben:
Rodzice sie± kΩo´ca±. ‚Die Eltern streiten sich.’
5.2.2. sobie
Die Dativform sobie tritt in vielen Bedeutungsmodifikationen von Verben und Phraseolo-
gismen auf; vgl radzic´ komu ‚jemandem raten’, vs. radzic´ sobie ‚sich zu helfen wissen’. In
diesen Fällen fungiert sobie nicht als Objekt, sondern bildet mit dem Ausgangsverb eine
neue Bedeutung: darowac´ cos´ komus´ a) ‚etwas opfern’ b) ‚verzeihen’, darowac´ sobie ‚sich
etwas schenken’.
Mo´gΩbys´ sobie darowac´ te frazesy. ‚Diese Phrasen hättest du dir sparen können.’
WidziaΩes´ juz˙ ten film? – Tak, nic nadzwyczajnego, moz˙na sobie darowac´.
,Hast du den Film schon gesehen? Ja, nichts besonderes, den kann man sich
schenken.’
Von solchen Verbindungen mit dem Pronomen sobie gibt es sehr viele:
Ωamac´ sobie gΩowe± (nad czyms´) ‚sich über etwas den Kopf zerbrechen’
5.3. Possessivpronomen 297
5.3. Possessivpronomen
1. mój nasz
familiär twój wasz
2. swój
pana*/ pani*
distant
pan´ski pan´stwa*
3. jego* jej*
(Die mit * gekennzeichneten Possessiva sind nicht flektierbar). Wie auch bei den Personal-
pronomen finden wir hier eine Ausdifferenzierung der distanten, also der sogenannten
Höflichkeitsform für die 2. Person. Es treten die Formen pana, pan´ski, pani, pan´stwa auf.
Von den homonymen Genitivformen der Nomen und Personalpronomen sind sie durch ihre
Wortstellung unterschieden. Das Possessivum ist normalerweise vorgestellt und das Sub-
stantiv nachgestellt.
Czy to jest pana samocho´d? ‚Ist das Ihr Auto?’
Czy to jest samocho´d pana? ‚Ist das das Auto des Herrn?’
Besonderheit: Die Formen pan´ und pano´ w sind sehr selten und werden meist hinter das
Bezugsnomen gestellt:
CzytaΩem o tym w ksia±z˙ce pano´w. ‚Ich habe das in Ihrem (mindestens zwei Män-
ner) Buch gelesen.’
Im Gegensatz zu den Personalpronomen fallen die Formen für maskulin und neutrum zu-
sammen: on/ono → jego. Eine weitere Besonderheit liegt in dem Zusammenfall der Genera
in der 3. Person Plural: oni/one → ich.
Eine Besonderheit des Possessivsystems ist das reflexive Possessivpronomen swo´j,
das dem Reflexivum sie± entspricht. Es kann sich auf die Formen aller Personen und Nu-
meri beziehen und wird gebraucht, wenn es einen Gegenstand bestimmt, der dem Referen-
ten des grammatischen Subjekts in einem Besitzverhältnis zugeordnet wird. In diesen Fäl-
len ist also das Subjekt der Besitzer des bestimmten Objekts.
Czy wzia±Ωes´ swo´j kapelusz? ‚Hast du deinen Hut genommen?’
Wzia±Ωem swo´j kapelusz. ‚Ich habe meinen Hut genommen.’
Achtung: Handelt es sich um ein Possessivpronomen in Objektposition, muss der Sprecher
immer berücksichtigen, ob der Besitzende mit dem Subjekt identisch ist oder nicht. Ist dies
der Fall, wird obligatorisch die reflexive Form swo´j verwendet vgl.:
Wzia±Ω swo´j kapelusz. ‚Er hat seinen Hut genommen.’ vs.
Wzia±Ω jego kapelusz. ‚Er hat dessen Hut genommen.’ – nicht seinen eigenen
5.3. Possessivpronomen 299
Das gilt für alle Personen, also auch für die 1. und 2.:
SprzedaΩem swo´j samocho´d. [nur umgangssprachlich: SprzedaΩem mo´j samocho´d.]
‚Ich habe mein Auto verkauft.’
Generell gilt, dass die polnischen Possessiva seltener verwendet werden als im Deutschen.
Oft wird der Besitzbezug auch durch den Kontext klar:
Wczoraj zadzwoniΩem do matki. ‚Gestern habe ich meine Mutter angerufen.’
5.3.2. Deklination
Den Formen der 1. und 2. Person entsprechen im Singular die Possessivpronomen für die
drei Genera maskulin, feminin und neutrum: mo´j, moja, moje ‚mein’ und two´j, twoja, twoje
‚dein’ bzw. pan´ski, pan´ska, pan´skie ‚Ihr’ (Mann). Die Pluralformen sind nasz ‚unser’ und
wasz ‚euer’. Alle diese Formen werden durch sämtliche Kasus dekliniert. Die Pronomen
der 3. Person und die distanten der zweiten Person pana, pani, und pan´stwa hingegen sind
indeklinabel (oben mit * versehen); d.h. sie verändern ihre Form weder nach Genus noch
Kasus.
To jest jego kapelusz. ‚Das ist sein Hut.’
SpotkaΩem sie± z jego co´rka±. ‚Ich habe mich mit seiner Tochter getroffen.’
To sa± ich co´rki. ‚Das sind ihre Töchter.’
Czy to jest pana kapelusz? ‚Ist das Ihr Hut?’
Die Deklination stimmt in großen Teilen mit derjenigen der Adjektive überein. Das sog.
Pronomen der Höflichkeit pan´ski wird genau wie ein Adjektiv dekliniert. Folgende Tabel-
len zeigen die Deklination der Possessiva mo´j, two´j, swo´j, des Interrogativpronomens czyj
und Negationspronomens niczyj.
Wie die Tabellen zeigen, gibt es neben den Vollformen auch zusammengezogene (in
Klammern angegeben). Während die Vollformen stilistisch unmarkiert sind, sind die Kurz-
formen buchsprachlich gefärbt.
Die Paradigmen der pluralischen Pronomen nasz und wasz:
Singular Maskulin Neutrum Feminin
Nominativ nasz nasze nasza
Genitiv naszego naszej
Dativ naszemu naszej
Akkusativ naszego, nasz nasze nasza±
Instrumental naszym nasza±
Präpositiv naszym naszej
5.4. Interrogativ-Relativpronomen
5.4.1. Deklination
Die substantivischen Pronomen kto ‚wer’, co ‚was’ und ile/ilu ‚wieviel’ haben folgende
Flexionsformen:
Kasus kto co ile ilu
Nominativ kto co ile ilu
Genitiv kogo czego ilu
Dativ komu czemu ilu
Akkusativ kogo co ile ilu
Instrumental kim czym ilu/iloma
Präpositiv kim czym ilu
ile ist die nicht-maskulin-personale und ilu die maskulin-personal Form (gleiche Dekli-
nation hat tyle).
Ile kobiet byΩo na zebraniu? ‚Wieviele Frauen waren auf der Versammlung?’
Ilu me±z˙czyzn byΩo na zebraniu? ‚Wieviele Männer waren auf der Versammlung?’
(wie kto bzw. co auch ktos´, ktokolwiek bzw. cos´, cokolwiek = Indefinitpronomen; auch nikt
= Negationspronomen)
Das adjektivische Pronomen jaki wird wie taki (= Demonstrativpronomen) und
czyj wie mo´j (= Possessivpronomen) dekliniert. kto´ry wird wie ein Adjektiv mit hart aus-
lautendem Stamm flektiert; Nominativ Plural bei Maskulin-personal kto´rzy.
5.5. Indefinitpronomen
• adverbial: byle gdzie ‚egal wo’, byle jak ‚egal wie’, nie byle gdzie ‚nicht irgend-
wo’, nie byle jak ‚nicht irgendwie’
Piotr nie zadaje sie± z byle kim. ‚Piotr gibt sich nicht mit jedem x-beliebigen ab.’
Posprza±taΩas´ tu byle jak. ‚Du hast hier nicht ordentlich aufgeräumt.’
On zawsze kΩadzie rzeczy byle gdzie. ‚Er legt seine Sachen immer was weiß ich
wohin.’
byle kann auch alleine stehen:
CieszyΩa sie± byle drobnostka±. ‚Sie freute sich über jedwede Kleinigkeit.’
‚der eine oder andere’: obwohl aus zwei Demonstrativpronomen zusammengesetzt be-
zeichnet sie eine nichtidentifizierbare Gruppe von Elementen.
Ten i o´w cos´ powiedziaΩ. ‚Dieser und jener erzählte etwas.’
Raz tak, raz owak. ‚Erst so und dann wieder so.’
5.6.1. Demonstrativpronomen
Demonstrativpronomen (zaimki wskazuja±ce) haben zeigende Funktion; d.h. sie zeigen auf
eine Person, einen Gegenstand oder eine Eigenschaft. Es sind dies Elemente, die sowohl
der Hörer als auch der Sprecher in dem besprochenen Weltausschnitt konkret identifizieren
können. Sie können sie entweder in der Situation, in der die Unterhaltung stattfindet oder
in dem, was vorher gesagt worden ist bzw. bald gesagt werden wird, identifizieren.
a) adjektivisch
• ten ‚dieser’ in der Nähe des Sprechers
• tamten ‚jener/der dort’ vom Sprecher etwas weiter entfernt
• taki ‚solch ein’
• o´w (buchspr.) ‚jener’
ten- tamten
Singular Maskulin Neutrum Feminin
Nominativ ten to ta
Genitiv tego tej
Dativ temu tej
Akkusativ tego, ten to te±
Instrumental tym ta±
Präpositiv tym tej
306 5. Pronomen
Achtung: die Form te± feminin Sg. Akkusativ weicht von der entsprechenden Adjektivform
ab! (Wezme± te± czarna± sukienke±. ‚Ich nehme das schwarze Kleid dort.’). In der Umgangs-
sprache wird statt te± in Anlehnung an die Adjektivdeklination häufig ta± verwendet (Wezme±
ta± czarna± sukienke±.). tamta wird hingegen auch in der Schriftsprache wie ein regelmäßiges
Adjektiv flektiert: Wezme± tamta± czarna± sukienke±.
taki
Singular Maskulin Neutrum Feminin
Nominativ taki takie taka
Genitiv takiego takiej
Dativ takiemu takiej
Akkusativ takiego, taki takie taka±
Instrumental takim taka±
Präpositiv takim takiej
ten und tamten können auch als Pro-Formen des Substantivs verwendet werden (o´w nicht).
PoszedΩ po rade± do profesora – ten wskazaΩ mu odpowiednia± lekture±. ‚Er holte
sich Rat beim Professor. Der gab ihm die entsprechenden Lektürehinweise.’
5.6. Demonstrativ- und Determinativpronomen 307
b) adverbial
teraz ‚jetzt’, tu ‚hier’, tak ‚so’, tam ‚dort’, o´wdzie ‚hier’, te±dy ‚hierlang’, wtedy ‚damals’,
oto ‚dies’
Nie mam teraz czasu. ‚Ich habe jetzt keine Zeit.’
BywaΩo sie± tu i o´wdzie. ‚Man war hier und dort.’
Wtedy o nim tak nie mys´laΩem. ‚Damals habe ich nicht so über ihn gedacht.’
5.6.2. Determinativpronomen
(zaimki upowszechniaja±ce)
a) Quantifizierende Pronomen
Quantifizierende Pronomen (zaimki kwantyfikuja±ce) geben den Umfang einer bestimmten
Menge an. Sie können auf die einzelnen Elemente verweisen oder auf die Gesamtmenge.
• Substantivisch:
wszystko ‚alles’: Gesamtheit aller Dinge und Angelegenheiten in einem be-
stimmten Kontext
Janek jest zdolny do wszystkiego. ‚Janek ist zu allem fähig.’
• Substantivisch und adjektivisch:
kaz˙dy ‚jeder’: bezieht sich auf die einzelnen Mitglieder einer bestimmten, also i-
dentifizierbaren Menge
Kaz˙dy z nas ma obowia±zek pomo´c. ‚Jeder von uns hat die Pflicht zu helfen.’
caΩy ‚ganz’: Vollständigkeit bei Gegenständen; bei Substantiven für zählbare
Dinge, auch Abstrakta.
Zjedlis´my juz caΩy chleb. ‚Wir haben schon das ganze Brot aufgegessen.’
ByΩem caΩy czas w swoim pokoju. ‚Ich war die ganze Zeit in meinem Zimmer.’
• Adjektivisch:
wszystek ‚ganz’: die Vollständigkeit einer Masse; nur bei Substantiven für nicht-
zählbare Stoffe
WylaΩo mi sie± wszystko mleko. ‚Mir ist die ganze Milch ausgelaufen.’
wszelki ‚jeglicher’: bezieht sich auf beliebige mögliche Mitglieder einer unbe-
stimmten, also nicht identifizierbaren Menge; auch im Sinne ‚jeder nur mögli-
che’
Wszelkie prawa zastrzez˙one. ‚Alle Rechte vorbehalten.’
ChciaΩ ja± za wszelka± cene± ratowac´. ‚Er wollte sie um jeden Preis retten.’
• Adverbial: zawsze ‚immer’, zewsza±d ‚von überall’, wsze±dzie ‚überall’
308 5. Pronomen
b) Negativpronomen
Mit Hilfe der Negativpronomen (zaimki przecza±ce) werden Elemente einer Situation ver-
neint. Die Bildung mit ni- ist nur begrenzt regelmäßig.
• substantivisch: nikt ‚niemand’, nic ‚nichts’, z˙aden ‚keiner’
• adjektivisch: z˙aden ‚kein’, niczyj ‚niemandes’
• adverbial: nigdzie ‚nirgends’, nijak ‚auf keine Weise’, nigdy ‚nie’, znika±d ‚von
nirgendwoher’
Tam nie byΩo z˙adnego telefonu. ‚Es war kein Telefon dort.’
Nie potrzebuje± niczyjej pomocy. ‚Ich brauche niemandes Hilfe.’
Nigdy sie± nie spo´z´niaΩ. ‚Er kam nie zu spät.’
Achtung: Das ähnlich aussehende Pronomen nijako und seine Derivate haben eine andere
Bedeutung.
Czuje± sie± nijako. ‚Ich fühle mich nicht besonders.’
niczyj wird wie das Possessivpronomen mo´j dekliniert, z˙aden wie ein Adjektiv.
c) Pronomen sam
• substantivisch
To ciasto zrobiΩem sam. ‚Den Kuchen habe ich selbst gemacht.’
• adjektivisch
ZatrzymaΩ sie± przy samych drzwiach. ‚Er hielt direkt an der Tür inne.’
• adverbial
Zachowuja± sie± tak samo. ‚Sie verhalten sich gleich.’
sam hat mehrere Funktionen in Abhängigkeit von dem Lexem, das es begleitet.
5.6. Demonstrativ- und Determinativpronomen 309
In Bezug auf den syntaktischen Status lassen sich Verben und Auxiliare (wyrazy po-
siΩkowe) unterscheiden. Auxiliare sind eigenständige Wörter, die gemeinsam mit einem
Inhaltswort in einem Prädikat auftreten. Auxiliare haben eine Leerstelle bzw. Argument-
stelle für ein solches Inhaltswort – meist ein Verb – und eröffnen darüber hinaus keine
eigenen Stellen (Kopulae haben zwei Leerstellen). Sie haben den syntaktischen Status ei-
nes Begleiters und sind mit einer großen Anzahl, bisweilen allen Verbtypen (im Falle der
Kopula mit allen Typen von Substantiven und allen typischen Adjektiven) verbindbar.
Vollverben können als eigenständiges Prädikat auftreten und Satzglieder unterordnen. Sie
sind autosemantisch, d.h. haben referenzielle Funktion. Auxiliare hingegen bilden mit einer
anderen Form, meist dem Infinitiv oder dem Partizip Passiv, eine Art zusammengesetzte
Form und damit einen Typ des syntaktischen Wortes. Auxiliare tragen typischerweise die
Tempus- und Modusmarkierung bzw. andere grammatische Kategorien des syntaktischen
Wortes. Sie haben keine referenzielle Funktion. Sie nehmen insofern eine Zwitterposition
ein, als sie an der Oberfläche wie Verben aussehen, aber wie ein Affix fungieren. Ein Verb
kann je nach Bedeutung verschiedenen Status haben (z.B. byc´). Der Übergang vom Voll-
verb zum Auxiliar ist vor allem im Bereich der Modalität fließend. Wir unterscheiden fol-
gende Typen von Auxiliaren:
• Kopulae
• Temporalauxiliare
• Diatheseauxiliare
• Modalauxiliare
• Phasenauxiliare
Extrem polyfunktional ist byc´ ; es kann in folgenden syntaktischen bzw. semantischen
Verwendungen auftreten:
• Vollverb: Existenzbehauptung
Ta ksia±z˙ka jest w ksie±garni. ‚Dieses Buch gibt es im Buchladen.’
• Kopula: Tempus und Modus
Jan jest studentem. ‚Jan ist Student.’
• Temporalauxiliar: Futur
Be±dziemy czekac´ na swoja± kolejke±. ‚Wir werden warten müssen, bis wir an der
Reihe sind.’
6.1. Kopulae 311
• Diatheseauxiliar
Ser Mozzarella jest wyrabiany z mleka krowiego. ‚Mozzarella wird aus Kuh-
milch hergestellt.’
• Modalauxiliar
Ta sprawa jest do zaΩatwienia. ‚Diese Sache ist zu erledigen.’
Zur Konjugation von byc´ ⇑7.2.4.
6.1. Kopulae
Kopulae (Ωa±czniki) dienen dazu, ausschließlich die prädikativen Kategorien ‚Tempus’ und
‚Modus’ bei einem adjektivischen oder substantivischen Prädikat auszudrücken. Sie haben
selbst keine lexikalische Bedeutung. Die zentrale Kopula ist byc´.
Jan jest zdolnym nauczycielem. ‚Jan ist ein fähiger Lehrer’
Bei einigen Prädikatstypen tritt die Kopula als syntaktische Null auf, d.h. im Satz steht
nichts und eine Form von byc´ ist auch nicht einsetzbar. In folgenden Fällen steht im Prä-
sens Null, während in den anderen Tempora die Kopula byc´ auftritt:
• die subjektlosen Modalauxiliare trzeba, moz˙na.
Trzeba poczekac´. ‚Man muss warten.’ – Trzeba byΩo poczekac´. – Trzeba be±dzie
poczekac´. (falsch: *Trzeba jest poczekac´.)
• der unabhängige Infinitiv
Widac´ plame±. ‚Es ist ein Fleck zu sehen.’ – ByΩo widac´ plame±. – Be±dzie widac´
plame±. (falsch: *´Jest widac´ plame±.)
• prädikative Substantive wie strach, szkoda, czas
Strach pomys´lec´. ‚Es ist schrecklich daran zu denken.’ (falsch: *Strach jest po-
mys´lec´.). Czas wracac´ do domu. ‚Es ist Zeit nach Hause zu gehen.’
• Demonstrativum oto (Schriftsprachlich)
A oto najnowsza powies´c´ tego pisarza. ‚Und das ist der neueste Roman dieses
Autors.’
Andere Strukturen stehen ebenfalls mit der Nullkopula im Präsens, erlauben jedoch die
Setzung von byc´:
• Adverben im Prädikat
Przyjemnie (jest) tu siedziec´. ‚Es ist angenehm hier zu sitzen.’, Lepiej skon´czyc´ te±
rozmowe±. ‚Es ist besser, dieses Gespräch zu beenden.’
• Angaben der Uhrzeit
Kto´ra (jest) godzina? Szo´sta. ‚Wieviel Uhr ist es? Sechs.’
312 6. Auxiliare
Eine weitere Kopula des Polnischen ist das polyfunktionale Wort to. Im Gegensatz zur
Kopula byc´ steht das Prädikatsnomen nicht im Instrumental, sondern im Nominativ.
Pan Nowak to lekarz. ‚Herr Nowak ist Arzt.’ aber: Pan Nowak jest lekarzem.
Najlepiej to wyjs´c´. ‚Am besten man geht jetzt.’
Daneben gibt es einige Lexeme, die sich an der Grenze zum Vollverb befinden; diese sind
vorwiegend buchsprachlich markiert: stanowic´, przedstawiac´ sie±.
Tlen stanowi istotny skΩadnik powietrza. ‚Sauerstoff ist ein wichtiger Bestandteil
der Luft.’ Sytuacja firmy przedstawia sie± korzystnie. ‚Die Lage der Firma stellt
sich günstig dar.’
6.2. Temporalauxiliare
6.3. Diatheseauxiliare
(wyrazy posiΩkowe diatetyczne) Das Passiv wird mit einem Auxiliar in Kombination mit
dem Partizip Passiv gebildet (⇑7.3.1. Genus Verbi). Es treten byc´, zostac´ und bywac´ auf.
• byc´ + Partizip Passiv (X jest (z)budowany)
byc´ verbindet sich mit Verben sowohl des perfektiven als auch des imperfektiven
Aspekts; es tritt in allen drei Tempora auf
6.4. Modalauxiliare 313
Dom jest zbudowany z cegΩy. ‚Das Haus ist aus Ziegel gebaut.’
• zostac´ + Partizip Passiv Perfektiv (X zostaΩ zbudowany)
Dom zostaΩ zbudowany pie±c´ lat temu. ‚Das Haus wurde vor fünf Jahren gebaut.’
• bywac´ + Partizip Passiv (X bywa (z)budowany)
Domy bywaja± budowane z drewna. ‚Häuser werden bisweilen aus Holz gebaut.’
6.4. Modalauxiliare
Modalauxiliare (wyrazy posiΩkowe modalne) haben modale und keine referenzielle Funkti-
on. Sie dienen im Wesentlichen dem Ausdruck der Möglichkeit und Notwendigkeit der
Realisierung einer Handlung. Die Bedeutung ist recht abstrakt, sodass recht verschiedene
Arten von Möglichkeit bzw. Notwendigkeit versprachlicht werden können; z.B. Möglich-
keit aufgrund von Erlaubnis, Gelegenheit, Fähigkeit u.a. Der Übergang vom Auxiliar zum
Vollverb, das einen Infinitiv regiert, ist fließend. Formal sind alle Lexeme der zentralen
Modalauxiliare durch drei Merkmale gekennzeichnet:
• obligatorische und alleinige Infinitivrektion,
• kein Aspektpartner,
• kein Imperativ.
Zu den zentralen Modalauxiliaren zählen (⇑Wiedergabe der deutschen Modalverben)
• miec´ ‚sollen’
Wie±c co mam robic´? ‚Was soll ich denn tun?’
• mo´c ‚können’
Nie moge± mu tego powiedziec´! ‚Das kann ich ihm nicht sagen.’
• musiec´ ‚müssen’
Matka mi zachorowaΩa i musiaΩem szukac´ doktora. ‚Meine Mutter wurde krank
und ich musste einen Arzt suchen.’
• nalez˙y ‚man muss/soll’
Nalez˙y myc´ owoce przed spoz˙yciem. ‚Obst muss man vor dem Verzehr waschen.’
• powinien ‚sollte’
Co´rka powinna ufac´ ojcu. ‚Eine Tochter sollte ihrem Vater vertrauen.’
• wypada ‚man soll’
Nie wypada s´piewac´ przy jedzeniu. ‚Man soll beim Essen nicht singen.’
• moz˙na ‚man kann’
Jak moz˙na mo´wic´ takie rzeczy! ‚Wie kann man solche Dinge sagen!’
• trzeba ‚man muss’
314 6. Auxiliare
Trzeba sie± pogodzic´ z faktami. ‚Man muss sich mit den Fakten arrangieren.’
Eine besondere Flexion hat das Auxiliar powinien ‚sollte’:
Präsens Singular
maskulin feminin neutrum
1. Person powinienem powinnam
2. Person powinienes´ powinnas´
3. Person powinien powinna powinno
Präsens Plural
maskulin-personal andere Genera
1. Person powinnis´my powinnys´my
2. Person powinnis´cie powinnys´cie
3. Person powinni powinny
‚miec´’
Präsens Singular
maskulin feminin neutrum
1. Person mam mam
2. Person masz masz
3. Person ma ma ma
6.4. Modalauxiliare 315
Präsens Plural
maskulin-personal andere Genera
1. Person mamy mamy
2. Person macie macie
3. Person maja± maja±
Präteritum Singular
maskulin feminin neutrum
1. Person miaΩem miaΩam
2. Person miaΩes´ miaΩas´
3. Person miaΩ miaΩa miaΩo
Präteritum Plural
maskulin-personal andere Genera
1. Person mielis´my miaΩys´my
2. Person mielis´cie miaΩys´cie
3. Person mieli miaΩy
‚móc’
Präsens Singular
maskulin feminin neutrum
1. Person moge± moge±
2. Person moz˙esz moz˙esz
3. Person moz˙e moz˙e moz˙e
Präsens Plural
maskulin-personal andere Genera
1. Person moz˙emy moz˙emy
2. Person moz˙ecie moz˙ecie
3. Person moga± moga±
Präteritum Singular
maskulin feminin neutrum
1. Person mogΩem mogΩam
2. Person mogΩes´ mogΩas´
3. Person mo´gΩ mogΩa mogΩo
316 6. Auxiliare
Präteritum Plural
maskulin-personal andere Genera
1. Person moglis´my mogΩys´my
2. Person moglis´cie mogΩys´cie
3. Person mogli mogΩy
Futur Singular
maskulin feminin neutrum
1. Person be±de± mo´gΩ be±de± mogΩa
2. Person be±dziesz mo´gΩ be±dziesz mogΩa
3. Person be±dzie mo´gΩ be±dzie mogΩa be±dzie mogΩo
Futur Plural
maskulin-personal andere Genera
1. Person be±dziemy mogli be±dziemy mogΩy
2. Person be±dziecie mogli be±dziecie mogΩy
3. Person be±da± mogli be±da± mogΩy
‚musiec´’
Präsens Singular
maskulin feminin neutrum
1. Person musze± musze±
2. Person musisz musisz
3. Person musi musi musi
Präsens Plural
maskulin-personal andere Genera
1. Person musimy musimy
2. Person musicie musicie
3. Person musza± musza±
Präteritum Singular
maskulin feminin neutrum
1. Person musiaΩem musiaΩam
2. Person musiaΩes´ musiaΩas´
3. Person musiaΩ musiaΩa musiaΩo
6.4. Modalauxiliare 317
Präteritum Plural
maskulin-personal andere Genera
1. Person musielis´my musiaΩys´my
2. Person musielis´cie musiaΩys´cie
3. Person musiali musiaΩy
Futur Singular
maskulin feminin neutrum
1. Person be±de± mo´gΩ be±de± mogΩa
2. Person be±dziesz mo´gΩ be±dziesz mogΩa
3. Person be±dzie mo´gΩ be±dzie mogΩa be±dzie mogΩo
Futur Plural
maskulin-personal andere Genera
1. Person be±dziemy mogli be±dziemy mogΩy
2. Person be±dziecie mogli be±dziecie mogΩy
3. Person be±da± mogli be±da± mogΩy
Syntaktische Besonderheiten finden sich bei den unpersönlichen Vertretern dieser Klasse.
Sie erfordern obligatorisch den Infinitiv und blockieren die Realisierung des ersten Argu-
ments des infinitivischen Verbs. Der Handlungsträger darf im Dativ nicht genannt werden
(falsch: *moz˙na mi zrobic´). So entsteht eine subjektlose Struktur:
Nalez˙y/trzeba/moz˙na stwierdzic´, z˙e to dzieΩo autorowi sie± nie udaΩo.
‚Man muss/kann feststellen, dass das Werk dem Autor nicht gelungen ist.’
moz˙na und trzeba bilden folgende Tempus- Modusformen:
• Präsens: Trzeba to zrobic´. ‚Das muss man machen.’
• Präteritum: Trzeba byΩo to zrobic´. ‚Das musste man machen.’
• Futur: Trzeba be±dzie to zrobic´. ‚Das wird man machen müssen.’
• Konjunktiv: Trzeba by to byΩo zrobic´. ‚Das müsste man machen.’
Daneben können die Auxiliare byc´ und miec´ auch in Verbindung mit einem deverbalen
Substantiv im Genitiv plus Präposition do Möglichkeit und Notwendigkeit ausdrücken.
Diese Konstruktion ist recht stark phraseologisch gebunden, d.h. nur mit bestimmten Ver-
ben erlaubt.
Mam cos´ do zaΩatwienia. ‚Ich habe etwas zu erledigen.’
Ta sprawa jest do zaΩatwienia. ‚Die Sache ist zu erledigen.’
318 6. Auxiliare
6.5. Phasenauxiliare
Phasenauxiliare (wyrazy posiΩkowe fazowe) bezeichnen den Beginn oder das Ende von
aktionalen Situationen. Die gleiche Bedeutung kann auch mit einem Präfix ausgedrückt
werden.
Piotr zacza±Ω s´piewac´. = Piotr zas´piewaΩ. ‚Piotr begann zu singen.’
Die meisten Phasenauxiliare haben syntaktische Homonyme, die nicht mit einem infinitivi-
schen Verb, sondern einem deverbalen Substantiv stehen. In diesem Falle liegen keine
Auxiliare, sondern Vollverben vor.
• zacza±c´/zaczynac´ ‚beginnen’ (Infinitiv oder als Vollverb mit Akkusativobjekt)
Piotr zacza±Ω pracowac´. ‚Piotr hat begonnen zu arbeiten.’ – Piotr zacza±Ω prace±.
‚Piotr hat die Arbeit begonnen.’
• przestac´/przestawac´ ‚aufhören’ (nur mit Infinitiv)
Rzemies´lnicy przestali pracowac´. ‚Die Handwerker haben aufgehört zu arbeiten.’
• kon´czyc´/skon´czyc´ oder zakon´czyc´ ‚beenden’ (Infinitiv oder als Vollverb mit Ak-
kusativobjekt)
Rzemies´lnicy skon´czyli tynkowac´ dom/tynkowanie domu. ‚Die Handwerker haben
das Haus fertig verputzt.’
Weitere Vollverben, die mit zacza±c´ synonym sind: ja±c´ und pocza±c´ + Verb im Infinitiv
(veraltet); wszcza±c´ + Substantiv (juristische Fachsprache).
Einen Sonderfall stellt das Verb (nicht) brauchen dar, da es die genannten Merkmale nur in
der schnell gesprochenen, saloppen Umgangssprache aufweist; Standard Klaus braucht
nicht zu kommen; Umgangssprache: Klaus brauch nicht kommen.
Die Modalverben sind semantisch miteinander verbunden, indem sie verschiedene
Arten von Möglichkeiten, Notwendigkeiten oder des Wollens ausdrücken. In den konkre-
ten Bedeutungen werden Möglichkeit und Notwendigkeit mit weiteren semantischen Kom-
ponenten angereichert, was zu drei grundlegenden Modalitätstypen führt:
• dynamische Modalität (modalnos´c´ dynamiczna): objektive Bedingungen ermög-
lichen oder erzwingen eine Handlung
Die Tür ist zu, deshalb müssen wir den Hausmeister rufen. – Drzwi sa± zamknie±te,
dlatego musimy zawoΩac´ dozorce±.
• deontische Modalität (modalnos´c´ deontyczna): Erlaubnis, Gebot oder Verbot be-
dingen eine Handlung
Im Flur darf man nicht spielen. – Nie wolno grac´ na korytarzu.
Die Studenten müssen an den Übungen teilnehmen. – Studenci musza± brac´ udziaΩ
w c´wiczeniach.
• epistemische Modalität (modalnos´c´ epistemiczna): die Handlung wird bewertet
in Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung
Kowalski könnte der Mörder gewesen sein. – Morderca± mo´gΩ byc´ Kowalski.
Der Brief muss nicht angekommen sein. – List musiaΩ nie dojs´c´.
Die Modalverben treten mit einem infinitivischen Verb auf und fungieren als dessen syn-
taktische Begleiter; d.h. sie zählen prinzipiell nicht zu den Autosemantika, sondern zu den
Synsemantika. Aus diesem Grunde werden sie trotz ihrer typisch verbalen Morphologie
nicht zur Wortart der Verben gezählt: sie sind Auxiliare. Ihr Begleitercharakter bedingt,
dass sie sich in der Regel mit allen Typen von Verben verbinden können.
Modalverben zeichnen sich durch eine ausgespochene Polyfunktionalität aus. Ne-
ben den Modalitätstypen ‚dynamisch’, ‚deontisch’ und ‚epistemisch’ können einige von
ihnen Bedeutungen aus anderen funktionalsemantischen Feldern wie Temporalität und
Konditionalität ausdrücken. Darüber hinaus finden sich funktionale Alternationen, die den
Wortartstatus der Modalverben ändern; einige Modalverben erlauben nämlich die Verbin-
dung mit einem Objektsatz oder einem substantivischen Objekt; in diesem Falle liegt ein
Vollverb vor, das u.U. eine nichtmodale Bedeutung hat:
Ich will, dass du morgen kommst. – Chce±, z˙ebys´ jutro przyszedΩ.
Ich mag keine Hunde. – Nie lubie± z˙adnych pso´w.
320 6. Auxiliare
Die polnischen Modalauxiliare haben weder eigene Formen noch eine spezifische Syntax.
Anders als im Deutschen gibt es nicht nur persönliche, sondern auch unpersönliche Moda-
lauxiliare.
Moz˙emy wejs´c´. – Wir können hineingehen. vs. Moz˙na wejs´c´. – Man kann hinein-
gehen.
Wenn wir etwas vergleichen, indem wir eine einmalige Handlung ‚lieber’ als eine andere
ausführen ‚möchten’, gebrauchen wir das Verb wolec´.
Ich möchte lieber nach Polen fahren. – WolaΩbym raczej pojechac´ do Polski.
Außerdem gibt es die unpersönlichen Modalverben trzeba, nalez˙y und wypada. In ihnen
bleibt die ausführende Person unausgedrückt. Während trzeba stilistisch unmarkiert ist,
sind nalez˙y und das seltene wypada vor allem in der Schriftsprache vertreten.
Wyrok zapadΩ, trzeba sie± pogodzic´ z faktami. – Das Urteil ist gefällt, man muss
sich mit den Fakten arrangieren.’
Ten wyraz nalez˙y/wypada zaliczyc´ do liczebniko´w. – Diesen Ausdruck muss man
zu den Numeralia zählen.
müssen 2: In seiner epistemischen Verwendung signalisiert dieses Modalverb, dass der
Sprecher aufgrund bestimmter Indizien zu bestimmten Schlussfolgerungen gekommen ist
(starke Vermutung). Als Äquivalente treten powinien, musiec´ und die Modalpartikeln chy-
ba, na pewno, zapewne auf.
Er muss gleich zurückkommen. – Powinien zaraz wro´cic´.
Sie muss ihn nicht gesehen haben. – MusiaΩa go nie widziec´. – Na pewno/chyba go
nie widziaΩa.
Tritt das epistemische Modalverb müssen im Konjunktiv II auf, liegt eine Vermutung mit
einem geringeren Grad an Überzeugtheit vor. In diesem Falle verfährt das Polnische expli-
zit (s. dürfen 2).
Er müsste nach Hause gegangen sein. – Przypuszczam, z˙e poszedΩ do domu. –
Chyba/pewno/przypuszczalnie/prawdopodobnie poszedΩ do domu.
(nicht)
brauchen (nie) musiec´, (nie) potrzebowac´ Du brauchst nicht zu kommen.
müssen 1 musiec´, trzeba, wypada, nalez˙y Wir müssen einen Arzt holen.
müssen 2 musiec´, powinien, pewno, chyba, Der Brief muss nicht angekommen
przypuszczalnie, prawdopodob- sein.
nie, zapewne, przypuszczam, z˙e
6.6. Exkurs: Wiedergabe deutscher Modalverben 327
Verb-Derivate
desubstanti- deadjektivische deverbale
vische u.a.
lexikalische grammatische
(film (powszechny (pisac´ ‚schreiben’ >) (podpisac´-) podpisywac´
‚Film’>) ‚allgemein’ >) podpisa´c ‚unter- ‚unterschreiben’
filmowac ´ upowszechnic´ schreiben’ (wyjs´c´-) wychodzic´ ‚hinausgehen’
‚filmen’ ‚verbreiten’ (is´c´ ‚gehen’ >) wyjs´c´ (upowszechnic´ –) upowszechniac´
‚hinausgehen’ ‚verbreiten’
(biegac´ ‚laufen’ >) (filmowac´ –) sfilmowac ‚filmen’
wybiegac´ sie˛ ‚sich (witac´ –) powitac´ ‚begrüßen’
müde laufen’ (pracowac´ –) popracowac´ [12
godzin] ‚[12 Std.] arbeiten’
Neben eindeutigen Derivationen mit neuer lexikalischer Bedeutung (is´c´ ‚gehen’ > wyjs´c´
‚hinausgehen’) oder rein grammatischer Veränderung unter Beibehaltung der lexikalischen
Bedeutung (witac´ – powitac´ ‚begrüßen’; wyjs´c´ – wychodzic´ ‚hinausgehen’) gibt es auch
eine Reihe von Derivat-Typen, die als Übergangsfälle zwischen lexikalischer und gram-
matischer Derivation anzusehen sind, z.B. popracowac´ [12 godzin] ‚[12 Std.] arbeiten’. Es
ist klar, dass die Grenze zwischen lexikalischen und grammatischen Derivaten je nach
Theorie verschiedenen angesetzt wird, manchmal wird auch getan, als ob man den Über-
gangscharakter vieler Derivate einfach ignorieren könne.
7.1. Wortbildung der Verben 329
partner gebildet. Grammatische Derivate sind die von lexikalischen Derivaten oder von
nicht derivierten Verben (d.h. von Simplizia) abgeleiteten Aspektpartner.
Da ein großer Teil der Präfixe neben den mehr oder weniger grammatischen
Funktionen auch eine räumliche sowie andere Funktion haben können, ergibt sich die Tat-
sache, dass ein Präfix sowohl eine lexikalische lokale und lexikalische nicht lokale, als
auch eine grammatische aspektuelle Funktion haben kann. Vgl. zu na-
– Lokale Bedeutung: na-rzucic´ (cos´ na cos´) ‚etwas auf etwas werfen’
– Nicht lokale Bedeutung (so genannte kumulative Aktionsart’): na-kupic´ (> naku-
powac´ [prezento´w]) ‚eine Menge [Geschenke zusammen-]kaufen’
– Gramm. Funktion na-pisac´ pf. ‚schreiben’ (so genannte resultative Aktionsart)
‚Aktionsarten’
Darüber, welche Derivate als Aspektpartner zu gelten haben, gehen die Meinungen ausein-
ander. Entsprechend einer lange verbreiteten Ansicht wurden neben – genaugenommen
zwischen – dem grammatischen Aspekt und der lexikalischen Derivation so genannte Ak-
tionsarten angenommen (rodzaj czynnos´ci). Sie wurden meist als Gruppen von Derivaten
mit bestimmten, nicht lokalen Bedeutungen bestimmt, teilweise auch als Derivate ohne
eigenen Aspektpartner. Daneben gibt es weitere ganz andere Definitionen des Terminus
‚Aktionsart’. Zwei Traditionslinien sind besonders weit voneinander entfernt:
Als funktionale Kategorie wurden die Aktionsarten von der indogermanistischen
Lehre vom Verb begründet. Entsprechend den notwendigen Differenzierungen der Ebenen
entspricht diesem Begriff das, was hier als Lexikalische Aktionale Funktion und als
aspektuelle Satzfunktionen bezeichnet wird. In der angelsächsischen Literatur wird der
Terminus ‚Aktionsart’ vor allem in diesem Sinne verstanden.
Als formal-funktionale Kategorie wurde sie in der struktualistischen Slavistik,
ausgehend von einer Arbeit zu den polnischen ‚Aktionsarten’ (Agrell 1908) verbreitet. In
diesem Sinne wird der Begriff der Aktionsart vor allem dann gebraucht, wenn man eine
scharfe Grenze ziehen will zwischen einem als Flexion verstandenen Aspekt und lexikali-
schen Derivaten. Aspektpartner sind bei dieser Konzeption nur die durch Suffigierung mit
{-wa-, -a-} abgeleiteten ‚Verbformen’.
Diese Konzeption ist in der Polonistik nicht heimisch geworden. Es gibt dann be-
trächtliche Probleme mit den Verben, die auf irgendeine Weise zwischen diesen Polen
angesiedelt sind. Dies betrifft vor allem präfigierte Derivate wie napisac´ (pf. zu pisac´´
‚schreiben’) oder zaproponowac´ (pf. zu proponowac´ ‚anbieten’). Sie sind keine lexikali-
schen Derivate wie narzucic´ ‚werfen auf’ oder zajechac´ ‚ankommen’), aber auch keine
relativ regelmäßigen Ableitungen wie die durch Suffigierung mit {-wa-, -a-}. Für solche
Übergangsfälle hat man die Kategorie der Aktionsart-Verben eingeführt.
Die hier bevorzugte, funktional orientierte Darstellung führt dazu, dass einige Ty-
pen von Aktionsart-Verben unten bei den lexikalischen Derivaten beschrieben werden
7.1. Wortbildung der Verben 331
do-
• die betreffende Handlung erreicht eine räumliche oder zeitliche Grenze: dobiec
‚beim Laufen das Ziel erreichen’, dojechac´ ‚beim Fahren oder Reiten ans Ziel
kommen’, doz˙yc´ ‚etwas (noch) erleben’
332 7. Verben
• die betreffende Handlung wird bis zu Ende geführt, z.B. doczytac´ ‚zu Ende le-
sen’, dogotowac´´ ‚zu Ende, gar kochen’, dopic´ ‚leer trinken’
• die betreffende Handlung wird zusätzlich, komplementär ausgeführt, z.B. doku-
pic´ ‚hinzukaufen’, dolac´ ‚(zu)gießen’, dosypac´´ ‚hinzu-, vollschütten’
• etwas auf etwas anwenden, an etwas anpassen: dopasowac´ ‚anpassen, passend
zusammenstellen’, dostroic´ ‚(ab)stimmen’, doro´wnac´ ‚(jdm.) gleichkommen’
na-
• die betreffende Handlung wird in Richtung auf die Oberfläche eines Gegenstands
ausgeführt, z.B. nakleic´ ‚aufkleben’, nakres´lic´ ‚aufzeichnen’
• die betreffende Handlung wird intensiv durchgeführt, z.B. nazbierac´ ‚viel sam-
meln’, narwac´ ‚viel pflücken’, naprodukowac´ ‚viel produzieren’;
• die betreffende Handlung wird bis zur (Über-)Sättigung durchgeführt (sog. satu-
rative Aktionsart): napracowac´ sie˛ ‚sich müde arbeiten, abarbeiten’, nachodzic´
sie˛ ‚sich müde gehen’, name˛czyc´ sie˛ ‚sich abplagen’
nad-
• sich räumlich (oder zeitlich) annähern, z.B. nadjechac´ ‚angefahren kommen’,
nadpΩyna˛c´ ‚heranschwimmen’, nadleciec´ ‚herangeflogen kommen’
• den betreffenden Bestand verringern oder vergrößeren, z.B. nadpic´ ‚ein wenig
abtrinken’, nadsypac´ ‚über das Maß, hinzuschütten’, nadΩoz˙yc´ ‚hinzulegen,
-geben’
• die betreffende Handlung anfangen, z.B. nadΩamac´ ‚an-, nicht ganz durchbre-
chen’, nadgryz´c´ ‚anbeißen, -nagen’, nadgnic´ ‚anfaulen’
o-/ob(e)-
• mit der betreffenden Handlung etwas von verschiedenen Seiten umgeben, z.B.
ogrodzic´ ‚umzäunen’, opakowac´´ ‚verpacken’, otoczyc´ ‚umgeben; belagern’
• sich nach unten bewegen, z.B. osuna∞c´ ‚ab- heruntersinken; (nieder)sinken’, opa-
dac´ ‚fallen’
• etwas von etwas abtrennen, z.B. obcia˛c´ ‚ab-, beschneiden’, oberwac´ ‚abreißen;
pflücken’, obΩamac´ ‚abreißen’
• mit der betreffenden Handlung etwas im Übermaß tun’, z.B. opic´ sie˛ ‚sich be-
trinken’, obΩowic´ sie˛ ‚sich eine goldene Nase verdienen’
o- und ob(e)- treten nebeneinander in der gleichen Funktion, o- und ob- auch in der glei-
chen Position auf, z.B. owina˛c´/obwina˛c´ ‚umwickeln’, okleic´/obkleic´ ‚bekleben’; ob- er-
scheint regelmäßig vor Vokalen, oborac´ ‚umpflügen’, obostrzyc´ ‚verschärfen’, vor einigen
Konsonanten oft, z.B. obmarzna˛c´ ‚sich mit Reif, einer dünnen Eisschicht bedecken’,
obΩupac´ ‚abschälen’, nicht vor b, p; genaue Regeln über die Anwendung der Varianten gibt
7.1. Wortbildung der Verben 333
es nicht; obe- tritt vor einigen Konsonantenkombinationen auf, z.B. obe-schna˛c´ ‚abtrock-
nen, trocken werden’, obe-drzec´ ‚abreißen, abziehen, berauben’.
Manchmal entsprechen den beiden präfixalen Formen verschiedene Bedeutungen,
z.B. omawiac´ ‚erörtern’ – obmawiac´ ‚verleumden’, oszukac´ ‚betrügen’ – obszukac´ ‚durch-
suchen’.
od(e)-
• ‚sich entfernen’, z.B. odjechac´ ‚wegfahren’, odpΩyna˛c´ ‚fortschwimmen; able-
gen’, odpe˛dzic´ ‚wegjagen’
• ‚etwas entfernen’, z.B. odcia˛c´ ‚abtrennen’, odkroic´ ‚abschneiden’, odpruc´ ‚(Ge-
nähtes) (ab)trennen’, odsΩonic´ ‚enthüllen’ odkryc´´ ‚ab-, aufdecken’, ods´niez˙yc´
‚Schnee räumen’, odwapnic´ ‚entkalken’;
• die betreffende Handlung wird wiederholt, häufig unter Rückführung in den ur-
sprünglichen Zustand, z.B. odbudowac´ ‚wiederaufbauen, restaurieren’ odzyskac´´
‚(zu)rückgewinnen’, odgrzac´ ‚aufwärmen’
• die betreffende Handlung wird von einer anderen Person erwidert, beantwortet,
z.B. odpisac´ ‚Brief beantworten’, odkΩonic´ sie˛ ‚Gruß erwidern’, odpΩacic´ ‚heim-
zahlen, vergelten’
• die betreffende Handlung erfolgreich zuende bringen, z.B. odratowac´ ‚(vor dem
Tod) retten’, odcierpiec´ ‚verbüßen’
• die betreffende Handlung nach einem Vorbild ausführen, z.B. odrysowac´ ‚ab-
zeichnen’, odpisac´ ‚abschreiben’
po-
• die betreffende Handlung ist auf mehrere Beteiligte verteilt (sog. distributive
Aktionsart), z.B. pobudzic´ ‚(mehrere Personen) aufwecken’, pouciekac´ ‚nachein-
ander weglaufen’, pozmywac´ (talerze) ‚(Teller) abwaschen’, powybiegac´ ‚hi-
nauslaufen (mehrere Personen)’, pope˛kac´ (buty) ‚an mehreren Stellen platzen
(Schuhe)’
• die betreffende Handlung wird mit geringem Intensitätsgrad wiederholt , z.B.
pobolewac´ ‚kränkeln’, popΩakiwac´ ‚wiederholt leise weinen’.
Diese Derivate werden besonders von ipf. Derivaten fast regelhaft, nie von pf.
Verben gebildet. Po- ist sonst vor allem ein grammatisches Aspektpräfix mit ver-
schiedenenen Funktionen.
pod-
• die betreffende Handlung wird unterhalb eines Gegenstands ausgeführt, z.B.
podpisac´ ‚unterschreiben’, podkopac´ ‚untergraben’, podmyc´ ‚unterhöhlen’
334 7. Verben
• die betreffende Bewegung wird von oben nach unten ausgeführt, z.B. podnies´c´
‚hochklappen’, podskoczyc´ ‚hochspringen’
• mit der betreffenden Bewegung nähert sich das Subjekt einem Ort, z.B. podbiec
‚heranlaufen’, podpΩyna˛c´ ‚heranschwimmen’, podprowadzic´ ‚heranführen’
• die betreffende Handlung erreicht nur teilweise das Ziel (sog. attenuative Akti-
onsart), z.B. podleczyc´ ‚weitgehend gesund machen’, podsuszyc´ ‚ein wenig
trocknen’, poduczyc´ ‚einige Kenntnisse beibringen’
• die betreffende Handlung wird verborgen gehalten, z.B. podpatrzyc´ ‚heimlich
beobachten’, podsΩuchac´ ‚lauschen’
Beim Zusammentreffen einiger Konsonanten tritt das Präfix in der Variante po-
de- auf, z.B. pode-schna˛c´ ‚ein wenig trocken werden’.
prze-
• die betreffende Handlung durchläuft einen bestimmten Abschnitt, z.B. przebiec
‚durchlaufen’, przejechac´ ‚durchfahren, -reisen’ przeleciec´ ‚vorüberfliegen’
• mit der Handlung wird etwas durchgeteilt, durchdrungen, z.B. przebic´ ‚durch-
schlagen’, przecia˛c´ ‚durchschneiden’, przes´wietlic´ ‚durchleuchten’
• mit der betreffenden Handlung werden Richtung oder Ort gewechselt, z.B. prze-
nies´c´ ‚irgendwohin tragen’, przesuna˛c´ ‚verschieben’, przesadzic´ ‚umpflanzen’
• die betreffende Handlung wird erneut, meist in veränderter Form durchgeführt,
z.B. przebudowac´ ‚umbauen’, przedrukowac´ ‚nachdrucken’, przepisac´ ‚ab-, um-
schreiben’
• die betreffende Handlung wird mit übermäßiger Intensität realisiert, z.B.
przeΩadowac´ ‚überladen’, przesΩodzic´ ‚zu stark süßen’
• mit der betreffenden Handlung wird etwas verloren, verschwendet, z.B.
przegrac´ ‚verlieren’, przepic´ ‚vertrinken’
• das betreffende Denken oder Tun bezieht sich auf etwas Bevorstehendes, z.B.
przeczuc´ ‚vorausahnen’, przewidziec´ ‚voraussehen’, przepowiedziec´ ‚voraussa-
gen’
przed-
• Die betreffende Handlung wird im Gegenüber zu jemandem gemacht, z.B.
przedstawic´ ‚vorstellen’, przedΩoz˙yc´ ‚unterbreiten’.
przy-
• die betreffende Handlung erreicht den Sprecher oder eine vorerwähnte Person als
Ziel, z.B. przyprowadzic´ ‚herbeiführen’, przybyc´ ‚eintreffen’
• mit der betreffenden Handlung wird etwas zu einer Ganzheit verbunden, z.B.
przybic´ ‚anschlagen, -nageln’, przykleic´ ‚ankleben’, przyszyc´ ‚annähen’
7.1. Wortbildung der Verben 335
• die betreffende Handlung wird nur teilweise ausgeführt, z.B. przycichna˛c´ ‚ein
wenig ruhiger werden’, przywie˛dna˛c´ ‚ein wenig welken’, przyciemnic´ ‚ein wenig
dunkler machen, dämpfen’
(S. u. auch przy- in Kombination mit Suffix.)
roz-
• die betreffende Handlung wird in verschiedene Richtungen ausgeführt, z.B. roz-
nies´c´ ‚umherreichen; verbreiten’, rozbiec sie˛ ‚auseinanderlaufen, sich zerstreu-
en’, rozlac´ ‚verschütten, vergießen’
• mit der betreffenden Handlung wird etwas zerkleinert, zerstückelt, z.B. rozkru-
szyc´ ‚zerbröckeln, zertrümmern’, rozgrys´c´ ‚zernagen, -beißen’
• mit der betreffendem Handlung wird der Bestand an etwas erschöpft, z.B. rozdac´
‚ver-, austeilen’, rozkupic´ ‚aufkaufen’
• mit der betreffenden Handlung wird die Wirkung einer anderen rückgängig ge-
macht, z.B. rozΩadowac´ ‚abladen’, rozmys´lic´ sie˛ ‚sich es anders überlegen’;
• mit der betreffenden Handlung werden Umfang oder Intensität von etwas ver-
größert, z.B. rozmnoz˙yc´ ‚vermehren’, rozbudowac´ ‚ausbauen’, rozszerzyc´ ‚er-
weitern expandieren’
• mit der Handlung setzt ein Vorgang ein, z.B. rozkwitna˛c´ ‚aufblühen’
Bei der Kombination von Konsonanten tritt die Variante roze- auf, s. roze-s´miac´
sie˛ ‚in Gelächer ausbrechen’.
u-
• mit der betreffenden Handlung wird etwas entfernt, z.B. usuna˛c´ ‚entfernen’,
ucia˛c´ ‚abschneiden’, uprowadzic´ ‚wegführen’, ujs´c´ ‚weggehen’;
• mit der betreffenden Handlung wird ein gewünschtes Ziel erreicht, z.B. ukoΩysac´
‚in den Schlaf wiegen’.
w-
• mit der betreffenden Handlung bewegt sich jemand in etwas hinein oder wird in
etwas bewegt, z.B. wleciec´ ‚hineinfliegen’, wpΩyna∞c´ ‚hineinschwimmen’, wbic´
‚(etwas) einschlagen’; auch übertragen: wliczyc´ ‚zählen zu’;
• die betreffende Handlung wird intensiver oder ist intensiv, z.B. wczytac´ sie˛ ‚sich
einlesen’, wpatrzyc´ sie˛ ‚anstarren’;
Bei der Kombination von Konsonanten tritt die Variante we- auf, s. wejs´c´ ‚hinein-
gehen’, wepchna˛c´ ‚hineinstopfen’.
336 7. Verben
wy-
• mit der betreffenden Handlung bewegt sich jemand bzw. wird etwas bewegt von
innen nach außen oder von unten nach oben, z.B. wybiec ‚hinaus-/herauslaufen’,
wyjechac´ ‚hinaus-/herausfahren’, wyrzucic´ ‚hinaus-/herauswerfen’
• (mit sie˛) die betreffende Handlung wird bis zur Sättigung oder Übersättigung
durchgeführt, z.B. wyspac´´ sie˛ ‚lange schlafen, ausschlafen’, wybiegac´ sie˛ ‚sich
müde laufen, auslaufen’, wycierpiec´ sie˛ ‚ausstehen, ausleiden’
z-
• mit der betreffenden Handlung geschieht das Zusammenfügen zu einer Ganzheit
oder das Zusammengehen oder Zusammenbringen an einen Ort, z.B. zestawic´
‚zusammen stellen’, zsypac´ ‚zusammenschütten’, zejs´c´ sie˛ ‚zusammenkom-
men’, zbiec sie˛ ‚zusammenrennen’
• mit der betreffenden Handlung bewegt sich jemand bzw. wird etwas bewegt von
oben nach unten, z.B. zbiec ‚hinunter-/herunterlaufen’, zjechac´ ‚hinunter-/herun-
terfahren’, zeskoczyc´ ‚hinunter-/herunterspringen’
• mit der betreffenden Handlung geschieht das (Sich-) Entfernen von einem Ort,
z.B. zdrapac´ ‚abkratzen’, zetrzec´ ‚abreiben’, zmyc´ ‚abwaschen’, znikna˛c´ ‚ver-
schwinden’
Statt z- steht ze-, außer vor Vokalen und stimmhaften Konsonanten sowie s, sz und h, s.
zetrzec´ ‚abwischen, ausradieren’, zeskoczyc´ ‚abspringen’, zestawic´´ ‚herunterstellen’, zejs´c´
sie˛ ‚zusammenkommen’.
za-
• mit dem betreffenden Vorgang wird eine Grenze erreicht, z.B. zajechac´ ‚an-
kommen, vorbei-, vorfahren’, zajs´c´ ‚ankommen, vorbeischauen’
• mit dem betreffenden Vorgang wird ein Hindernis errichtet, z.B. zabiec (komus´
droge˛) ‚jemandem den Weg versperren’, zagrodzic´ (komus´ przejs´cie) ‚jeman-
dem den Weg versperren’
• mit dem betreffenden Vorgang wird etwas be-, ab-, zugedeckt, unzugänglich
gemacht, z.B.; zabudowac´ ‚zu-, bebauen’, zarosna˛c´ ‚be-, zuwachsen’, zamuro-
wac´ ‚zumauern’, zagrzebac´ ‚vergraben’
• mit dem betreffenden Vorgang wird eine Grenze überschritten, z.B. zapracowac´
sie˛ ‚sich überarbeiten’, zasiedziec´ sie˛ ‚sich festsetzen’
• mit dem betreffenden Vorgang wird ein Teil erfasst zadrapac´ ‚aufkratzen’, za-
cia˛c´ ‚verletzen’
7.1. Wortbildung der Verben 337
• für Handlungen, bei denen das vom motivierenden Substantiv Bezeichnete In-
strument oder Material ist, z.B. piΩowac´ ‚sägen’, s´widrowac´ ‚bohren’, asfalto-
wac´ ‚asfaltieren’
• für Handlungen, bei denen das vom motivierenden Substantiv Bezeichnete auf
andere Weise beteiligt ist, z.B. plaz˙owac´ ‚Zeit am Strand verbringen’, wagaro-
wac´ ‚die Schule schwänzen’ (< wagary ‚Schulschwänzen’)
Dieser Wortbildungstyp ist sehr produktiv.
Die präfixal-suffixale Derivation mit u-/po- … -ic´/-yc´ hat meist die Funktion ‚etwas zu
etwas machen’, z.B. uintensywnic´ ‚intensivieren’, polepszyc´ ‚schöner machen’; die Ablei-
tung wird von Adjektiven vorgenommen.
Verben mit od- … -ic´/-yc´ werden von Adjektiven oder Substantiven abgeleitet und
referieren auf das Entfernen der vom motivierenden Stamm bezeichneten Erscheinung, z.B.
ods´niez˙yc´ ‚vom Schnee befreien’.
Verben mit -za (und do- ‚hinzu-’) werden von Substantiven abgeleitet, die Verben
mit za- bezeichnen das Bedecken mit der vom motivierenden Wort bezeichneten Erschei-
nung, z.B. zalesic´ ‚mit Wald bedecken’, zabΩocic´ ‚beschmutzen’.
Gilt die lexikalische Beschreibung für eine beliebige Phase einer Situation, dann
hat das Lexem Verlaufsfunktion, vgl. pΩakac´ ‚weinen’; im Derivat popΩakac´ ist
die Eigenschaft der Mehrphasigkeit der Situation des Weinens überlagert durch
die Funktion des perfektivierenden Affixes, das Einphasigkeit vermittelt.
Gilt die lexikalische Beschreibung für genau eine Phase zwischen zwei Stadien,
dann hat das Lexem Ereignis-Funktion, vgl. zmyc´ – zmywac´ ‚auswaschen’; die
Einphasigkeit der Situation des Auswaschens wird durch die Funktion des imper-
fektivierende Suffixes überlagert, wenn es die Aspektfunktion ‚episodischer
Verlauf’ hat, die vom Verb dargestellte Situation ist dann mehrphasig.
Gilt die lexikalische Beschreibung für die ganze Situation ohne jeweils ein Stadium
davor und danach, dann hat das Lexem stative Funktion, vgl. wiedziec´.
7.2.2. Rektionsmodelle
Rektionsmodelle (modele Ωa±czliwos´ci) basieren auf den vor allem Verben eigenen Argu-
mentstrukturen (struktury argumentowe). Darunter verstehen wir hier die Fähigkeit
sprachlicher Einheiten, Leerstellen für andere Einheiten zu eröffnen und damit diese an
sich zu binden. Argumente versprachlichen Teilnehmer des durch ein Prädikat ausge-
drückten Sachverhalts. Der durch das Verb czytac´ ‚lesen’ ausgedrückte Sachverhalt hat
zwei Partizipanten: eines für den Leser, und eines für das Leseobjekt (Buch o.ä.). Entspre-
chend eröffnet das Verb czytac´ zwei Argumentstellen. Wir sprechen von Rektion, wenn
den Argumenten eine bestimmte morphologische oder syntaktische Form zugeordnet wird.
Typischerweise wird der Kasus des gebundenen Worts festgelegt. Dabei ist zu beachten,
dass oft keine syntaktische Äquivalenz zum Deutschen vorliegt.
przeszkadzac´ + Dativ – stören + Akkusativ
Die meisten polnischen Verben sind transitiv (przechodni); d.h. sie regieren ein direktes
Objekt im Akkusativ bzw. im Genitiv nach Verneinung. Sie können im Prinzip ein Partizip
Passiv bilden. Die folgende Liste ausgewählter Rektionsmodelle bezieht sich auf einzelne
Lexeme, d.h. auf jeweils nur eine Bedeutung des Verbs; denn verschiedene Bedeutungen
können sich in der Rektion niederschlagen.
operowac´ 1: Lekarz operuje chorego. ‚Der Arzt operiert den Kranken.’ (Akku-
sativ)
operowac´ 2: Autor zre±cznie operuje metafora±. ‚Der Autor geht geschickt mit der
Metapher um.’ (Instrumental)
operowac´ 3: OddziaΩy partyzanckie operowaΩy w rejonie miejscowos´ci Staszo´w.
‚Die Partisanenabteilungen operierten im Umkreis der Ortschaft Staszo´w.’ (Präpo-
sitiv)
Außerdem kann ein und dieselbe Bedeutung mehr als ein Rektionsmuster aufweisen:
340 7. Verben
chciec´ + Verb im Infinitiv: Chce˛ studiowac´ w Polsce. ‚Ich will in Polen studieren.’
chciec´ + Nebensatz mit z˙eby: Chce±, z˙ebys´ studiowaΩ w Polsce. ‚Ich will, dass du in
Polen studierst.’
Die Grundklassifikation der Rektionsmodelle beruht auf folgenden Eigenschaften der Ver-
ben:
• Anzahl der eröffneten Leerstellen: null-, ein-, zwei- und drei-stellig
• Art der sprachlichen Ausdrücke, die diese Leerstellen besetzen: gegenständlich
vs. propositional;
Gegenständliche Argumente werden typischerweise durch Substantive realisiert, proposi-
tionale Argumente, also solche, die ihrerseits wieder als Prädikate funktionieren, durch
Verben oder ganze Sätze. Das Verb czytac´ in Piotr czyta ksia±z˙ke± hat zwei gegenständliche
Argumente: Piotr und ksia±z˙ka; das Verb zapomniec´ hat gleichfalls zwei Argumente, von
denen jedoch nur das erste gegenständlich ist, das zweite hingegen propositional sein kann.
In Asystent zapomniaΩ odebrac´ wynik ‚Der Assistent vergaß das Ergebnis abzuholen’ ist die
Stelle des ersten Arguments besetzt durch das Substantiv asystent, die des zweiten durch
ein Verb im Infinitiv (odebrac´).
Die folgenden Listen von Rektionsmodellen stellen jeweils eine Auswahl von
Verben dar, sind also nicht vollständig.
a) Null-stellige Verben
Dies sind Verben, die ausschließlich in der dritten Person Singular auftreten und weder
Subjekt noch Objekt haben. Meist handelt es sich um Verben für Witterungen und Verän-
derungen in der Natur. Ihnen entsprechen im Deutschen meist Verben mit dem semantisch
leeren Subjekt es. Null-stellige Verben sind nicht passivierbar.
dnieje ‚es wird Tag’
s´wita ‚es wird Tag’
zmierzcha sie± ‚es dämmert’
s´ciemnia sie± ‚es wird dunkel’
ozie±bia sie± ‚es kühlt sich ab’
pada ‚es regnet/schneit’
cia±gnie ‚es zieht’
Von den Verben, die in allen Bedeutungen null-stellig sind, müssen diejenigen abgesondert
werden, für die dies nur in einer Bedeutung zutrifft.
grzmi ‚es donnert’ – Grzmi bitwa. ‚Es donnert die Schlacht.’
bΩyska ‚es blitzt’ – SΩon´ce bΩyska zza chmur. ‚Die Sonne blitzt hinter den Wolken
hervor.’
7.2. Lexikalisch-grammatische Subkategorien des Verbs 341
Wieje. ‚Es weht.’ – WiaΩ silny wicher z po´Ωnocy. ‚Aus Norden wehte ein starker
Wirbelsturm.’
Ebenfalls subjektlos sind die Verben, die körperliche und psychische Empfindungen bzw.
Leiden versprachlichen. Die Person ist kein aktiv Handelnder, sondern empfindet bzw.
erleidet etwas. Dieser Handlungsträger kann im Dativ als Objekt auftreten. Diese Verben
werden auch als unpersönlich gebrauchte persönliche Verben bezeichnet.
Boli mnie w kolanie. ‚Ich habe Schmerzen im Knie.’
KΩuje mnie w boku. ‚Ich habe ein Stechen in der Seite.’
Swe±dzi mnie. ‚Es juckt mich.’
SprzykrzyΩo mi sie±. ‚Ich bin dessen überdrüssig.’
Ulz˙yΩo mi. ‚Ich war erleichtert.’
Mdli mnie. ‚Mir ist schlecht.’
Kre±ci mi sie± w gΩowie. ‚Mir dreht sich der Kopf.’
Szumi mi w uszach. ‚Mir dröhnt der Kopf.’
b) Ein-stellige Verben
c) Zwei-stellige Verben
do + Genitiv
da±z˙yc´ do czegos´ ‚nach etwas streben’
dochodzic´ do czegos´ ‚etwas erreichen’
doprowadzic´ do czegos´ ‚zu etwas führen’
dopuszczac´ do czegos´ ‚etwas zulassen’
dzwonic´ do kogos´ ‚jemanden anrufen’
nalez˙ec´ do czegos´/kogos´ ‚zu etwas/jemandem gehören’
odzywac´ sie± do kogos´ ‚jemanden anreden’
pasowac´ do czegos´ ‚zu etwas passen’
przemawiac´ do kogos´ ‚jemanden ansprechen’
te±sknic´ do czegos´ ‚sich nach etwas sehnen’
zmierzac´ do czegos´ ‚sich in Richtung auf etwas/jemanden bewegen’
z + Genitiv
korzystac´ z czegos´ ‚etwas gebrauchen’
• Verben mit Dativobjekt
ufac´ komus´ ,jemandem vertrauen’
ulegac´ czemus´ ‚etwas unterliegen’
• Verben mit Akkusativobjekt
czytac´ cos´ ‚etwas lesen’
witac´ kogos´ ‚jemanden begrüßen’
z˙egnac´ kogos´ ‚jemanden verabschieden’
miec´ cos´ ‚etwas haben’
jes´c´ cos´ ‚etwas essen’
• Verben mit Instrumentalobjekt
handlowac´ czyms´ ‚mit etwas handeln’
kierowac´ czyms´ ‚etwas leiten’
kiwac´ gΩowa± ‚mit dem Kopf nicken’
rza±dzic´ czyms´ (krajem) ‚etwas regieren (Land)’
wΩadac´ czyms´ ‚etwas beherrschen’
344 7. Verben
c) Verben für mentale Prozesse: Die mentalen Verben können nach der Form des proposi-
tionalen Arguments eingeteilt werden.
• Akkusativobjekt oder Objektsatz
przeczuwac´ cos´ / przeczuwac´‚ z˙e ‚etwas ahnen / ahnen, dass’
przewidywac´ cos´ / przewidywac´, z˙e ‚etwas vorhersehen / vorhersehen, dass’
rozumiec´ cos´/ rozumiec´, z˙e ‚etwas verstehen / verstehen, dass’
rozwaz˙yc´ cos´ / rozwaz˙yc´ czy ‚etwas abwägen / abwägen, dass’
oczekiwac´ cos´ / oczekiwac´, z˙e ‚etwas erwarten / erwarten, dass’
przypominac´ sobie cos´ / przypominac´ sobie, z˙e ‚sich an etwas erinnern / sich
daran erinnern, dass’
• Objektsatz
wierzyc´‚ z˙e ‚glauben, dass’
sa±dzic´‚ z˙e ‚meinen, dass’
utrzymywac´‚ z˙e ‚behaupten, dass’
• Sonstige
domys´lac´ sie± czegos´ / domys´lac´ sie±‚ z˙e ‚etwas vermuten / vermuten, dass’
mys´lec´ o czyms´ / mys´lec´‚ z˙e ‚an etwas denken / denken, dass’
marzyc´ o czyms´ / marzyc´‚ z˙e ‚von etwas träumen / träumen, dass’
d) Drei-stellige Verben
• Dativ- + Präpositionalobjekt
dzie±kowac´ komus´ za cos´ ‚jemandem für etwas danken’
• Akkusativ- + Instrumentalobjekt
zarazac´ kogos´ czyms´ ‚jemanden mit etwas anstecken’
straszyc´ kogos´ czyms´ ‚jemanden mit etwas erschrecken’
• Akkusativ- + Präpositionalobjekt
dostac´ cos´ od kogos´ ‚von jemandem etwas bekommen’
budowac´ cos´ z czegos´ ‚etwas aus etwas bauen’
zapraszac´ kogos´ na cos´ ‚jemanden zu etwas einladen’
• Instrumental- + Präpositionalobjekt
bronic´ sie± czyms´ przed kims´ ‚sich vor jemandem mit etwas verteidigen’
Den einzelnen Tempora, Modi, grammatischen Personen und Numeri entsprechen in ver-
schiedener Kombination gemeinsame Morpheme, es sind Morpheme mit synkreter Funkti-
on wie die Deklinationsformen. Z.B. hat die Endung -m von czytam die grammatischen
Funktionen des Tempus (,präsentisch’ bei ipf. Verben), des Modus (Indikativ), der 1. Pers.
und des Numerus (Singular). Deswegen werden auch die Form-Funktions-Paradigmen
nicht entsprechend dem Bestand der grammatischen Kategorien aufgezählt, sondern ent-
sprechend der jeweiligen Funktionskombination.
Die drei letztgenannten Kategorien sind Transpositionskategorien und bilden je-
weils grammatische Oppositionen nicht innerhalb der Kategorie Verb, sondern mit der
Kategorie Verb, die Partizipien bilden also die Opposition Verb – Adjektiv, die Adverbi-
alpartizipien die Opposition Verb – Adverb, die derverbalen Substantive die Opposition
Verb – Substantiv.
zamkna±c´) und zwei Typen atematischer Verben (z.B. dac´, pas´c´). Diese Gruppen werden
dann mit den Konjugationsendungen des Präsens kombiniert; Szober unterscheidet dabei
vier Typen von Konjugationsparadigmen, den eigentlichen Konjugationen: 1. -e±, -esz, -e;
2. -e±, -isz, -i; 3. -am, -asz, -a; 4. -em, -esz, -e. Aus der Kombination der beiden Merkmale
– Präteritalstamm und Präsensendung – ergeben sich dreizehn Verbtypen.
Die Mehrheit der Wörterbücher verwendet einen weiteren Ansatz, der von To-
karski (1973) entwickelt wurde. Anders als Szober geht Tokarski nicht von verschiedenen
Endungsparadigmen, sprich Konjugationen aus, sondern von einem einheitlichen Paradig-
ma und Unterschieden in den Verbstämmen; d.h. die Unterscheidung -e±, -esz versus -e±, -isz
spielt keine Rolle. Die Verben werden klassifiziert auf der Grundlage von den Stämmen:
Präsens, Präteritum, Imperativ und Partizip Passiv. Im Gegensatz zu Szober berücksichtigt
Tokarski auch die Alternationen zwischen den Personen im Präsens wie in czytam – czytasz
– czytaja±. Auf der Basis der Stammreihen kommt Tokarski auf 11 Konjugationsklassen mit
einigen weiteren Subtypen.
Eine Art Kompromiss zwischen Szober und Tokarski bei gleichzeitiger Differen-
zierung bietet Laskowski (19962). Laskowski kehrt zu den auf unterschiedlichen Endungen
im Präsens basierenden Konjugationsklassen zurück, wobei er jedoch Szobers vier auf drei
Konjugationen reduziert. Diese bilden die Basis der Klassifikation. Der Beschreibung To-
karskis ähnlich ist wiederum die Idee der Einteilung der Verben nach Stammalternationen.
Diese zweite Klassifikationsebene bilden die Paare von Stammalternationen wie -owa- :
-uj- in kupowac´ und kupuje. In der Kombination beider Merkmale kommt Laskowski zu
einer Einteilung, die sich in der Extension zu großen Teilen mit derjenigen Tokarskis
deckt.
• Die Vielzahl der Subtypen wird hierarchisiert nach dem Prinzip der Relevanz des
jeweiligen Musters. Hierbei ist die Häufigkeit und die Produktivität des Musters
gemeint.
Als Basis dienen die Häufigkeitsangaben zu den Flexionsmustern aus Saloni (1988). Die
Hierarchie wird durch die Umrandung des Paradigmas gekennzeichnet:
Die Konjugation -m/-sz zeichnet sich durch eine hohe Regelmäßigkeit aus. Sie umfasst ca.
25 % aller polnischen Verben.
7.4.1. Konjugation -m/-sz 351
Singular Plural
1. Ps. -m -my
2. Ps. -sz -cie
3. Ps. -Ø -a±
a) Haupttyp
CZYTACπ ‚lesen’
b) Seltener Typ
ROZUMIECπ ‚verstehen’
Neben dem Haupttyp gibt es drei auf -ec´ auslautende Verben, die im Infinitiv, Präsens und
z.T. im Präteritum vom Haupttyp CZYTACπ abweichen: rozumiec´ ‚verstehen’, umiec´ ‚auf-
grund von Übung können’, s´miec´ ‚wagen’. Alternation: e : a (rozumiec´ – rozumiaΩ). s´miec´
hat einen regulären Imperativ in der Verneinung: nie s´miej! Traditionell wird diese Verb-
klasse als die vierte Konjugation bezeichnet.
352 7. Verben
c) unregelmäßige Einzelfälle
In der Konjugation -m/-sz finden sich folgende individuell flektierende Verben von großer
Häufigkeit.
DACπ ‚geben’
MIECπ ‚haben’
Das extrem häufige Verb zeichnet sich durch die folgenden Stammalternationen aus: miec´
→ ma→ maja± → miaΩ.
WIEDZIECπ ‚wissen’
Auch wiedziec´ enthält eine ganze Reihe von Alternationen, sodass wir vier Stämme erhal-
ten: wiedziec´→ wie→ wiedza±→ wiedziaΩ.
7.4.2. Konjugation -e±/-isz 353
JESπCπ ‚essen’
Singular Plural
1. Ps. -e± -imy
2. Ps. -isz -icie
3. Ps. -i -a±
a) Haupttypen
MOπWICπ ‚sprechen’
Der wichtigste Typ ist MOπWICπ: er wird gemeinsam mit PROSICπ von ca. 16% aller Verben
realisiert und ist produktiv.
354 7. Verben
UCZYCπ ‚lehren’
Etwas seltener ist der ebenfalls regelmäßige Typ mit dem Infinitiv auf -yc´ statt auf -ic´.
Sowohl beim Typ MOπWICπ als auch UCZYCπ kann es zu Alternationen des Vokals
im Stamm o : o´ kommen; also zrobic´ → zro´b! ‚mach!’, tworzyc´ → two´rz! ‚schaffe!’.
b) Nebentyp
PROSICπ ‚bitten’
Präsens Sg. Pl. Präteritum Sg. Pl.
1. prosze± prosimy mask. prosiΩ mask-pers prosili
2. prosisz prosicie fem. prosiΩa andere prosiΩy
3. prosi prosza± neutr. prosiΩo
Imperativ 2. Ps. Unpersönliche Form
pros´! pros´cie! proszono
PROSICπ ist ein produktiver und auch recht häufiger Nebentyp mit der Alternation des
Stammkonsonants: s´ : sz (prosic´ – prosze±), z´ : z˙ (grozic´ – groz˙e±), c´ : c (kopcic´ – kopce±), dz´
: dz. (chodzic´ – chodza±).
c) Seltene Typen
Die unproduktiven Typen S∫YSZECπ und SIEDZIECπ sind unter den Verben nur mit ca.
1,6% vertreten. Darunter sind jedoch einige recht häufig auftretende Verben.
7.4.2. Konjugation -e±/-isz 355
S∫YSZECπ ‚hören’
Verben des Typs S∫YSZECπ unterscheiden sich von den Haupttypen durch einen Infinitiv
auf -ec´ und einige abweichenden Präteritalformen. Alternation: e : a (sΩyszec´ – sΩyszaΩ).
SIEDZIECπ ‚sitzen’
STACπ ‚stehen’
SPACπ ‚schlafen’
Singular Plural
1. Ps. -e± -emy
2. Ps. -esz -ecie
3. Ps. -e -a±
a) Haupttypen
Die Typen KUPOWACπ und POKAZYWACπ bilden das Gros der Klasse. Beide Typen
unterscheiden sich nur marginal.
KUPOWACπ ‚kaufen’
Dieser extrem häufige Typ (ca. 25% aller Verben) ist ganz regelmäßig; sein Erkennungs-
merkmal ist die Alternation von Infinitiv- und Präsensstamm: -owa- → -uj-; kupowac´ →
kupuje.
7.4.3. Konjugation -e±/-esz 357
POKAZYWACπ ‚zeigen’
Gleichermaßen regelmäßig funktioniert der Typ POKAZYWACπ; hier liegt die Alternation
-ywa- → -uj- vor. Entsprechend funktionieren die Verben auf -iwac´ wie wyszukiwac´: wy-
szukiwac´ → wyszukuje ‚heraussuchen’.
Achtung: Verben der Typen KUPOWACπ und POKAZYWACπ sind von den Ver-
ben zu unterscheiden, in denen die Lautfolge -owa- bzw. -ywa- zur Wurzel gehört: uz˙ywac´
→ uz˙ywam ‚gebrauchen’, nazywac´ → nazywam ‚nennen’.
b) Nebentypen
Die Nebentypen weisen eine geringe Ähnlichkeit zu den Haupttypen auf. Auch untereinan-
der sind sie recht verschieden.
PISACπ ‚schreiben’
Präsens Sg. Pl. Präteritum Sg. Pl.
1. pisze± piszemy mask. pisaΩ mask-pers pisali
2. piszesz piszecie fem. pisaΩa andere pisaΩy
3. pisze pisza± neutr. pisaΩo
Imperativ 2. Ps. Unpersönliche Form
pisz! piszcie! pisano
PISACπ gehört zu den Typen mittlerer Häufigkeit (ca. 4 %). Der Typ ist nicht produktiv.
Alternationen: s : sz (pisac´ – pisze), zd : z˙dz˙ (gwizdac´ – gwiz˙dz˙e ‚pfeifen’), z : z˙ (mazac´ –
maz˙e ‚schmieren’), r : rz (orac´ – orze ‚pflügen’).
358 7. Verben
Bei diesem Typ gilt zu beachten, dass in den meisten Präteritalformen und in der unpersön-
lichen Form der Stamm mdla- auftritt (s. seltener Typ SπMIACπ SIE±). Alternation: e : a
(mdlec´ – mdlaΩ).
CIA±GNA±Cπ ‚ziehen’
Präsens Sg. Pl. Präteritum Sg. Pl.
1. cia±gne± cia±gniemy mask. cia±gna±Ω mask-pers cia±gneli
2. cia±gniesz cia±gniecie fem. cia±gne±Ωa andere cia±gne±Ωy
3. cia±gnie cia±gna± neutr. cia±gne±Ωo
Imperativ 2. Ps. Unpersönliche Form
cia±gnij! cia±gnijcie! cia±gnie˛to
Hier ist zu beachten, dass Verben des Typs CIA±GNA±Cπ im Imperativ statt des Ø-Suffixes
ein -ij haben; cia±gna±c´ → cia±gnij!. Einige Verben dieses Typs haben jedoch regulär ein Ø-
Suffix: suna±c´ → sun´! ‚gleiten’ (s. seltener Typ MOKNA±Cπ). Alternationen: a± : e± (cia±gna±c´ –
cia±gne±Ωa), n : n´ (cia±gna±c´ – cia±gnie).c) Seltene Typen und Einzelfälle
RWACπ ‚reißen’
Im Gegensatz zum Typ MDLECπ alternieren hier die Vokale a : e (s´miac´ sie± – smieje sie±).
MYCπ ‚waschen’
Präsens Sg. Pl. Präteritum Sg. Pl.
1. myje± myjemy mask. myΩ mask-pers myli
2. myjesz myjecie fem. myΩa andere myΩy
3. myje myja± neutr. myΩo
Imperativ 2. Ps. Unpersönliche Form
myj! myjcie! *myto (potenziell)
360 7. Verben
KRASπCπ ‚stehlen’
Bei den Verben dieses Typs besteht eine Opposition zwischen Infinitiv und allen anderen
Formen. Andere Verben dieses Typs: biec → biegnie/biegna± ‚laufen’, uciec → ucieknie /
uciekΩ ‚fliehen’.
WYJA±Cπ ‚herausnehmen’
Das Kennzeichen dieses Typs ist das Erscheinen eines nasalen Lautes im Präsens und im
Imperativ. Andere individuelle Bildungen sind: cia±c´ → tnie/tna± ‚schneiden’, kla±c´ →
klnie/klna± ‚fluchen’.
BRACπ ‚nehmen’
Neben der Alternation Konsonant kommt es zu einer Änderung in der Wurzel: brac´ →
biore±.
7.4.3. Konjugation -e±/-esz 361
TRZECπ ‚reiben’
Auch hier kommt es teilweise zu ganz individuellen Formen; spezifisch ist vor allem der
Wechsel trzec´ → tre± → tarΩ.
NIESπCπ ‚tragen’
Das Verb nies´c´ zeichnet sich durch eine extrem hohe Unregelmäßigkeit aus. Ähnlich:
wiez´c´ ‚transportieren’.
MOπC ‚können’
PIEC ‚backen’
CHCIECπ ‚wollen’
ISπCπ ‚gehen’
Das Verb is´c´ ist insofern gänzlich unregelmäßig, als in den Präteritalformen ein suppletiver
Stamm aufftritt: is´c´ → szedΩ/szΩa.
7.5.1. Diathese
Das Genus verbi (strona) gehört in das funktional-semantische Feld der Diathese (diateza).
Der grundlegende Begriff ist die Argumentstruktur. Argumente versprachlichen Teilneh-
mer des durch ein Prädikat ausgedrückten Sachverhalts. Der durch das Verb czytac´ ‚lesen’
ausgedrückte Sachverhalt hat zwei Partizipanten: eines für den Leser, und eines für das
Leseobjekt (Buch o.ä.). Entsprechend eröffnet das Verb czytac´ zwei Argumentstellen: eine
für denjeniegen, der liest, und eine für dasjenige, das gelesen wird. Als Diathese bezeich-
nen wir hier die Umsetzung der Argumentstruktur in syntaktische Satzglieder und den refe-
renziellen Bezug der Argumente. Sie bildet somit die Schnittstelle zwischen der Wort- und
der Satzebene. Es geht also um das Verhältnis der lexikalisch vorgegeben Argumentstellen
eines Prädikators, ihrer syntaktischen Realisierung und ihrer Referenz. Werden die seman-
tischen Argumente wie im Lexikoneintrag vorgesehen umgesetzt, sprechen wir von un-
markierter, andernfalls von markierter Diathese. Im unmarkierten Aktiv wird die Hierar-
chie der Argumente direkt in die syntaktische Strukturen umgesetzt; d.h. die Hierarchie
bleibt als solche unangetastet. Das Zentrum der Diathese bilden diejenigen Elemente, die
das Prädikat eines Satzes bilden.
czyta (X, Y)
X czyta Y
Syntax: Subjekt Objekt
Referenz: X und Y sind verschieden
Eine besondere Form der aktivischen Diathese ist die Unterdrückung eines Arguments
unter Beibehaltung der Hierarchisierung. Dies ist der Fall bei der Form czytano, die das 1.
Argument syntaktisch nicht realisiert.
7.5. Genus verbi und Diathese 365
czyta (X, Y)
Czytano
Syntax: Ø Objekt
Referenz: X und Y sind verschieden
Ein anderer Fall liegt vor bei dziecko sie± myje ‚das Kind wäscht sich’. Hier zeigt sie± an,
dass der Referent des ersten Arguments X identisch ist mit demjenigen des zweiten Argu-
ments Y (= reflexiv).
myje (X, Y)
X myje sie±
Syntax: Subjekt Objekt
Referenz: X und Y sind identisch
Die Argumente des Verbs können in ihrer syntaktischen Umsetzung aber auch unter-
schiedlich gewichtet und damit umgruppiert werden. Wird das zweite Argument zum Sub-
jekt erhoben, sprechen wir von passivischer Diathese:
Passivische Diathese:
myje (X, Y)
Y jest czytany przez X
Syntax: Subjekt fakultatives Objekt
Referenz: X und Y sind identisch
Die Hauptunterscheidung der sprachlichen Verfahren der Diathese liegt in der Opposition
‚subjekthaltig’ vs. ‚subjektlos’; d.h. in der Frage, ob ein Subjekt vorhanden ist oder nicht.
Auf der Prädikatsseite entspricht dem die Unterscheidung von Typen mit variabler und
invarianter grammatischer Person. Daneben ist zu unterscheiden, wie regelmäßig das je-
weilige Verfahren funktioniert. Einige Verfahren können regelmäßig von großen Gruppen
von Verben angewendet werden, während andere auf wenige Verben beschränkt sind.
Letztere sind schwächer grammatikalisiert und tendieren in den Bereich der Wortbildung.
366 7. Verben
Subjekthaltige Diathese
Es ist ein Subjekt vorhanden und das Prädikat kann in der Regel bezüglich der gram-
matischen Person variieren (1., 2. oder 3. Person). Folgende Ausdrucksmittel treten auf:
• Genus verbi: Aktiv und Passiv; bei letzterem wird ein zweitrangiges Argument
auf den Platz des Subjekts gehoben (hoch grammatisch).
Firma Polifarb produkuje nowoczesne lakiery. → Nowe lakiery sa± produkowane
przez firme± Polifarb. ‚Die Firma Polifarb produziert moderne Lacke. → ‚Von der
Firma Polifarb werden moderne Lacke produziert.’
• Reflexivität bzw. Reziprozität mit Gebrauch des ⇑Reflexivpronomens; ein zweit-
rangiges Argument wird durch siebie oder sie± realisiert (weniger grammatisch).
Fryzjer goli mnie co rano. → Gole± sie± co rano. ‚Der Frisör rasiert mich jeden
Morgen.’ → ‚Ich rasiere mich jeden Morgen.’
Ten chΩopczyk lubi bic´ inne dzieci. → ChΩopczyk lubi bic´ sie±. ‚Der Junge schlägt
gerne andere Kinder.’ → ‚Der Junge schlägt sich gerne.’
• Stativierung durch Weglassen des zweiten Arguments, das vorgesehen ist für die
Stelle des Objekts. Dieses Verfahren ist schwach grammatikalisiert und der
Wortbildung recht nahe. Es entsteht die Zusatzbedeutung ‚Gewohnheit’ bzw.
‚ständige Eigenschaft.’
Piotr pali papierosa. → Piotr pali. ‚Piotr raucht gerade eine Zigarette.’ → ‚Piotr
ist Raucher.’
Subjektlose Diathese
Es ist kein Subjekt vorhanden und das Prädikat ist auf die 3. Person Singular Neutrum fest-
gelegt.
• Formen ‚czyta sie±’ und ‚czytano’; das erste Argument verschwindet, ohne dass
ein anderes Argument aufgewertet würde; hoch grammatisch, da regelmäßig ge-
bildet von allen Verben mit menschlichem ersten Argument.
Produkowano/produkuje sie± nowe lakiery. ‚Man produzierte/produziert moderne
Lacke.’
• 3. Person Plural mit Null-Subjekt
Kazali to zrobic´. ‚Man hat angeordnet dies zu tun.’
• unpersönlich gebrauchte Verben; eine bestimmte Gruppe von Verben erlaubt ei-
ne Deagentivierung durch die Umsetzung des 1. Arguments in ein Dativobjekt.
Ziewna±Ωem. ‚Ich habe gegähnt.’ → Ziewne±Ωo mi sie±. ‚Ich musste gähnen.’
7.5. Genus verbi und Diathese 367
Bildung
Von beiden ist das Passiv die markierte Subkategorie. Ein Passiv gibt es nur bei transitiven
Verben, also Verben, die mindestens zwei Argumentstellen eröffnen: für den Handelnden
(Agens) und dasjenige, auf das die Handlung übergeht (Patiens).
Passivfähig: otwierac´ – ZdzisΩaw otwiera okno. ‚ZdzisΩaw öffnet das Fenster’
Nicht passivfähig: pΩakac´ – Dziecko pΩacze. ‚Das Kind weint.’
otwiera (X, Y)
Wer? Was?
1. Argument 2. Argument
pΩacze (X)
Wer?
1. Argument
368 7. Verben
Im Unterschied zum Deutschen können auch Verben mit einem Genitiv- oder Instrumen-
talobjekt passiviert werden.
Polacy uz˙ywaja± tego sΩowa (Genitiv) bardzo cze±sto. → To sΩowo jest uz˙ywane
bardzo cze±sto. ‚Die Polen benutzen dieses Wort sehr oft.’ → ‚Das Wort wird oft
benutzt.’
Kro´l rza±dzi krajem (Instrumental). → Kraj jest rza±dzony przez kro´la. ‚Der König
regiert das Land.’ → ‚Das Land wird vom König regiert.’
Dementgegen erlaubt der Passivtyp mit sie± nur Akkusativobjekte:
Pralis´my te± tkanine˛. → Ta tkanina dobrze sie± pierze. ‚Wir haben diesen Stoff ge-
waschen.’ → ‚Dieser Stoff wäscht sich gut.’
Passiv wird als zusammengesetzte Form gebildet mit den ⇑Diatheseauxiliaren byc´, zostac´,
zostawac´ bzw. bywac´ und dem Partizip Passiv der Verben oder mit der Partikel sie±.
• Typ byc´ + Partizip Passiv (X jest (z)budowany)
byc´ verbindet sich mit Verben sowohl des perfektiven als auch des imperfektiven
Aspekts; es tritt in allen drei Tempora auf.
Ser mozzarella jest robiony z mleka krowiego. ‚Mozzarella wird aus Kuhmilch
gemacht.’
Wszyscy byli/sa±/be±da± naraz˙eni na kule i bomby. ‚Alle waren/sind den Kugeln
und Bomben ausgesetzt/werden ausgesetzt sein.’
• Typ zostac´/zostawac´ + Partizip Passiv Perfektiv (X zostaΩ zbudowany)
zostac´/zostawac´ steht nur mit Verben des perfektiven Aspekts; zostaje zbudowa-
ny ist recht selten; kein Futur!
Prezydent zostaΩ odsunie±ty od wΩadzy. ‚Der Präsident wurde seines Amtes entho-
ben.’
Prezydent zostanie odsunie±ty od wΩadzy. ‚Der Präsident wird seines Amtes ent-
hoben.’
Aber: *Prezydent be±dzie zostawaΩ odsunie±ty od wΩadzy.
• Typ bywac´ + Partizip Passiv Imperfektiv (X bywa budowany); seltener Typ.
Opony bywaja± produkowane z naturalnego kauczuku. ‚Reifen werden bisweilen
aus natürlichem Kautschuk hergestellt.’
• Typ sie± + finites imperfektives Verb (X sie± buduje)
sie± + imperfektives Verb; diese Form ist umgangssprachlich und unterliegt star-
ken lexikalischen Restriktionen: nur wenige Verben können sie bilden. Der Ler-
ner sollte diesen Typ nicht eigenständig bilden!
Ta tkanina dobrze sie± pierze. ‚Dieser Stoff wäscht sich gut.’
7.5. Genus verbi und Diathese 369
Präteritum:
Grundfunktion
Im Passiv wird die Hierarchie der Argumente bei der syntaktischen Umsetzung geändert.
Das für die Stelle des Subjekts vorgesehene Argument wird abgewertet, indem es entweder
ganz weggelassen wird oder zur Präpositionalphrase degradiert wird. Das zweite Argument
wird aufgewertet, indem es zum Subjekt erhoben wird.
Aktiv: Z∆oΩnierze spustoszyli miasto.
1. Argument = Subjekt 2. Argument = Objekt
Passiv: Miasto zostaΩo spustoszone (przez z˙oΩnierzy).
2. Argument = Subjekt 1. Argument = Objekt
370 7. Verben
Aktiv Passiv
Der Unterschied zwischen den beiden Sätzen ist darin zu sehen, dass dasselbe Verb mit
seinen Argumenten syntaktisch auf unterschiedliche Weise realisiert wird. Das Passiv wird
verwendet, wenn der Handelnde, das Agens, nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit steht
bzw. im Satz ganz wegfällt. Dies kann der Fall sein, wenn er überhaupt nicht bekannt ist.
Teczka zostaΩa ukradziona wczoraj wieczorem. ‚Die Tasche wurde gestern abend
gestohlen.’
In dieser Funktion steht das Passiv in Konkurrenz zu den subjektlosen Verbformen ‚czyta-
no’. Diese werden dem Passiv meist vorgezogen. Das Patiens steht hierbei wie im Aktiv-
satz im Akkusativ.
Ukradziono teczke±. ‚Man hat die Tasche gestohlen.’
Ukradli mi teczke±. ‚Man hat mir die Tasche gestohlen.’
Das Agens kann mit dem Präpositionalobjekt przez + Akkusativ oder einem Instrumental-
objekt ausgedrückt werden, wird aber meist weggelassen. Typische Agens wie Menschen
und Tiere können durch przez + Akkusativ ausgedrückt werden. Das gilt auch für Gruppen-
bezeichnungen oder Vermenschlichungen:
Miasto zostaΩo spustoszone przez z˙oΩnierzy. ‚Die Stadt wurde von den Soldaten
verwüstet.’
Przechodzien´ zostaΩ przygnieciony do s´ciany przez tΩum. ‚Der Passant wurde von
der Menge an die Wand gedrückt.’
Ten fakt zostaΩ potwierdzony przez fizyke±. ‚Diese Tatsache wurde von der Physik
bestätigt.’
Handelt es sich um unbewusste, unbelebte Agens steht dahingegen das Objekt im Instru-
mental:
Nie jestem zaskoczony twoim sukcesem. ‚Ich bin von deinem Erfolg nicht über-
rascht.’
Dom zostaΩ zalany woda±. ‚Das Haus wurde überschwemmt.’
Der Passivtyp willa sie± buduje erlaubt keinen Agensanschluss.
Das polnische Passiv ist sehr viel seltener als im Deutschen, da es eine
schriftsprachliche Färbung trägt. Die Verwendung dieser Formen ergibt sich in der Inter-
aktion von Tempus und Aspekt (⇑7.4.1.).
7.5. Genus verbi und Diathese 371
(aspekt)
7.6.1. Aspektualität
Den Funktionen des perferktiven und des imperfektiven Aspekts (aspekt dokonany i niedo-
konany) entsprechen Eigenschaften aktionaler Situationen. Aktionale Situationen sind
Sachverhalte, denen die Bedeutungen von Verb-Vokabeln entsprechen.
Die Funktionen des Aspekts sind Elemente der Kategorie Aspektualität, die die
semantische Kategorie Aktionalität und die pragmatische Kategorie der temporalen Defi-
nitheit (Episodizität) enthalten. Letztere kann zusammen mit einer marginalen Funktion,
die wir als modale Definitheit bezeichnen, zur Kategorie der pragmatischen Definitheit
zusammengefasst werden. Die Aspektualität mit den Subkategorien der Aktionalität und
temporalen Definitheit sind rein funktionale Kategorien, d.h. unabhängig von bestimmten
formalen Bedingungen und Beschreibungsebenen. Der Aspekt ist dagegen eine grammati-
sche Kategorie, die bestimmten formalen Paradigmen auf der morphologischen Ebene
zugeordnet ist.
Zur Aktionalität gehören folgende Subkategorien:
– die aktionalen Gestalten: Ereignis, Verlauf, stative Situation;
– die aktionalen Phasen (Anfang, innere Phasen, Ende);
– die aktionale Häufigkeit;
– der aktionale Zustandswechsel;
– die aktionale Dauer.
Die Funktionen dieser Subkategorien treten bei einer Aspektverwendung gleichzeitig auf,
zusammen mit einer Funktion der temporalen (gegebenenfalls modalen) Definitheit. In der
folgenden Tabelle sind die genannten Begriffe zusammengestellt:
7.6. Der Aspekt 373
Aspektualität
Aktionalität pragmatische Definitheit
aktionale Gestalt: aktionale Häufigkeit temporale Definitheit modale
Ereignis Situationsphasen (= Episodizität) Definitheit
Verlauf Zustandswechsel
stative Situation aktionale Dauer u.a.
Nicht alle Funktionen sind für alle Beschreibungsebenen gleich relevant. Sehr wichtig sind
die temporalen Funktionen des Aspekts. Sie gehören zur Kategorie der Temporalität und
werden im Abschnitt über das Tempus besprochen.
pekte besser beschrieben werden und der Anschluss zu den kognitiven Grundlagen der
Aspektualität hergestellt werden. Dies gilt auch für den Begriff der Ganzheitlichkeit, der
sich mit dem Strukturalismus ausgebreitet hat. Wenn ein Ereignis, wie bei uns, als genau
eine Phase konzipiert wird, dann heißt dies, dass die Situation als Ganzheit aufgefasst wird.
Dies entspricht der Wahrnehmung konkreter, punktueller Ereignisse, die am Beginn der
Herausbildung der konzeptuellen Kategorie Ereignis steht. Über einen solchen Begriff der
Ganzheitlichkeit kann insofern der Anschluss an die geistigen Grundlagen der Aspektkate-
gorie hergestellt werden. Dem Begriff der Ganzheitlichkeit als Definiens für Ereignisse
kann nur der Begriff der Nicht-Ganzheitlichkeit als Definiens für Nicht-Ereignisse gegen-
übergestellt werden. Der Begriff Phase ist insofern brauchbarer, als damit nicht nur der
Unterschied zwischen Ereignis und Nicht-Ereignis, sondern auch der Unterschied zwischen
den Nicht-Ereignissen Verlauf und stativer Situation definiert werden kann. Abgesehen
hiervon wurde Ganzheitlichkeit im Strukturalismus als die ‚Gesamtbedeutung des pf. As-
pekts’, verstanden, so dass u.a. für Ereignisse, die mehrfach auftreten, vgl. cze˛sto zamy-
kaΩem drzwi ‚ich habe oft die Tür zugemacht’, nicht der Begriff der Ganzheitlichkeit ver-
wendet werden kann.
In der Polonistik ist als Äquivalent zu den Begriffen Phase und Grenze oder Ganz-
heitlichkeit der Begriff Zustandswechsel weit verbreitet. Der Begriff Zustandswechsel ist
nur dann als Grundlagenbegriff geeignet, wenn er im Sinne von Phase oder Grenze inter-
pretiert wird. In dieser Grammatik wird der Begriff Zustandswechsel in einem engeren
Sinne gebraucht.
Verschiedene aktionale Gestalten können sich überlagern. Das kann so vonstatten
gehen, dass der Aspekt sich nicht ändert: eine stative Situation kann mehrfache Verläufe
implizieren, z.B. die Gewohnheit zu lesen (wieczorem czytamy ‚abends lesen wir’). Ein
Verlauf kann aber auch mehrfache Ereignisse enthalten, wie bei kiedy machaΩa … ‚wäh-
rend sie winkte …’. Hier wird ein anderer Aspekt verwendet, als für ein entsprechendes
Ereignis, die Standardform für ein Ereignis dieser Art ist das pf. Verb machna˛c´ ‚winken’.
Da der Verlauf seinerseits als Ereignis darstellbar ist, vgl. pomachac´, kann auch ein Ereig-
nis mehrere Ereignisse enthalten. Diese Überlagerung von aktionalen Gestalten wird im
Kapitel der synthetischen Beschreibung dargestellt. Prinzipiell kann jedoch festgehalten
werden, dass Überlagerungen nur möglich sind, wenn Situationen von relativ langer Dauer
mehrere Situationen von relativ kurzer Dauer enthalten.
Phasenprofilierung, Dauer
Die Phasenstruktur in einer aktionalen Situation ist die Grundlage für die Unterscheidung
der aktionalen Gestalten. Die Phasen selbst unterscheiden sich auch durch ihre Position in
der Situation. Verläufe haben immer innere Phasen, Ereignisse haben diese gerade nicht.
Ein Ereignis wiederum kann sein:
– die ganze Situation, dies ist der Standardfall,
– der Anfang einer Situation,
7.6. Der Aspekt 375
Der Zustand der Gesamtsituation ist nach der dynamischen Phase einer transformativen
Situation anders, also davor. Verläufe mit beobachtbarem Zustandswechsel bezeichnen wir
als ‚mutativ’:
Chmura powie˛kszaΩa ipf sie˛. ‚Die Wolke vergrößerte sich/dehnte sich aus.’
Plama ropy rozszerzaipf sie˛. ‚Der Ölfleck dehnt sich aus.’
Auch hier ist das Nachstadium der Situation ein anderes, als das Vorstadium.
Ereignisse ohne beobachtbaren Zustandswechsel bezeichnen wir als ‚konklusiv’,
vgl.:
ZapomniaΩem pf to. ‚Das habe ich vergessen.’
PrzeczytaΩem pf list. ‚Ich habe den Brief gelesen.’
Verläufe ohne beobachtbaren Zustandswechsel als ‚dekursiv’, vgl.:
Jak spaΩas´ ipf? ‚Wie hast du geschlafen?’
Von einem Zustandswechsel wird hier nur gesprochen, wenn er sensumotorisch beobacht-
bar ist. Konklusive Ereignisse können einen sensomotorisch nicht beobachtbaren ‚Effekt’
haben, d.h. sie können einen sozial relevanten Zustand als Nachstadium infolge der vo-
rausgehenden dynamischen Phase besitzen. Wenn jemand etwas verspricht, so wird nach
dem Versprechen erwartet, dass der das Versprechen einlöst:
Ty to obiecaΩes´ pf! ‚Du hast das versprochen!’
Stative Situationen (kocham ja˛ ‚ich liebe sie’) involvieren per definitionem keinen Zu-
standswechsel.
Eine Situation kann zwischen Vor- und Nachstadium eine relativ starke Dynamik
besitzen und trotzdem keinen Zustandswechsel involvieren. Es sind Situationen, die eine
zyklische Dynamik haben und Veränderungen involvieren, die vor dem Eintritt des
Nachstadiums wieder rückgängig gemacht werden; manchmal wird von einer ‚Zwei-Wege-
Handlung’ gesprochen. Die zyklische Dynamik ist in der Regel der lexikalischen Bedeu-
tung inhärent, vgl. Lexeme mit punktueller zyklischer Dynamik wie machna˛c´ – machac´
‚winken’. Im Einzelfall kann eine zyklische Situation so unterbrochen werden, dass ein
Folgezustand resultiert (vgl. kle˛kne˛Ωa ‚sie kniete’). Umgekehrt und deutlich öfter können
Situationen, bei denen die lexikalische Bedeutung einen Zustandwechsel denotiert, im
entsprechenden Satzkontext eine Situation mit zyklischer Dynamik bezeichnen:
OtwieraΩem drzwi. ‚Ich habe die Tür auf- (und wieder zu-) gemacht.’
Die hier vorliegende ‚Annullierungsfunktion’ ist eine Variante der allgemeinfaktischen
Satzfunktion.
7.6. Der Aspekt 377
erweist. Der Aspekt bedient den Verbbereich, der Artikel den des Substantivs. Temporale
Definitheit ist über die Relation zum Psychischen Jetzt, d.h. der Zeit der Verarbeitung von
Wahrnehmungen und sprachlichen Äußerungen, zu erklären (s. Lehmann 1994, Hansen
1996) und kann daher, wie die Definitheit des Artikels, als eine subjektive bzw. pragmati-
sche Lokalisierung charakterisiert werden.
Episodische Situationen sind, wie die Definition erkennen lässt, in einem zeitli-
chen Zusammenhang lokalisiert, sie sind Träger von temporaler Kohärenz.
(1) PostawiΩa wiadra na ziemi i odgarne±Ωa kosmyk z czoΩa.
(2) – Wez´ wiadra i chodz´ ze mna˛ nad rzeke˛.
(3) – Co powie two´j ma˛z˙?
(4) – Jest w paΩacu.
(5) – Co powiedza˛ robotnicy?
(6) – Pomagasz mi.
(7) Eli chwyciΩ wiadra i ruszyΩ za nia˛ kamienista± dro´z˙ka˛.
(8) – Zme˛z˙niaΩes´ – powiedziaΩa Genowefa, nie odwracaja˛c sie˛.
(9) – Czy ty mys´lisz o mnie, kiedy sie˛ nie widzimy?
(10) – Mys´le˛ wtedy, gdy ty o mnie mys´lisz. Codziennie. Sπnisz mi sie˛.
[…]
‚(1) Sie stellte die Eimer auf den Boden und strich eine Strähne aus der Stirn.
(2) – Nimm den Eimer und komm mit mir an den Fluss.
(3) – Was wird dein Mann sagen?
(4) – Er ist im Palast.
(5) – Was werden die Arbeiter sagen?
(6) – Dass du mir hilfst.
(7) Eli nahm die Eimer und ging hinter ihr auf dem steinigen Weg her.
(8) – Du bist zum Mann geworden – sagte Genowefa ohne sich umzudrehen.
(9) – Denkst du an mich, wenn wir uns nicht sehen?
(10) – Ich denke an dich, wenn du an mich denkst. Täglich. Ich träume von dir.’
Wenn der Satz
(11) Janek wszedΩ do pokoju. ‚Janek trat ins Zimmer’
gelesen und verarbeitet wird, dann wird eine Vorstellung der Situation aufgebaut, in der
Janek in das Zimmer tritt. In einem typischen Erzählzusammenhang geht dieser Vorstel-
lung die Vorstellung einer anderen Situation voraus und es folgt die einer anderen Situati-
on. Das kann eine neue Situation sein, (12) oder (13), es kann auch die Fortsetzungssituati-
on der vorangegangenen Situation sein (14):
(12) PaweΩ wstaΩ wie˛c z fotela ‚PaweΩ stand daraufhin vom Sessel auf’
7.6. Der Aspekt 379
In einer deiktisch orientierten aktionalen Situation, s. (15) oder (16), fallen die Zeiten des
Sprechens und die des Verstehens und Vorstellens der aktionalen Situation zeitlich zu-
sammen, außerdem kann auch noch damit das sensumotorische Wahrnehmen zeitlich zu-
sammenfallen. Deiktische temporale Definitheit besteht also darin, dass ein bestimmter
zeitlicher Zusammenhang mit der Sprechzeit hergestellt wird.
Der zeitliche Zusammenhang, der eine Situation zur Episode macht, kann auch
durch die Relationierung mit einer öffentlichen Zeit hergestellt werden:
(17) PaweΩ wszedΩ okoΩo szo´stej do pokoju. ‚PaweΩ hat gegen 6 Uhr das Zimmer
betreten.’
Bei nicht episodischen Situationen, die man auch als Sachlagen bezeichnen kann, wird die
Instruktion, die Situation zeitlich in Zusammenhang mit einer anderen Situation zu bringen,
nicht gegeben. Dies kann prinzipiell aus zwei Gründen geschehen:
a) Die aktionale Situation hat zwar Ereignis- oder Verlaufsgestalt, könnte also de-
finit lokalisiert werden, sie wird aber als zeitlich isoliert, ohne zeitlichen Zu-
sammenhang mit einem Zeitintervall der gegebenen Diskurswelt gargestellt:
(18) – To nasz ojciec. Zna wasz je˛zyk. WalczyΩ w waszej armii. ‚Das ist unser
Vater. Er kennt eure Sprache. Er hat in eurer Armee gekämpft.’
Hier geht es um das bloße Faktum, dass der Sprecher in der Armee des Ge-
sprächspartners gekämpft hat (sog. allgemeinfaktische Funktion des ipf. As-
pekts).
380 7. Verben
b) Die Situation ist für diese Operation nicht geeignet. Hier gibt es wiederum
zwei Gründe:
I. Es ist eine stative Situation (also kein Ereignis oder Verlauf):
(19) Wiem. ‚Ich weiß.’
(20) Z przedpokoju schody prowadziΩy na pie˛tro, […] ‚Von der Diele ging
die Treppe ins Obergeschoss, […]’
(21) – Wszystkim im tak sie˛ tylko wydawaΩo. ‚Das schien allen nur so.’
II. Es ist eine iterative Situation:
(22) Genowefa stawiaΩa wiadra na ziemi i odgarniaΩa kosmyk z czoΩa. ‚Ge-
nowefa stellte den Eimer auf den Boden und strich sich eine Strähne aus der
Stirn.’
(9) – Czy ty mys´lisz o mnie, kiedy sie˛ nie widzimy? ‚Denkst du an mich,
wenn wir uns nicht sehen?’
(10) – Mys´le˛ wtedy, gdy ty o mnie mys´lisz. Codziennie. Sπnisz mi sie˛. ‚Ich
denke an dich, wenn du an mich denkst. Täglich. Du schläfst mit mir ein.’
Die einzelnen Ereignisse des Hinstellens bzw. der Verläufe des Denkens an jemanden sind
Bestandteil der iterativen Situation.
Auch hier können wir viele Übereinstimmungen mit den Verhältnissen beim deut-
schen Artikel feststellen. Der unbestimmte Artikel ein setzt Individualisiertheit (und damit
Zählbarkeit) des Referenten voraus, also ‚abgegrenzte’ Objekte und wird nicht mit homo-
genen Referenten (Stoffnamen in der Standardbedeutung) kombiniert, vgl. *ich habe ein
Mehl gegessen gegenüber ich habe einen Apfel gegessen. Bei Stoffnamen wie Mehl wird
der indefinite Null-Artikel verwendet. Dem entspricht, dass stative Verben nicht episodisch
verwendet werden. Im Plural können ‚abgegrenzte’, zählbare Objekte mit dem indefiniten
Null-Artikel verwendet werden, vgl. Ich habe Äpfel gegessen, was der nicht episodischen
Verwendung von – zählbaren – Ereignissen und Verläufen entspricht.
Aktionale Häufigkeit
Zeitliche Definitheit korreliert eng mit aktionaler Häufigkeit, der Einmaligkeit oder Mehr-
maligkeit von Situationen. Eine episodische ist per Default eine einmalige Handlung. Eine
feste Beziehung zwischen temporaler Definitheit und Einmaligkeit oder Mehrmaligkeit von
Situationen besteht nicht. Es können jedoch nur Ereignisse oder Verläufe ein- oder mehr-
malig sein, nur sie sind zählbar. Stative Situationen werden selten quantifiziert und erge-
ben in entsprechenden Kontexten in der Regel bizarre Äußerungen. Vgl.:
*Ten pogla˛d cze˛sto odpowiadaΩ prawdzie. ‚Diese Aussage hat oft der Wahrheit
entsprochen.’
7.6. Der Aspekt 381
Textlinguistische Ebene
Kategorie: aktionale
Chronologie
Morphologische Ebene
Formate: Vokabel – perfektiver Aspekt imperfektiver Aspekt
Derivat
Kategorie: Aspekt
Auf der lexikalischen Ebene werden Ereignisse von der telischen lexikalischen Bedeutung
impliziert, z.B. der Bedeutung von zamkna˛c´ ‚zumachen’, przejs´c´ ‚überqueren’ oder uznac´
‚anerkennen’, analog Verläufe, z.B. von der atelischen lexikalischen Bedeutung von mo´wic´
‚sprechen’, s´miac´ sie˛ ‚lachen’, und stative Situationen, z.B. von der atelischen lexikali-
schen Bedeutung von wiedziec´ ‚wissen’, znaczyc´ ‚bedeuten’. Ereignisse, Verläufe und
stative Situationen können auch auf der morphologischen und syntaktischen Ebene kon-
stituiert werden. Auf der morphologischen Ebene können Ereignisse durch grammatische
Derivation konstituiert werden. Z.B. werden durch die Ableitung von pomo´wic´ ‚(eine Zeit
384 7. Verben
lang) sprechen’, zas´miac´ sie˛ ‚lachen’ die Bedeutungen der unmarkierten atelischen Verben
auf bestimmte Weise so verändert. Diese von Verben mit atelischer lexikalischer Bedeu-
tung abgeleiteten Derivate bezeichnen dann atelische Ereignisse.
Ein Verb muss nicht auf eine telische oder atelische lexikalische Bedeutung fest-
gelegt sein, es kann erst auf der syntaktischen Ebene einen Kontext erhalten, mit dem diese
Festlegung geschieht. So kann czytac´ ‚lesen’ durch die Kombination mit einem Objekt wie
list ‚Brief’ ein Ereignis bezeichnen (czytaΩa list ‚las einen Brief’). Die Fügung czytaΩa list
‚las einen Brief’ bezeichnet ein Ereignis, aber nicht aufgrund der lexikalischen Bedeutung
allein, sondern aufgrund der Kombination der lexikalischen Bedeutung mit einem be-
stimmten grammatischen Objekt. In der Kombination czytaΩa listy im Sinne von ‚las Briefe
(indefinit)’ wird demgegenüber kein Ereignis, sondern ein Verlauf bezeichnet. Die Kon-
stitution einer Ereignis-Funktion kann auch auf der morphologischen und syntaktischen
Ebene zugleich geschehen. Mit przeczytaΩa list ‚las einen Brief’ liegt sowohl ein Derivat
mit Ereignis-Funktion als auch ein Kontext mit Ereignis-Funktion vor.
Ähnliches gilt für Verlaufsfunktionen, die lexikalisch, vgl. mo´wic´ ‚sprechen’,
s´miac´ sie˛ ‚lachen’ impliziert sein können, die aber auch durch Derivation (zamkna˛c´ > za-
mykac´ ‚schließen’) in Verbindung mit einem entsprechenden Kontext, damit morpholo-
gisch-syntaktisch, konstituiert werden können, vgl. patrz, on zamyka drzwi ‚guck, er
schließt gerade die Tür zu’, und ebenso für stative Situationen, die impliziert sein können
durch die lexikalische Bedeutung wie bei wiedziec´ ‚wissen’, znaczyc´ ‚bedeuten’, oder die
syntaktisch konstituiert sein können, vgl. uznawac´ ‚anerkennen’, dessen lexikalische Be-
deutung nicht stativ ist, in kos´cio´Ω nie uznaΩ s´lubu ‚die Kirche erkannte die Ehe nicht an
(die Anerkennung lag nicht vor)’.
Betrachten wir nun die Funktionen näher und beginnen mit der Kategorie Telizität,
die in der Literatur u.a. auch unter den Termini predel’nost’, Grenze, Grenzbezug, boun-
deness figuriert. Sie enthält die Begriffe telisch, atelisch und diffus telisch-atelisch. Eine
von einem telischen Verb bezeichnete Situation hat eine echte, in der Sache liegende, ‚in-
nere Grenze’. Wir sagen: es ist eine telische Situation. Wenn von jemand gesagt wird: er
machte die Tür zu, ist auszuschließen, dass er die Tür danach noch weiter zumachte.Wenn
dagegen von jemandem gesagt wird: er lief im Zimmer herum, dann ist nicht auszuschlie-
ßen, dass er danach noch weiter im Zimmer herumlief. Allgemein gesagt: Eine telische
Situation impliziert, dass eine Verlängerung der von diesem Verb bezeichenbaren Situation
um eine oder mehrere weitere Phasen, die wir in einem Gedankenexperiment vornehmen
könnten, nicht möglich ist, ohne eine andere Situation zu bezeichnen. Es würde sich dann
nicht mehr um eine Situation handeln, die mit diesem Verb bezeichnet wird. Z.B. würde
bei dem telischen usia˛s´c´ ‚sich hinsetzen’ eine Fortsetzung der Situation mit dem Verb sie-
dziec´ ‚sitzen’ bezeichnet. Bei dem telischen Verb zamkna˛c´ ‚zumachen’ ist eine Fortset-
zung der Situation sachlogisch prinzipiell ausgeschlossen.
Allgemein gesagt impliziert eine telische Situation, dass eine Verlängerung der
von diesem Verb bezeichenbaren Situation um eine oder mehrere weitere Phasen, die wir
7.6. Der Aspekt 385
‚er hat gesprochen’ oder przeczytaΩ list ‚er hat den Brief gelesen’ ein Ereignis bezeichnet
wird, heißt das für den Hörer oder Leser, dass das, was im nächsten pf. Prädikat genannt
wird, eine neue Situation ist, die der vorher genannten folgt. Daher wird eine Abfolge von
Prädikaten wie zamkna˛Ω drzwi i przeczytaΩ list ‚schloss die Tür und las den Brief’ als
Handlungssequenz verstanden. Demgegenüber wird eine Abfolge von ipf. Prädikaten mit
(progressiver) Verlaufsfunktion, vgl. kiedy ona juz˙ mo´wiΩa o gos´ciu, on jeszcze zamykaΩ
drzwi ‚während sie schon über den Gast sprach, machte er noch die Tür zu’ als zeitlicher
Parallelismus verstanden.
Gehen wir noch einmal zur lexikalischen Ebene zurück und betrachten atelische
Verben wie chodzic´ ‚herumlaufen’ oder mo´wic´ ‚sprechen (mit)’. Ihre atelische lexikalische
Bedeutung impliziert einen Verlauf, also eine Situation, die aus mehreren Phasen besteht.
Es ist ein atelischer Verlauf, einer, der nicht auf eine bestimmte sachliche ‚Grenze’ hin-
steuert, wie wir das bei zamykac´ ‚zumachen’ gesehen haben. Durch Präfigierung mit po-
erhält das ipf. mo´wic´ ‚sprechen’ den pf. Aspektpartner pomo´wic´ ‚(eine Zeit lang) sprechen
(mit)’. (Wenn mo´wic´ die lexikalische Bedeutung ‚sagen’ hat, ist es telisch und hat einen
anderen pf. Aspektpartner, powiedziec´.) Bei pf. Derivaten wie pomo´wic´ ist das Ereignis
nicht lexikalisch, sondern grammatisch gesetzt. Die Ereignis-Gestalt ist nicht durch einen
abgeschlossenenen Sachverhalt begründet, sondern als eine rein zeitliche zu verstehen. Das
ipf. Verb mo´wic´ hat, wie das ipf. zamykac´, eine Reihe potenzieller Funktionen, darunter die
progressive, die erst in ihrem Satzkontext, auf der syntaktischen Ebene, spezifiziert wer-
den. Auf der textuellen Ebene spielt dann die Frage, ob das Verb telisch oder atelisch ist,
keine wesentliche Rolle mehr, hier steht der Unterschied zwischen den syntaktischen
Funktionen des pf. und ipf. Aspekts im Vordergrund.
Die Ebenen sind auch wichtig für die Korrelierung von Aspektpartnern und -paa-
ren. Dies zeigt sich deutlich zunächst bei diffuser, telisch-atelischer lexikalischer Bedeu-
tung. Da sie im Hinblick auf die Telizität nicht eindeutig ist, ist erst mit Kontext zu erken-
nen, ob die dargestellte Situation telisch oder atelisch ist oder diffus bleibt. Wie gesehen,
wird mit dem Objekt list in przeczytaΩ list ‚hat den/einen Brief gelesen’ eine sachliche
Grenze geliefert. Ist der Brief gelesen, kann er nicht weiter gelesen werden, so wenig, wie
die Tür im Falle von zamkna˛Ωem weiter geschlossen werden kann. Die dargestellte Situati-
on ist damit telisch. Das diffuse telisch-atelische Verb czytac´ wird mit solchem Kontext,
also erst auf der syntaktischen Ebene, ein telisches Prädikat. Erscheint ein Objekt listy mit
indefiniter Funktion (czytaΩ listy ‚las Briefe’), dann wird mit dem Kontext keine sachliche
Grenze gesetzt und wir haben es mit einem atelischen Prädikat zu tun.
Während diese Konturierung der diffusen Bedeutung des ipf. Verbs czytac´ ‚lesen’
zu einem telischen oder atelischen Prädikat erst auf der syntaktischen Ebene geschieht,
kann die Konturierung auch durch Präfigierung, damit auf der morphologischen Ebene,
geschehen. Przeczytac´ ist der telische Aspektpartner, poczytac´ der atelische Aspektpartner
zu czytac´. Przeczytac´ muss, da es telisch ist, einen entsprechenden, die ‚sachliche Grenze’
bezeichnenden, telischen Kontext haben, z.B. list ‚den Brief’; poczytac´ muss einen ateli-
schen Kontext haben (der auch in der Abwesenheit eines Objekts bestehen kann). Wir ha-
7.6. Der Aspekt 387
ben hier also zu czytac´ ‚lesen’ mit der einen, lexikalisch diffusen, Bedeutung, mehrere
Aspektpartner.
Die Anwendung des Terminus Aspektpaar ist nicht nur für diffuse ipf. Verblexeme
und ihrer pf. Partner auf die syntaktische Ebene zu beschränken. Sie gilt z.B. auch für die
gar nicht seltenen Verbvokabeln, bei denen verschiedenen lexikalischen Bedeutungen ver-
schiedene Aspektpartner entsprechen wie dies bei mo´wic´ – pomo´wic´ ‚sprechen (mit)’,
mo´´wic´ – powiedziec´ ‚sagen’ der Fall ist. Denn welche lexikalische Bedeutung von mo´wic
vorliegt, wird ja erst im Satzkontext klar. Damit wird auch erst im Satzkontext klar, mit
welchem pf. Aspektpartner das ipf. mo´wic´ ein Aspektpaar bildet.
Die Begriffe Ereignis, Verlauf und stative Situation erfassen nur einen Teil der
funktionalen Unterschiede zwischen pf. und ipf. Aspekt. Ein anderer Teil betrifft die tem-
porale Definitheit, die Funktionsopposition zwischen episodischen und nicht episodischen
Situationen. Ein Verb wie zamkna˛c´ ‚schließen’ (lexikalische Ebene) oder eine Wortfügung
wie przeczytaΩ list ‚er hat den Brief gelesen’ (syntaktische Ebene) vermitteln ein telisches
Ereignis. Die genannten Verben sind perfektiv. Bei den imperfektiven Entsprechungen,
also zamykac´ ‚schließen’, czytaΩ list ‚er hat den Brief gelesen’ können ebenfalls telische
Ereignisse vermittelt werden, obwohl die Verben nicht pf. sind. Dies kann z.B. dann gege-
ben sein, wenn die jeweilige Handlung durch den Satzkontext als regelmäßig wiederholt
und damit temporal indefinit lokalisiert ist, hier als ‚nicht episodisch’ dargestellt.
Gleichgültig, welche Namen man für dieses Phänomen der zeitlichen Definitheit
verwendet, es reicht jedenfalls nicht aus, nur Ereignisse und Verläufe zu unterscheiden, um
die Opposition zwischen pf. und ipf. Verben zu beschreiben. Ereignisse können von ipf.
Verben genauso wie von pf. Verben bezeichnet werden. Der Unterschied zwischen ipf.
zamykaΩa in der Bedeutung ‚schloss regelmäßig’ und pf. zamkne˛Ωa besteht nicht in der Er-
eignis-Gestalt, sondern darin, dass das ipf. Verb mit dieser Funktion eine nicht episodische,
d.h. als zeitlich indefinite Situation darstellt, das pf. Verb eine episodische, zeitlich defini-
te.
Die Funktionen der temporalen Definitheit sind auf verschiedenen Ebenen anzu-
setzen:
1. Lexikalische Ebene: Die Explikationen der lexikalischen Bedeutungen implizie-
ren bei den Lexemen mit stativer Bedeutung die Funktion ‚nicht episodisch’,
vgl. kochac´ ‚lieben’, wiedziec´ ‚wissen’. Die anderen lexikalischen Bedeutungen
implizieren oder enthalten nicht die Funktion ‚episodisch’ bzw. ‚nicht episo-
disch’.
2. Morphologische Ebene: Der pf. Aspekt impliziert per Default die Funktion ‚epi-
sodisch’, vgl. zamkna˛c´ ‚schließen’, przeczytac´ ‚lesen’. Dieser Default kann auf
der syntaktischen Ebene aufgehoben werden.
388 7. Verben
Genaugenommen müsste nicht, wie meist, von ‚Verbkategorien’, gesprochen werden, son-
dern von ‚Lexemkategorien’ bzw. ‚aspektrelevanten Kategorien lexikalischer Bedeutun-
gen’.
Die Lexemtypen
Die zentralen Funktionen der aktionalen Gestalt werden hier, wenn sie Komponenten der
lexikalischen Bedeutung des Verbs sind, als Lexikalische Aktionale Funktionen bezeich-
net. Die Unterkategorien bildenden peripheren aktionalen Kategorien des Zustandswech-
sels usw. sind dann Subkategorien der Lexikalischen Aktionalen Funktion. Diese aktiona-
len Funktionen werden von der Verb-Vokabel auf die derivierten Aspektpartner vererbt.
Sie können dort durch die grammatische Funktion des Aspektaffixes überlagert und auf der
syntaktischen Ebene durch Kontext modifiziert werden.
Verb-Lexeme werden entsprechend ihrer Lexikalischen Aktionalen Funktionen in
Lexemtypen kategorisiert. Da die lexikalische Bedeutung allen Aspektpartnern eines Ver-
ballexems gemeinsam ist, ist ihnen auch die Lexikalisch Aktionale Funktion gemeinsam.
Diese gemeinsamen Merkmale fundieren die Lexemtypen. Die Typen haben bestimmte
390 7. Verben
sodischer Verlauf’ hat. Die vom Verb dargestellte Situation ist dann mehrphasig, vgl. kiedy
zmywaΩ, … ‚als er am Auswaschen war, …’.
Gilt die lexikalische Beschreibung für eine beliebige Phase einer aktionalen Situa-
tion, dann hat das Lexem Verlaufsfunktion, vgl. pΩakac´ ‚weinen’. Im Derivat popΩakac´ ist
die Eigenschaft der Mehrphasigkeit des Weinens überlagert durch die Funktion des perfek-
tivierenden Affixes, das Einphasigkeit vermittelt.
Gilt die lexikalische Beschreibung für die gesamte Situation und jeden Zeitinter-
vall der Situation, jedoch nicht für eine Phase (weil die Situation nicht über eine solche
verfügt, sondern nur ein Stadium besitzt), dann hat das Lexem stative Funktion, vgl. wie-
dziec´ ‚wissen’, znaczyc´ ‚bedeuten’.
Die Bedeutung der aktional diffusen Lexeme impliziert ein Ereignis und/oder ei-
nen Verlauf. Im Satzkontext kann die Bedeutung zu einem Ereignis oder Verlauf konturiert
werden, muss aber nicht. Die Explikation der lexikalischen Bedeutung enthält eine inklusi-
ve Disjunktion, sie gilt in Abhängigkeit vom Kontext (a) für genau eine Phase, (b) für eine
beliebige Phase oder es bleibt unklar, ob (a) oder (b) zutrifft. Eines dieser durchaus zahlrei-
chen Lexeme ist czytac´ ‚lesen’, dessen lexikalisch aktionale Funktion je nach Kontext zu
einem Ereignis konturiert werden kann, vgl. czytaΩ ten list (mit dem Ende des gelesenen
Briefs tritt das Ende der aktionalen Situation ein, mit czytaΩ ten list ‚er hat den Brief gele-
sen’ kann eine weitere Situationsphase nicht bezeichnet werden, eine Fortsetzung dieser
Handlung ist nicht möglich. Oder die lexikalische Bedeutung wird zu einem Verlauf kontu-
riert, vgl. kiedy czytaΩ, … ‚als er las …’. Die Handlung ist im Fortschreiten, es wird keine
Phase bezeichnet, nach der die Fortsetzung dieser Handlung nicht mehr möglich ist. Die
Diffusität der Bedeutung kann aber auch auf die syntaktische Ebene vererbt werden und die
aktionale Situation kann unkonturiert im Satz erscheinen, vgl. Czy czytaΩes´ listy? ‚Hast du
den Brief gelesen?’ Weiteres hierzu bei der syntaktischen Beschreibung.
Als oberstes Unterscheidungsmerkmal der Lexem-Subtypen wird die Mehrphasig-
keit des ipf. Verbs und der beobachtbare Zustandswechsel bei pf. und ipf. Verben herange-
zogen werden.
Dass das ipf. Lexem lexikalisch mehrphasig ist, kann man daran erkennen, dass es
in der progressiven Funktion auftreten kann. Vgl.:
(4) Verlaufslexem: Kiedy Genowefa stawiaΩa wiadra na ziemi, odgarniaΩa kosmyk
z czoΩa. ‚Als Genowefa den Eimer auf den Boden stellte, strich sie sich eine
Strähne aus der Stirn.’
(5) Statives Lexem: *Kiedy Genowefa wiedziaΩa to, odgarniaΩa kosmyk z czoΩa.
‚Als Genowefa das wusste, strich sie sich eine Strähne aus der Stirn.’
Für die Unterscheidung der atelischen Lexeme in Verlaufslexeme und stative Lexeme ist
dieses Kriterium das geeigneteste. Weniger geeignet ist es für die weitere Unterscheidung
der telischen und der diffusen Lexeme in Subtypen. Die Feststellung der Progressivität
392 7. Verben
hängt bei den telischen Lexemen sehr davon ab, welche Kontexte man findet oder sich
einfallen lässt. Daher wird hier dem Merkmal ‚beobachtbarer Zustandswechsel’ (s.o.) der
Vorrang eingeräumt, zumal die Korrelation mit der Verwendung in progressiver Funktion
hoch ist: Lexeme mit der lexikalischen Funktion ‚beobachtbarer Zustandswechsel’ sind
progressionsfreundlich, solche ohne diese Funktion progressionsfeindlich.
In der folgenden Tabelle sind für jeden Subtyp beide Kriterien aufgeführt, das ent-
scheidende befindet sich jedoch im grundierten Kasten. In Klammern gesetzt ist das mit-
laufende Kriterium, das dann zwar ein typisches Merkmal erfasst, jedoch bei der Klassifi-
zierung der einzelnen Verblexeme eine nachgeordnete Rolle spielt.
Lexemtyp Lexemsubtyp
mit/ohne lexikali- ipf. mit/ohne mit/ohne lexika- Name
sche Ereignis- progressive lischen Zu-
Funktion Satzfunktion standswechsel
telische Lexeme (+) + transformative Ereignis-Lexeme
(Ereignis-Lexeme) (≅ accomplishment)
zamkna˛c´/zamykac´ ‚schließen’
(–) – konklusive Ereignis-Lexeme
(≅ achievement)
po-/chwalic´ ‚loben’
atelische Lexeme + (–) dekursive Verlaufslexeme
(≅ activity)
(Lexeme ohne po-/spac´ ‚schlafen’
Ereignisfunktion) – (–) stative Lexeme (≅ state)
znaczyc´ ‚bedeuten’/Ø
diffuse Lexeme (+/–) + transformativ-mutative Lexeme
(Ereignis- po-/bielec´ ‚weiß(er) werden’
Verlaufslexeme) (+/–) – dekursiv-konklusive Lexeme
po-/prze-/czytac´ ‚(durch)lesen’
Diese Typologie entfaltet ihre deskriptive Wirksamkeit in der Kombinatorik. Dies gilt
zunächst für die morphologische Kombinatorik, wenn es also darum geht, mit welchen
Formen und welchen funktionalen Veränderungen die grammatischen Derivationen ver-
bunden sind und wie sich die Kombination mit den Tempora und dem Genus verbi aus-
wirkt. Sie wirkt sich außerdem kräftig im Gebrauch auf Satzebene aus, nicht nur im Hin-
blick auf die Verwendbarkeit der progressiven Funktion. So ist, wie im Abschnitt ‚Synthe-
tische Beschreibung’ gezeigt wird, die progressive Satzfunktion bei transformativen Lexe-
men eine ganz andere, als bei konklusiven. Bei den letzteren ist sie wiederum verschieden
je nach Subtyp, d.h., je nachdem, ob soziale oder mentale Akte, vgl. mys´laΩa ‚dachte’,
7.6. Der Aspekt 393
punktuelle Situationen, vgl. migaΩa ‚blinkte’, oder durative Situationen, vgl. chodziΩa
‚ging’, bezeichnet werden.
Hinsichtlich der morphologischen Ebene kann als ein Unterscheidungsmerkmal
die grobe Tendenz genannt werden, dass bei der Bildung von Aspektpartnern die transfor-
mativen Lexeme mit Suffigierung durch -(w)a- usw. und mit der Präfigierung durch räum-
lich motivierte Präfixe gearbeitet wird, während die nichttransformativen Lexeme das Prä-
fix po- bevorzugen. In dieser Grammatik können nur wichtige und exemplarische Fakten
zum Verhalten der Lexeme auf den höheren Ebenen, bei der grammatischen Derivation
und im Satzkontext, geboten werden.
Schwierigkeiten bereitet gelegentlich die Trennung von stativen und dekursiven
Lexemen, da stative Lexeme immer und dekursive Lexeme oft Zustände bezeichen, d.h.
Situationen, die keine innere Veränderung durchlaufen. Da lexikalische Verlaufsbedeutun-
gen die Phasenstruktur der Situation implizieren, kann gesagt werden:
• stative und progressive Funktion sind unvereinbar;
• nur bei dekursiver Bedeutung (lexikalischer Verlaufsbedeutung) wie bei spac´
‚schlafen’, siedziec´ ‚sitzen’
– können delimitative Derivate abgeleitet werden;
– besteht die Kontrollierbarkeit der Situation durch den Agens, vgl. mys´lec´ 1.
‚meinen’ (stativ) vs. ‚nachdenken’ (dekursiv);
– besteht die Möglichkeit eines Zustandswechsels;
– könnte die Explikation durch ‚X beginnt zu …’, ‚X fährt fort zu’, ‚X hört auf
zu’ bzw. Äquivalente ergänzt werden, ohne dass sich der Lexemtyp ändert.
tens einer anderen grammatischen Bedeutung in derselben Wortform. Sie bestehen also aus
Komponenten mehrerer grammatischer Bedeutungen. Diese komplexen morphologischen
Funktionen müssen eigens beschrieben werden, weil es sich dabei nicht immer um die
bloße Addition (kompositionale Kombination) von Funktionen handelt. Z.B. ergibt die
Kombination der Präsens-Futur-Endung mit dem ipf. Aspekt eine präsentische Funktion
(pisze˛ ‚ich schreibe’), mit dem pf. Aspekt eine futurische Funktion (napisze˛ ‚ich werde
schreiben’). Da in der Wortform ein Aspekt immer in Kombination mit einem Tempus,
einem Modus und einer Diatheseform auftritt, ergibt sich bei jeder Verwendung ein um-
fangreicher Komplex aus Aspekt-Diathese-Tempus-Modus-Funktionen.
Aspektpartnerschaften werden im Prinzip durch Suffigierung und Präfigierung ge-
bildet. Der Träger der Aspektfunktion ist also in zmyc´ – zmywac´ ‚auswaschen’ oder robic´ –
zrobic´ ‚machen’ einmal der Stamm und einmal das Affix. Das Affix -(w)a-, z- hat die fol-
gende grammatische Funktion: Es wandelt die aspektuelle Funktion des Stammes in eine
oppositive aspektuelle Funktion um. Da die Stämme verschiedene aspektuelle Funktion
haben, vgl. zmyc´ (pf.) ‚auswaschen’, robic´ (ipf.) ‚machen’, entstehen durch die Affigierung
logischerweise Verben mit verschiedenen Aspekten: zmywac´ (ipf.) ‚auswaschen’ oder zro-
bic´ (pf.) ‚machen’.
Die grammatische Derivation beruht also darauf, dass zu den Vokabeln ohne
grammatisches Affix, den aspektuell nicht markierten Vokabeln eines bestimmten Aspekts,
die zugehörigen Derivate des oppositiven Aspekts abgeleitet werden. Die so abgeleiteten
ipf. Verben haben diejenigen aspektuellen Funktionen, welche die ipf. Stämme haben und
umgekehrt. Was durch die grammatische Affigierung erreicht wird, ist Folgendes: Man
kann jetzt auf grammatische Weise (fast) alle lexikalischen Stämme und damit lexikali-
schen Bedeutungen mit (fast) allen aspektuellen Funktionen verwenden. Genau das ist im
Deutschen, das keinen grammatischen Aspekt hat, nicht möglich. Im Deutschen werden die
entsprechenden Funktionen entweder, wie im Polnischen, durch den lexikalischen Stamm
ausgedrückt, oder nur noch durch den Kontext. Dieser spielt freilich auch im Polnischen,
zusammen mit dem Stamm und dem Affix, eine große Rolle.
Wenn die morphologische Funktion des pf. Aspekts unverändert auf die Satzebene vererbt
wird, erscheint sie dort unter der Bezeichnung ‚konkret-faktische Funktion’. Die Funktion
des ipf. Aspekts ist demgegenüber von der lexikalischen Ebene auf die morphologische
vererbt und wird dann auf der Satzebene durch Kontexte in mehrere aspektuelle Satzfunk-
tionen differenziert.
Da es sich hier um eine theorieabhängige Explikation des polnischen Aspekts als
grammatische Kategorie handelt, ist ein ‚Beweis’ nicht ohne weiteres möglich. Die vorlie-
gende morphologische Beschreibung soll auf möglichst einfache Weise erklären, wie es zu
den einzelnen Satz- und Textfunktionen der Aspekte kommt. Das Verfahren, die zugrunde
liegenden lexikalischen und morphologischen Funktionen als Defaults anzusetzen, also als
durch morphologische Umgebung und Kontext veränderbare Ausgangswerte, erscheint uns
als das geeignetste, um die Komplexität der Aspektfunktionen und ihr Verhältnis zu den
sprachlichen Formen zu erklären. Die angesetzten morphologischen Funktionen müssen
sich auf mehreren Ebenen bewähren: auf der morphologischen Ebene selbst bei der Be-
schreibung der funktionalen und formalen Derivation und auf der syntaktischen Ebene bei
der Beschreibung der auf Kontextbedingungen zurückzuführenden Satzfunktionen. Diese
wiederum sind die Grundlage der Textfunktionen, den eigentlich kommunikativ relevanten
Funktionen. Meist kann erst auf der Textebene begründet werden, warum ein bestimmter
Aspekt verwendet wird.
Einige Hinweise auf alternative Definitionen der Aspekte seien angefügt. Die mor-
phologischen Funktionen sind in der Abstraktionsstärke vergleichbar mit den so genannten
invarianten Aspektbedeutungen. Sofern mit der invarianten Bedeutung eines Aspekts ge-
meint ist, dass die Bedeutung in allen Vorkommen erscheint, kann festgestellt werden, dass
die Suche danach bisher ohne Erfolg geblieben ist und bleiben wird. Falls damit etwas wie
ein Funktionsdefault gemeint ist, so geht es darum, die einfachste Ausgangsfunktion zu
formulieren. Dazu wurde oben ein Vorschlag gemacht.
Die morphologischen Aspektfunktionen sind also keine ‚Invarianten’, wenn dieser
Ausdruck besagen soll, dass eine der beiden Funktionen bei jeder Verwendung des ipf.
bzw. pf. Aspekts gegeben ist. Diese ist für den ipf. Aspekt auch dann nicht formulierbar,
wenn die Funktionsbeschreibung negativ formuliert wird, wenn der ipf. Aspekt also wie
folgt definiert wird: ‚nicht-episodisches Ereignis’. Denn im ipf. Präsens können telische
Lexeme (= Ereignis-Lexeme) bei episodischer Verwendung die Funktion ‚episodisches
Ereignis’ haben. Eine dritte Art, eine ‚Invariante’ zu formulieren, ist zwar korrekt, aber
noch weniger aussagekräftig, als die negative. Der ipf. Aspekt wird dann als ‚merkmallos’
expliziert, d.h. als Bedeutung, die sowohl die negativ formulierte Bedeutung des ipf. As-
pekts ‚nicht episodisches Ereignis’ als auch die Bedeutung des pf. Aspekts ‚episodisches
Ereignis’ umfasst.
nany – niedokonany). Formal entsprechen den beiden Aspekten Klassen von pf. und ipf.
Verben. Verben verschiedenen Aspekts mit gleicher lexikalischer Bedeutung sind Aspekt-
partner und unterscheiden sich in der Regel durch das Vorhandensein bzw. das Fehlen von
Aspektaffixen. Ein Verb ohne grammatisches Aspektaffix wird als ‚aspektuell unmarkiert’
bezeichnet, ein Verb mit grammatischem Aspektaffix als ‚aspektuell markiert’. Das formal
unmarkierte Verb und das formal markierte Derivat bzw. die formal markierten Derivate
bilden eine Aspektpartnerschaft. Der formal markierte Aspektpartner wird per grammati-
sche Derivation vom formal unmarkierten Verb abgeleitet.
Die dabei vonstatten gehenden funktionalen Veränderungen laufen so ab, dass sich
beim Derivat jeweils die morphologische Funktion des pf. bzw. des ipf. Aspekts ergibt. In
der folgenden Tabelle ist dies jeweils für die Lexemtypen abgebildet:
Bei der Imperfektivierung (zamykac´ ‚schließen’, zapominac´ ‚vergessen’) wird die Bedeu-
tung des formal unmarkierten Verbs so verändert, dass nur die lexikalische Bedeutung
übrig bleibt. Diese wird dann mit dem Satzkontext zu den Funktionen der syntaktischen
Ebene kombiniert. Bei der Perfektivierung (odseparowac´ ‚trennen’, popracowac´ ‚arbeiten’,
przeczytac´ ‚lesen’usw.) wird die Bedeutung des formal unmarkierten Verbs so verändert,
dass die morphologische Funktion ‚episodisches Ereignis’ herauskommt. Auch bei den pf.
Verben kann es im Satz dann zu weiteren funktionalen Veränderungen kommen. Sie haben
7.6. Der Aspekt 397
aber, ganz im Gegensatz zu denen der ipf. Verben, Ausnahmecharakter. Die Angaben in
den Klammern stehen für untypische Aspektpartner.
Ein Beispiel: Das telische unmarkierte pf. Verb zamkna˛c´ ‚schließen’ hat als mor-
phologischer, kontextuell unabhängiger Typus die Funktion ‚episodisches Ereignis’. Es
wird durch Suffigierung zum ipf. Verb zamykac´ ‚schließen’ gemacht, und dieses hat als
morphologischer, kontextuell isolierter Typus nur noch die Funktion ‚Ereignis’. Im Satz-
kontext kann das Verb dann leicht die iterative Funktion erhalten, also die Funktion ‚mehr-
fach schließen’, wobei die Ereignis-Funktion regelhaft bestehen bleibt, das Schließen ist
ein Ereignis. Das neue Verb erhält in diesem Kontext außerdem die Funktion ‚nicht episo-
disch’. Das ipf. Derivat kann daneben auch die progressive Funktion erhalten, ‚dabei sein
zu schließen’; dann wird die Ereignisfunktion durch die Verlaufsfunktion überlagert, die
Funktion ‚episodisch’ bleibt bestehen.
Das telische unmarkierte ipf. Verb separowac´ ‚trennen’ hat ebenfalls die Lexika-
lische Aktionale Funktion ‚Ereignis’. Dieses ipf. Verb kann im Satzkontext die gleichen
Satzfunktionen erhalten, wie zamykac´ ‚schließen’, also z.B. die Funktion ‚iterativ’. Mit der
Derivation des pf. Verb odseparowac´ ‚trennen’ kommt zur Lexikalischen Aktionalen
Funktion ‚Ereignis’ die Funktion ‚episodisch’ hinzu, so dass das Verb als morphologischer
Typus die Funktion ‚episodisches Ereignis’ besitzt.
Aspektpartner werden in der Regel von einem Verb in einer lexikalischen be-
stimmten Bedeutung abgeleitet, vgl. das Beispiel gotowac ipf´:
gotowac´ 1. ‚kochen’ – ugotowac´ pf
gotowac´ 2. ‚zum Kochen bringen’ – zagotowac´ pf (– zagotowywac´ipf)
gotowac´ 3. ‚bringen, bescheren’ (übertragene Bedeutung) – zgotowac´ pf
Im Fall von zagotowac´ – zagotowywac´ ‚zum Kochen bringen’ ist vom Aspektpartner ein
weiterer Aspektpartner abgeleitet. Das aspektuell unmarkierte Verb (d.h. das Verb ohne
Aspektaffix) in einer bestimmten Bedeutung und sein Aspektpartner (bzw. seine Aspekt-
partner) bilden ein Verballexem, z.B. gotowac´ 1. – ugotowac´ oder gotowac´ ‚kochen’ 2. –
zagotowac´ – zagotowywac´ ‚zum Kochen bringen’.
Aspektuell reguläre Verballexeme bestehen aus zwei Standard-Partnern, die stati-
ven Lexeme bestehen nur aus einem Verb. Enthält ein Lexem mehr als zwei Aspektpartner,
sind die Standardpartner das aspektuell unmarkierte Verb (z.B. gotowac´ 2., czytac´ ‚lesen’)
und das häufigste Partnerverb (zagotowac´, przeczytac´). Die anderen Aspektpartner sind
peripher (zagotowywac´, poczytac´). Zu den peripheren Aspektpartnern gehören vor allem
präfigierte Verben, die eine bestimmte Phasen- oder Dauerbedeutung haben. Peripher sind
weiterhin die syntaktischen Partner eines Verbs (solche, die nur in bestimmten Kontexten
eine Partnerschaft eingehen).
Darüber, mit welchem präfigierten pf. Verb manche ipf. Verben Aspektpartner-
schaften bilden, gehen die Meinungen z.T. weit auseinander. So werden einige Verben mit
aspektuellem Präfix traditionell als ‚Aktionsart’-Verben bezeichnet und oft von der Bil-
dung von Aspektpartnern ausgeschlossen, weil ihre Funktion zwar aspektverändernd, aber
funktional relativ spezifisch ist. Dies sind vor allem pf. Verben mit der delimitativen Funk-
tion ‚eine Zeit lang’, vgl. poczytac´ ‚eine Zeit lang lesen’, posiedziec´ ‚eine Zeit lang sitzen’
und mit der ingressiven Funktion ‚anfangen zu’, vgl. zapΩakac´ ‚anfangen zu weinen’, za-
bolec´ ‚anfangen weh zu tun’.
Die Nichtanerkennung dieser oder gar aller präfigierten Verben als Aspektpartner
führt zur Annahme einer relativ großen Zahl sogenannter ‚aspektuell defektiver’ Verben,
d.h. solcher Verben, die nicht mit einem anderen Verb eine Aspektpartnerschaft bilden.
Demgegenüber wird in dieser Grammatik von folgenden Eigenschaften des As-
pekts im Polnischen ausgegangen:
1. Er ist funktional stark, aber formal relativ schwach grammatikalisiert.
2. Dabei ist er formal im Hinblick auf die Lexeme mit aspektueller Suffigierung
stärker grammatikalisiert (es gibt viele formale Varianten, denen aber immer-
hin -(w)a- gemeinsam ist).
3. Dabei ist er formal im Hinblick auf die Lexeme mit aspektueller Präfigierung
schwächer grammatikalisiert; es gibt zum einen eine größere Anzahl an Präfi-
xen und häufig gibt es innerhalb eines Verballexems mehrere Partner mit
7.6. Der Aspekt 399
In dieser Grammatik wird also die funktionale Seite der Aspektopposition als grundlegend
angesehen und die Formen (Affixe) nach dem Gesichtspunkt zusammengestellt, dass die
aspektuellen Funktionsoppositionen bedient werden müssen (z.B. die Opposition präsenti-
sche – futurische Funktion, vgl. pisze˛ – napisze˛ ‚ich schreibe – ich werde schreiben’, s.u.),
auch wenn damit eine geringere formale Regelmäßigkeit verbunden ist. Wegen der forma-
len Unregelmäßigkeit der aspektuellen Affigierung gibt es in Me˛dak 1997 ein vollständiges
Verzeichnis der Verballexeme mit den zentralen Aspektpartern (aber ohne die meisten
peripheren Aspektpartner).
Auch die funktionale Seite ist komplex insofern, als die Aspekte relativ viele ver-
schiedene Funktionen haben und diese sehr stark von der Umgebung, vor allem vom lexi-
kalischen Stamm (dem Typ des Verballexems), Tempus, Genus verbi und dem Satzkon-
text, beeinflusst werden. Viele wichtige Funktionen haben jedoch alle Verben eines As-
pekts unabhängig vom Typ des Verballexems gemeinsam. Mit den im nächsten Abschnitt
behandelten Typen von Verballexemen werden die jeweils mit dem Lexemtyp verbunde-
nen Arten der Affigierung und die wichtigsten spezifischen Funktionen genannt.
Aus praktischen Gründen sollen in diesem Abschnitt über die funktionalen As-
pektpartner auch solche behandelt werden, deren Beschreibung eigentlich die syntaktische
Ebene betrifft. Bei den bisher behandelten Aspektpartnern ist die lexikalische Bedeutung
des formal nicht markierten Verbs so beschaffen, dass die aspektuelle Funktion des Deri-
vats nur durch die grammatische Operation der Affigierung zustande kommt. Das ipf. De-
rivat zamykac´ ‚schließen’ besitzt auf der morphologischen Ebene nur die Lexikalische
Aktionale Funktion des Lexems, die Funktion ‚Ereignis’ (die Satzfunktionen dieses Verbs,
wie ‚iterativ’ oder ‚progressiv’, kommen, wie oben gesagt, durch die Interaktion dieser
Funktionen mit dem Kontext zustande). Mit der Derivation von zamykac´ ‚schließen’ wurde
also die Funktion des formal unmarkierten Verbs zamkna˛c´ ‚schließen’ ‚episodisches Ereig-
nis’ zur Funktion ‚Ereignis’ geändert. Die Veränderung beschränkt sich auf die temporale
Definitheit und entspricht somit bereits auf der morphologischen Ebene der Definition des
funktionalen Aspektpaars. Sie können als morphologische Aspektpartner bezeichnet wer-
den.
Daneben gibt es jedoch Fälle, in denen sich Verben nur in einer oder mehreren
grammatischen Aspektfunktionen (also in der zeitlichen Definitheit oder durch Rekategori-
sierung oder Profilierung) erst im für beide Partner gleichen Satzkontext unterscheiden.
Sie können als syntaktische Aspektpartner bezeichnet werden. Deren Definition enthält
also dieselben Bedingungen, wie die der morphologischen Aspektpartner, setzt aber einen
400 7. Verben
gemeinsamen Satzkontext voraus. Damit erhalten auch solche Verben den Status des As-
pektpartners, die auf der morphologischen Ebene keine sind, weil sie mehr als nur die in
der Definition erlaubten Funktionsunterschiede aufweisen. Z.B. besitzt die lexikalische
Bedeutung von pf. poznac´´ ‚kennen (lernen) ‚die Komponente ‚anfangen’, die des ipf. znac´
‚kennen’ nicht. Im folgenden Satz wird diese Komponente jedoch durch den Kontext ver-
mittelt, so dass sich das Prädikat hier von dem im anschließenden Satz nur entsprechend
der Definition des Aspektpartners unterscheidet (durch Profilierung, s. Synthetische Be-
schreibung):
On znaΩ ipf go z Warszawy. ‚Er kannte ihn von Warschau her.’
On poznaΩ pf go w Warszawie. ‚Er hat ihn in Warschau kennen gelernt.’
Das Suffix tritt entweder an die Stelle des Stammsuffixes des pf. Stammes, vgl. strzelac´
‚schießen’, oder es tritt zum lexikalischen Stamm hinzu, vgl. zmywac´ ‚abwaschen’. Im
7.6. Der Aspekt 401
Stamm des ipf. Verbs können sich mehr oder weniger umfangreiche morphonologische
Änderungen ergeben, so dass dann zusätzlich zur derivationalen Opposition Stammalter-
nationen bestehen.
Jeder Aspektpartner gehört einem bestimmten Formtyp der Verbstämme im Sinne
von Kap. 7.4. an. Die formale Opposition zwischen zwei durch Suffigierung korrelierten
Aspektpartnern kann deshalb auch als Opposition zwischen zwei Formtypen der Verbal-
stämme bestimmt werden.
Die ersten drei Variantenpaare des aspektbildenden Suffixes in der obigen Liste
sind die häufigen, daneben gibt es einige andere seltenere Fälle, für die hier als Beispiel das
Variantenpaar von kupowac´ ‚kaufen’ aufgeführt ist. Für letztere gilt, dass mindestens eine
Form des Variantenpaares die Phoneme /va/ enthält, die ja auch in zwei der häufigen Vari-
antenpaaren auftauchen. In verallgemeinernder Weise kann somit gesagt werden, dass die
auf Suffigierung zurückgehenden ipf. Verben sich von ihren pf. Aspektpartnern mindestens
durch die Suffixphoneme /va/ oder /a/ unterscheiden.
Diese sehr allgemeine Regel kann dem Polnisch-Lernenden als Stütze bei der Un-
terscheidung der Aspektpartner dienen. Die phonologische Form von suffigierten Aspekt-
partnern wird aber vom Lernenden nicht selbst abgeleitet. Das eine oder andere regelmäßi-
ge Ableitungverfahren kann jedoch als Behaltensstütze genutzt werden. Das gleiche gilt für
die anschließend behandelte Präfigierung, die ebenfalls nicht anhand von Regeln vorausge-
sagt werden kann.
Bei einigen Formtypen der Verbstämme tritt das Suffix der ipf. Aspektpartner
nicht zum unmarkierten Verb hinzu, sondern ersetzt ein Suffix des pf. Verbs, vgl.
rzuc-i-c´ – rzuc-a-c´ ‚werfen’, mi-na˛-c´ – mij-a-c´ ‚vorbeigehen’,
ogar-na˛-c´ – ogarni-a-c´ ‚umgeben’
Hier könnte man von einer gegenseitigen Ersetzbarkeit der grammatischen Suffixe spre-
chen, wie sie bei flektivischen Paradigmen, etwa den Personalendungen der Verben, czyta-
m – czyta-sz ‚ich lese – du liest’, gegeben ist. Die Bildung des ipf. Verbs entspricht aber
trotzdem der allgemeinen Suffigierungsregel für ipf. Verben. Daneben kann vor allem das
Suffix -na˛- als Markierung des pf. Aspekts aufgefasst werden. Formal können diese Typen
jedoch im Rahmen der Bildung von Aspektpartnern durch Suffigierung verbleiben:
• ipf. Verb mit Suffix mit /(v)a/ < pf. Verb ohne solches Suffix.
Als grammatische Präfixe werden vor allem verwendet: z- (s-/s´-) am häufigsten, oft: za-,
po-, u-, wy-, prze-, o-, na-, przy-, selten: od-, wz-, roz-. (s. Gramatyka wpóΩczesna je˛zyka
polskiego 1998:565)
Vgl. dazu die von dieser grammatischen Derivation zu unterscheidende lexikali-
sche Bildung neuer Verb-Vokabeln, die meistens eigene (‚sekundäre’) Aspektpartner ha-
ben, z.B.
pisac´ > wypisac´ – wypisywac´ ‚ausschreiben’
pisac´ > przepisac´ – przepisywac´ ‚abschreiben, verschreiben’
pisac´ > odpisac´ – odpisywac´ ‚abschreiben’
usw.
Auch im Gefolge dieser lexikalischen Derivation ergibt sich eine grammatische Änderung,
eine Perfektivierung (Ausnahmen sind minimal, vgl. przygrywac´ ipf ‚aufspielen’ < grac´ ipf
‚spielen’, mit gleichzeitiger Prä- und Suffigierung).
Sonderfälle
Die oben unter a) – b) gegebenen Beispiele bilden Aspektpartner in regulären Verballexe-
men. Keine regulären Verballexeme bilden folgende Verbgruppen:
c) pf. Verben ohne Aspektpartner (Perfektiva tantum), vgl. ujrzec´ pf. ‚erbli-
cken’, zdoΩac´ pf. ‚vermögen’, zaniemo´wic´ pf. ‚die Sprache verlieren’
d) ipf. Verben ohne Aspektpartner (Imperfektiva tantum), vgl. die Auxiliare byc´
‚sein’, miec´ ‚haben’, musiec´ ‚müssen’, z˙yc´´ ‚leben’, uczestniczyc´´ ‚teilnehmen’,
dziaΩac´ ‚aktiv werden, handeln’, mawiac´ ´ ‚zu sprechen pflegen’, sypiac´ ´ ‚zu
schlafen pflegen’; (beim Lexemtyp der stativen Verben ist das Fehlen eines
Partners regulär)
e) zweiaspektige Verben (d.h. Verben sowohl mit pf. als auch ipf. Funktion), z.B.
potrafic´ ‚können’, awansowac´ ‚befördern’, amputowac´ ‚amputieren’, kazac´
‚anweisen’, …
404 7. Verben
Die beiden letztgenannten suppletiven Aspektpartner sind Beispiele für die wesentlich
größere Zahl von Suppletiva bei den Verben der Fortbewegung mit lexikalischem, meist
räumlichem Präfix.
Für bestimmte Funktionen wird jeweils eines der beiden Verben genommen. Das zielge-
richtete Verb wird immer dann verwendet, wenn die Fortbewegung auf ein Ziel hin be-
zeichnet wird. Das Ziel muss dabei nicht genannt werden.
Kto tam idzie? ‚Wer geht da/kommt da?’
Dies bezeichnet die Fortbewegung, wie sie sich einem Beobachter darstellt. In der Bedeu-
tung ‚Wer geht da?’ muss der Beobachter nicht wissen, welches Ziel die gehende Person
hat. In der Bedeutung ‚Wer kommt da?’ sind Beobachter und Ziel mit dem Sprecher iden-
tisch (es ist eine deiktische Verwendung). Für Wiederholungen wird prinzipiell das nicht
zielgerichtete Verb verwendet, weil die Wiederholung in der Regel die Rückkehr impli-
ziert, Typ chodzic´ ist in dieser Bedeutung ohne Aspektpartner. Diese Verben werden auch
gebraucht für die Fähigkeit oder Gewohnheit, eine Bewegung auszuführen:
Janek juz˙ chodzi/pΩywa. ‚Janek kann schon laufen/schwimmen.’ (in dieser Bedeu-
tung ohne Aspektpartner)
Jan nosi czarny pΩaszcz. ‚Jan trägt einen schwarzen Mantel.’ (in dieser Bedeutung
ohne Aspektpartner)
Welches Verb in idiomatischen Verwendungen gebraucht wird, kann nicht immer von der
Standardfunktion abgeleitet werden und ist im Wörterbuch nachzuschlagen, vgl. z.B. zega-
rek nie chodzi ‚die Uhr geht nicht’, idzie/chodzi o … ‚es geht um …’.
2. Die präfigierten Verben der Fortbewegung verhalten sich hinsichtlich ihrer Aspektfunk-
tionen im Prinzip wie die anderen Verben. Zu unterscheiden ist die Präfigierung zur Bil-
dung von Aspektpartnern, Ia./b., und die zur Bildung von Vokabeln mithilfe von Präfixen
mit räumlicher und davon abgeleiteter übertragener Bedeutung, IIa./b.:
Ia. is´c´ ipf. ‚gehen/kommen’ (zielgerichtetes Verb) pf. Aspektpartner po´js´c´ ‚gehen’
und przyjs´c´ ‚kommen’ mit sekundärem Aspektpartner przychodzic´;
Ib. chodzic´ ipf. ‚herumgehen’ (nicht zielgerichtetes Verb) pf. Aspektpartner po-
chodzic´ ‚eine Zeit lang herumgehen’;
II. is´c´ ipf. (zielgerichtetes Verb) IIa. > odejs´c´ pf., neue Vokabel mit Bedeutungen
wie 1. ‚weg-, fortgehen’, 2. (‚in Pension u.ä. gehen’) und IIb. eigenem ipf. As-
pektpartner odchodzic´ ipf.; anstelle eines Suffixes wird hier das nicht zielgeri-
chetete Verb als Suppletivum eingesetzt.
Dass bei den präfigierten ipf. Verben zu II. (meist suppletive) Formen vorliegen, die vom
jeweiligen präfigierten pf. Verb abgeleitet sind (und nicht durch Präfigierung vom Typ
chodzic´ ) zeigt u.a. eine Form wie das ipf. przyjez˙dz˙ac´ ‚ankommen’. Bei ihr stimmt die
Stammvariante nicht mit dem Verb vom Typ chodzic´ überein.
Der Typ is´c´ kann nicht telisch und telisch verwendet werden, letzteres ist der
Fall, wenn ein Ziel angegeben ist:
406 7. Verben
Aktionsarten
Der Ausdruck ‚Aktionsart’ wurde und wird für sehr viele unterschiedliche Phänomene
gebraucht. Im Westen bezeichnet er sehr oft die Lexikalischen Aktionalen Funktionen bzw.
Lexemtypen. In der Slavistik ist er verbreitet als Ausdruck für Derivate, die zur lexikali-
schen Wortbildung gehören und in der Terminologie der Wortbildung als ‚Modifikationen’
bekannt sind. Das besondere ist dabei, dass es sich meist um modifikative Derivate ohne
Aspektpartner handelt, also nicht um ‚vollwertige’ Vokabeln, die ja über Variabeln für
Aspektpartner verfügen. Das, was in diesem Sinne als ‚Aktionsartverben’ angesehen wird,
ist in der vorliegenden Grammatik auf das Kapitel zur Worbildung und die vorangehenden
7.6. Der Aspekt 407
Abschnitte verteilt. In den letzteren erscheinen die Aktionsart-Verben als präfigierte Stan-
dard- und als periphere Aspektpartner.
Ohne Negation:
a) Temporale Relationen:
Für nachzeitige Ereignisse wird der pf. Aspekt verwendet:
Otwo´rz te drzwi! ‚Öffne die Tür!’
PoΩo´z˙ tu re˛ke˛! ‚Leg deine Hand hierher!’
Zostaw tego psa! ‚Lass den Hund in Ruhe!’
PoΩo´z˙my sie˛ tu i odpocznijmy. ‚Legen wir uns hier hin und ruhen uns aus.’
408 7. Verben
Je nach Kontext und Intonation können bei den hier besprochenen Aspektverwendungen
ohne Negation verschiedene Varianten von Aufforderungen vorliegen, Bitten (natürlich
kombiniert mit prosze˛ ‚bitte’ u.ä.), Wünsche, Befehle u.a. Standard ist der pf. Aspekt.
Für gleichzeitige Verläufe wird der ipf. Aspekt verwendet:
[Nachts schreit jemand herum. Man ruft:]
– Cicho, wariatko! Chcemy spac´ ipf. ‚Ruhe du Irre! Wir wollen schlafen.’
– A s´pijcie ipf sobie, s´pijcie ipf sobie do s´mierci. Po co sie˛ byΩo rodzic´, z˙eby teraz
spac´ ipf. ‚Ach schlaft doch, schlaft bis zum Tod. Warum ist man geboren worden,
um jetzt zu schlafen.’
Die ipf. Verben beziehen sich auf den zur Sprechzeit bereits bestehenden Verlauf des
Schlafens (gleichzeitiger episodischer Verlauf). Pf. Verben würden auf die Zeit danach
bezogen:
– Cicho, wariatko! Chcemy pospac´ pf. ‚Ruhe du Irre! Wir wollen schlafen!’
Die temporale Regel ‚ipf. Aspekt für Gleichzeitigkeit’ gilt auch für telische (grenzbezoge-
ne) Verbalphrasen, die per allgemeiner Defaultregel im pf. Aspekt stehen. Beim Imperativ
z.B. ist die Aufforderung, eine bereits im Verlauf befindliche Handlung fortzusetzen eben-
falls auf einen gleichzeitigen episodischernVerlauf bezogen:
Otwieraj te drzwi. ‚Mach ruhig weiter mit dem Aufmachen dieser Tür!’
Hier ist ein Lexem mit lexikalischer Ereignis-Funktion für einen episodischen Verlauf
verwendet.
b) ‚Modale Definitheit’:
Die Verwendung mit imperfektivem Aspekt bei Gleichzeitigkeit wurde in der Entwicklung
des Aspektgebrauchs ausgeweitet auf solche Verwendungen mit imperativischem Kontext,
in denen das Ereignis nachzeitig zur Sprechzeit lokalisiert ist, aber das Agens, die han-
delnde Person, auf die Handlung eingestellt ist. In solchen Sätzen kann der ipf. Aspekt
verwendet werden, aber eben nur wenn der Sprecher auf die Einstellung des Agens bezüg-
lich der bezeichneten Handlung ausdrücklich Bezug nehmen will oder diese Einstellung
ausdrücklich unterstellt. Das geschieht z.B. dann, wenn er jemanden etwas erlaubt:
Tak, otwieraj (spokojnie) te drzwi. ‚Ja, öffne (ruhig) diese Tür.’
Mit einer Erlaubnis geht der Sprecher davon aus, dass das Agens, die handelnde Person,
der vom Verb bezeichneten Handlung auf das Öffnen der Tür eingestellt ist oder sein
könnte. Diese Einstellung hat diese Person, wenn sie vorher eine Frage oder Bitte geäußert
hat. Der Sprecher bezieht die Situation, das Öffnen der Tür, auf eine in der Diskurswelt
vorausgesetzte Einstellung und insofern liegt eine Definitheit vor.
In solchen Kontexten können die Aspekte eine Art ‚modaler Definitheit’ markie-
ren, denn es wird mit dem ipf. Verb auf eine gegebene Einstellung Bezug genommen. Der
7.6. Der Aspekt 409
Bezug ist jedoch nicht referenziell wie beim Artikel oder temporal wie bei temporaler De-
finitheit, sondern modal.
Otwieraj te drzwi. ‚Öffne diese Tür.’
Dabei können z.B. folgende Sprechakte zum Ausdruck gebracht werden:
– eine Erlaubnis, ‚Du darfst diese Tür aufmachen.’
– die Ermunterung, eine erwogene Handlung auszuführen ‚Mach diese Tür ruhig
auf!’
Höfliche Einladungen beziehen sich ebenfalls auf die Einstellung des Agens:
Niech pan wchodzi, prosze˛! ‚Bitte kommen Sie herein!’
Ein Satz
Moz˙na otwierac´ te drzwi.
wird als Erlaubnis verstanden: ‚Diese Tür darf geöffnet werden.’, während
Moz˙na otworzyc´ te drzwi.
als Feststellung über die objektive Möglichkeit verstanden wird: ‚Es ist möglich, die Tür zu
öffnen.’ Mit pf. Verben wird die Agens-Einstellung nicht vorausgesetzt: Otwo´rz te drzwi!
‚Öffne die Tür!’
Die Markierung der Einstellung des Agens durch den ipf. Aspekt ist, wie gesagt,
fakultativ. Die entsprechenden Äußerungen können also auch mit pf. Verben getan werden,
vgl. die Erlaubnis mit pf. Aspekt:
Moz˙esz ja˛ wzia˛c´. ‚Du kannst sie nehmen.’
Mit dem pf. Aspekt wird keine Einstellung vorausgesetzt, hier liegt dann keine modale,
sondern temporale Definitheit vor, der Sprecher bezieht die imperativische Handlung auf
die Sprechzeit.
c) Wird mit einer imperativischen Äußerung die Erwartung vermittelt, dass die Handlung
ohne Zeitverzug eintritt, z.B. im Kontext von czas ‚es ist an der Zeit’, wird der ipf. Aspekt
verwendet:
Czas is´c´. ‚Es ist an der Zeit zu gehen.’
Czas umierac´´. ‚Es ist Zeit zu sterben’.
Wenn der Agens nicht auf das Ereignis oder den Verlauf eingestellt ist, kann diese Ver-
wendung leicht als unhöflich vestanden werden.
d) Verbspezifische idiomatisierte Regeln können zu festen Verwendungen führen. Vgl. die
festen Wendungen
Chodz´ ipf! für ‚Komm!’, Idz´ ipf! für ‚Geh!’
410 7. Verben
Mit Negation:
In den allermeisten Kontexten mit Negation, vor allem in imperativischen wie Verboten,
wird auf die Einstellung des Agens Bezug genommen. In solchen Fällen ist der ipf. Aspekt
obligatorisch:
Nie otwierajipf tych drzwi! ‚Mach die Tür (bitte) nicht auf!’
Nie kopc´cie tu, prosze˛! ‚Qualmt hier bitte nicht!’
Diese Äußerungen können je nach Kontext u.a. sein
• Verbot einer Handlung;
• eine Bitte, etwas nicht zu tun;
• ein Abraten von einer erwogenen Handlung: ‚Mach die Tür lieber nicht auf!’;
• eine Aufforderung, eine bereits im Verlauf befindliche Handlung zu beenden,
‚Mach die Tür nicht weiter auf, sondern wieder zu.’ (hier liegt neben der impe-
rativischen Negation ein gleichzeitiger Verlauf vor, der ohnehin den ipf. Aspekt
erfordert). Vgl. noch:
Nie musisz jej przekonywac´ ipf. ‚Du brauchst sie nicht zu überzeugen.’
Nie wolno tak mo´wic´ ipf! ‚So darf man nicht sprechen!’
Nie bluz´nij ipf! ‚Lästere nicht!’
Nie martw ipf sie˛! ‚Mach dir keine Sorgen!’
Niech sie∞ pani nie boi ipf! ‚Fürchten Sie sich nicht!’ (aber: Niech pan nie pro´bu-
je ipf otworzyc´ pf ! ‚Sie sollten die Tür nicht aufzumachen versuchen!’)
Nie moz˙na tak mys´lec´ ipf´. ‚So darf man nicht denken!’
Auch in volitiven (ein Wollen ausdrückenden) Kontexten mit Negation wird der ipf. As-
pekt verwendet:
Nie chce˛ otwierac´ ipf tych drzwi. ‚Ich möchte die Tür nicht aufmachen.’
Mit dem pf. Aspekt wäre die imperativische Äußerung als Warnung aufzufassen. Eine
Warnung setzt das Fehlen der Einstellung des Agens auf den Vorgang voraus. Vgl.:
Nie otwo´rz (przypadkiem) tych drzwi! ‚Öffne nicht (aus Versehen) diese Tür!’
Nie zapomnij kupic´ chleba. ‚Vergiss nicht, Brot zu kaufen!’
7.6. Der Aspekt 411
Kanonische Satzfunktionen
Für die in Sätzen und Texten auftretenden Kombinationen der Gestaltfunktionen des As-
pekts, der temporalen Definitheit sowie der Funktionen der aktionalen Häufigkeit und teil-
weise der Funktionen chronologischer Relationen werden vor allem bei praktisch orien-
tierten Beschreibungen fünf kanonische Satzfunktionen angesetzt. Eine ist dem perfektiven
die anderen dem imperfektiven Aspekt zugeordnet.
perfektiver Aspekt:
• konkret-faktische Funktion (= morphologische Funktion des pf. Aspekts ‚episo-
disches Ereignis’)
imperfektiver Aspekt:
• progressive Funktion ‚episodischer Verlauf (immer synchron)’
• iterative Funktion ‚mehrmalige nichtepisodische Ereignisse oder Verläufe’
• stative Funktion ‚stative (nichtepisodische) Situation’
• allgemeinfaktische Funktion ‚nichtepisodisches Ereignis oder Verlauf
(ohne Indizierung der Häufigkeit, vor- oder nachzeitig)’
Beispiele für kanonische Funktionen: perfektiver Aspekt: Beispiel (1, 2a, 3, 5, 7, 8a-b);
progressive (6, 8c) und iterative (9-10) Funktion des imperfektiven Aspekts:
[Genowefa trifft ihren Geliebten Eli.]
(1) (a) PostawiΩa wiadra na ziemi i (b) odgarne±Ωa kosmyk z czoΩa.
(2) – (a) Wez´ wiadra i (b) chodz´ ze mna˛ nad rzeke˛.
(3) – Co powie two´j ma˛z˙?
(4) – Jest w paΩacu.
412 7. Verben
perfektiv imperfektiv
konkretfak- progressiv stativ iterativ allgemein-
tisch faktisch
zeitliche episodisch episodisch nicht nicht nicht
Definitheit: episodisch episodisch episodisch
Gestalt: Ereignis Verlauf unphasisch phasisch phasisch
(eine Phase) (mehrere (Ereignis/ (Ereignis/
Phasen) Verlauf) Verlauf)
Häufigkeit: einmal einmal Ø mehrmals Ø
chronologisch alle gleichzeitig alle alle vor-/
Relation: nachzeitig
Nichtkanonische Satzfunktionen
Als nicht kanonisch werden hier Satzfunktionen bezeichnet, bei denen kanonische Satz-
funktionen eines Aspekts oder relevante Komponenten daraus einem Verb des oppositiven
Aspekts zugeordnet sind.
(a) Nicht kanonische Funktionen des pf. Aspekts:
Es ist möglich, die dem perfektiven Aspekt zugeordnete Satzfunktion mit der Funktion
‚mehrmals’ zu kombinieren, entgegen der Default-Implikation, dass pf. Verben Einmalig-
keit denotieren. Wenn dabei die temporale Definitheit bestehen bleibt, wird nur der Häu-
figkeits-Default des pf. Aspekts, also ‚einmal’ in ‚mehrmals’ geändert (‚summarische
Satzfunktion’: ‚summarisches episodisches Ereignis’):
Kilkakrotnie sie˛ obro´ciΩ pf. ‚Er drehte sich mehrmals um.’
Wenn ein pf. Verb jedoch mit einem Satzkontext für ‚mehrmals’ mit ‚nicht episodisch’
kombiniert wird, die der Funktion ‚iterativ’ des ipf. Aspekt entspricht, dann wird auch der
Default ‚episodisch’ des pf. Aspekts geändert (‚exemplarische Satzffunktion’: ‚exemplari-
sches nichtepisodisches Ereignis’). Dies ist nur in spezifischen, nicht vollständig be-
schreibbaren, Kontexten möglich.
416 7. Verben
Lexemtyp/
Lexikalische perfektive funktionale imperfektive
Aktionale aktionale Satzfunktion Derivation aktionale Satzfunktionen
Funktion
telisch Ereignis > Ereignis, Verlauf /stative
Ereignis Situation
zamkna˛c´ ‚schließen’ > zamykac´ ‚schließen’
zapomniec´ ‚vergessen’ zapominac´ ‚vergessen’
odseparowac´ ‚trennen’ < separowac´ ‚trennen’
podzie˛kowac´ ‚danken’ dzie˛kowac´ ‚danken’
atelisch Ereignis < Verlauf
popracowac´ ‚arbeiten’, < pracowac´ ‚arbeiten’
delimitativ,
(zachrapac´ ‚schnarchen’ < (chrapac´ ‚schnarchen’)
ingressiv)
kein Derivat stative Situation
– znaczyc´ ‚bedeuten’
(ingressiv. Ereignis,
pokochac´ ‚lieb gewin- < (kochac´ ‚lieben’)
nen’)
diffus Ereignis Ereignis, Verlauf
Ereignis pobielec´ pf. > bielec´ ‚weiß werden’
und/oder ‚weiß werden’
Verlauf przeczytac´ ‚durchlesen’ > czytac´ ‚(durch)lesen’
Ereignis Verlauf
pobielec´ pf. < bielec´ ‚weißer werden’
‚weißer werden’
poczytac´ ‚lesen’ < czytac´ ‚lesen’
Verlauf und Ereignis
bielec´ ‚weiß(er) werden’
czytac´ ‚(durch)lesen’
Aufgrund ihrer privilegierten Stellung können die alpha-Verben auch für eine Faustregel
genutzt werden. Die Frage, ob für eine bestimmte Redeabsicht ein pf. oder ein ipf. Verb
verwendet wird, hängt von vielen Faktoren ab, die nicht selten auch im Widerspruch zuein-
ander stehen. Polnische Muttersprachler geben für einen Kontext häufig beide Aspektmög-
lichkeiten an. Gibt es nicht bestimmte Gründe für die Aspektsetzung (z.B. der ipf. Aspekt
7.7. Das Tempus 419
für Lexeme in Präsensfunktion) oder sind sie unbekannt, dann kann als generelle Präfe-
renzregel für die Aspektverwendung – gerade auch für Deutschsprachige – folgendes gel-
ten:
Wenn nicht wegen einer bestimmten Satz- oder Textfunktion ein bestimmter Aspekt
gebraucht werden muss, dann wähle den alpha-Partner (der meist formal unmarkiert
ist).
Vorzuziehen wäre danach bei den telischen Lexemen mit aspektueller Suffigierung durch
-ywa- usw. das pf. Verb, zmyΩa ‚hat ausgewaschen’, bei den atelischen Lexemen mit
aspektueller Präfigierung die ipf. Form, be˛dzie pracowaΩa ‚wird arbeiten’. Bei diffusen
Lexemen mit definitem Objekt ist der pf. Partner vorzuziehen przeczytaΩa list ‚hat den
Brief gelesen’, ebenso der pf. bei den telischen Lexemen mit Präfigierung, zbuduje domek
‚wird ein Haus bauen’.
Das Tempus (czas) ist eine flektivische Kategorie und insofern unabhängig von der lexika-
lischen Bedeutung des Verbs. Bereits auf der morphologischen Ebene steht es jedoch in so
enger Verbindung zu Aspekt und Genus verbi, dass morphologische Tempus-Paradigmen
hier am besten in Kombination mit diesen beiden anderen Kategorien dargestellt werden.
Diese Beziehung wird auf der syntaktischen und textuellen Ebene noch verstärkt. Hier ist
es ebenfalls notwendig, Tempusfunktionen in der Kombination mit den Aspekten und den
Genera verbi zu beschreiben.
b)der zeitliche Lokalisator – das, in Bezug auf worauf die aktionale Situation zeit-
lich lokalisiert wird; bei Tempora und Aspekten sind es
• die Sprechzeit (der Sprechzeitintervall, der Redemoment), hier sprechen wir
von deiktischer zeitlicher Lokalisierung: ‚Aktionale Situation VOR /
GLEICHZEITIG ZU / NACH Sprechzeit’;
420 7. Verben
• eine andere aktionale Situation, dann sprechen wird von taxischer Lokalisie-
rung: ‚Aktionale Situation VOR / GLEICHZEITIG ZU / NACH anderer aktionaler
Situation’;
• das ‚Psychische Jetzt’ (das ‚Jetzt’ in der Diskurswelt, das besonders beim
Erzählen relevant ist, wenn man sich in die erzählte Welt hineinversetzt; die
‚Betrachtzeit’), hier sprechen wir von subjektiver Lokalisierung: ‚Aktionale
Situation psychischem Jetzt’ ;
c)die chronologische Relation: die Art der Relation, die zwischen dem lokalisie-
renden Zeitintervall und dem lokalisierten Zeitintervall besteht; die gröbsten
Unterscheidungen sind hier: Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit:
‚Aktionale Situation VOR / GLEICHZEITIG ZU / NACH xyz’
Jede dem Text zu entnehmende zeitliche Lokalisierung enthält also eine lokalisierte Situa-
tion, einen zeitlichen Lokalisator und eine chronologische Relation. Bei Tempora sind an
der zeitlichen Einordnung einer aktionalen Situation mehrere Lokalisatoren zugleich mit
einer entsprechenden chronologischen Relation beteiligt. Es liegen dann Konfigurationen
zeitlicher Lokalisierungen vor. Lokalisierungskonfigurationen haben in der Regel eine
dominante zeitliche Lokalisierung (die dann auch für die Benennung der zeitlichen Funkti-
on herangezogen wird).
7.7.2. Tempus-Morphologie
Tempora erscheinen immer mit einem bestimmten Aspekt und Genus Verbi und stehen
funktional in enger Wechselbeziehung mit ihnen. In den Tempus-Paradigmen werden die
Funktionen der Verbformen daher jeweils in Kombination mit einem Aspekt und mit Ak-
tiv oder Passiv dargestellt, jeweils mit einer exemplarischen Flexionsendung für Person,
Numerus, Genus. Die Tempusparadigmen markieren zugleich den Indikativ.
Die grammatische Kategorie Tempus ist die Menge der einzelnen Tempora, d.h.
der grammatischen (= morphologischen) Tempus-Bedeutungen. Ein Tempus ist hier dieje-
nige allgemeine Bedeutung, die jedes Affix eines Tempus-Paradigmas in Kombination mit
einem bestimmten Aspekt und einem bestimmten Genus verbi hat. Also:
Tempus X = Tempusbedeutung der Wortformen mit einem Tempus-Paradigma,
einem Aspekt und einem Genus verbi.
Z.B.: Präsens (eigentlich zu schreiben: ‚Präsens’) = Bedeutung von Wortformen
wie buduje˛, budujesz, buduje, … , d.h. von ipf. Verben im Aktiv mit Präsens-
Endung.
Termini wie ‚Präsens’ werden oft auch für Form-Funktions-Kategorien verwendet; zur
verdeutlichung wird hier der Ausdruck ‚Tempus-Paradigma’ verwendet. Ein solches be-
steht aus Reihen von Morphemen oder Morphemkombinationen.
7.7. Das Tempus 421
Tempus-Paradigmen
pf. byc´-Paradigma:
1. Teilparadigma, jest + Partizip Passiv: Willa jest juz˙ zbudowana. ‚Die Villa ist
schon gebaut.’
2. Teilparadigma, byΩ + Partizip Passiv: Willa byΩa zbudowana trzy lata temu.
‚Die Villa wurde vor drei Jahren gebaut.’
3. Teilparadigma, be˛dzie + Partizip Passiv: Willa be±dzie zbudowana. ‚Die Villa
wird gebaut werden.’
ipf. byc´-Paradigma:
1. Teilparadigma, jest + Partizip Passiv: Willa jest budowana od trzech lat. ‚An
der Villa wird seit drei Jahren gebaut.’
2. Teilparadigma, byΩ + Partizip Passiv: Willa byΩa budowana przez trzy lata.
‚An der Villa wurde drei Jahre lang gebaut.’
3. Teilparadigma, be˛dzie + Partizip Passiv: Willa be±dzie budowana przez trzy
lata. ‚An der Villa wird man drei Jahre lang bauen.’
bywac´-Paradigma (nur ipf.):
1. Teilparadigma, bywa + Partizip Passiv: Wille bywaja˛ budowane. ‚Villen wer-
den gebaut.’
2. Teilparadigma, bywaΩ + Partizip Passiv: Wille bywaΩy budowane. ‚Villen wur-
den gebaut.’
Das sie˛-Paradigma entspricht den Tempus-Paradigmen im Aktiv mit ipf. Verben.
scher Funktion. Die Funktionen eines Tempus bilden eine komplexe Struktur, von der hier
nur die Unterscheidung in zentrale und alternative, mehr oder weniger periphere, Funktio-
nen abgebildet wird. Die einzelnen Funktionsvarianten werden relativ ausführlich im Ab-
schnitt über die Tempora im Kontext dargestellt, während zur Charakterisierung der
grammatischen Tempusbedeutungen im vorliegenden Abschnitt nur Verallgemeinerungen
zentraler Funktionen angegeben werden, wobei ein Kriterium für die zentrale Stellung
einer Funktion ihr Unterscheidungswert gegenüber anderen Tempora ist.
In den folgenden beiden Tabellen sind die Tempora des Polnischen mit Wortform-
Beispielen aufgeführt, also die Form-Funktions-Kategorien, bestehend aus grammatischen
Tempusbedeutungen mit den entsprechenden Formparadigmen.
Präsens (ipf.): Die vom Verb bezeichnete aktionale Situation ist zeitlich gleichzeitig zur
Sprechzeit lokalisiert (im Sinne einer zumindest partiellen Überschneidung).
Futur (synthetisches pf. oder analytisches ipf. oder pf. Futur): Die vom Verb bezeichnete
aktionale Situation ist zeitlich nach der Sprechzeit lokalisiert.
Die Aspekt-Tempus-Kombinationen:
ipf. Aspekt und Präsens-Paradigma → Präsens-Bedeutung
pf. Aspekt und Präsens-Paradigma → Futur-Bedeutung
bestehen als Default-Funktionen unabhängig von Kontexten, d.h. bereits auf der morpholo-
gischen Ebene, es sind daher grammatische Bedeutungen.
424 7. Verben
Für das Präsens, Formtyp buduje, wird, unabhängig von der aktionalen Funktion
des Prädikats der ipf. Aspekt verwendet. Denn die Kombination desselben Endungs-
Paradigmas mit dem pf. Aspekt ergibt, mit peripheren Ausnahmen (alternativen Funktio-
nen), ein Futur.
Global-Präteritum (pf. oder ipf.): Die vom Verb bezeichnete aktionale Situation ist zeit-
lich vor der Sprechzeit lokalisiert. Dieses Tempus entspricht den deutschen Tempora Per-
fekt, Präteritum und Plusquamperfekt.
Im pf. Passiv gibt es zwei zusätzliche analytische Tempora, die sich in der zeitli-
chen Lokalisierung unterscheiden:
Präsens-Perfekt (pf., Passiv): Die vom Verb bezeichnete aktionale Situation ist zeitlich
bezüglich der Sprechsituation (d.h. deiktisch) lokalisiert, und zwar je nach Kontext vor der
Sprechzeit (Perfekt) oder gleichzeitig zur Sprechzeit (Präsens).
Präteritum-Plusquamperfekt (pf., Passiv): Die vom Verb bezeichnete aktionale Situation
ist zeitlich dominant bezüglich dem ‚Psychischen Jetzt’ (der Verarbeitungszeit, der Zeit
einer vergegenwärtigenden Vorstellung, s.u., d.h. narrativ) lokalisiert, und zwar je nach
Kontext gleichzeitig ((narratives) Präteritum) bzw. vorzeitig (Plusquamperfekt). Außer-
dem ist es, nicht dominant, zeitlich bezüglich einer anderen, vorerwähnten, aktionalen Si-
tuation und per Default vor der Sprechzeit lokalisiert.
Deiktische Tempusfunktionen
Bei Verbformen mit deiktischen Tempusfunktionen ist die deiktische Lokalisierung in
Bezug auf die Sprechzeit dominant. (‚Aktionale Situation VOR / GLEICHZEITIG ZU / NACH
Sprechzeit’). Vgl.
(1) – (a) Wez´ wiadra i (b) chodz´ ze mna˛ nad rzeke˛.
(2) – Co powie two´j ma˛z˙?
(3) – Jest w paΩacu.
[…]
(4) – Zme˛z˙niaΩes´.
7.7. Das Tempus 425
(5) – Czy ty (a) mys´lisz o mnie, kiedy sie˛ nie (b) widzimy?
(6) – (a) Mys´le˛ wtedy, gdy ty o mnie (b) mys´lisz. Codziennie. (c) Sπnisz mi sie˛.
‚(1) – (a) Nimm die Eimer und (b) komm mit mir an den Fluss.
(2) – Was wird dein Mann sagen?
(3) – Er ist im Palast.
[…]
(4) – Du bist zum Mann geworden – sagte Genowefa ohne sich umzudrehen.
(5) – Denkst du an mich, wenn wir uns nicht sehen?
(6) – Ich denke an dich, wenn du an mich denkst. Täglich. Ich träume von dir.’
Die von den Verben mit Präsens-Endung bezeichneten Situationen sind alle und bei denen
im Präteritum ist eine in Bezug auf die Sprechzeit lokalisiert: nach der Sprechzeit wie in
(2), gleichzeitig zur Sprechzeit wie in (3, 5, 6), davor in (4). (Auch die Situationen der
Imperative in (1) lokalisieren übrigens die Handlung bezüglich der Sprechzeit, aber hier ist
nicht die zeitliche Lokalisierung, sondern die pragmatische Funktion dominant.)
Der Vorzukunft entspricht im Polnischen das pf. Präsens mit vorfuturischer Funktion (im
Deutschen das Perfekt):
A teraz s´pij. Jak wyzdrowiejesz, zabiore˛ cie˛ do nas, do lasu. ‚Jetzt schlaf aber.
Wenn du gesund geworden bist, nehm ich dich zu uns, in den Wald.’
Diese Funktion der vorzeitigen Verbform (wyzdrowiejesz) ist auch deiktisch, da die Vor-
zeitigkeit zur zweiten Situation (zabiore˛) nicht im Rahmen einer narrativen Lokalisierung
(s. u.) besteht. Dominant ist die explizit durch Aspekt und Tempus markierte deiktische
Lokalisierung ‚Aktionale Situation NACH Sprechzeit’ (futurisch), die implizite Lokalisie-
rung ‚Aktionale Situation VOR anderer aktionaler Situation’ ist untergeordnet.
Relative Tempusfunktionen
In (5b) und (6b) wird die aktionale Situation in Bezug auf eine andere aktionale Situation
lokalisiert, wobei der zeitliche Lokalisator ein propositionaler Akt ist, d.h. ein Sprech- oder
Denkakt, mit dem ein bestimmter Satzinhalt explizit oder implizit verbunden ist (mys´lisz,
mys´le˛). Solche Akte werden bezeichnet mit Hilfe von Sprechaktverben, Verben für Gedan-
ken, Gefühle oder Erfahrungen. Diese besitzen ein propositionales Argument, das in der
Regel die Form eines untergeordneten Nebensatzes oder Infinitivs hat. Diese Art der taxi-
schen Lokalisierung bezeichnen wir als ‚relativ’ (‚Aktionale Situation VOR / GLEICHZEITIG
ZU / NACH propositionalem Akt’).
Die für die relative Chronologie verwendeten grammatischen Formen sind deut-
lich einfacher als im Deutschen, wo bei der indirekten Rede, also der syntaktischen Unter-
ordnung unter Sprechakt-Verben, der Konjunktiv verwendet werden soll: Er sagte, sie sei
schon gekommen. Im Polnischen werden in der indirekten Rede dieselben Aspekt-
Tempusformen verwendet, wie in der entsprechenden direkten Rede. Vgl. zu
Ona powiedziaΩa: „On nie przyjdzie/przyjechaΩ/przyjez˙dz˙a.“ ‚Sie hat gesagt: „Er
kommt nicht/ist nicht gekommen/pflegt nicht zu kommen.“’
Ona powiedziaΩa, z˙e on nie przyjdzie. ‚Sie hat gesagt, dass er nicht komme
(= kommen werde).’
Ona powiedziaΩa, z˙e on nie przyjechaΩ. ‚Sie hat gesagt, dass er nicht gekommen
sei.’ Ona powiedziaΩa, z˙e on nie przyjez˙dz˙a. ‚Sie hat gesagt, dass er nicht zu kom-
men pflege.’
Narrative Tempusfunktionen
Von den relativen Tempusfunktionen sind zu unterscheiden von die narrativen, z.B. in
(Genowefa) postawiΩa wiadra na ziemi i odgarne±Ωa kosmyk z czoΩa.
Eli (a) chwyciΩ wiadra i ruszyΩ za nia˛ kamienista± dro´z˙ka˛.
Ona powiedziaΩa cos´, nie odwracaja˛c sie˛.
428 7. Verben
Narrative Tempusfunktionen liegen immer dann vor, wenn der Hörer oder Leser sich mit
seiner Vorstellung zeitlich ‚gleichauf’ mit der dargestellten Situation, quasi in der darge-
stellten Welt befindet. Dies ist unabhängig davon, ob die Situationen im Präsens oder im
Präteritum dargestellt werden. Bei Direktreportagen wird der Hörer ebenso in die berich-
tete Welt versetzt wie im historischen Präsens, also dann, wenn ein Sprecher über Vergan-
genheit im Präsens berichtet. Romane benutzen demgegenüber als erzählendes Tempus
normalerweise das Präteritum.
Während bei relativer Lokalisierung an die Stelle der Sprechzeit als dominanter
Lokalisator ein Sprech-, Denk- o.ä. -akt tritt, tritt bei der narrativen Lokalisierung an die
Stelle der Sprechzeit als dominanter Lokalisator das ‚Psychische Jetzt’, die Zeit, in der der
Leser oder Hörer die erzählte Situation liest oder hört und verarbeitet. Der Leser rezipiert
die Textpassage so, als ob der Erzähler ‚jetzt’ über etwas Gegenwärtiges spricht und stellt
sich das Erzählte so vor, als erlebe er es direkt.
Dass dies so ist, kann man sich klar machen, wenn man den Inhalt von als Direkt-
reportage liest (im Theater entspricht dem die sogenannte Mauerschau). Dabei ist das Prä-
teritum in durch das ipf. Präsens zu ersetzen:
(Genowefa) stawia wiadra na ziemi i odgarnia kosmyk z czoΩa. Eli chwyta wiadra i
rusza za nia˛ kamienista± dro´z˙ka˛. Ona mo´wi cos´, nie odwracaja˛c sie˛.
Mit einer kleinen Änderung des verbalen ‚Vorzeichens’ (postawiΩa) kann der Rest des Aus-
schnittes auch als historisches Präsens gelesen werden:
(Genowefa) postawiΩa wiadra na ziemi i odgarnie kosmyk z czoΩa. Eli chwyta wi-
adra i ruszy za nia˛ kamienista± dro´z˙ka˛. Ona mo´wi cos´, nie odwracaja˛c sie˛.
Nicht möglich ist eine solche Tempusersetzung, wenn das Präteritum deiktisch, also relativ
zur Sprechzeit lokalisiert ist. Würde
– Zme˛z˙niaΩes´.
ins Präsens gesetzt, dann würde das, ganz anders als bei der Umwandlung des narrativen
Präteriums in ein historisches Präsens, den Sinn (und den Wahrheitswert) völlig ändern.
Der Grund dafür ist, dass bei den narrativen Tempusfunktionen des Präteritum und Präsens
die aktionale Situation subjektiv gleichzeitig lokalisiert wird, sie wird in der Vorstellung so
reproduziert, als sehe man sie, nehme sie direkt wahr. Demgegenüber fällt beim deikti-
schen Präteritum die subjektive und die deiktische Lokalisierung zusammen, das Präteri-
tum hat hier die Funktion ‚vorzeitig (zur Sprechzeit und zum Psychischen Jetzt)’. Im nar-
rativen Präteritum ist die Funktion ‚vorzeitig zur Sprechzeit’ nicht dominant (auch z.B.
Science Fiction oder utopische Romane werden im narrativen Präteritum erzählt), domi-
nant ist die Lokalisierung ‚gleichzeitig zum Psychischen Jetzt’.
7.7. Das Tempus 429
Aktionale Chronologie
Die narrative, d.h. die dominante Lokalisierung ‚gleichzeitig zum Psychischen Jetzt’ er-
laubt auch die Erklärung für eine spezifische Art der taxischen Funktion, die ‚aktionale
Chronologie’. Die Situationen in den Sätzen
(Genowefa) postawiΩa pf wiadra na ziemi i odgarne±Ωa pf kosmyk z czoΩa.
Eli (a) chwyciΩ pf. wiadra i ruszyΩ pf za nia˛ kamienista± dro´z˙ka˛.
werden als Sequenz, als aufeinanderfolgende Vorgänge verstanden. Der Rezipient stellt
sich jeweils beim Lesen des Elementarsatzes die Situation vor. Handelt es sich um ein Er-
eignis, so ist der vorgestellte Vorgang abgeschlossen und wenn der nächste Vorgang eben-
falls ein Ereignis ist, dann beginnt er nach dem Abschluss des vorher vorgestellten Vor-
gangs. Es entsteht die Vorstellung einer Abfolge von Situationen. Ist der vorgestellte Vor-
gang ein Verlauf, so ist er in der Vorstellung noch nicht abgeschlossen, wenn der nächste
Vorgang in die Vorstellung eintritt. Das Ergebnis ist, dass der nächste Vorgang als gleich-
zeitig, als zeitlich parallel, aufgefasst wird. Vgl.:
Genowefa (a) praΩa ipf biaΩa˛ bielizne˛ w Czarnej. Z zimna (b) dre˛twiaΩyipf jej re˛ce.
(c) PodnosiΩa ipf je wysoko do sΩon´ca. ‚Genowefa (a) wusch die weiße Wäsche im
Czarna(fluss). Vor Kälte (b) wurden ihre Hände starr. Sie (c) hielt sie hoch an die
Sonne.’
Durch den Aspekt kann unterschieden werden, ob der nächste Vorgang auch ein Verlauf ist
wie in den Beispielsätzen oben oder ein Ereignis wie mit podniosΩa pf :
Genowefa (a) praΩa ipf biaΩa˛ bielizne˛ w Czarnej. Z zimna (b) dre˛twiaΩy ipf jej re˛ce.
(c) PodniosΩa pf je wysoko do sΩon´ca. ‚Genowefa (a) wusch die weiße Wäsche im
430 7. Verben
Czarna(fluss). Vor Kälte (b) wurden ihre Hände starr. Sie (c) hielt sie hoch an die
Sonne.’
Die aktionale Chronologie ist eine zeitliche Lokalisierung, die zusätzlich zu den Lokalisie-
rungen des narrativen Präteritum besteht (d.h. zur dominanten Lokalisierung bezüglich des
psychischen Jetzt und zur nicht dominanten bezüglich der Sprechzeit). Sie ist implizit, d.h.
sie beruht auf Inferenzen, also in aller Regel auf unbewussten Schlüssen, die beim narrati-
ven Präteritum aus den Aspektbedeutungen und beim narrativen Präsens aus den Lexikali-
schen Aktionalen Funktionen gezogen werden. Beim narrativen Präsens ist diese Chrono-
logie kommunikativ weniger relevant, als beim narrativen Präteritum, wo sie die temporale
Dynamik der Erzählung trägt. Die aktionale Chronologie des narrativen Präteritums tritt in
drei aspektuellen Konstellationen auf, die in einer Erzählung miteinander kombiniert wer-
den können:
• die Sequenz: pf.Verb + pf. Verb;
• der Parallelismus: ipf. Verb + ipf. Verb;
• die Inzidenz, pf. Verb + ipf. Verb oder ipf. Verb + pf. Verb (d.h.: Eintritt vor epi-
sodischem Hintergrund)
Die Konstellationen bezeichnen wir als ‚aktionale Chronologie’, weil sie nicht nur mit
einer Hauptfunktion des Aspekts – seiner aktionalen Komponente – sondern auch ohne den
Aspekt, nur mit der Lexikalischen Aktionalen Funktion von Verblexemen zum Ausdruck
gebracht werden. Dies wird deutlich daran, dass die zeitlichen Lokalisierungseffekte auch
im (reportierenden, historischen, szenischen) Präsens auftreten, weil der ipf. Aspekt Lexi-
kalische Aktionale Funktion des Verbs per Default unverändert lässt (erst durch entspre-
chende Kontexte wird die progressive Funktion ausgelöst. Entscheidend für die zeitliche
Lokalisierung vermittels der aktionalen Chronologie sind also die aktionalen Gestalten
‚Ereignis’ und ‚Verlauf’ des Prädikats.
Die stative Gestalt spielt hierbei keine Rolle, weil die aktionale Chronologie nur
bei episodischen Situationen auftritt und stative Situationen per definitionem nicht episo-
disch sind. Die nicht episodischen Situationen sind aber für die zeitliche Struktur eines
Textes insofern nicht irrelevant, als sie den nicht episodischen Hintergrund für episodische
Ereignisse und Verläufe bilden können. Die aktionale Chronologie ist auch in den narrati-
ven Verwendungen futurischer Tempora theoretisch denkbar, kommt aber dort praktisch
nicht vor.
Die mit dem Aspekt ausgedrückte aktionale Chronologie ist das Grundmuster in
narrativen Passagen. Die Regeln der aktionalen Chronologie sind Defaults, denn die As-
pektkombinationen haben keineswegs immer die angegebenen Funktionen, vgl. im fol-
genden Beispiel eine Sequenz, die dem Text trotz der Konfiguration ipf. und pf. entnom-
men wird:
Chwile˛ (a) zatrzymywali sie˛ ipf. Eli (b) podnio´sΩ pf wiadra i ruszyli dalej. ‚Sie blie-
ben eine Weile stehen. Eli hob den Eimer an und sie gingen weiter.’
7.7. Das Tempus 431
Die aktionalen Chronologie-Defaults können von verschiedenen Faktoren außer Kraft ge-
setzt werden, vor allem durch die natürliche Chronologie, d.h. durch nicht sprachliche
Faktoren, die dem enzyklopädischen Wissen über chronologische Zusammenhänge wie
Ursache–Wirkung usw. entspringen.
nischen kann Letzteres ebenfalls markiert werden, deiktisch mit dem Präsens-Paradigma
von byc´, narrativ mit dem präteritalen Paradigma von byc´.
Vorgangs- und Zustandsfunktion werden im Polnischen wie gesagt kontextuell
unterschieden, sie können je nach telischer Prädikatsfunktion und Satzkontext Vorgangs-
oder Zustandspassiv sein. Für jest und für byΩ kann jeweils auch zostaΩ stehen:
Zustandspassiv Vorgangspassiv
(das Nachstadium ist profiliert) (das Vorgangsstadium ist profiliert)
Deiktische Präsens-Funktion: Perfekt-Funktion:
Lokalisierung Willa jest zbudowana. Willa jest zbudowana w zeszΩym roku.
Vgl.: Die Villa ist gebaut. Vgl.: Die Villa ist voriges Jahr gebaut
worden.
Narrative (Narrativ-)präteritale Funktion: (Narrativ-)präteritale Funktion:
Lokalisierung Willa byΩa zbudowana. Willa byΩa zbudowana.
Vgl.: Die Villa war gebaut. Vgl.: Die Villa wurde gebaut [und wir
zogen sofort ein].
Plusquamperfektische Funktion:
Willa byΩa zbudowana w zeszΩym roku.
Vgl.: Die Villa [in der wir wohnten] war
im vorangegangenen Jahr gebaut
worden.
byc´-Präterita
Die Angaben zur zeitlichen Lokalisierung beziehen sich jeweils auf das profilierte Stadium
einer aktionalen Situation. Z.B. liegt im Aktiv bei zbudowaΩ wille˛ mit der Perfekt-
Bedeutung ‚er hat eine Villa gebaut’ das profilierte Stadium vor der Sprechzeit, das nicht
profilierte Nachstadium (Resultat) jedoch gleichzeitig zur Sprechzeit. Im Falle von Passiv
Willa jest zbudowana ‚Die Villa ist gebaut’ ohne verändernden Kontext ist es umgekehrt:
Das Nachstadium (Resultat) ist profiliert, die zeitlich davor liegende Vorgangsstadium ist
nicht profiliert.
Alle Passiv-Formen sind analytisch. Vorgestellt werden nur die Paradigmen mit
zosta(wa)c´ und byc´. Die Tempus-Bedeutungen der Formen mit bywac´ und sie˛ (s.o. die
Tempus-Paradigmen) verhalten sich jeweils analog, sind aber sehr selten. Das Passiv des
Typs Zupa sie± gotuje. ‚Die Suppe kocht.’ / Zupa sie± gotowaΩa. ‚Die Suppe kochte.’ / Zupa
be˛dzie sie± gotowaΩa/gotowac´. ‚Die Suppe wird kochen.’ (nicht zu verwechseln mit der
unpersönlichen aktiven Konstruktion Wille± sie± buduje) unterliegen starken Bildungsbe-
schränkungen. Nur wenige Verben mit einem unbelebten direkten Objekt sind zugelassen.
Die Typen bywa budowany/bywaΩ budowany werden ebenfalls selten gebraucht.
Sie sind teilsynonym zu jest/byΩ budowany, und bezeichnen eine nicht episodische Situati-
on, nämlich einen sich wiederholenden Vorgang (iterative Funktion) oder einen Zustand
(stative Funktion):
Wybory bywaja± przekΩadane z powodu sporo´w partyjnych. ‚Bisweilen werden
Wahlen wegen Streitigkeiten der Parteien verlegt.’
Niekto´re produkty bywaja± sprowadzane z zagranicy. ‚Einige Produkte werden aus
dem Ausland eingeführt.’
Niekto´re produkty bywaΩy sprowadzane z zagranicy. ‚Einige Produkte wurden aus
dem Ausland eingeführt.’
7.8. Modus
Der Modus (tryb) ist eine grammatische Kategorie des Verbs. Er tritt obligatorisch in je-
dem Satz auf und stellt dadurch ein konstitutives Merkmal des Satzes dar. Die einzelnen
Modi bilden eine geschlossene Oppositionsreihe, in dem Sinne, dass jeweils nur eine Sub-
kategorie realisiert werden kann. Mit den Modalauxiliaren und Modalpartikeln hat der
7.8. Modus 439
Modus die Funktion gemein, dass der Sprecher mit ihrer Hilfe die Geltung eines
versprachlichten Sachverhalts markiert. Wir unterscheiden drei Modi:
• Indikativ
• Konditional
• Imperativ
Die Subkategorien haben sehr unterschiedliche Formen und Funktionen.
7.8.1. Indikativ
Der Indikativ (tryb oznajmuja±cy) ist die unmarkierte Subkategorie; d.h. er weist keine spe-
zifische Form auf, der Sachverhalt wird als geltend dargestellt. Der Indikativ wird durch
die Tempora Präsens, Präteritum und Futur realisiert.
Maria jest nauczycielka±. ‚Maria ist Lehrerin.’
Jan pojechaΩ do Warszawy. ‚Jan ist nach Warschau gefahren.’
7.8.2. Konditional
Der Konditional (tryb przypuszczaja±cy) weist aufgrund seiner Formeigenschaften und sei-
nen Funktionen eine enge Beziehung zur Syntax auf, erfüllt z.T. auch rein syntaktische
Funktionen (z.B. die hypotaktischen Konjunktionen z˙eby, by, aby, az˙eby). Er bildet eine
grammatische Kategorie nicht nur des Verbs, sondern aller Ausdrücke, die die Prädikativi-
tät eines Satzes tragen. Somit kann der Konditional auch als Satzkategorie angesehen wer-
den. Das Konditionalmorphem by kann – ganz im Gegensatz zu den deutschen Konjunkti-
ven – nämlich auch bei Nichtverben bzw. infiniten Verbformen stehen. Darüber hinaus
bildet by keine feste grammatische Wortform.
Trzeba by to jeszcze omo´wic´. ‚Das müsste man noch besprechen.’
Ach, napic´ by sie± teraz piwa! ‚Jetzt ein Bier zu trinken, das wäre nicht schlecht!’
Die Konditionalformen des Verbs weisen die grammatischen Kategorien Genus, Numerus
und Person auf.
Form
Der Konditional kann von ausnahmslos allen Verben – perfektiven wie imperfektiven –
gebildet werden. Die Konditionalformen der Verben werden gebildet durch das Aneinan-
derfügen einer ganzen Reihe von Morphemen: an den Stamm kommt das auch für das
Präteritum und Futur verwendete -l- bzw. -Ω-, dann folgt die Genusendung, dann das Mor-
phem by und schließlich die auch für das Präteritum verwendeten Endungen cho-
dzi+Ω+(a)+b+m:
440 7. Verben
Singular Plural
1. Person -m -s´my
2. Person -s´ -s´cie
3. Person – –
Singular
maskulin feminin neutrum
1. Person chodziΩbym chodziΩabym
2. Person chodziΩbys´ chodziΩabys´
3. Person chodziΩby chodziΩaby chodziΩoby
Plural
maskulin-personal andere Genera
1. Person chodzilibys´my chodziΩybys´my
2. Person chodzilibys´cie chodziΩybys´cie
3. Person chodziliby chodziΩyby
Der verbale Konditional hat im Prinzip eine agglutinierte (= angeklebte) Form; diese bildet
jedoch keine feste Einheit und kann in zwei Teile zerlegt werden.
Jes´li wiedziaΩbym o tym wczes´niej, nie przyszedΩbym.
Jes´libym o tym wczes´niej wiedziaΩ, to bym nie przyszedΩ.
,Wenn ich eher davon gewusst hätte, wäre ich nicht gekommen.’
jes´li wiedziaΩ-bym
Konieczne jest, aby wszyscy byli obecni. ‚Es ist notwendig, dass alle anwesend
sind.’ Aber: *aby wszystcy byliby obecni.
Pojechalibys´my na wycieczke±, gdyby nie padaΩo. ‚Wir würden einen Ausflug ma-
chen, wenn es nicht regnen würde.’
Chorego nalez˙y poΩoz˙yc´ wygodnie, z˙eby mo´gΩ swobodnie oddychac´. ‚Man muss
den Kranken bequem hinlegen, damit er frei atmen kann.’
Aufgrund seines satzbezogenen Charakters kann sich ein by + Personalendung gleichzeitig
auf zwei Verben beziehen; d.h. by + Personalendung braucht nur einmal gesetzt zu werden.
Jes´li miaΩbys duz˙o pienie±dzy i mieszkaΩ sam, mo´gΩbys´ mi pomo´c. ‚Wenn du viel
Geld hättest und allein wohnen würdest, könntest du mir helfen.’
Funktionen
Dem polnischen Konditional entspricht funktional in großen Teilen der deutsche Konjunk-
tiv II.
Jes´libym o tym wiedziaΩ wczes´niej, to bym nie przyszedΩ. ‚Wenn ich eher davon
gewusst hätte, wäre ich nicht gekommen.’
Mit Hilfe des Konditionals markiert der Sprecher, dass die versprachlichte Situation nicht
gilt, sondern als virtuell anzusehen ist; d.h. die Situation existiert nicht in der außersprach-
lichen Wirklichkeit. Im Gegensatz zu dieser impliziten Negation der Existenz eröffnen die
Modalauxiliare wie z.B. mo´c
die Perspektive für den Übergang von der Nichtexistenz zur
Existenz.
Die Funktionen des Konditionals differieren in Abhängigkeit vom Vorkommen im
Haupt- und Nebensatz. Wir unterscheiden:
• Konditional tritt im Hauptsatz und gleichzeitig im Nebensatz auf.
• Konditional tritt im Nebensatz auf.
• Konditional tritt im Hauptsatz auf.
Konditional im Neben- und Hauptsatz: Bedingungssätze
Die wichtigste und häufigste Funktion ist die Verwendung in irrealen Konditionalsätzen.
Zwei virtuelle Situationen werden in Abhängigkeit voneinander gesehen. Der Sprecher
markiert, dass beide Situationen virtuell, also nicht real sind.
Gdyby nasze obowia±zki byΩy Ωatwe do speΩnienia, nie mielibys´my w tym z˙adnej
zasΩugi. ‚Wenn unsere Pflichten leicht zu erfüllen wären, gäbe es keine Verdiens-
te.’
Das Konditionalelement tritt an die Konjunktionen gdy, jes´li, jez˙eli.
442 7. Verben
Konditional im Hauptsatz
Virtueller Sachverhalt: In semantischer Nähe zum Konditional in Konditionalsätzen steht
der Gebrauch in bestimmten Hauptsätzen, die jedoch keine Bedingung für die Existenz des
virtuellen Sachverhalts nennen. Diese Bedingung wird implizit mitverstanden.
Ja bym tego nie zrobiΩ. ‚Ich hätte das nicht gemacht.’
Piotr by mo´gΩ zdac´ ten egzamin, bo jest pilniejszy od ciebie. ‚Piotr hätte die Prü-
fung geschafft, denn er ist fleißiger als du.’
Dies ist eine zentrale Funktion des Konditionals.
Optativ: Wie der deutsche Konjunktiv II kann der polnische Konditional einen Wunsch des
Sprechers zum Ausdruck bringen. Im Gegensatz zum Imperativ handelt es sich um eine
Äußerung eines Willens ohne direkte Aufforderung an den Hörer, die genannte Handlung
auszuführen.
Posprza±taΩbys´ poko´j! ‚Wenn du doch mal dein Zimmer aufräumen würdest!’
Im Optativ tritt das Morphem oft mit einem weiteren Element auf: gdyby, z˙eby, aby, byle-
by, niechby. Außerdem: veraltet buchsprachlich (oby, bodajby und einige andere).
Gdybym/Z∆ebym tak miaΩ duz˙o pienie±dzy! ‚Hätte ich doch viel Geld!’
444 7. Verben
Niechby sie± wreszcie pogodzili! ‚Würden sie sich doch endlich aussöhnen!’
Oby z˙yΩ sto lat! ‚Möge er hundert Jahre leben!’
Bodajby wszyscy byli tacy! ‚Wären doch alle so!’
In der optativischen Funktion können auch weitere Formen auftreten (ohne by oder ohne
Verb auf -Ω):
• by + Infinitiv
Ach, napic´ by sie± teraz piwa! ‚Jetzt ein Bier zu trinken, das wäre nicht schlecht!’
• byle + Infinitiv
Byle dojechac´ do skrzyz˙owania! ‚Hoffentlich schaffen wir es zur Kreuzung!’
In der zweiten Person kann der Konditional auch als Imperativäquivalent fungieren; dann
versprachlicht er eine nachdrückliche Aufforderung.
Z∆ebys´ mi dzis´ nie wychodziΩ z domu! ‚Dass du mir heute ja nicht rausgehst!’
Pragmatische Verwendungen: Bei den Modalauxiliaren hat der Konditional oft eine se-
mantisch-pragmatische Funktion. Bei den Bedeutungen ‚müssen’ und ‚wollen’ kommt es
zu einer Art Abschwächung des Zwangs bzw. Willens; chce± – chciaΩbym ‚ich will’ vs. ‚ich
möchte’. Der Konditional trägt neben anderen sprachlichen Mitteln wie Frage und Moda-
lauxiliare zur Höflichkeit in der Kommunikation bei.
Nie chciaΩbym kontynuowac´ tego tematu. ‚Ich möchte dieses Thema nicht weiter-
führen.’
Nalez˙aΩoby o tym porozmawiac´ obszerniej. ‚Darüber müsste man eingehender
sprechen.’
Czy mogΩaby mi pani poz˙yczyc´ parasolke±? ‚Könnten Sie mir einen Regenschirm
leihen?’
Che±tnie przeczytaΩbym te± ksia±z˙ke±. ‚Ich würde gerne dieses Buch lesen.’
7.8.3. Imperativ
Der Imperativ (tryb rozkazuja±cy) weist folgende grammatische Kategorien auf: Person,
Numerus, Genus und die sogenannte Höflichkeit. Der Imperativ ist in allen drei Personen
vertreten. Anders als im Deutschen gibt es eine Imperativform der 1. Person Plural und
Formen der dritten Person. Wir unterscheiden folgende Imperativformen:
• czytaj: 2. Person Singular familiär
• czytajcie: 2. Person Plural familiär
• czytajmy: 1. Person Plural
• prosze± czytac´: 2. Person distant
• niech (pan/pani) czyta: 2. Person Singular distant
7.8. Modus 445
Der Imperativ hat folgende Funktion: Der Sprecher hat den Wunsch, dass jemand eine
bestimmte Handlung ausführt. Er teilt dem Hörer mit, wer der Ausführende der Handlung
sein soll und bemüht sich, die Ausführung der Handlung durch diese Mitteilung zu bewir-
ken. Je nach Konstellation in der Äußerungssituation können – z.T. auch explizit markiert
durch den Aspekt – verschiedene Sprechakte realisiert werden:
• Aufforderung bzw. Verbot
Daj mi prosze± dΩugopis! ‚Gib mir bitte den Kugelschreiber!’
Nie krzycz tak gΩos´no! ‚Schrei nicht so laut!’
• Wunsch
Niech z˙yje sto lat! ‚Er lebe hoch!’
Mit der Form czytajcie bringt der Sprecher zum Ausdruck, dass der Hörer und eine oder
weitere Personen die Handlung ausführen sollen.
Nie zapomnijcie parasola! ‚Vergesst nicht den Schirm!’
No, bierzcie! ‚Nehmt doch!’
Zwischen dem Hörer und dem Sprecher besteht die Relation des Duzens.
7.8. Modus 447
niech (X) czyta und niech (X-owie) czytaja± – Formen und Funktion
Mit den Imperativformen der dritten Person nennt der Sprecher eine oder mehrere Perso-
nen als Handlungsausführende, die nicht an der Kommunikationssituation teilnehmen. Für
die Aufforderung an eine dritte Person kann eine offene Klasse an Substantiven eingesetzt
werden.
Niech Piotr spro´buje tego pasztetu! ‚Piotr soll von der Pastete probieren!’
Niech nasi profesorowie nie wymagaja± od nas, z˙ebys´my uwierzyli w to wszystko!
‚Unsere Professoren sollen nicht von uns verlangen, dass wir das alles glauben!’
Funktional unterscheiden sich niech X czyta und niech X-owie czytaja± von den Formen der
zweiten und ersten Person dadurch, dass die Aufforderung nicht an den Hörer direkt ge-
richtet ist, sondern an nicht anwesende Personen. Dem Hörer kommt eher die Rolle des
Mittlers zwischen Sprecher und dem Handlungsausführenden zu; im Deutschen meist mit
sollen zu übersetzen.
7.9. Person 449
7.9. Person
Person (osoba) ist eine grammatische Kategorie der Pronomen und des Verbs. Ihre Funkti-
on besteht in der Identifikation der Teilnehmer eines Gesprächsaktes. Wir unterscheiden
drei Subkategorien mit folgenden Funktionen:
• Die 1. Person verweist auf den Sprecher bzw. eine Gruppe, zu der auch der Spre-
cher zählt;
• Die 2. Person verweist auf den Hörer bzw. eine Gruppe, zu der auch der Hörer
zählt.
• Die 3. Person verweist auf eine Entität bzw. Entitäten, die nicht am Gespräch
teilnehmen.
Person findet Ihren formalen Ausdruck zum einen in den Personal- und Possessiv-
pronomen:
1. Person: ja, my, mój, nasz
2. Person: ty, pan, pani, panowie, panie, pan´stwo, twój, pana, pan´ski, pani,
pan´stwa, wasz
3. Person: on, ona, ono, oni, one, jego, jej, ich
Im Unterschied zum Deutschen wird die Person bei Reflexiva nicht markiert:
Gole± sie±. – Golisz sie±. ‚Ich rasiere mich. – Du rasierst dich.’
Czy wzia±Ωes´ swój kapelusz? ‚Hast du deinen Hut genommen?’
Wzia±Ωem swój kapelusz. ‚Ich habe meinen Hut genommen.’
450 7. Verben
Ein weiterer Fall indirekter Anrede sind die syntaktisch integrierten Verwandtschafts-
bezeichnungen:
Ciociu, moz˙e ciocia zje ciasteczko? ‚Tante, magst du etwas Kuchen?’
Die grammatische Kategorie der Person zeigt einige Besonderheiten im Numerus. Wäh-
rend die dritte Person ein reguläres Verhältnis von Singular und Plural hat:
on – oni = eine nicht am Gesprächsakt beteiligte Entität und noch solch eine Entität
etc.’
Vgl: ksia±z˙ka – ksia±z˙ki = eine Lampe und noch eine Lampe etc.
bedeutet der Plural der ersten Person nicht eine Vielzahl von gleichen Entitäten: my refe-
riert nicht auf ‚einen Sprecher und noch einen Sprecher etc.’ sondern auf ‚einen Sprecher
und jemand anderes (der Hörer, die Hörer, eine dritte Person, dritte Personen oder ver-
schiedene Kombinationen aus diesen)’. Ähnlich beziehen sich die pluralischen Personal-
pronomen wy, panowie, panie und panstwo auf ‚den Hörer und noch jemanden’ (einen
weiteren Hörer, weitere Hörer, eine dritte Personen, dritte Personen oder verschiedene
Kombinationen aus diesen).
my ≠ der Sprecher und noch ein Sprecher
my = der Sprecher und jemand anderes
wy/panowie/panie/panstwo: der Hörer und noch jemand
Neben den skizzierten zentralen Verwendungsbedingungen weisen die Subkategorien der
Person einige Transpositionen auf.
1) das my des Autors: Zum Ausdruck einer als höflich empfundenen Bescheidenheit wird
vor allem in wissenschaftlichen Publikationen ja durch die Pluralform my ersetzt:
Analize± tekstowa± rozpoczniemy od niemieckich cytatów. ‚Wir beginnen unsere Text-
analyse mit deutschen Zitaten.’
2) das sprecherexklusive my: vor allem in Krankenhäusern kommt es vor, dass Ärzte und
Krankenschwestern einzelne Patienten mit der ersten Person Plural anreden:
A jak sie± dzisiaj czujemy? ‚Wie fühlen wir uns denn heute?’
3) Generische Referenz: wenn der Sprecher sich auf eine Klasse in ihrer Gesamtheit be-
zieht, also eine Verallgemeinerung trifft, wird in der Regel die dritte Person (Singular oder
Plural) verwendet. In wissenschaftlichen Aussagen oder in Sprichwörtern kann aber auch
die zweite Person des Verbs ohne das Pronomen auftreten:
W je±zyku polskim rozróz˙niamy siedem form przypadkowych. ‚Im Polnischen unter-
scheiden wir sieben Kasusformen.’
Prawdziwych przyjacióΩ poznaje sie± w biedzie. ‚In der Not erkennt man seine
Freunde.’
452 7. Verben
7.10. Partizipien
W wieku lat 45, raz jeszcze znalazΩem sie± w sytuacji harcerza, zmuszonego zaczy-
nac´ wszystko od pocza±tku. ‚Im Alter von 45 Jahren war ich wieder in der Situation
eines Pfadfinders, der gezwungen war alles von vorn zu beginnen.’
ZwΩaszcza kiepskie szanse maja± dzieΩa napisane przez solidnie wyksztaΩconych
polonistów. ‚Besonders miese Aussichten haben die Arbeiten von den solide aus-
gebildeten Polonisten.’
Partizipialformen im perfektiven Aspekt stehen für eine Situation, die einer anderen zeit-
lich vorgelagert ist. Der imperfektive Aspekt verhält sich in dieser Hinsicht neutral; die
Situation kann vor- oder gleichzeitig sein.
Akapit rozpocze±ty wytΩuszczonym sΩowem symbolizuje takie wΩas´nie sΩowo. ‚Der
mit einem fettgedruckten Wort anfangende Absatz symbolisiert genau so ein
Wort.’ (perfektiv, vorzeitig)
Dysproporcja mie±dzy poczuciem odpowiedzialnos´ci, cie±z˙arem i istotnos´cia± po-
dejmowanych problemów jest uderzaja±ca. ‚Die Disproportion zwischen dem Ge-
fühl der Verantwortung, der Belastung und dem Wesen der angegangenen Prob-
leme ist frappant.’ (imperfektiv, vorzeitig)
Aktorzy sa± doskonale poprowadzeni i s´wietnie daja± sobie rade± z odtwarzanymi
rolami. ‚Die Schauspieler sind ausgezeichnet geführt und beherrschen die ge-
spielten Rollen souverän.’ (imperfektiv, gleichzeitig)
b) Formbildung des Verbs: das Partizip Passiv bildet mit den Auxiliaren zostac´, byc´ und
bywac´ Passivformen.
On zostaΩ przygnieciony do s´ciany przez tΩum. ‚Er wurde von der Menge an die
Wand gedrückt.’
Nowe lakiery sa± produkowane przez firme± Polifarb. ‚Die neuen Lacke werden
von der Firma Polifarb produziert.’
Niekto´re produkty bywaja± sprowadzane z zagranicy. ‚Einige Produkte werden
aus dem Ausland eingeführt.’
7.11. Adverbialpartizipien
Das Adverbialpartizip der Vorzeitigkeit wird hauptsächlich in der Schrift-, weniger in der
Umgangssprache gebraucht.
7.12. Infinitiv
Der Infinitiv (bezokolicznik) ist die Form des Verbs, mit der die Bedeutung des Stamms
unabhängig von der grammatischen Formenbildung verwendet werden kann, wobei zum
Infinitivstamm dessen jeweilige grammatischen Funktionen (Aspekt, grammatische Wort-
artfunktionen) gehören. Der Infinitiv mit der Funktionsbeschreibung ‚keine grammatische
Funktion’ bildet die grammatische Opposition ‚Infinitiv-Suffix – flektivische Morpheme’
und ist daher eine funktional flektivische Kategorie. Der Infinitiv gehört gemeinsam mit
den Partizipien und Adverbialpartizipien zu den nichtfiniten Formen des Verbs; d.h. er
trägt nicht die Merkmale Tempus, Modus und Person. Dahingegen unterscheiden wir Infi-
nitiv Aktiv und Passiv.
• Infinitiv Aktiv; z.B. kochac´ ‚lieben’
• Infinitiv Passiv; z.B. byc´ kochanym ‚geliebt werden’
Der Infinitiv ändert die Argumentstruktur des Verbs, indem er die syntaktische Realisie-
rung des ersten Arguments beeinflusst. Das erste Argument kann entweder unausgedrückt
bleiben oder in Kombination mit Auxiliaren als Subjekt im Nominativ auftreten.
Janek czyta ksia±z˙ki. vs. Trzeba czytac´ ksia±z˙ki. ‚Janek liest Bücher.’ vs. ‚Man muss
Bücher lesen.’
Janek be±dzie czytac´ ksia±z˙ki. ‚Janek wird Bücher lesen.’
7.12.1. Formen
Der Infinitiv wird regelmäßig gebildet durch den Infinitivstamm plus Morphem -c´.
czyta-c´ ‚lesen’, rozumie-c´ ‚verstehen’, mo´ w i-c´ ‚sprechen’, kupowa-c´ ‚kaufen’,
pisa-c´ ‚schreiben’
Bei einigen unregelmäßigen Verben aus der Konjugation -e±/-esz kommt es zu Abwei-
chungen. Eine Besonderheit besteht darin, dass der Konsonant im Stammauslaut einer irre-
gulären Alternation unterliegt.
• -d- wird zu -s´-; Typ KRASπCπ ‚stehlen’: kradne±/kradΩ → kras´c´
• -t- wird zu -s´-; z.B. plote±/plo´tΩ → ples´c´ ‚flechten’
• -s- wird zu -s´-; NIESπCπ ‚tragen’: niose±/nio´sΩ → nies´c´
• -z- wird zu -z´-; z.B. wioze±/wio´zΩ → wiez´c´ ‚transportieren’ (vgl. NIESπCπ)
Als Einzelfall aus der Konjugation -m/-sz hat JESπCπ ‚essen’ ebenfalls diese Form (jadΩ →
jes´c´).
Einige weitere unregelmäßige Verben aus der Konjugation -e±/-esz haben statt des
Morphems -c´ die Form -c:
7.12. Infinitiv 457
• Verben mit Auslaut des Präsensstamms auf -k; z.B. ⇑7.2.3. c) PIEC ‚backen’:
pieke± → piec
wloke±→ wlec ‚schleppen’, tΩuke±→ tΩuc ‚zerschlagen’, uciekne± → uciec ‚fliehen’,
rzekne± (veraltet) → rzec ‚sagen’, sieke± → siec ‚mähen’
• Verben mit Auslaut des Präsensstamms auf -g; vergleiche auch) Auxiliar MOπC
‚können’: moge± → mo´c
strzege± → strzec ‚behüten’, strzyge± → strzyc ‚scheren’, pomoge± → pomo´c ‚kön-
nen’, biegne± → biec ‚laufen’, legne± → lec ‚fallen’, przysie±gne± → przysia±c ‚beei-
den’
7.12.2. Funktionen
Die Funktionen des Infinitivs lassen sich im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen
der Satzgliedzugehörigkeit und der Realisierung des ersten Arguments des infinitivischen
Verbs klassifizieren. Die Realisierung hängt nicht vom Infinitiv selbst ab, sondern von der
Konstruktion bzw. syntaktischen Umgebung. Im Vergleich zu den finiten Formen des
Verbs und auch den Partizipien und Adverbialpartizipien ist der Infinitiv syntaktisch flexi-
bler, da er sowohl im Prädikat, als auch im Objekt auftreten kann.
• im Prädikat mit einem Begleiter oder als unabhängiger Infinitiv;
Trzeba sie± pogodzic´ z faktami. ‚Man muss sich mit den Fakten arrangieren.’
Nie deptac´ trawniko´w! ‚Nicht die Rasenflächen betreten!’
• in anderen Satzgliedpositionen
PaweΩ obiecaΩ przyjs´c´. ‚ PaweΩ versprach zu kommen.’
Adam poszedΩ kupic´ papierosy. ‚Adam ist losgegangen Zigaretten zu kaufen.
ment neutral als Subjekt im Nominativ umsetzen und subjektdegradierende Auxiliare, die
das erste Argument des infinitivischen Verbs ‚verschlucken’; d.h. ihm entspricht kein syn-
taktisches Satzglied. Die Interpretation, wer der Handlungsträger ist, hängt dann vom
Kontext ab.
Piotr pracuje. → Piotr musi pracowac´. ‚Piotr arbeitet. → Piotr muss arbeiten.’
Trzeba pracowac´. ‚Man muss arbeiten.’ Aber: *Trzeba mi pracowac´. ‚Ich muss
arbeiten.’
Zu den Modalauxiliaren, die das erste Argument als Subjekt umsetzen, zählen miec´ ‚sol-
len’, mo´c ‚können’, musiec´ ‚müssen’ und powinien ‚sollte’. Zu den ‚verschluckenden’ ge-
hören moz˙na ‚man kann’, nalez˙y ‚man muss’ und trzeba ‚man muss’.
Der Infinitiv geht mit dem grammatischen Morphem prosze± in das Paradigma des
Imperativs ein.
Prosze± zaczekac´! ‚Warten Sie bitte hier!’
• Subjekt
Kaz˙demu zdarzy sie± pomylic´. ‚Jeder irrt sich einmal.’
PrzyszΩo mi do gΩowy, z˙eby pojechac´ do Zakopanego. ‚Mir kam die Idee, nach
Zakopane zu fahren.’
• Objekt
ZdecydowaΩem sie± pojechac´ do Warszawy. ‚Ich habe beschlossen nach Warschau
zu fahren.’
Zastanawiam sie±, czy jechac´. ‚Ich überlege, ob ich fahre.’
• Attribut
MiaΩem okazje± zΩoz˙yc´ wizyte± ministrowi. ‚Ich hatte die Gelegenheit dem Minister
einen Besuch abzustatten.’
7.13.1. Form
Das Morphem -ni-(e) bildet Verbalsubstantive von im Prinzip allen Verben mit Infinitiv
auf -ac´ und -ec´; in der Regel tritt der Präteritalstamm auf.
czytac´ → czytanie ‚das Lesen’, pisac´ → pisanie ‚das Schreiben’, mys´lec´ →
mys´lenie ‚das Denken’, rozumiec´ → rozumienie ‚das Verstehen’
Bei den Infinitivstämmen i/y (ø) tritt das Suffix -eni- auf:
chodzic´ → chodzenie ‚das Gehen’, kupic´ → kupienie ‚das Kaufen’, wΩoz˙yc´ →
wΩoz˙enie ‚das Einfügen’, straszyc´ → straszenie ‚das Erschrecken’
In diesen Stämmen kommt es zu Alternationen:
chodzic´ → chodzenie ‚das Laufen’, nosic´ → noszenie ‚das Tragen’
Mit Hilfe des erweiterten Formativs -eni- bildet man Deverbativa von Verben ohne
Stammsuffix wie
460 7. Verben
nies´c´ → niesienie ‚das Hintragen’, wiez´c´ → wiezienie ‚das Fahren’, gryz´c´ → gry-
zienie ‚das Beißen’
Das Formativ -cie tritt mit einer gewissen Regelmäßigkeit bei Verbalsubstantiven auf, de-
ren Ausgangsverb auf -a±c´, -na±c´ auslauten
zacza±c´ → zacze±cie ‚das Beginnen’, stukna±c´ → stuknie±cie ‚das Klopfen’
oder deren Wurzel auf einen Konsonanten auslautet
pic´ → picie ‚das Trinken’, kuc´ → kucie ‚das Schmieden’
oder deren Stamm veränderlich ist
drzec´ – darΩ → darcie ‚das Zerreißen’, trzec´ – tarΩ → tarcie ‚das Reiben’.
Einige Verben auf -na±c´ (na± (ø)) nehmen das Formativ -enie:
pragna±c´ → pragnienie ‚das Wünschen’, Ωakna±c´ → Ωaknienie ‚das Lechzen’
Manchmal kommen sie parallel zu den Lexemen auf -cie vor wie in cia±gnie˛cie – cia±gnienie
‚das Ziehen’, aber in neuerer Zeit kommt es zu einer Bedeutungsunterscheidung beider
Einheiten. Die ältere Form auf -enie erhält eine engere Bedeutung und hört auf als regulä-
res Deverbativum zu fungieren. Sie hat heute nur noch die Bedeutung ‚Ziehung’ in Kon-
texten wie Lotto u.ä.
Auf die Regelmäßigkeit der Bildung der genannten Bezeichnungen wirkt vor al-
lem die Tradition ein; denn es gibt keine formalen Gründe, die die Bildung von allen Ver-
ben behindern würden. Von folgenden Elementen lassen sich keine Deverbativa bilden:
• einigeVerben auf -ec´, -eje
bolec´ → *bolenie
• viele unpersönliche Verben
brakna±c´ → *braknienie
• Modalauxiliare und einige Verben mit verwandter Semantik:
mo´c ‚können’, potrafic´ ‚vermögen’, musiec´ ‚müssen’, wolec´ ‚bevorzugen’
Die Deverbativa werden wie Substantive des neutralen Genus dekliniert (Neutrale Sub-
stantive auf -e wie danie), haben jedoch keinen Plural.
7.13.2. Funktion
Die Deverbativa werden im Wesentlichen zu syntaktischen Zwecken gebildet. Sie trans-
formieren ein Verb in ein Substantiv, ohne die Bedeutung zu verändern. Dadurch kann ein
ganzer Satz in ein substantivisches Satzglied kondensiert werden.
SΩyszaΩem, z˙e ktos´ otwieraΩ drzwi. → SΩyszaΩem otwieranie drzwi. ‚Ich hörte, dass
jemand die Tür öffnete. → Ich hörte das Öffnen der Tür.’
7.13. Deverbativum ‚czytanie’ 461
Bakterie powoduja±, z˙e ciaΩa organiczne gnija±. → Bakterie powoduja± gnicie ciaΩ
organicznych. ‚Bakterien bewirken, dass organische Körper verwesen. → Bakteri-
en bewirken das Verwesen organischer Körper.’
Sie erlauben eine abstraktere Fassung der von dem Verb ausgedrückten Handlung, wäh-
rend sie semantisch die Merkmale des Verbs wie Aspekt und Reflexivität u.a. bewahren.
Die von imperfektiven Verben abgeleiteten Formen fungieren als Bezeichnungen aktuell
verlaufender Handlungen im Gegensatz zu den perfektiven, die sich auf vorhergehende
oder folgende Handlungen beziehen.
• gleichzeitig
Bieganie jest poz˙yteczne dla zdrowia. ‚Laufen ist nützlich für die Gesundheit.’
• nicht gleichzeitig
Matka denerwuje sie± wyrzuceniem syna ze szkoΩy. ‚Mutter regt sich darüber auf,
dass der Sohn von der Schule geflogen ist.’
Die Deverbativa bewahren in der Regel das Element sie±.
aklimatyzowac´ sie± → Chcemy powracaja±cym uΩatwic´ aklimatyzowanie sie± w na-
szym kraju. ‚Wir möchten den Heimkehrern die Eingewöhnung in unser Land er-
leichtern.’
8. Adverben
Die Adverben (przysΩo´wki) gehören zu den nichtflektivischen Wortarten und weisen eine
grammatische Kategorie auf: die Komparation. Syntaktisch sind Adverben typischerweise
auf das Verb bezogen.
Adverben lassen sich nach semantischen Kriterien klassifizieren. Diese Klassifikation ent-
spricht im Wesentlichen derjenigen der adverbialen Bestimmungen.
a) Adverben des Orts; sie modifizieren das Verb in Hinblick auf den Ort der
versprachlichten Handlung.
blisko ‚nah’, daleko ‚weit’, z bliska ‚von nahem’, z powrotem ‚zurück’ ‚ na
wznak ‚auf dem Rücken’
b) Adverben der Zeit; sie geben den Zeitpunkt bzw. -raum der Handlung an.
wczes´nie ‚früh’, po´z´no ‚spät’, za mΩodu ‚in jungen Jahren’, rankiem ‚früh mor-
gens’, co dzien´ ‚jeden Tag’, zaraz ‚gleich’
c) Adverben der Art und Weise; sie geben gewisse der Handlung eigene Qualitä-
ten an.
dobrze ‚gut’, wolno ‚langsam’, krzywo ‚schief’, z lekka ‚kaum spürbar’, byle jak
‚notdürftig’
d) Adverben des Maßes und der Menge
duz˙o ‚viel’, maΩo ‚wenig’, wiele ‚viel’
e) Adverben des Grades; sie bezeichnen bei Verben die Intensität einer Handlung,
bei Adjektiven und Adverben die Intensität einer Eigenschaft und bei einigen
Pronomen eine emphatische Betonung des Umfangs.
prawie ‚fast’, jeszcze ‚noch’, juz˙ ‚schon’, tylko ‚nur’, ledwie ‚kaum’, zupeΩnie
‚völlig’, dopiero ‚erst’, przynajmniej ‚wenigstens’, takz˙e/tez˙ ‚auch’
8.2. Formen
Außer bei solchen primären Adverben wie jeszcze ‚noch’ oder tez˙ ‚auch’ lassen sich im
Hinblick auf die morphologische Struktur Beziehungen zu anderen Wortarten feststellen.
Die Motivation ist dabei nicht immer eindeutig; z.B. vom Adjektiv zum Adverb bei stary
→ staro ‚alt’ vs. vom Adverb zum Adjektiv bei blisko → bliski ‚nah’.
8.2. Formen 463
8.4. Komparation
Wie dieQualitätsadjektive, von denen sie abgeleitet sind, verfügen die entsprechenden
Adverben über die grammatische Kategorie der Komparation (stopniowanie).
8.4.1. Formen
Synthetische Bildung
Der Komparativ wird aus dem Adjektivstamm mit Hilfe des Affixes -ej gebildet.
wygodnie → wygodniej ‚bequemer’, obficie → obficiej ‚üppiger’, wczes´nie →
wczes´niej ‚früher’
Bei Adverben auf -o kommt es zu lautlichen Alternationen.
ciepΩo → cieplej ‚wärmer’, ostro → ostrzej ‚schärfer’, grubo → grubiej ‚dicker’
Der Superlativ wird gebildet, indem an das Adverb im Komperativ das Präfix naj- ange-
hängt wird.
wygodniej → najwygodniej ‚am bequemsten’, obficiej → najobficiej ‚am üppigs-
ten’
Unregelmäßig werden diejenigen Adverben gesteigert, deren Stamm auf -k-, -ek- und -ok-
auslautet.
nisko → niz˙ej ‚niedriger’, wa±sko → we±ziej ‚enger’, cie±z˙ko → cie±z˙ej ‚schwerer’,
lekko → lz˙ej ‚leichter’, daleko → dalej ‚weiter’, wysoko → wyz˙ej ‚höher’, szeroko
→ szerzej ‚weiter’, gΩe±boko → gΩe±biej ‚tiefer’
Einige Adverben haben suppletive Komparationsformen (d.h. verschiedene Stämme):
dobrze → lepiej ‚besser’, z´le → gorzej ‚schlechter’, duz˙o → wie±cej ‚mehr’, maΩo
→ mniej ‚weniger’
468 8. Adverben
Analytische Bildung
Im modernen Polnischen ist eine Tendenz zu beobachten, die Komparation analytisch, also
in zwei selbstständigen Wörtern auszudrücken. Dies geschieht ganz regelmäßig mit Hilfe
des ungesteigerten Adverbs und den Lexemen bardzo, bardziej und najbardziej. Analyti-
sche und synthetische Formen sind synonym.
szeroko → bardziej szeroko → najbardziej szeroko =
→ szerzej ‚breiter’ → najszerzej ‚am breitesten’
Handelt es sich um ein Adverb, das das geringe Ausmaß des Vorhandenseins eines Merk-
mals ausdrückt, d.h. bei der negativen Komparation, werden die Formen mniej und najm-
niej verwendet.
szeroko → mniej szeroko → najmniej szeroko ‚am wenigsten breit’
Zu den primären zählen die Präpositionen, die einsilbig sind und gewöhnlich einen weiten
Verwendungskreis haben.
bez + Genitiv ‚ohne’
dla + Genitiv ‚für’
do + Genitiv ‚zu’
ku + Dativ ‚zu’
na + Akkusativ/Präpositiv ‚auf’
nad + Akkusativ/Instrumental ‚über’
o + Akkusativ/Präpositiv ‚über’
od + Genitiv ‚von’
po + Dativ/Akkusativ/Präpositiv/‚in herum’
pod + Akkusativ/Instrumental ‚unter’
przed + Akkusativ/Instrumental ‚vor’
przez + Akkusativ ‚durch’
przy + Präpositiv ‚bei’
u + Genitiv ‚bei’
w + Akkusativ/Präpositiv ‚in’
z + Genitiv/Akkusativ/Instrumental ‚von/mit’
za + Genitiv/Akkusativ/Instrumental ‚hinter/um’
Einige ähneln in der Form und Bedeutung bestimmten Präfixen von Verben, können u.U.
auch gemeinsam mit solchen Verben auftreten.
dobiec do domu ‚zum Haus laufen’
odejs´c´ od stoΩu ‚vom Tisch aufstehen’
Andere primäre Präpositionen sind homonym zu Präfixen; d.h. sie haben keine gemeinsa-
men Bedeutungsbestandteile.
przystana±c´ przy pΩocie ‚am Zaun innehalten’
zapΩacic´ za mieszkanie ‚für die Wohnung bezahlen’
Einige Präpositionen sind abgeleitet entweder aus zwei primären oder Formen anderer
Wortarten. Die zusammengesetzten Formen weisen eine Bedeutung auf, die sich nicht aus
den Einzelkomponenten ergibt. Im Gegensatz zu den primären Präpositionen ist die Ver-
wendung stark semantisch motiviert. Die wichtigsten:
poprzez + Akkusativ ‚durch’
9.3. Verwendung der Präpositionen 471
Konjunktionen (spo´jniki) gehören zu den nichtflektivischen Wortarten. Sie dienen der Her-
stellung syntaktischer Beziehungen zwischen einzelnen Lexemen, Syntagmen, Sätzen und
ganzen Texten. Bezüglich der ausgedrückten syntaktischen Beziehung, lassen sich neben-
ordnende (Parataxe) und unterordnende (Hypotaxe) Konjunktionen unterscheiden. Zur
Semantik der einzelnen Konjunktionen ⇑10.3. Nebensatztypen.
Es gibt recht viele Dubletten; d.h. für eine einzige semantische Beziehung stehen
oft mehrere Konjunktionen zur Verfügung, die sich in ihrer Bedeutung bzw. Verwendung
in keiner Weise unterscheiden. Darüber hinaus gibt es viele Konjunktionen, die synonym
sind, aber einen stilistischen Unterschied aufweisen. Die gebräuchlichsten Konjunktionen
sind in der Liste fett markiert.
dopo´ki-dopo´ty Ø bis
dopo´ki-dota±d Ø bis
dopo´ty az˙ Ø bis
gdy gehoben als
gdyby Ø wenn
gdyz˙ Ø weil
i Ø und
ilekroc´ Ø jedesmal, wenn
ilekroc´ – Ø jedesmal, wenn
tyle kroc´
ilekroc´ – Ø jedesmal, wenn
tyle razy
ilekroc´ – Ø jedesmal, wenn
zawsze
ile razy – Ø jedesmal, wenn
tylekroc´
ile razy – Ø jedesmal, wenn
tyle razy
ile razy – zawsze Ø jedesmal, wenn
im – tym Ø je – desto
inaczej Ø andernfalls
iz˙ gehoben dass
jak Ø wie
jak gdyby Ø als ob
jak tylko Ø sobald
jakkolwiek gehoben obgleich
jako z˙e gehoben da
jako iz˙ gehoben da
jakoby Ø als ob
jednak Ø jedoch
jes´li Ø wenn
480
jes´liby Ø wenn
jez˙eli Ø wenn
jez˙eliby Ø wenn
kiedy Ø als
lecz gehoben jedoch
lub gehoben oder
mianowicie Ø und zwar
mimo iz˙ gehoben obschon
mimo z˙e Ø obschon
mimo to Ø obwohl
natomiast Ø hingegen
niby Ø als ob
niczym Ø wie
niz˙ Ø als
oraz Ø sowie
podczas gdy gehoben während
podczas kiedy Ø während
poniewaz˙ Ø weil
po´ki Ø solange
po´ki nie Ø bis
skoro Ø sobald
tedy gehoben als dann
tymczasem Ø unterdessen
wie±c Ø also
zanim Ø bevor
zas´ gehoben hingegen
zatem gehoben daher
z˙e Ø dass
z˙eby Ø um zu
11. Partikeln
Partikeln (partykuΩy pragmatyczne) sind eine Wortart von unflektierbaren Wörtern, die
keine referenzielle Funktion haben und weder ein eigenständiges Satzglied, noch eine ab-
geschlossene Äußerung bilden. Syntaktisch bilden sie Äußerungsglieder. In ihrer Bedeu-
tung beziehen sie sich im Prinzip nicht auf Sachverhalte der außersprachlichen Umwelt,
sondern bringen zum Ausdruck, wie der Sprecher den Sachverhalt und die Gesprächssitua-
tion, also das Verhältnis von Hörer und Sprecher, einschätzt. Diese Eigenschaften lassen
sich an dem Beispiel chyba ‚wahrscheinlich’ illustrieren. Wenn ich in einem Satz die Parti-
kel weglasse, ändert dies im Gegensatz zu Adverben den Sachverhalt nicht:
Piotr jest w szkole. – Piotr chyba jest w szkole. ‚Piotr ist (wahrscheinlich) in der
Schule.’
Piotr chodzi do szkoΩy. – Piotr che±tnie chodzi do szkoΩy. ‚Piotr geht (gerne) in die
Schule.’
In den ersten beiden Beispielen geht es um ein und denselben Sachverhalt ‚Peter ist in der
Schule.’ Mit chyba ändert der Sprecher daran nichts, gibt aber zusätzlich zu verstehen, dass
er es aber für möglich hält, dass dieser Sachverhalt tatsächlich existiert, es aber nicht sicher
weiß. chyba unterscheidet sich von einem Adverb wie che±tnie darin, dass dieses sehr wohl
den Sachverhalt ändert. So besteht in der Sachlage ein Unterschied, ob Piotr gern in die
Schule geht oder ob er in die Schule geht. Darüber hinaus macht sich der jeweils unter-
schiedliche syntaktische Status von Partikeln und Adverben darin bemerkbar, dass Adver-
ben näher bestimmt oder negiert werden können.
Aber: *Piotr nie chyba jest w szkole. ‚Piotr ist nicht wahrscheinlich in der Schule.’
richtig: Piotr nieche±tnie chodzi do szkoΩy. ‚Piotr geht ungern zur Schule.’
Es gibt folgende Typen von Partikeln:
• Abtönungspartikeln
• epistemische und evidentiale Partikeln
• Gliederungspartikeln
Es ist zu berücksichtigen, dass einzelne Wörter mehrere Funktionen haben, also polysem
sein können.
482 11. Partikeln
11.1. Abtönungspartikeln
Eine besondere Bedeutung hat die Partikel a nuz˙: sie drückt einerseits eine Möglichkeit aus
(epistemisch), andererseits bewertet sie diese als negativ (Abtönung).
PoszedΩbym przez ogro´d, ale a nuz˙ ktos´ z gospodarzy mnie zobaczy? ‚Ich würde
durch den Garten gehen, aber was ist, wenn mich jemand von den Besitzern
sieht?’
11.3. Gliederungspartikeln
Interjektionen (wykrzykniki) haben keine lexikalische Bedeutung und können im Satz auch
keine syntaktischen Beziehungen eingehen. Es handelt sich um Satzäquivalente. Sie sind
der mündlichen Sprache vorbehalten.
Einige Interjektionen haben die Funktion zu signalisieren, dass der Hörer dem Sprecher
zuhört. Sie können Verwunderung oder Zustimmung zum Ausdruck bringen oder als Ja-
Antwort fungieren. Es treten auf tak, no, aha u.a.
– Chodzisz do szkoΩy? – Aha – zawoΩaΩ chΩopak. ‚Gehst du in die Schule? – Hmm
– rief der Junge.’
– Chodzi mi o Kowalskiego! – No, tak. Oczywis´cie. ‚Es geht mir um Kowalski –
Hmm, ja klar.’
Der Satz
1. Begriffe und Verfahren
1.1. Einleitung
Die vorliegende Beschreibung der polnischen Syntax (skΩadnia) ist eine Variante der klas-
sischen Form-Funktions-Syntax. Die syntaktischen Strukturen werden auf ihre Bestandteile
und allgemeine Kombinationsprinzipien zurückgeführt (syntaktische Rekonstruktion). Die
Syntax ist damit eine ‚Oberflächensyntax’. Die zentralen Termini, z.B. die für die Satzglie-
der, haben weitgehend den gleichen Kategorienumfang wie in traditionellen Grammatiken.
Die Einheit, die auf der syntaktischen Ebene rekonstruiert wird, ist die Äußerung.
Die Bestandteile, die auf dieser Ebene angesetzt werden, sind Wortformen von Inhalts-
wörtern und Funktionswörtern. Die Inhaltswörter bringen syntaktische Funktionen ihrer
Bestandteile in die Rekonstruktion ein: mit dem lexikalischen Stamm ihre Fügepotenz, mit
den, gegebenenfalls erweiterten, grammatischen Wortformen die syntaktischen Funktionen
der grammatischen Morpheme, Präpositionen und Auxiliare. Lexikalische Fügepotenz und
morphologische Funktionen sind also Voraussetzungen für die Analyse auf der syntakti-
schen Ebene. Damit können Kategorien auf der syntaktischen Ebene (Satzgliedkategorien,
Satztypen u.a.) ermittelt werden. Die von der lexikalischen, morphologischen und syntakti-
schen Ebene gelieferten sprachlichen Faktoren reichen jedoch nicht aus, um das Verstehen
aller konkreten Vorkommen von Sätzen zu rekonstruieren. Erst im Kontext des jeweiligen
Gesprächs bzw. Textes ist es oft möglich, den Sätzen das Gemeinte zuzuordnen.
1.1. ‚Sätze’
Gegenstand der Syntax ist traditionellerweise der Satz (zdanie) als zentrale Einheit mit
seinen Bestandteilen bis hinunter zur Wortform. Daher ist ‚Syntax’ in der Regel als ‚Satz-
syntax’ zu verstehen (im Unterschied zu einer ‚Textsyntax’). Allerdings ist der Begriff
‚Satz’ einer der am stärksten schillernden grammatischen Termini. Ähnlich dem Ausdruck
‚Wort’ hat auch der Ausdruck ‚Satz’ verschiedene Bedeutungen, die nicht zu einer gemein-
samen Bedeutung zusammengefasst werden können. Daher werden die Begriffe hier durch
spezifische terminologische Benennungen unterschieden. Die verschiedenen Bedeutungen
von ‚Satz’ erscheinen u.a. in folgenden Wortverbindungen mit dem Ausdruck ‚Satz’:
• Haupt- und Nebensatz: Das Gemeinsame am Satz in diesem Sinne ist die Tatsa-
che, dass er eine bestimmte Struktur hat: ein Prädikat, oft mit Subjekt, und weite-
re Satzglieder. Sätze mit diesem Merkmal bezeichnen wir als Elementarsätze
(zdanie elementarne).
490 1. Begriffe und Verfahren
tion, allerdings ein nicht immer leicht als Grenzmerkmal zu handhabendes Kriterium. In
der Forschung zur Umgangssprache mit authentischen mündlichen Gesprächstexten wird
u.a. aus diesem Grund häufig nicht der Satz, sondern die ‚Phrase’ (Wortfügung u.ä.) als
Grundeinheit verwendet. Bei schriftlicher Realisierungsform ist die Intonation ein sekundä-
res Merkmal, und zwar deshalb, weil sie vom Vorlesenden anhand der Interpunktion und
des Sinnes rekonstruiert wird.
Wenn der Intuition und der traditionellen Satzlehre entsprechend ‚im Inneren’ von
interpunktorischen Sätzen mehrere Sätze aufgefunden werden können, d.h., wenn man
davon ausgeht, dass Sätze ihrerseits aus Sätzen bestehen können, wie (5-6), (10-11), dann
dient als definitorisches Merkmal, die Prädikatsmarkierung (= Tempus bzw. Modus). Die
Sätze, die ein Prädikat besitzen, haben wir als ‚Elementarsätze’ bezeichnet. Im obigen Text
sind (1, 5, 6, 8, 9, 10, 11) Elementarsätze (auch (2) mit to als Präsens-Kopula). Nicht alle
interpunktorischen Sätze sind auch Elementarsätze, wie (3, 4, 7) zeigen.
Teilweise enthält ein interpunktorischer Satz nur einen Elementarsatz, wie (2, 8,
9), teilweise mehrere (5-6, 10-11), teilweise treten sie ganz ohne Prädikat auf. Interpunkto-
rische Sätze ohne Prädikat, aber mit Inhaltswort sind (3, 4), ein interpunktorischer Satz
ohne Inhaltswort ist (7).
Der Ausdruck ‚Elementarsatz’ entspricht im Umfang einer der beiden Bedeutun-
gen des Ausdrucks ‚einfacher Satz’. Dieser Terminus ist insofern nicht eindeutig, als er
neben der 1. Bedeutung ‚Elementarsatz’ folgende 2. Bedeutung besitzt: ‚interpunktorischer
Satz, der aus einem Elementarsatz besteht’. In der 1. Bedeutung kann ‚einfacher Satz’ einer
der Bestandteile eines zusammengesetzten Satzes sein oder der einzige Bestandteil des
einfachen Satzes. Im Weiteren wird hier ‚einfacher Satz’ nur in der zweiten Bedeutung, als
Gegenstück zu ‚zusammengesetzter Satz’, verwendet und für die 1. Bedeutung der Aus-
druck ‚Elementarsatz’. Die Ebene der Rekonstruktion von Elementarsätzen entspricht der
traditionellen ‚Syntax des einfachen Satzes’.
Den beiden Bedeutung von ‚Satz’ – 1. Elementarsatz, 2. Interpunktorischer Satz –
entsprechen im Englischen zwei eigene Ausdrücke: 1. ‚clause’ und 2. ‚sentence’.
Bei der Analyse zur Ermittlung von syntaktischen Strukturen und Kategorien sind alle
sprachlichen Ressourcen im Satz auszuschöpfen. Dazu gehören neben den grammatischen
Affixen mit kombinatorischen Funktionen nicht zuletzt die Lexeme. Voraussetzung für
eine Analyse ist somit die Kenntnis der Bedeutung seiner Bestandteile, der kategorialen
Zugehörigkeit seiner Wörter und Morpheme, aber auch Verständnis des Satzes insgesamt
(seines Sinnes) sowie die Kenntnis des expliziten und impliziten Satz-Kontextes.
Die syntaktische Rekonstruktion der Äußerung (wypowiedzenie) ist gegründet auf
die Inklusionsbeziehung zwischen den Einheiten verschiedener Formate. Die Einheiten
492 1. Begriffe und Verfahren
des größeren Formats enthalten die Einheiten der kleineren. Im Text (bzw. im Gespräch als
typische Umgebung der Äußerung ist die Äußerung selbst enthalten, mit einem oder meh-
rern Elementarsätzen als typischen (aber nicht obligatoischen) Bestandteilen von Äußerun-
gen. Wortfügungen als typische Bestandteile von Elementarsätzen enthalten typischerweise
Wortformen von Inhaltswörtern, die ihrerseits einen lexikalischen Stamm enthalten.
Äußerungen: …
Florentynka podniosΩa twarz ku niebu i w jej bladych oczach
cos´ bΩysne˛Ωo. …
Elementarsätze: …
Florentynka podniosΩa twarz ku niebu
w jej bladych oczach cos´ bΩysne˛Ωo
…
Wortfügungen: …
Florentynka podniosΩa,
podniosΩa twarz,
podniosΩa ku niebu,
…
Wortformen: …
Florentynka,
podniosΩa,
twarz,
ku,
…
Lexeme: …
Florentynk(a),
podnies´(c´),
twarz(-),
…
Syntaktische und syntaktisch relevante Einheiten
(Beispiele aus dem Textstück 1-11)
2. Vom Lexem zur Wortfügung
Das folgende Schema soll einen Überblick über die syntaktische Rekonstruktion des Zu-
standekommens von Wortfügungen (zespoΩy skΩadniowe) verschaffen. In der linken Spalte
stehen syntaktische Form-Funktions-Einheiten, in der mittleren syntaktisch relevante mor-
phologische Markierungen und Einheiten (Morphosyntax) und in der rechten sind die zent-
ralen semantischen Komponenten der Form-Funktions-Einheiten angeführt. Mit den Le-
xemen werden bereits grundlegende kombinatorische Funktionen zur Verfügung gestellt.
Morphosyntaktische Markierungen in den Wortformen von Inhaltswörtern ergänzen diese
Relationen auf sehr verschiedene Weise, wodurch in der Wortfügung bestimmte syntakti-
sche Beziehungstypen resultieren (vor allem Rektion und Kongruenz). Auch Konjunktio-
nen können die Relation zwischen den Wörtern einer Wortfügung markieren. Auf dieser
Ebene ergeben sich zudem aus der rein semantischen Kombinatorik der lexikalischen Be-
deutungen so genannte Prädikationen, die unten nur gestreift werden und daher in Klam-
mern gesetzt sind.
Wortfügung (Prädikation)
(Rektion, Kongruenz u.a.)
Wortform:
Kasus, Numerus, Genus
Adverbialpartizip,
Konjunktionen
Lexem: Lexikalische Bedeutung:
Fügepotenz Prädikator-Argument-
Struktur
Rekonstruktion des syntaktischen Wegs vom Lexem zur Wortfügung
Die Ordnung im Elementarsatz mit mehreren Inhaltswörtern kommt dadurch zustande, dass
das Prädikat Bestandteil einer Wortfügung ist, deren andere Komponenten wiederum Wort-
fügungen mit anderen Wörtern bilden usw. Dass zwei Wörter eine Wortfügung bilden,
wird auf verschiedene Weise vermittelt. Die wichtigsten Faktoren sind neben der Fügepo-
tenz des Lexems die morphologischen Markierungen.
494 2. Vom Lexem zur Wortfügung
Aufgrund seiner Fügepotenz (der ‚Valenz’ des Wortes) vermittelt eine Wortform
eine Relation mit einem oder mehreren Inhaltswörtern in einer bzw. mehreren Wortfügun-
gen, z.B. in
MΩoda studentka slawistyki bardzo szybko czytaΩa artykuΩ o prozie Prusa. ‚Die
junge Studentin der Slawistik las sehr schnell einen Artikel über die Prosa von
Prus.’
Czytac´ eröffnet eine Leerstelle für ein Substantiv im Nominativ (hier studentka), czytac´
eröffnet auch eine Leerstelle für ein Substantiv im Akkusativ (hier: artykuΩ); mΩody eröffnet
eine Leerstelle für ein Substantiv (hier: studentka), studentka eröffnet eine Leerstelle für
ein Substantiv im Genitiv (hier: slawistyki), szybko eröffnet eine Leerstelle für ein Verb
(hier: czytaΩa), usw.
Die Fügepotenz eines Lexems, d.h. eines Inhaltswortes mit einer bestimmten lexi-
kalischen Bedeutung ist dessen Eigenschaft, mit anderen Inhaltswörtern eine sinnvolle
syntaktische Einheit zu bilden. Die Fügepotenz hat 1. eine funktionale und 2. eine formale
Komponente (auch bezeichnet als semantische und syntaktische Valenz), die determinie-
ren, wie die syntaktische Einheit aussieht, die aus der Kombination des Inhaltswortes mit
einem anderen Inhaltswort hervorgeht. Die Beschreibung der funktionalen Komponente ist
in der Beschreibung der lexikalischen Bedeutung (= in der Explikation) enthalten. Die
Beschreibung der formalen Komponente wird als Rektionsmodell bezeichnet.
1. Betrachten wir für die funktionale Seite zunächst die Beschreibung des Verbs
przebaczyc´ ‚verzeihen’.
X przebaczy Y-owi (Z) = ‚nachdem sich Y (eine Person) gegenüber X (eine Per-
son) (den Sachverhalt) Z zuschulden kommen lassen hat, teilt X dem Y mit, dass
Z für X nicht mehr relevant sein soll’.
An der hier beschriebenen Situation, die vom Verb przebaczyc´ bezeichnet wird,
sind mehrere Partizipanten – X, Y, Z – beteiligt. Verbunden mit X und Y wird
darüber hinaus vermittelt, dass es Personen sind, mit Z, das es ein Sachverhalt
ist; solche Angaben gehören nicht zur Kernbedeutung des Lexems und insofern
nicht in die eigentliche Explikation.
2. Dem Rektionsmodell ist zu entnehmen, welche Eigenschaften diejenigen Wörter
haben, die den Partizipanten entsprechen. Diese Wörter bezeichnen wir als Ar-
gumente (auch: ‚Aktanten’, ‚Mitspieler’). Betrachten wir das Rektionsmodell zu
przebaczyc´ in der erwähnten Bedeutung:
1 = X 2 = Y 3 = Z
[wer verzeiht] [wem verziehen wird] [was verziehen wird]
Substantiv (Nominativ) Substantiv (Dativ) Substantiv (Akkusativ)
2.1 Syntax des Lexems: Fügepotenz von Inhaltswörtern 495
Dem Rektionsmodell sind also zu entnehmen die Anzahl der Argumente sowie ihre Wort-
art und grammatische Kategorie, darunter meist Kasus. Das Rektionsmodell zu einem Wort
in einer bestimmten Bedeutung findet man in den erklärenden Wörterbüchern, z.B. Szym-
czak 1978 (dort ohne Angaben zum Subjekt und unvollständig zu den Kategorien der Par-
tizipanten, meist kogos´, cos´, czegos´ usw.), viele Informationen müssen den Beispielen ent-
nommen werden. Relativ vollständig werden sie in Valenzwörterbüchern angegeben (vgl.
zu polnischen Verben z.B. Morciniec 1995).
In der oberen Zeile ist in Klammern die ‚Rolle’ umschrieben, die die Partizipanten
in der Situation einnehmen. Für die häufigsten dieser Rollen gibt es traditionelle und neue
Begriffe, die hier unter dem Oberbegriff ‚(semantische) Kasusrolle’ (auch: ‚Tiefenkasus’
u.a.) zusammengefasst werden sollen. So ist der traditionelle Begriff für die semantische
Kasusrolle des Akkusativ-Objekts von kupic´ ‚kaufen’ oder von przebaczyc´ ‚affiziertes
Objekt’. Es kann auch angebracht sein, die anderen Eigenschaften der Partizipanten in der
oberen Zeile zu notieren, so dass die Tabelle dann eine mehr oder weniger vollständige
Beschreibung der Fügepotenz eines Wortes ist.
Ein Wort ist im Hinblick auf die Eigenschaft, über eine Fügepotenz zu verfügen,
ein Prädikator (auch: ‚Prädikat’, ‚Funktion’, ‚Funktor’, wenn mehrere Argumente vorlie-
gen). Ein Prädikator kann also eine oder mehrere Argumentstellen (Argumentvariablen)
haben, przebaczyc´ hat drei Stellen (‚ist ein dreistelliges Verb’), wiedziec´ hat zwei Stellen
(‚ist zweistellig’), s´pac´ hat eine Stelle (‚ist einstellig’).
Auch Adjektive, vgl. pie˛kny X (pie˛kne mieszkanie), X peΩny Y (wanna peΩna wo-
dy), Adverben, vgl. pie˛knie X (pie˛knie mieszkaja˛), dzis´ X, Substantive können eine haben,
vgl. sen X-a (sen matki), izolacja X-a od Y-a; Präpositionalphrasen, vgl. w Warszawie
(mieszkam) oder Konjunktionen, vgl. zu matka i co´rka: i(matka,co´rka) haben Argument-
variablen.
Zwischen Prädikator und Argument(en) besteht eine Relation der ‚Abhängigkeit’
(auch: ‚Dependenz’), hier jedoch der Deutlichkeit halber als ‚Prädikator-Argument-
Relation’ bezeichnet. Das Argument hängt vom Prädikator ab, in ona mu przebaczyΩa sind
ona und mu abhängig von przebaczyΩa. Diese (semantische) Abhängigkeit ist strikt zu un-
terscheiden von der syntaktischen Unterordnung. So ist z.B. in pie˛kne niebo das Substantiv
niebo abhängig von pie˛kne, es ist ihm aber syntaktisch, wie unten gezeigt wird, unterge-
ordnet. Die Kombination aus dem Prädikator und einem oder mehreren (allen) Argumenten
bezeichnen wir als ‚Prädikation’. Eine oder mehrere Prädikationen, die einem Elementar-
satz entsprechen, bilden eine Proposition.
Prädikationen und Propositionen sind unabhängig von der Satzoberfläche. Mit ih-
nen arbeitet man z.B., wenn man Ellipsen restituieren will, wenn die semantische Gemein-
samkeit von syntaktisch unterschiedlichen Sätzen beschrieben werden soll (z.B. die von
Aktiv- und Passiv-Sätzen) oder wenn implizite Sätze explizit gemacht werden sollen.
496 2. Vom Lexem zur Wortfügung
Letzteres kann am semantischen Unterschied von Sätzen mit gleicher syntaktischer Ober-
fläche verdeutlicht werden. Die syntaktische Oberflächenstruktur von (1) und (2) ist gleich:
(1) A riet B auf die Versammlungen zu gehen.
(2) A versprach B auf die Versammlungen zu gehen.
Sie haben beide die Struktur ‚Subjekt – Prädikat – Objekt – Objekt – Infinitiv’, jedoch
verschiedene implizite Prädikationsstrukturen:
A rät B Z, wobei gilt: B tut Z (d.h. B geht)
A versprach B Z, wobei gilt: A tut Z (d.h. A geht)
Wenn einem Satzglied (mit eventuellen untergeordneten Satzgliedern) eine Prädikation
entspricht (hier z.B. entspricht dem Infinitiv zu gehen die Prädikation ‚B geht’ bzw. ‚A
geht), sprechen wir von einem ‚impliziten Satz’. Die Prädikationen, die mit einem Satz
explizit (an der syntaktischen Oberfläche) oder implizit vermittelt werden, bilden die ‚Pro-
position’ des Satzes. Ihre Beschreibung ist recht komplex und nicht Gegenstand dieser
Grammatik, sie bildet sozusagen die semantische Fortsetzung der vorliegenden Grammatik.
Eine derartige Beschreibung findet sich bezogen auf das Polnische z.B. in Topolin´ska
1984.
Wir haben – abgesehen von der syntaktischen Unterordnungsbeziehung – drei ver-
schiedene Aspekte der Fügepotenz begrifflich erfasst: die Wortarten, die Funktion eines
Wortes als Prädikator oder Argument und die Begriffe für die bezeichneten Entitäten
(Welt-Ausschnitte). Im Schema zum Beispiel Anna kroi noz˙em chleb:
Den Komplex aus der Situation im engeren Sinne, also dem, was vom Verb bezeichnet
wird, bei kroi die eigentliche Handlung, in Verbindung mit den Partizipanten dieser Situa-
tion bezeichnen wir als eine Situation im weiteren Sinne. (Typische Adjektive bezeichnen
‚Eigenschaften’ (mit entsprechenden Partizipanten), Adverbien ebenfalls ‚Eigenschaften’,
vgl. pie˛knie, oder ‚Relationen’, vgl. dzis´, typische Substantive bezeichnen ‚(Welt)Obje-
kte’.)
2.2. Morphosyntaktische Markierungen 497
Die meisten Situationen kann man sich ohne irgendwelche Partizipanten nicht vor
dem geistigen Auge vorstellen. Die Bedeutung eines Verbs als Einheit des lexikalischen
Inventars (Lexikons) bezieht sich jedoch gerade auf einen solchen Weltausschnitt ohne
Partizipanten (die entsprechenden Leerstellen sollen mit Bedeutungen für Partizipanten
verschiedener Art besetzt werden können). Die lexikalische Bedeutung eines Prädikators
enthält also Variablen für die einzusetzenden Argumente. Den Argumenten kann wie er-
wähnt eine bestimmte ‚semantische Kasusrolle’ – entsprechend der Rolle, die der Partizi-
pant in der Situation spielt – zugeordnet werden und es gelten für ihn bestimmte Beschrän-
kungen. Diese funktionalen Komponenten der Fügepotenz des Verb-, Adjektiv- usw. Le-
xems können zusammenfassend als ‚Prädikator-Argument-Struktur’ des jeweiligen Lexems
bezeichnet werden.
Ein Inhaltswort bringt bei der Satzbildung seine Prädikator-Argument-Struktur ein
und determiniert damit die Möglichkeiten seiner Kombination mit anderen Inhaltswörtern.
Das Inhaltswort hat damit aufgrund seiner lexikalischen Bedeutung, also aufgrund seines
lexikalischen Stammes, eine syntaktische Funktion, deren Gewicht für die Struktur des
Satzes gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Allerdings erschöpft sich die syn-
taktische Struktur eines Satzes keineswegs in seinen semantischen Abhängigkeiten (in
seiner Dependenz-Struktur). Vielmehr kommen die syntaktischen Funktionen der mor-
phologischen Einheiten, die ‚morphosyntaktischen Funktionen’, hinzu. Aber auch die Ver-
bindung der syntaktischen Funktionen von lexikalischer und morphologischer Ebene erge-
ben noch nicht die syntaktische Struktur, wie sie auf der syntaktischen Ebene zu beschrei-
ben ist.
Zusammen mit der Fügepotenz, oder – seltener – komplementär dazu, werden Fügungen
vermittelt durch morphologische Markierungen (da sie hier syntaktische Funktion haben,
werden sie oft als morphosyntaktische Faktoren bezeichnet):
(a) Kasus/Rektion (przypadek, rekcja):
Kasusformen von Substantiven mit eventuellen Präpositionen vermitteln vor allem
die Fügung mit Verben, z.B. vermittelt der Nominativ von studentka bzw. der Ak-
kusativ artykuΩ die Fügungen mit czytaΩa. Es wird aber auch die Fügung mit ande-
ren Substantiven vermittelt, z.B. durch den Genitiv von slawistyki die Fügung mit
studentka, auch die Präposition o + Präpositiv kann dies, hier vermittelt o (prozi)e
die Fügung mit artykuΩ. Sind Kasusformen mit eventueller Präposition von dem
anderen Inhaltswort der Fügung festgelegt, dann sind sie von diesem Wort regiert,
es besteht eine Beziehung der Rektion im engeren Sinne. Wir bezeichnen als Rek-
tion die Fälle, in denen Wortformen den Kasus oder Infinitiv anderer Wortformen
bedingen. Bei der regierenden Wortform wird die Rektionsfunktion meistens vom
498 2. Vom Lexem zur Wortfügung
lexikalischen Stamm getragen, vgl. den Dativ zu przebaczyc´. Sie kann auch von
einem Affix getragen werden, vgl. od mit Genitiv, das in starszy od Ewy vom
Komparativsuffix bedingt wird.
(b) Kongruenz (akomodacja):
Die Übereinstimmung von Kasus, Numerus, Genus oder grammatischer Person
zweier, in der Regel bereits per Fügepotenz verbundener Inhaltswörter, sind ein
weiterer Fügungsfaktor, (hier mΩoda kongruierend mit studentka).
(c) Kopula (Ωa±cznik):
Eine Kopula vermittelt typischerweise die Fügung von Substantiven mit Substanti-
ven und mit Adjektiven vgl. Krystyna jest inz˙ynierem; Pan Nowak to lekarz; stu-
dentka jest mΩoda; Anna jest dobra˛ studentka˛.
(d) das Suffix der Adverbialpartizipien:
powiedziaΩa (2) ona (3), odwracaja˛c sie˛ (1)
vermittelt (per Default) die Fügung des so markierten Verbs, s. (1), mit einem Verb
(2) und einem Substantiv (3) im Nominativ.
Die Vermittlung der Fügung durch diese expliziten Faktoren wird durch die Wortstellung
als weiteren expliziten Faktor (unmittelbare Voran- oder Nachstellung, vgl. hier slawistyki
und o prozie) und das Weltwissen als impliziten Faktor unterstützt. (In der Aktualgenese
bzw. im aktuellen Verstehen des Satzes spielt das Weltwissen, d.h. das Wissen über den
Ablauf von Situationen, vermutlich die wichtigste Rolle, der grammatisch beschreibbare
Anteil davon wird durch die Fügepotenz bzw. Prädikation erfasst.)
Mit Konjunktionen, in der Regel nebenordnenden, können ebenfalls Wortfügun-
gen erzeugt werden, vgl. studentka polonistyki i rusycystyki.
Dass diese Faktoren (Sprachmittel) Fügungen und damit syntaktische Relationen
vermitteln, kann ihrer Bedeutungs- bzw. Funktionsbeschreibung entnommen werden – der
lexikalischen Beschreibung des Inhaltswortes (hinsichtlich der Fügepotenz des lexikali-
schen Stammes), der Beschreibung einer Präposition, eines Kasus etc. Welche syntakti-
schen Unter- bzw. Überordnungsbeziehungen jeweils vermittelt werden, wird, wie er-
wähnt, auf der nächsten Analysestufe anhand der Feststellung der Verkettung ermittelt.
Auf der Grundlage der im nächsten Abschnitt behandelten Analysen von Unter-
und Nebenordnungsrelationen kann für viele Fügungsfaktoren eine bestimmte Ordnungs-
relation festgestellt werden. So vermittelt der Akkusativ per Default die Unterordnung
unter ein Verb (s. czytaΩa artykuΩ, kongruierende oblique (nicht nominativische) Kasusfor-
men von Adjektiven vermitteln die Unterordnung unter das Substantiv, usw. Auch der auf
der Analyse der Verkettung beruhende spätere Untersuchungsschritt, die Zuordnung eines
Inhaltswortes zu einer Satzgliedkategorie, ist manchmal bereits anhand des Faktors selbst
festzustellen: Kopulae legen in Verbindung mit Kasus und Wortstellung fest, dass einem
2.2. Morphosyntaktische Markierungen 499
Prädikat ein Subjekt untergeordnet ist, vgl. Krystyna jest inz˙ynierem ‚Krystyna ist Ingeni-
eurin’, Pan Nowak to lekarz ‚Herr Nowak ist Arzt.’. Die Suffixe der Adverbialpartizipien
ordnen diese dem Prädikat unter.
3. Von der Wortfügung zum Elementarsatz
Die Wortfügungen eines Satzes bestehen aus Kombinationen der Wortformen mit ihren
syntaktischen Eigenschaften. Diese Kombinationen haben die Struktur von Verkettungen.
Sie ergeben die Ordnungsstruktur des Satzes, wenn mit dem Prädikat das erste Glied der
Kette(n) gegeben ist, wobei das Prädikat daran zu erkennen ist, dass es die grammatischen
Bedeutungen des Tempus bzw. Modus trägt. Die Bestandteile des Elementarsatzes wer-
den als Satzglieder und er selbst im Hinblick auf seine Typen klassifiziert. Dem Elementar-
satz als Form-Funktions-Einheit entspricht die Proposition als rein semantische Kombina-
tion aus Prädikationen (darauf wird hier nur exemplarisch eingegangen; umfassend hierzu
s. Topolin´ska 1984). Im Schema, wiederum mit den syntaktischen Form-Funktions-
Einheiten in der linken Spalte, syntaktisch relevanten Markierungen und Operationen in
der mittleren und der semantischen Komponente des Elementarsatzes in der rechten Spalte:
Elementarsatz (Proposition)
(Satzglied
Satztyp)
Tempus / Modus
Verkettung
Wortfügung
Ein Satzbestandteil wird durch Tempus bzw. Modus als Prädikat gekennzeichnet. Das
Tempus impliziert den Indikativ, Imperativ- und Konditionalformen haben keine explizite
Tempusfunktion. Träger der lexikalischen Bedeutung des Prädikats kann ein Vollverb oder
ein anderes Inhaltwort, in der Regel ein Substantiv oder Adjektiv sein. Träger von Tempus
bzw. Modus kann das Vollverb selbst sein, vgl. czytaΩa, oder ein Auxiliar. Phasen- und
Modalauxilare treten mit dem Infinitiv des Vollverbs auf, vgl. moz˙e/moz˙na czytac´, zacza˛Ω
czytac´. Bei Nicht-Verben werden Tempus/Modus durch eine Kopula ausgedrückt, vgl.
jest/byΩ inz˙ynierem. Diese erscheint auch bei Modalauxiliaren, die kein Verb sind, vgl.
moz˙na byΩo czytac´ ‚man konnte lesen’ sowie bei absoluten Infinitiven (s.u.) wie in byΩo
3.2. Syntaktische Ordnung durch Verkettung 501
sΩychac´ ‚man konnte hören’. Im Präsens ist in diesen Prädikaten die Kopula nicht explizit
ausgedrückt, sie erscheint als Null-Kopula.
Die syntaktische Struktur eines Satzes ist an der Oberfläche charakterisiert durch Unter-
ordnung und Nebenordnung. Die syntaktische Ordnung beruht auf der Verkettung von
Wortfügungen.Verkettet sind ausschließlich autosemantische Wörter. Im Beispielsatz
MΩoda studentka slawistyki bardzo szybko czytaΩa artykuΩ o prozie Prusa.
haben u.a. die Wortfügungen mΩoda studentka
und
studentka czytaΩa
ein gemeinsames
Glied, ebenso czytaΩa artykuΩ
und artykuΩ o prozie.
Das gemeinsame Kettenglied studentka
verbindet das grammatische Prädikat czytaΩa
als oberster Komponente des Satzes mit
mΩoda
und artykuΩ verbindet es
mit o prozie usw. Durch diese Verkettung entsteht nicht nur
Zusammenhalt im Satz, sondern auch Ordnung, d.h. eine Struktur, die über das hinausgeht,
was die lexikalischen und grammatischen Bestandteile des Satzes vermitteln.
Die syntaktische Ordnung ist hierarchisch insofern, als das erste Glied der Kette
eines Elementarsatzes immer das Prädikat ist und die weiteren Glieder mehr oder weniger
direkt mit diesem verbunden sind. Die Verkettung mit dem Prädikat und die mit einem
Wort, das mit dem Prädikat verbunden ist usw. wird traditionell als Unterordnung bezeich-
net, das jeweils übergeordnete Wort als Kopf. Wörter, die demselben Kopf untergeordnet
sind und untereinander verkettet sind, werden als nebengeordnet bezeichnet. (Für Teilsätze
eines ⇑zusammengesetzten Satzes gelten diese Bestimmungen in entsprechender Weise.)
Unterordnung: Die Wortfügungen werden verkettet beginnend mit dem Prädikat.
Unter den im Weiteren angeketteten Gliedern sin die zuerst angeketteten jeweils überge-
ordnet, sind also Köpfe der Wortfügung.
czytaΩa
Prusa
502 3. Von der Wortfügung zum Elementarsatz
studentka
mΩoda i ma˛dra
mΩoda ale ma˛dra
Diese syntaktische Struktur von Satzvorkommen kann also in der Form einer Rekonstruk-
tion des Verkettens von Inhaltswörtern beschrieben werden. Fügungs-Bäume wie der zum
Satz MΩoda studentka … werden in in folgenden Schritten erstellt:
1. Schritt: Verständnissicherung und Vorklärungen.
2. Schritt: Ermittlung der Wortfügungen, von links nach rechts.
3. Schritt: Ermittlung der Verkettung und Darstellung in einer hierarchischen Satz-
struktur (‚Fügungs-Baum’).
4. Schritt: Syntaktische Etikettierung der Inhaltswörter nach Satzglied-Kategorien
(s. nächster Abschnitt).
Zu 1.: Ist ein grammatisches Prädikat vorhanden? Wenn ja, dieses unterstreichen. Äuße-
rungsglieder ignorieren. Ellipsen und Parzellierungen in Klammern einsetzen, z.B.:
czytaΩa
Zu 2.: Bildet das erste Inhaltswort mit dem nächtsfolgenden eine Wortfügung? Wenn ja,
verbinde beide graphisch (∩), wenn nein, füge eine Trennmarkierung (|) ein. Verfahre mit
dem nächsten Inhaltswort genauso, z.B.:
MΩoda ∩ studentka, studentka ∩ slawistyki | bardzo ∩ szybko, szybko ∩ czytaΩa,
czytaΩa ∩ artykuΩ , artykuΩ ∩ o prozie, o prozie ∩ Prusa
Prüfe, jetzt in umgekehrter Richtung, ob eine Wortfügung mit einem links davon stehenden
(schon einmal überprüften) Inhaltswort (ungeachtet der Trennmarkierung) besteht. Wenn
ja, stelle damit eine graphische Verbindung her, z.B.:
studentka ∩ czytaΩa
Behandle erweiterte Wortformen, also Präpositionen und Auxiliare mit dem zugehörigen
Inhaltswort, als eine syntaktische Einheit, (o prozie, moz˙e czytac´, zacza˛Ω czytac´), ebenso
Konjunktionen bei Nebenordnung, z.B. studentka polonistyki i rusycystyki. Auch phraseo-
logische Fügungen (bar mleczny) werden als ein syntaktisches Wort behandelt.
Zu 3.: Schreibe das grammatische Prädikat (mit allen Komponenten, z.B. Auxiliaren) an
die oberste Position. Schreibe darunter die damit verbundenen Inhaltswörter und unter
3.2. Syntaktische Ordnung durch Verkettung 503
diese die mit ihnen verbundenen Wörter usw. Die Wörter, die direkt mit demselben über-
geordneten Wort verbunden sind, müssen auf gleicher Höhe stehen.
czytaΩa
studentka
czytaΩa
studentka szybko
czytaΩa
czytaΩa
mΩoda
usw. (s.o. das vollständige Schema)
Wörter auf gleicher Höhe, die demselben Wort untergeordnet und durch Komma,
Bindestrich oder nebenordnende Konjunktion verbunden sind, werden zu einer Gruppe
zusammengefasst, die dem übergeordneten Wort als Ganzes untergeordnet ist, z.B. (stu-
dentka) polonistyki i rusycystyki. Das gleiche gilt für Wörter, die demselben Wort unter-
geordnet sind und untereinander eine Fügung bilden (Appositionen, vgl. Aleksander Wiel-
ki).
Weiterhin gilt: Wörter, die wie inna und polska
in inna
polska gramatyka
(ohne
Komma, Konjunktion, Bindestrich) mit demselben Wort (hier gramatyka) und zugleich
untereinander in einer Unterordnungsbeziehung stehen, gelten als dem gemeinsamen Kopf
504 3. Von der Wortfügung zum Elementarsatz
untergeordnet (hier: gramatyka). Die Relation mit dem an höchster Stelle übergeordneten
Wort ist die relevante:
gramatyka
polska
inna
Auf der Basis der so ermittelten Satzstrukturen können die Satzglieder (cze±s´ci zdania) de-
finiert werden. Jedes Satzglied ist ein Inhaltswort. Subjekt und Prädikat werden als primäre
Satzglieder (gΩo´wne cze±s´ci zdania) bezeichnet, Objekt, Adverbiale und Attribut als sekun-
däre (drugorze±dne cze±s´ci zdania). Dabei können nur die Merkmale der kanonischen Typen
der Subjekte und Prädikate definiert werden. Es gilt:
Prädikat (orzeczenie): Vollverb oder Auxiliar + Inhaltswort mit Tempus-/Modus-
Form (czytaΩa).
Subjekt (podmiot; kanonisch): Dem Prädikat untergeordnetes Substantiv im Nomi-
nativ.
Attribut (przydawka): Einem Substantiv untergeordnet und nicht Subjekt (mΩoda,
slawistyki, o prozie, Prusa).
Objekt (dopeΩnienie): Einem Nicht-Substantiv untergeordnet und von ihm regiert
(artykuΩ).
Adverbiale (okolicznik): Einem Nicht-Substantiv untergeordnet und nicht von ihm
regiert (bardzo, szybko).
Die Varianten der Formen und Funktionen der Satzglieder werden unten näher erläutert.
Die Definitionen können in folgenden Algorithmus umgeschrieben werden:
3.3. Definition der Satzglieder 505
einem Nicht-Substantiv
untergeordnet und von ihm regiert?
JA NEIN
Die Typen der Elementarsätze (zdanie elementarne) werden, vor allem anhand der Merk-
male des Prädikats und der Setzung eines Subjekts unterschieden. Mit ihren wichtigsten
Merkmalen entsprechen die Typen des Elementarsatzes direkt den Merkmalen des gram-
matischen Prädikats, also der Konstituente, welche das strukturelle Kriterium des Elemen-
tarsatzes ist. Träger der lexikalischen Bedeutung des Prädikats ist, in der Regel ein Voll-
verb oder ein Substantiv bzw. Adjektiv. Letztere erscheinen dann mit einer Kopula. Beson-
deres Gewicht hat die Frage, ob für die Realisierung des jeweiligen Typs eine bestimmte
grammatische Person obligatorisch ist, vgl. dazu Dnieje, oder ob das ganze Paradigma der
grammatischen Person ausgeschöpft werden kann, vgl. dazu CzytaΩam. CzytaΩas´. CzytaΩa.
usw.
Im Einzelnen werden die Typen danach unterschieden
(a) ob die grammatischen Bedeutungen der flektivischen grammatischen Katego-
rien des Prädikats – Person, Numerus, Genus, Infinitiv – i.e. variabel sind oder
ob eine grammatische Bedeutung im Typ festgelegt ist;
(b) ob ein Vollverb Träger der lexikalischen Bedeutung ist, vgl. Czytam; Subtyp A,
oder nicht, vgl. Jestem lekarzem; meist Kopula und Prädikatsnomen; Subtyp B;
(c) ob ein Subjekt gesetzt werden muss (obligatorisch ist), gesetzt werden kann
(fakultativ ist), ausgeschlossen ist (Null-Subjekt) oder per Default weggelassen
wird (per Default subjektlos).
Die Bestimmtheit als Merkmal des Elementarsatzes muss getrennt gehalten werden von der
Definitheit (= Bestimmtheit) des Substantivs, wie sie z.B. im Deutschen durch den Artikel
explizit markiert wird. Die Bestimmtheit als Satzmerkmal wird determiniert: im variablen
Satztyp durch das Subjekt allein, (1, 3), das Prädikat allein, (2, 4), oder durch den Kontext.
Da im variablen Satz mit der 3. Person das Subjekt unbestimmt sein kann, vgl. (3),
ist es missverständlich, wenn die Sätze des variablen Typs, wie es häufig geschieht, als
‚bestimmt-persönlich’ charakterisiert werden. Bei der Verwendung des Ausdrucks
‚un/bestimmt’ ist zu unterscheiden, (a) ob sie sich auf die Bedeutung des Trägers, nämlich
eine Substantiv-Fügung oder auf das Prädikat bezieht, oder (b) auf die Semantik des gan-
zen Satzes mit Prädikat und eventuellem Subjekt. Da Subjekt und die grammatische Person
des Verbs sich auf denselben Referenten beziehen, ist dieser in (3) unbestimmt. Hier ist das
Subjekt Träger der Bestimmtheitsfunktion. Unbestimmt ist er auch in (4), hier ist aber das
Prädikat Träger der Bestimmtheitsfunktion.
Daher soll, wenn das persönliche Prädikat Träger der Bestimmtheitsfunktion ist,
der Ausdrück ‚un/bestimmt-persönliches Prädikat’ verwendet werden, während bei Sub-
stantivfügungen der Ausdruck ‚un/bestimmtes Substantiv’ verwendet wird. Die Aus-
drucksweise ‚un/bestimmt-persönlicher Satz’ wäre für die Bestimmtheitsfunktion auf Satz-
ebene zu reservieren, die aus der Bestimmtheitsbedeutung des Prädikats in Verbindung mit
der des Subjekts – so vorhanden – zu rekonstruieren ist; vorzuziehen ist dafür jedoch die
Ausdrucksweise ‚Satz mit un/bestimmter Person’, wobei mit ‚Person’ natürlich die gram-
matische Person gemeint ist und sich auf alle Arten von Referenten, konkrete, ideelle
u.s.w., Einzelne und Gruppen, beziehen kann. Die Sätze (1-4) sind demnach Sätze mit
bestimmter Person (‚bestimmt-persönliche Sätze’). (3) ist ein Satz mit unbestimmter Per-
son aufgrund eines unbestimmten Subjekts, (4) ist ein Satz mit unbestimmter Person auf-
grund des unbestimmt-persönlichen Prädikats.
Die 1. und 2. Person beziehen sich in deren Standardfunktion immer auf be-
stimmte Personen, im Singular den Sprecher bzw. den Adressaten, während die semanti-
sche Funktion der 3. Person vom Satztyp abhängt und im variablen Typ von seiner Vari-
ante. In Sätzen mit invarianter 3. Person ist das Prädikatsverb Träger der Bestimmtheits-
funktion: In unpersönlichen Sätzen hat sie keinen Referenten, vgl. Grzmi ‚es donnert’, oder
sie hängt vom Kontext ab, vgl. Moz˙na powiedziec´ ‚Man kann sagen’, Tu sie˛ pracuje ‚Hier
wird gearbeitet’ gegenüber Nie wolno mi palic´ ‚Ich darf nicht rauchen’, auch in Infinitiv-
Sätzen ist sie kontextbedingt, in SΩychac´ muzyke˛ z.B. ist die Person verallgemeinert. In
persönlichen invarianten Sätzen wird per Default eine unbestimmte Person bezeichnet, vgl.
Przewieziono chorego ‚Man hat den Kranken überführt’ bzw. Kazali to zrobic´ ‚man hat
befohlen, das zu erledigen’.
4.1. Variabler Satztyp 509
Schwankungen im Numerus des Prädikats treten auch in Sätzen mit dem Instrumental der
Begleitung (Instrumentalis soziativus) auf. Hat das Prädikat Endposition, kann es in Sin-
gular oder in Plural gebraucht werden:
Dziadek z wnuczkiem ida˛ na spacer. ‚Großvater und Enkelkind gehen spazieren.’
oder:
Dziadek z wnuczkiem idzie na spacer. ‚Großvater und Enkelkind gehen spazieren.’
Wenn der Instrumental der Begleitung in der Prädikatsgruppe auftritt, kann nur der Singu-
lar gebraucht werden:
Dziadek idzie z wnuczkiem na spacer. ‚Großpapa geht mit dem Enkelkind spazie-
ren.’
Wenn das Subjekt zusammen mit dem Instrumental der Begleitung nach dem Prädikat
erscheint, steht dieses gewöhnlich in Singular:
Tu mieszka brat z z˙ona˛. ‚Hier wohnt der Bruder mit seiner Frau.’
PrzyszΩa do nas Marysia z narzeczonym. ‚Marysia ist mit ihrem Verlobten zu uns
gekommen.’
Enthält die Nominalphrase Verbindungen mit Kardinalia von 1 bis 4, richtet sich die Kon-
gruenz nach der Anzahl:
Jedno dziecko s´piewa. ‚Ein Kind singt.’
Dwa psy szczekaja˛. ‚Zwei Hunde bellen.’
Im Präteritum wird davon auch das Genus erfasst:
Jedno dziecko s´piewaΩo. ‚Ein Kind sang.’
Dwa psy szczekaΩy. ‚Zwei Hunde bellten.’
Trzy dziewczynki rozmawiaΩy. ‚Drei Mädchen haben sich unterhalten.’
Dwaj panowie s´piewali. ‚Zwei Herren sangen.’
Nicht maskulin-personale Substantive stehen nach Kardinalia ab 5 im Genitiv Plural, das
Numerale selbst hat die Form des Nominativs, das Prädikat steht im Singular:
Pie˛c´ sio´str czeka. ‚Fünf Schwestern warten.’
Im Präteritum steht das Prädikat im Neutrum:
Pie˛c´ sio´str czekaΩo. ‚Fünf Schwestern warteten.’
Bei maskulin-personalen Substantiven kann neben den Fügungen mit dwaj ‚zwei’, trzej
‚drei’, czterej ‚vier’ + Nominativ Plural auch die Konstruktion mit dem Substantiv im Ge-
nitiv stehen: dwo´ c h pano´ w ‚zwei Herren’, trzech chΩopco´w ‚drei Jungen’, czterech
me˛z˙czyzn ‚vier Herren’. Das entsprechende Prädikat wird im Singular gebraucht, Präteri-
tum-Formen haben darüber hinaus die Endung des Neutrum: dwo´ch pano´w s´piewaΩo ‚zwei
Herren sangen’. Diese Konstruktion mit Kardinalnumerale im Genitiv Singular + Substan-
4.1. Variabler Satztyp 511
tiv im Genitiv Plural ist obligatorisch bei Zahlwörtern ab 5, mit Ausnahme von Fügungen
mit tysia˛c ‚eintausend’, milion ‚eine Million’, in denen das Kardinalnumerale im Nomina-
tiv steht:
Pie˛ciu pano´w przyszΩo. ‚Fünf Herren sind gekommen.’
PrzybyΩo tysia˛c oso´b. ‚Es sind eintausend Personen gekommen.’
Milion ksia˛z˙ek staΩo na po´Ωkach. ‚Eine Million Bücher standen auf in Regalen.’
Sätze mit finitem Auxiliar + Infinitiv (Typen Skon´czyΩem czytac´, Musze˛ wyjechac´)
Das Prädikat kann bestehen aus Verbindungen von finiten Phasenverben + Infinitiv:
Zaczne˛ pisac´. ‚Ich fange an zu schreiben.’ Zaczynasz rozumiec´. ‚Du fängst an zu
verstehen.’ Skon´czyΩem czytac´. ‚Ich habe aufgehört zu lesen.’ Przestali sΩuchac´.
‚Sie hörten auf zuzuhören.’
oder aus Verbindungen mit finiten Modalverben + Infinitiv:
Musze˛ wyjechac´. ‚Ich muss wegfahren.’ Moge˛ obejrzec´. ‚Ich kann es mir anschau-
en.’ Chce˛ pracowac´. ‚Ich will arbeiten.’
Eine Besonderheit liegt beim Modalauxiliar powinien vor. Es zeigt im Präsens Genuskon-
gruenz:
Powinienem pojechac´. ‚Ich sollte hinfahren.’ Powinnas´ odpocza˛c´. ‚Du solltest
ausruhen.’ Powinnis´my uwaz˙ac´. ‚Wir sollten aufpassen.’ Powinnis´cie zapΩacic´.
‚Ihr solltet bezahlen.’
Von diesen Konstruktionen mit dem Infinitiv sind solche zu unterscheiden, in denen die
Stelle des synthetischen Vollverbs von einer analytischen Verbform, d.h. ein finites Hilfs-
verb mit Infinitiv eingenommen wird, vgl. z.B.
Jestem zmuszony przerwac´. ‚Ich bin gezwungen aufzuhören’,
ebenso Funktionsverbgefüge mit dem Verb miec´, vgl. miec´ che˛c´. ‚Lust haben’, miec´ zami-
ar ‚vorhaben’ usw.:
Mam che˛c´ zapalic´. ‚Ich habe Lust, zu rauchen.’ Mam zamiar sie˛ oz˙enic´. ‚Ich habe
vor zu heiraten’.
Wortstellung im Aussagesatz
Die Wortstellung von Subjekt und Prädikat ist im Polnischen ‚frei’. Dies bedeutet nur, dass
sie nicht fest ist (wie etwa im Englischen), es bedeutet nicht, dass sie beliebig ist.
Als Antwort auf eine Frage mit Fragepronomen hat das Prädikat die Funktion des
Rhemas, also der Konstituente, die die Hauptinformation des Satzes und die daher auch
den Satzakzent trägt, und steht am Satzende:
[Co zrobiΩ Jacek? ‚Was hat Jacek gemacht?’]
Jacek posprza˛taΩ. ‚Jacek hat aufgeräumt.’
Das Subjekt als Rhema kann am Satzbeginn oder am Satzende stehen, in beiden Fällen
liegt der Satzakzent auf dem Subjekt.
Kto przyjechaΩ? ‚Wer ist gekommen?’
PrzyjechaΩ Jacek. ‚Jacek ist gekommen.’
Jacek przyjechaΩ. ‚Jacek ist gekommen.’
In Sätzen, die neben Subjekt und Prädikat adverbiale Bestimmungen haben, wird bei Fra-
gen nach dem Subjekt dieses an das Ende des Satzes gestellt:
Co tam jest? ‚Was ist dort?’ Tam jest Ωazienka. ‚Dort ist das Badezimmer’.
Bei der Antwort auf die Frage nach dem Adverbiale kann dieses am Satzanfang oder am
Satzende stehen. Auch hier trägt der Teil der Aussage, um den es geht, das Rhema, den
Satzakzent:
Gdzie jest Ωazienka? ‚Wo ist das Badezimmer?’
∫azienka jest tam. ‚Das Badezimmer ist dort’.
Tam jest Ωazienka. ‚Dort ist das Badezimmer’.
In Sätzen mit Prädikatsnomen ist die Standardwortstellung: Subjekt + Kopula + Prädikats-
nomen, z.B.:
Zosia jest Ωadna. ‚Zofia ist schön.’
Durch die Änderung der Reihenfolge von Subjekt und Prädikat sowie durch die Umstel-
lung der Reihenfolge von Kopula und Prädikatsnomen kann der Äußerung ein mehr emoti-
onaler Charakter gegeben werden:
∫adna jest Zosia. ‚Zosia ist schön.’
Allerdings können wir das Prädikatsnomen ohne speziellen Kontext nicht vor das Subjekt
setzen
*Jest Ωadna Zosia. ‚Ist schön Zosia.’ / *Jest Zosia Ωadna. ‚Ist Zosia schön.’
Die Wortstellung in Sätzen mit zusammengesetztem verbalen Prädikat ist wie folgt:
4.1. Variabler Satztyp 517
(a) Im zusammengesetzten Prädikat passiver nicht erweiterter Sätze ist die Stel-
lung: Subjekt + Auxiliar + passives Partizip obligatorisch:
Praca jest wykonana. ‚Die Arbeit ist erledigt.’
Praca zostaΩa wykonana. ‚Die Arbeit wurde erledigt.’
In Sätzen, die ein Objekt für das logische Subjekt enthalten, kann die Reihen-
folge von Hilfsverb und Partizip umgekehrt werden:
Praca zostaΩa wykonana przez specjaliste˛. ‚Die Arbeit wurde von einem Fach-
mann erledigt.’
Praca wykonana zostaΩa przez specjaliste˛. ‚Die Arbeit wurde vom Spezialisten
erledigt.’
(b) Beim analytischen Futur auf -Ω- ist eine Inversion nicht möglich, obligatorisch
ist: Be˛dzie s´piewaΩ. ‚Er wird singen.’
Im analytischen Futur mit Infinitivsuffix des Vollverbs kann sich die Stellung
von Auxiliar und Infinitiv in Abhängigkeit von der Position des Subjekts än-
dern:
Jurek be˛dzie s´piewac´. ‚Jurek wird singen.’
Sπpiewac´ be˛dzie Jurek. ‚Singen wird Jurek.’
(c) In zusammengesetzten Prädikaten mit Phasenauxiliar oder Modalauxiliar + In-
finitiv steht der Infinitiv meist nach dem Auxiliar:
Zaczynam jes´c´. ‚Ich fange an zu essen.’
Kon´cze˛ pisac´. ‚Ich höre auf zu schreiben.’
Musze˛ wyjechac´. ‚Ich muss wegfahren.’
In Sätzen mit adjektivischem Prädikatsnomen steht die Negativpartikel immer vor dem
Auxiliar:
Janek nie jest zdolny. ‚Janek ist nicht begabt.’
Praca nie zostaΩa wykonana. ‚Die Arbeit wurde nicht erledigt.’
Nie be˛de˛ spac´. ‚Ich werde nicht schlafen.’
Nie zacza˛Ωem czytac´. ‚Ich habe nicht angefangen zu lesen.’
Nie chce˛ czekac´. ‚Ich will nicht warten.’
Bei einigen Modalauxiliaren kann dies auch vor den Infinitiv stehen, wobei die Funktion
sich ändert:
Nie moge˛ czekac´. ‚Ich kann nicht warten.’
Moge˛ nie czekac´. ‚Ich brauche nicht zu warten.’
Wortstellung in Fragesätzen
In Entscheidungsfragen tritt gewöhnlich an den Anfang des Satzes die Fragepartikel czy ?
Czy Janek przyjdzie? ‚Kommt Janek?’
Diese Fragepartikel ist jedoch nicht obligatorisch, die Frage kann auch allein durch die
Intonation signalisiert werden:
Janek przyjdzie? ‚Kommt Janek?’
Die Stellung von Subjekt und Prädikat in Fragesätzen dieses Typs ist frei, die Bedeutung
ändert sich nicht:
Czy Janek przyjdzie? – Janek przyjdzie? ‚Kommt Janek?’
Czy przyjdzie Janek? – Przyjdzie Janek? ‚Kommt Janek?’
In Fragen mit co ‚was’ kto ‚wer’ nach Bezeichnungen oder Namen steht das Frageprono-
men am Anfang: Co to jest? ‚Was ist das?’ Kto to jest? ‚Wer ist das?’ Wie erwähnt kann
das Auxiliar hier auch weggelassen werden: Co to? Kto to?
In Inhaltsfragen mit Fragepronomen kto? co? steht in allen Kasusformen und mit
adverbialen Fragepronomen wie gdzie? kiedy? dlaczego? usw. das Fragepronomen am
Anfang, danach üblicherweise das Prädikat und dann das Subjekt:
Gdzie mieszka pan Nowak? ‚Wo wohnt Herr Nowak?’
Co robi pani Kowalska? ‚Was macht Frau Kowalska?’
Kiedy wro´ci Tomek? ‚Wann kommt Tomek zurück?’
Möglich ist jedoch auch die Inversion von Subjekt und Prädikat:
Kiedy Tomek wro´ci? ‚Wann kommt Tomek zurück?’
4.1. Variabler Satztyp 519
birgt der Gebrauch der Numeralia jeden/jedna und dwa/dwie im Hinblick auf das Genus
einige Probleme. Möglich ist:
(Jest) (godzina) siedemnasta zero jeden. ‚Es ist siebzehn Uhr und eine Minute.’
(Jest) (godzina) siedemnasta zero dwa. ‚Es ist siebzehn Uhr und zwei Minuten.’
(Jest) (godzina) siedemnasta i jedna minuta. ‚Es ist siebzehn Uhr und eine Minu-
te.’ (Jest) (godzina) siedemnasta i dwie minuty. ‚Es ist siebzehn Uhr und zwei Mi-
nuten.’ (Jest) (godzina) siedemnasta dwie. ‚Es ist siebzehn Uhr und zwei.’
In nichtoffiziellem Gebrauch ist für die angebrochenen Stunden die Konstruktion wpo´Ω do
czwartej ‚halb vier’ üblichDie angebrochenen Stunden werden durch folgende Konstrukti-
onen ausgedrückt:
• za + Kardinale für die Minute (Akkusativ = Nominativ) + Ordinale für die Stun-
de im Nominativ:
(Jest) za pie±c´ czwarta. ‚Es ist fünf vor vier.’, (Jest) za pie±tnas´cie czwarta. ‚Es ist
fünfzehn vor vier.’, (Jest) za kwadrans czwarta. ‚Es ist Viertel vor vier.’
• po + Kardinale für die Minute im Nominativ + Ordinale für die Stunde im Prä-
positiv:
(Jest) pie±c´ po czwartej. ‚Es ist fünf nach vier.’, (Jest) pie±tnas´cie po czwartej. ‚Es
ist fünfzehn nach vier.’, (Jest) kwadrans po czwartej. ‚Es ist Viertel nach vier.’
In diesen Konstruktionen darf das Substantiv godzina nicht verwendet werden. Der
Gebrauch des Substantivs kwadrans ‚Viertel’ statt des Zahlworts pie±tnas´cie ‚fünfzehn’ ist
wenn nicht als veraltet, so doch eher in der Radiosprache üblich. Andere Konstruktionen
mit kwadrans sind stark veraltet.
Altersangaben im Prädikat
Die Angabe des Alters von Personen weicht vom Deutschen ab: sie besteht aus einer idio-
matischen Konstruktion mit dem Auxialiarverb miec´ ‚haben’, einem Ordinalzahlwort und
dem Substantiv rok ‚Jahr’, Plural lata im entsprechenden Kasus.
Moja co´rka ma (jeden) rok. ‚Meine Tochter ist ein Jahr alt.’
Mam dwadzies´cia dwa lata. ‚Ich bin zweiundzwanzig.’
Jurek ma siedemnas´cie lat. ‚Jurek ist siebzehn.’
Pani Kowalska miaΩa pie±c´dziesia±t jeden lat. ‚Frau Kowalska war einundfünfzig.’
Babcia Asia be±dzie miaΩa sto trzy lata. ‚Oma Asia wird hundertdrei.’
In der Frage nach dem Alter erscheint statt des Numerals das Fragepronomen ile ‚wie vie-
le’:
Ile masz lat? ‚Wie alt bist du? Ile pan ma lat? ‚Wie alt sind Sie?’
Statt dieser üblichen Konstruktion kann man auch byc´ + wiek verwenden; die Antwort mit
der Angabe der Jahre muss jedoch auch mit miec´ erfolgen.
4.2. Satztypen mit unbestimmt-persönlichem Prädikat 521
W jakim jestes´ wieku? ‚Wie alt bist du?’ W jakim on jest wieku? ‚Wie alt ist er?’
In Sätzen mit Negation – meist mit jeszcze ‚noch’ – stehen das Numerale und das Substan-
tiv rok im Genitiv:
Mo´j syn nie ma jeszcze (jednego) roku. ‚Mein Sohn ist noch nicht ein Jahr alt.’ Nie
mam jeszcze czterdziestu lat. ‚Ich bin noch keine vierzig.’ Jadzia nie ma jeszcze
dwudziestu dwu lat. ‚Jadzia ist noch nicht zweiundzwanzig.’
Numerale und Substantiv können die Basis bilden zur Bildung von adjektivischen Kompo-
sita wie dwadzies´cia dwa lata → dwudziestodwuletni ‚zweiundzwanzigjährig’, die ge-
braucht werden, um sich vorzustellen oder andere Menschen zu charakterisieren.
Zofia jest trzydziestoletnia±, samodzielna± kobieta±. ‚Zofia ist eine dreißigjährige
selbstständige Frau.’
In der Umgangssprache kann man in der gleichen Funktion abgeleitete Substantive ver-
wenden:
Zofia ma juz˙ trzydziestke±. ‚Zofia ist schon dreißig.’ Mam czterdziestke±. ‚Ich bin
vierzig.’
Das Alter von Tieren und Gegenständen wird genauso wie das von Menschen ausgedrückt.
Mo´j pies ma juz˙ siedem lat. ‚Mein Hund ist schon sieben Jahre alt.’
Ten zamek ma trzysta lat. ‚Dieses Schloss ist dreihundert Jahre alt.’
Entsprechend lautet die Standardfrage nach dem Alter:
Ile lat ma two´j kot? ‚Wie alt ist deine Katze?’
aber:
Jak dΩugo istnieje pan´stwo polskie? ‚Wie alt ist der polnische Staat?’
In einem Gespräch, in dem vorher das Wort stary gefallen ist, kann man nach dem Alter
eines Gegenstandes folgendermaßen fragen:
To bardzo stary zamek. – A jak bardzo stary? ‚Das ist ein sehr altes Schloss. – Wie
alt?’
Chorego przewieziono do szpitala. ‚Man hat den Kranken ins Krankenhaus ge-
bracht.’
W biologii zastosowano nowe metody. ‚In der Biologie wandte man neue Metho-
den an.’
W zeszΩym tygodniu zakon´czono prace˛. ‚In der vergangenen Woche hat man die
Arbeit beendet.’
Diese Verbformen, die vom gleichen Stamm wie das Partizip Passiv abgeleitet sind, haben
kein grammatisches Subjekt im Nominativ, es gibt auch nicht die Möglichkeit, wie beim
Passiv das logische Subjekt mithilfe eines obliquen Kasus auszudrücken. Die Konstruktion
ist eher schriftsprachlich und kommt häufig in der Zeitungssprache vor, wenn handelnde
Personen nicht genannt werden sollen oder können.
Die Verben dieser Konstruktion können perfektiv (zebrano, powiedziano) oder
imperfektiv (zbierano, rozmawiano) sein. Per Default sind es Sätze mit unbestimmter Per-
son, in entsprechenden Kontexten kann im Satz ein anderer Bestimmtheitswert eintreten,
vgl. Sätze mit bestimmter und allgemeiner Person:
Dlaczego to zrobiΩes´? Mo´wiono ci tysia˛c razy, z˙ebys´ tego nie robiΩ. ‚Warum hast
du das gemacht? Man hat dir tausendmal gesagt, dass du das nicht machen sollst.’
W dawnej Polsce mo´wiono tak zawsze, kiedy pojawiali sie˛ gos´cie. ‚Im früheren
Polen sagte man das immer, wenn Gäste kamen.’
Dieser Satztyp enthält die invariante Konstruktion ‚3. Person Singular Neutrum’ des Auxi-
liars oder Vollverbs. Je nach Kontext kann die grammatische Person bestimmt, unbestimmt
oder verallgemeinert sein, die bestimmte Person wird in der Regel durch ein Dativ-Objekt
ausgedrückt. Dessen Setzung ist aber nicht immer zulässig. Die grammatische Person ent-
spricht dem logischen Subjekt des Vollverbs, vgl. trzeba zaczekac´ ‚man muss warten’ mit
kontextuell zu interpretierendem logischen Subjekt (z.B. ‚ich’, ‚du’), vgl. nie wolno mi
palic´ wörtlich: ‚mir steht es nicht frei zu rauchen’ (= ‚ich darf nicht rauchen’) mit definitem
logischen Subjekt.
4.3. Satztyp mit unpersönlichem Prädikat 523
Die Konstruktion kann entgegen dem Default mit anderer Personalität verwendet
werden, z.B. mit einem Dativ für das logische Subjekt des Vorgangs (alternative Bedeu-
tung ‚nicht-agentiv definit-personal’):
Jak ci sie˛ spaΩo? ‚Wie hast du geschlafen?’
Jak wam sie˛ tu mieszka? ‚Wie wohnt es sich hier?’
Wird die Konstruktion für Empfehlungen und Anweisungen verwendet wie in:
Uprasza sie˛ podro´z˙nych o zachowanie czystos´ci. ‚Die Reisenden werden gebeten
auf Sauberkeit zu achten.’ Zabrania sie˛ postoju. ‚Halteverbot.’ Zaleca sie˛
ostroz˙nos´c´. ‚Es ist Vorsicht geboten.’
dann steht das unpersönlich gebrauchte Verb nicht für einen Vorgang, sondern für eine
Modalität.
(b) Default: Intransitiv mit definitem Dativ-Objekt:
In den Sätzen für Vorgänge, die vom logischen Subjekt nicht kontrolliert werden (nicht-
agentive Vorgänge), die körperliche und psychische Vorgänge oder Zustände des Men-
schen und Vorgänge in seinem Leben betreffen, erscheint das logische Subjekt im Dativ
(Dativus subiecti): PowiodΩo mu sie˛. ‚Es ist ihm gut ergangen.’ Poszcze˛s´ciΩo jej sie˛. ‚Es ist
ihr geglückt.’
Psychische Vorgänge:
Na pΩacz mi sie˛ zbiera. ‚Mir ist zum Heulen.’ Ulz˙yΩo mi. ‚Es wurde mir leicht ums
Herz.’ PrzypomniaΩo mi sie˛. ‚Ich habe mich erinnert.’ ZdawaΩo mi sie˛. ‚Ich hatte
den Eindruck.’ Podoba mi sie˛ u was. ‚Es gefällt mir bei Euch.’ ZnudziΩo mi sie˛.
‚Es ist mir langweilig geworden.’
Vorgänge im Leben des Menschen und ihre Bewertung:
Cos´ mi sie˛ staΩo. ‚Es ist mir was passiert.’ UdaΩo sie˛ nam dostac´ bilety. ‚Es ist uns
gelungen, Karten zu bekommen.’ Nudzi mi sie˛. ‚Es langweilt mich.’ PowiodΩo sie˛
nam. ‚Es ist uns gelungen.’
Konstruktionen wie wydaje mi sie˛ ‚es kommt mir vor’, przypomniaΩo mi sie˛ ‚ich habe mich
erinnert’ werden häufig mit Subjektsätzen verbunden, die von der Konjuktion z˙e eingeleitet
wird: Wydaje mi sie˛, z˙e to juz˙ widziaΩem. ‚Es kommt mir vor, als ob ich das schon gesehen
habe.’
c) Transitiv
Bei dieser selten verwendeten, subjektlosen Konstruktion erscheint ein Objekt im Akkusa-
tiv, die Bestimmtheit der Person hängt vom Kontext ab, vgl.:
Tu buduje sie˛ szkoΩe˛. ‚Es wird hier eine Schule gebaut.’, ZasypaΩo droge˛ s´niegiem.
‚Es hat der Schnee den Weg bedeckt’.
4.3. Satztyp mit unpersönlichem Prädikat 525
genereller Negierung, die Konstruktion ist ausgeschlossen, wenn die Negierung einer Er-
wartung entspricht.
Die Konstruktion für negierte Existenz gibt es für alle Personalformen des Verbs
parallel zu den Personalformen des Verbs byc´.
affirmativ negiert
Jestem w domu. ‚Ich bin zuhause.’ ByΩem w Nie ma mnie w domu. ‚Ich bin nicht zuhau-
domu. ‚Ich war zuhause.’ Be˛ d e˛ w domu. se.’ Nie byΩo mnie w domu. ‚Ich war nicht
‚Ich werde zuhause sein.’ zuhause.’ Nie be˛dzie mnie w domu. ‚Ich
werde nicht zuhause sein.’
Jestes´ w domu. ‚Du bist zuhause.’ ByΩes´ w Nie ma cie˛ w domu. ‚Du bist nicht zuhause.’
domu. ‚Du warst zuhause.’ Be˛dziesz w do- Nie byΩo cie˛ w domu. ‚Du warst nicht zu-
mu. ‚Du wirst zuhause sein.’ hause.’ Nie be˛dzie cie˛ w domu. ‚Du wirst
nicht zuhause sein.’
On jest w domu. ‚Er ist zuhause.’ On byΩ w Nie ma chleba. ‚Brot ist nicht da.’ Nie byΩo
domu. ‚Er war zuhause.’ Chleb be˛ d zie chleba. ‚Brot war nicht da.’ Nie be˛dzie
jutro. ‚Brot wird morgen (da) sein.’ chleba. ‚Brot wird nicht da sein.’
Jestes´my zme±czeni. ‚Wir sind müde.’ B y - Nie ma nas w domu. ‚Wir sind nicht zuhau-
lis´ m y zme± c zeni. ‚Wir waren müde.’ se.’ Nie byΩo nas w domu. ‚Wir waren nicht
Be˛ d ziemy zme± c zeni. ‚Wir werden müde zuhause.’ Nie be˛dzie nas jutro w domu.
sein.’ ‚Wir werden morgen nicht zuhause sein.’
Jestes´cie mΩodzi. ‚Ihr seid jung.’ Bylis´cie Nie ma was w domu. ‚Ihr seid nicht zuhau-
mΩodzi. ‚Ihr wart jung.’ Be˛dziecie starsi. se.’ Nie byΩo was w domu. ‚Ihr wart nicht
‚Ihr werdet älter sein.’ zuhause.’ Nie be˛dzie was jutro w domu. ‚Ihr
werdet morgen nicht zuhause sein.’
Wszyscy juz˙ sa˛. ‚Alle sind schon da.’ Stu- Nie ma nikogo. ‚Niemand ist da.’ Nie byΩo
denci byli/studentki byΩy w teatrze. ‚Stu- nikogo. ‚Niemand war da.’ Nie be˛dzie niko-
denten/Studentinnen waren im Theater.’ go. ‚Niemand wird da sein.’
Testy be˛da˛ jutro. ‚Die Tests werden morgen
sein.’
• Zu diesem Typ zählen wir auch die von den Substantiven abgeleiteten Prädikati-
ve wie: strach pomys´lec´ (nur im Präsens ohne Kopula möglich) ‚es ist schlimm,
daran zu denken’, strach byΩo/be˛dzie pomys´lec´ ‚es war schlimm/es wird schlimm
sein, daran zu denken’, czas ‚es ist Zeit’, pora ‚es ist Zeit’, szkoda/z˙ a l ‚es ist
schade’, wstyd ‚es ist eine Schande’.
Bei den von Adjektiven abgeleiteten Adverben gibt es einige Dubletten, vgl. u.a. nud-
no/nudnie ‚langweilig’, mglisto/mglis´cie ‚neblig’, gwarno/gwarnie ‚laut’ (eine Verteilung
der Formen auf die Funktionen des Prädikats in unpersönlichen Sätzen einerseits und des
Adverbiale andererseits scheint nicht zu bestehen). Zu wolno ‚es steht frei’, niepodobna ‚es
ist ausgeschlossen’ gibt es keine Adjektive.
Die Lexeme czas etc. werden zusammen mit den anderen Adverben (insofern sie
in unpersönlichen Sätzen verwendet wurden) sowie mit den unpersönlichen Modalauxila-
ren wie moz˙na häufig einer eigenen Wortart, den ‚Prädikativen/Prädikativwörtern’ zuge-
rechnet. In der vorliegenden Grammatik nehmen wir keine besondere Wortart, sondern
eine Kategorie ‚Prädikativwörter’ an, die Elemente aus verschiedenen Wortarten enthält.
Diese Kategorie umfasst diejenigen Lexeme, die nur prädikativ verwendet werden, also
czas 2., wolno u.a.
‚Substantivische’ Prädikativwörter und einige der von Adjektiven abgleiteten Ad-
verben treten in der Regel ohne Dativobjekt für das logische Subjekt des im Infinitiv ge-
nannten Vorgangs auf und haben dann allgemein-personalen Charakter:
Czas juz˙ wstawac´. ‚Es ist Zeit aufzustehen.’ Szkoda wspominac´. ‚Schade sich zu
erinnern.’ Warto posΩuchac´. ‚Es lohnt sich zuzuhören.’
In einigen Fällen kann ein Dativobjekt für das logische Subjekt mit definit-personaler Re-
ferenz verwendet werden (Dativus subjecti):
Wstyd mu byΩo sie˛ przyznac´. ‚Er schämte sich, es zuzugeben.’
Das Adverb bildet mit der Kopula ein zusammengesetztes Prädikat:
Dzis´ jest chΩodno. ‚Heute ist kühl.’ Za chwile˛ be˛dzie ciemno. ‚Gleich wird es
dunkel.’ Smutno mi byΩo. ‚Ich war traurig.’
Die Kopula kann, jedoch nur im Präsens, weggelassen werden:
ChΩodno dzis´. ‚Heute ist es kühl.’ ∫adnie tu. ‚Schön ist es hier.’ Smutno mi. ‚Ich
bin traurig.’ Ciemno juz˙. ‚Es ist schon dunkel.’
Im Präteritum und im Futur ist die Kopula dagegen obligatorisch. Das definit-personale
logische Subjekt steht im Dativ. Ohne Dativ-Objekt ist die Bestimmtheit, wenn überhaupt
ein Referent gegeben ist, meist allgemein-persönlich.
Wenn die Konstruktion für die Bezeichnung von Quantitäten mithilfe von Adver-
bien wie duz˙o ‚viel’, maΩo ‚wenig’, troche˛ ‚etwas’, niewiele ‚nicht viel’ usw. gebraucht
wird, vgl.
4.3. Satztyp mit unpersönlichem Prädikat 529
Jest duz˙o spraw. ‚Es gibt viele Aufgaben.’ MaΩo czasu zostaΩo. ‚Es ist wenig Zeit
geblieben.’
dann steht das Substantiv für die quantifizierte Menge im Genitiv.
4.3.3. Satztyp mit absolutem Infinitiv als Prädikat (Typ SΩychac´ muzyke˛)
Im Satztyp mit absolutem Infinitiv wird das Prädikat mit der Konstruktion ‚Infinitiv + Ko-
pula’ realisiert, wobei die Kopula im Präsens als Null-Kopula auftritt. Der Satztyp wird in
drei Funktionsbereichen eingesetzt:
Die Verben znac´, czuc´, stac´ kommen als absolute Infinitive in phraseologischen
Wendungen vor, vgl. z.B. znac´ fachowa˛ re˛ke˛ ‚man erkennt (hier) die Hand des Spezialis-
ten.’ Der Infinitiv stac´ erscheint in Sätzen wie: Anne˛ stac´ na samocho´d. ‚Anna kann sich
ein Auto leisten.’ Die Konstruktion enthält ein Substantiv im Akkusativ für das logische
Subjekt und eine Präpositionalphrase mit na + Akkusativ. In negierten Sätzen erscheint
anstelle des Akkusativs der Genitiv:
Anny nie stac´ na samocho´d. ‚Anna kann sich kein Auto leisten.’
Im Präsens steht mit absolutem Infinitiv kein Auxiliar, man kann von einer Null-Kopula
sprechen. Im Präteritum und Futur erscheinen die entsprechenden Formen des Verbs byc´:
Be˛dzie znac´. ‚Es wird zu merken sein.’ ByΩo sΩychac´. ‚Es war zu hören.’
Das Hilfsverb tritt auch im Konditional auf:
Nie byΩoby widac´. ‚Es würde nicht zu sehen sein.’
5.1. Objekte
Objekte (dopeΩnienia) sind einem Nicht-Substantiv syntaktisch untergeordnet und von ihm
regiert, d.h. ihre syntaktische Funktion ist von regierendem Wort, meist einem Verb, de-
terminiert.
KupiΩem chleb. – KupiΩem chleba. ‚Ich habe das Brot gekauft.’ – ‚Ich habe Brot
gekauft.’
ZjadΩem rybe˛. – ZjadΩem ryby. ‚Ich habe den Fisch gegessen. – Ich habe Fisch ge-
gessen.’
WypiΩem herbate˛. – WypiΩem herbaty. ‚Ich habe den Tee getrunken. – Ich habe Tee
getrunken.’
Daj mi masΩo! – Daj mi masΩa! ‚Gib mir die Butter! – Gib mir Butter!’
Wzia˛Ωem so´l. – Wzia˛Ωem soli. ‚Ich habe das Salz genommen. – Ich habe Salz ge-
nommen.’
Poz˙yczyΩem pienia˛dze. – Poz˙yczyΩem pienie˛dzy. ‚Ich habe das Geld verliehen. – Ich
habe Geld verliehen.’
Die Verben poz˙yczyc´ ‚leihen’, wzia˛c´ ‚nehmen, dac´ ‚geben’, potrzymac´ ‚festhalten’ können
mit einem Genitiv-Objekt auch dann verbunden werden, wenn der Partizipant nur für eine
kurze Zeit, einen Augenblick von dem Vorgang erfaßt wird.
Poz˙ycz mi oΩo´wka! ‚Gib mir mal den Bleistift!’ Daj mi mΩotka! ‚Gib mir mal den
Hammer!’
Nach vielen Verben mit dem Präfix na-, do-, tritt das direkte Objekt nur im Genitiv auf:
nazbierac´ owoco´w ‚Früchte sammeln’, dosypac´ cukru ‚Zucker hinzufügen’, dolac´
herbaty ‚Tee nachschenken’, nabrac´ wody ‚Wasser aufnehmen’, napic´ sie˛ kawy
‚Kaffee trinken’
Das direkte Genitiv-Objekt erscheint auch nach den Verben: chciec´ ‚wollen’, z˙a˛dac´ ‚for-
dern, verlangen’, zabraniac´ ‚verbieten’, szukac´ ‚suchen’, sΩuchac´ ‚hören’, udzielic´ ‚mittei-
len, erteilen, einräumen’, dotykac´ ‚anfassen’ und anderen, vgl.:
Chce˛ spokoju. ‚Ich will Ruhe haben.’ Z∆a˛dam wykonania. ‚Ich fordere die Ausfüh-
rung.’ Zabrania sie˛ postoju. ‚Halten verboten.’ SzukaΩ klucza. ‚Er suchte den
Schlüssel.’ SΩuchaΩa muzyki. ‚Sie hörte Musik.’ Udzielono wywiadu. ‚Man gab ein
Interview.’
Bei einer kleinen Gruppe von Verben mit der Bedeutung des Herrschens usw. erscheint das
direkte Objekt im Instrumental:
kierowac´ fabryka˛ ‚eine Fabrik leiten’, dowodzic´ bitwa˛ ‚eine Schlacht führen’,
rza˛dzic´ pan´stwem ‚den Staat regieren’
Reflexivpronomina können als direktes Objekt erscheinen, vgl. das Reflexivpronomen sie˛
in myje˛ sie˛ ‚ich wasche mich’, czesze˛ sie˛ ‚ich kämme mich’. Wenn die Reflexivität nicht
durch das Verb auf sie˛ festgelegt ist, hat das Objekt die Paralellenformen sie˛ und siebie:
Widze˛ sie˛ w lustrze. oder Widze˛ siebie w lustrze. ‚Ich sehe mich im Spiegel’.
534 5. Der Elementarsatz: Die sekundären Satzglieder
entsprechen diesem Substantive oder andere Pronomen im Dativ. Es gibt jedoch auch Ver-
bindungen mit dem Pronomen sobie und Verben, die sich nur mit ihm verbinden lassen,
z.B.:
wyobraz˙ac´ sobie ‚sich vorstellen’, postanowic´ sobie ‚sich entschließen’, lekce-
waz˙yc´ sobie ‚geringachten, -schätzen’, kpic´ sobie ‚verspotten, sich nichts drausma-
chen’, z˙artowac´ sobie ‚scherzen, Spaß machen’
Darüber hinaus kann dieses sobie dem Verb eine andere Bedeutung verleihen, als es in
Verbindung mit anderen Dativen hat, z.B.
z˙yczyc´ komus´ szcze˛s´cia ‚jemandem Glück wünschen’ – aber: Czego pan sobie
z˙yczy? ‚Was wünscht der Herr?’ (Frage des Verkäufers im Laden); radzic´ komu
‚einen Rat erteilen’ – aber: radzic´ sobie ‚sich zu helfen wissen’
Sobie kann expressive Funktion haben, z.B. Idz´ sobie sta˛d! ‚Geh weg!’
c) Instrumental:
bawic´ sie˛ lalka˛ ‚mit der Puppe spielen’, zachwycac´ sie˛ widokiem ‚sich am Anblick
entzücken’, gardzic´ sΩawa˛ ‚Ruhm verachten’
Indirekte Objekte mit Präposition stehen:
a) mit Genitiv:
pisac´ do ojca ‚Vater schreiben’, odezwac´ sie˛ do kolegi ‚sich beim Kollegen mel-
den’, mo´wic´ do zebranych ‚auftreten vor der Öffentlichkeit’, te˛sknic´ do domu ‚sich
nach Hause sehnen’
b) mit Akkusativ:
pytac´ o droge˛ ‚nach dem Weg fragen’, grac´ w karty ‚Karten spielen’, sie˛gac´ po
zeszyt ‚nach dem Heft reichen’, przepraszac´ za spo´z´nienie ‚sich für die Verspätung
entschuldigen’, pracowac´ za kolege˛ ‚für den Kollegen arbeiten’, kupowac´ za gro-
sze ‚einkaufen für Pfennige’
Der Akkusativ mit der Präposition przez bezeichnet den ersten Partizipanten (Agens) einer
Passivkonstruktion:
Ksia˛z˙ka zostaΩa napisana przez pisarza. ‚Das Buch ist von dem Schriftsteller ge-
schrieben worden.’ Chory zostaΩ zbadany przez lekarza. ‚Der Kranke ist vom Arzt
untersucht worden.’ Dom zostaΩ zaprojektowany przez architekta. ‚Das Haus ist
von dem Architekten entworfen worden.’
c) mit Instrumental:
pracowac´ nad wynalazkiem ‚an der Erfindung arbeiten’, czuwac´ nad chorym
‚beim Kranken wachen’, powtarzac´ za nauczycielem ‚wiederholen nach dem Leh-
rer’, odpowiadac´ przed sa˛dem ‚vor dem Gericht antworten’, wysta˛pic´ przed
536 5. Der Elementarsatz: Die sekundären Satzglieder
publicznos´cia˛ ‚vor der Öffentlichkeit auftreten’, te˛sknic´ za krajem ‚sich nach der
Heimat sehnen’
d) mit Präpositiv:
mo´wic´ o sa˛siadach ‚über Nachbarn sprechen’, opowiadac´ o podro´z˙y ‚über die Rei-
se erzählen’, pisac´ o przez˙yciach ‚über Erlebnisse schreiben’, sΩuz˙yc´ w wojsku ‚in
der Armee dienen’
5.2. Adverbiale
Adverbiale (okolicznik) sind Nicht-Substantiven untergeordnet, aber nicht von ihm regiert
d.h. ihre syntaktische Funktion ist nicht vom regierenden Wort determiniert. Sie sind meist
5.2. Adverbiale 537
Relative Zeitangaben
Taxische Adverbiale (Lokalisierung einer Situation in Bezug auf eine andere Situation)
a) Gleichzeitigkeit: podczas + Genitiv ‚während’, w czasie + Genitiv ‚während’:
Drzewo zΩamaΩo sie˛ podczas burzy. ‚Der Baum knickte während des Sturms um.’
W czasie wojny zgine˛li rodzice Anny. ‚Während des Kriegs kamen Annas Eltern
um.’
b) Vorzeitigkeit, ausgedrückt mit przed + Instrumental ‚vor’:
Przed obiadem pracuje˛ . ‚Vor dem Mittagessen arbeite ich.’ Przed burza˛ sie˛
ochΩodziΩo. ‚Vor dem Sturm kühlte es sich ab.’
538 5. Der Elementarsatz: Die sekundären Satzglieder
Absolute Zeitangaben
Absolute Zeitangaben treten als Kombinationen von Präpositionalphrasen und Ausdrücken
für Zeiteinheiten auf wie rok ‚Jahr’, miesia˛c ‚Monat’, tydzien´ ‚Woche’, wiek ‚Jahrhundert’,
dzien´ ‚Tag’, godzina ‚Stunde’ usw., Monatsnamen, Namen für Wochentage, Jahreszeiten,
Tageszeiten usw. In diesen Konstruktionen werden häufig Kardinalia oder Ordinalia ver-
wendet.
Stundenangaben
o + Präpositiv: o godzinie szo´stej, o szo´stej ‚um sechs Uhr, um sechs’.
Die Stunden des Tages, gleich ob vormittags oder nachmittags werden in der Umgangs-
sprache mithilfe von Ordinalia der Skala 1 bis 12 (o szo´stej rano ‚um sechs Uhr morgens’,
o szo´stej po poΩudniu ‚um sechs Uhr nachmittags’) bezeichnet, im administrativen und
offiziellen Stil auf der Skala 1 bis 24 (o godzinie osiemnastej ‚um achzehn Uhr’).
• po ‚nach’ + Präpositiv: po szo´stej ‚nach sechs’, po drugiej ‚nach zwei’;
• przed ‚vor’ + Instrumental: przed szo´sta˛ ‚vor sechs’, przed dwunasta˛ ‚vor zwölf’;
• mie˛dzy ‚zwischen’ + Instrumental – a ‚und’ + Instrumental: mie˛dzy druga˛ a trze-
cia˛ ‚zwischen zwei und drei’;
• od ‚von’ + Genitiv – do + Genitiv: od dziesia˛tej do dwunastej ‚von zehn bis
zwölf.’
Bezeichnung unvollständiger Stunden:
• za pie˛c´ minut sio´dma ‚fünf Minuten vor Sieben’ oder za pie˛c´ sio´dma ‚fünf vor
Sieben’ (655);
• pie˛c´ minut po sio´dmej ‚fünf Minuten nach sieben’ oder pie˛c´ po sio´dmej ‚fünf
nach sieben’ (705);
• za kwadrans dwunasta ‚viertel vor zwölf’ oder za pie˛tnas´cie dwunasta ‚fünfzehn
Minuten vor zwölf’ (1145);
• kwadrans po dwunastej oder pie˛tnas´cie po dwunastej ‚Viertel nach zwölf’ oder
‚fünfzehn nach zwölf’ (1215);
5.2. Adverbiale 539
• wpo´Ω do sio´dmej ‚halb sieben’ oder o wpo´Ω do sio´dmej ‚um halb sieben.’ (630).
Wochentage werden mithilfe w/we + Akkusativ ausgedrückt:
w poniedziaΩek ‚am Montag’, we wtorek ‚am Dienstag’, w s´rode˛ ‚am Mittwoch’
(oder we s´rode˛), w czwartek (oder we czwartek) ‚am Donnerstag’, w pia˛tek ‚am
Freitag’, w sobote˛ ‚am Samstag’, w niedziele˛ ‚am Sonntag’
Monatsnamen werden mithilfe der Konstruktion w/we + Präpositiv ausgedrückt:
w styczniu ‚im Januar’, w lutym ‚im Februar’, we wrzes´niu ‚im September’, w
grudniu ‚im Dezember’
Kalenderdaten werden mithilfe einer präpositionslosen Konstruktion ausgedrückt. Sie be-
steht aus dem Genitiv des Ordinalnumerales für den Tag und dem Genitiv des Monatsna-
mens:
dwudziestego drugiego wrzes´nia ‚am zweiundzwanzigsten September’, pia˛tego
marca ‚am fünften März’, jedenastego kwietnia ‚am elften April’
Achtung: Auch Datumsangaben, die keine Adverbiale der Zeit darstellen, können in dieser
Form ausgedrückt werden:
Dzis´ jest szesnastego kwietnia. ‚Heute ist der sechzehnte April.’
daneben: Dzis´ jest szesnasty kwietnia. ‚Heute ist der sechzehnte April.’
Die Bezeichnung des Jahres in der Datumsangabe kann die Form des präpositionslosen
Genitivs haben:
UrodziΩem sie˛ pia˛tego kwietnia tysia˛c dziewie˛c´set siedemdziesia˛tego pia˛tego roku.
‚Ich bin am fünften April neunzehnhundertfünfundsiebzig geboren.’
oder die Form einer Präpositionalphrase mit w + Präpositiv:
UrodziΩem sie˛ pia˛tego kwietnia w tysia˛c dziewie˛c´set siedemdziesia˛tym pia˛tym ro-
ku. ‚Ich bin am fünften April neunzehnhundertfünfundsiebzig geboren.’
Tageszeiten haben die Form eines adverbialisierten Substantivs, z.B. rano ‚morgens’,
wieczorem ‚abends’, noca˛ ‚nachts’, rankiem ‚frühmorgens’ oder auch die Form von Präpo-
sitionalphrasen: z rana ‚am Morgen’, w poΩudnie ‚mittags’, przed poΩudniem ‚vormittags’,
po poΩudniu ‚nachmittags’, przed wieczorem ‚vor dem Abend’, w nocy ‚in der Nacht’, nad
ranem ‚gegen Morgen’.
Jahreszeiten:
na wiosne˛ ‚im Frühling’ oder wiosna±
w lecie ‚im Sommer’ oder latem
na jesieni ‚im Herbst’ oder jesienia˛
w zimie‚im Winter’ oder zima˛
540 5. Der Elementarsatz: Die sekundären Satzglieder
Zeitdauer: (Antwort auf die Frage: jak dΩugo trwaΩa czynnos´c´? ‚wie lange dauerte die Tä-
tigkeit?’ ile czasu trwaΩa czynnos´c´? ‚wie lange (/wie viel Zeit) dauerte die Tätigkeit?’)
haben folgende Form:
• Präpositionsloser Akkusativ:
CzekaΩam godzine˛. ‚Ich habe eine Stunde gewartet.’ MieszkaΩam tam cztery la-
ta. ‚Ich habe dort vier Jahre gewohnt.’ Nie spaΩem caΩa˛ noc. ‚Ich habe die ganze
Nacht nicht geschlafen.’ Kurs trwaΩ trzy miesia˛ce. ‚Der Kurs dauerte drei Mo-
nate.’ Dziadek z˙yΩ dziewie˛c´dziesia˛t lat. ‚Der Großvater lebte neunzig Jahre.’
• przez + Akkusativ:
CzekaΩam przez dwie godziny. ‚Ich wartete zwei Stunden lang.’ MieszkaΩam
tam przez cztery lata. ‚Ich wohnte dort vier Jahre.’ Nie spaΩem przez caΩa˛ noc.
‚Ich schlief die ganze Nacht nicht.’ Przez caΩy wieczo´r gralis´my w karty. ‚Den
ganzen Abend spielten wir Karten.’
• Präpositionsloser Instrumental im Plural:
Godzinami czekaΩam na ciebie. ‚Stundenlang wartete ich auf dich.’ Nocami nie
spaΩem. ‚Nächtelang habe ich nicht geschlafen.’ CaΩymi dniami pracowalis´my.
‚Tagelang arbeiteten wir.’
Auf die Frage: na jak dΩugo? ‚für wie lange’ antwortet das Adverbial in der Form
na + Akkusativ:
Wyjde˛ na chwile˛. ‚Ich gehe für einen Moment raus.’ Poz˙yczyΩem pienie˛dzy na rok.
‚Ich habe für ein Jahr Geld geliehen.’ Zapaso´w starczy na dwa miesia˛ce. ‚Die
Vorräte reichen für zwei Monate.’
Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit:
• na + Akkusativ:
Zamo´wienie be˛dzie gotowe na wtorek. ‚Die Bestellung wird am Dienstag fertig.’
Umo´wilis´my sie˛ na godzine˛ szo´sta˛. ‚Wir haben uns für sechs Uhr verabredet.’
• do + Genitiv:
Musze˛ skon´czyc´ prace˛ do soboty. ‚Ich muss die Arbeit bis Samstag beenden.’
Bank jest czynny do godziny dwudziestej. ‚Die Bank ist bis zwanzig Uhr geöff-
net.’
• od + Genitiv … do + Genitiv:
Pracuje˛ od o´smej do drugiej. ‚Ich arbeite von acht bis zwei Uhr.’
Adverbiale, die die Häufigkeit einer Tätigkeit ausdrücken und auf die Frage jak cze˛sto?
‚wie oft?’ antworten, haben folgende Konstruktionen:
• na + Akkusativ:
Spotykalis´my sie˛ raz na rok, raz na dwa tygodnie. ‚Wir haben uns einmal im
Jahr getroffen, einmal in zwei Wochen.’
5.2. Adverbiale 541
• w + Präpositiv:
Spotykalis´my sie˛ raz w roku, raz w tygodniu, dwa razy w miesia˛cu. ‚Wir haben
uns einmal im Jahr, einmal in der Woche, zweimal im Monat getroffen.’
• co + Nominativ:
PatrzyΩ co chwila na zegarek. ‚Er guckte jede Minute auf die Uhr.’ PrzychodziΩ
co tydzien´, co sobota. ‚Er kam jede Woche, jeden Samstag.’
(Manchmal wird die Konstruktion co + Genitiv: co roku ‚jedes Jahr’ oder co +
Akkusativ: co chwile˛ ‚jede Minute’ verwendet.)
Adverbiale für die Bestimmung der Geschwindigkeit einer Tätigkeit, die auf die Frage jak
pre˛dko? ‚wie schnell?’ antworten, haben folgende Konstruktion:
• w ‚in’ + Akkusativ:
PrzebiegΩem te˛ odlegΩos´c´ w godzine˛. ‚Ich bin die Strecke in einer Stunde gelau-
fen.’ Skon´czyΩem kurs w dwa miesia˛ce. ‚Ich habe den Kurs in zwei Monaten be-
endet.’
• w cia˛gu ‚innerhalb’, w przecia˛gu + Genitiv:
w cia˛gu dwu godzin ‚innerhalb von zwei Stunden’, w przecia˛gu dwu miesie˛cy
‚innerhalb zweier Monate’
• na + Akkusativ:
Jechalis´my z pre˛dkos´cia˛ 60 kilometro´w na godzine˛. ‚Wir sind mit einer Ge-
schwindigkeit von 60 km/h die Stunde gefahren.’
Präpositive Adverbiale
bezeichnen den Ort, an dem ein Vorgang stattfindet oder ein Zustand besteht. Adverbien tu
‚hier’, tutaj ‚hier’, tam ‚dort’:
• w + Präpositiv:
Ucze˛ sie˛ w szkole. ‚Ich lerne in der Schule.’ Mieszkam w Warszawie. ‚Ich woh-
ne in Warschau.’ ByΩem w domu. ‚Ich war zu Hause.’
• na + Präpositiv:
Mieszkam na wsi. ‚Ich wohne auf dem Dorf.’ Czekam na ulicy. ‚Ich warte auf
der Straße.’ ByΩem na lotnisku. ‚Ich war am Flughafen.’ Mecz odbywa sie˛ na
stadionie. ‚Das Spiel findet im Stadion statt.’
542 5. Der Elementarsatz: Die sekundären Satzglieder
Die Wahl der Präpositionalphrase hängt im Grundsatz davon ab, ob im Adverbiale ein
abgeschlossener Raum bezeichnet wird (eine Lokalität, eine Örtlichkeit der Unterbrin-
gung), oder aber offener Raum. Die Konstruktionen mit w + Präpositiv beziehen sich im
Allgemeinen auf einen geschlossenen Raum, die mit na + Präpositiv auf einen offenen. Zu
diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen.
Die Konstruktion po + Präpositiv bezieht sich gewöhnlich auf eine Oberfläche, auf
der eine Bewegung stattfindet:
Sta˛ p am po dywanie. ‚Ich gehe auf dem Teppich.’ JabΩka rozsypaΩy sie˛ p o
podΩodze. ‚Die Äpfel kullerten auf dem Fußboden herum.’ ∫o´dka pΩynie po je-
ziorze. ‚Das Boot schwimmt über den See.’
Die räumliche Situierung eines Objektes, das eine Tätigkeit in Bezug auf ein bestimmtes
anderes Objekt ausführt, wird mit folgenden Konstruktionen ausgedrückt:
• przed + Instrumental:
Przed brama˛ muzeum zatrzymali sie˛ turys´ci. ‚Vor dem Museumstor hielten
Touristen an.’ Zosia czesze sie˛ przed lustrem. ‚Zosia kämmt sich vor dem Spie-
gel.’
• za + Instrumental:
Za s´ciana˛ mieszkaja˛ sa˛siedzi. ‚Hinter der Wand wohnen die Nachbarn.’ Za la-
sem jest nasze pole. ‚Hinter dem Wald ist unser Feld.’ ByΩem za granica˛. ‚Ich
war im Ausland.’
• nad + Instrumental:
Lampa wisi nad stoΩem. ‚Die Lampe hängt über dem Tisch.’ Lekarz pochyliΩ sie˛
nad Ωo´z˙kiem chorego. ‚Der Arzt beugte sich über das Bett des Kranken.’
• pod + Instrumental:
Kot siedzi pod stoΩem. ‚Die Katze sitzt unter dem Tisch.’ Pod drzewem lez˙ a ˛
jabΩka. ‚Unter dem Baum liegen Äpfel.’
Die räumliche Nähe gegenüber einem bestimmten Objekt drücken folgende Konstruktio-
nen aus:
• przy + Präpositiv:
Drzewa rosna˛ przy drodze. ‚Die Bäume wachsen am Weg.’ Siedzimy przy sto-
le. ‚Wir sitzen am Tisch.’ Autobus zatrzymuje sie˛ przy dworcu. ‚Der Bus hält
am Bahnhof.’
• obok + Genitiv:
Obok naszego domu jest budka telefoniczna. ‚Neben unserem Haus ist eine
Telefonzelle.’ Obok biurka stoi fotel. ‚Neben dem Schreibtisch steht ein Ses-
sel.’
5.2. Adverbiale 543
• koΩo + Genitiv:
KoΩo domu mamy ogro´dek. ‚Am Haus haben wir einen Garten.’ KoΩo pΩotu
ros´nie trawa. ‚Am Zaun wächst Gras.’
In der Funktion der lokativen räumlichen Adverbiale treten Präpositionalphrasen mit nad
‚über’ + Instrumental bei der Bezeichnung von Gewässern auf, z.B.:
Mieszkam nad jeziorem, nad morzem, nad rzeka˛. ‚Ich wohne an einem See, am
Meer, am Fluß.’
Warszawa lez˙y nad WisΩa˛. ‚Warschau liegt an der Weichsel.’
Gdan´sk lez˙y nad BaΩtykiem. Danzig liegt an der Ostsee.’
sowie Präpositionalphrasen mit pod ‚bei’ + Instrumental für Ortsnamen:
Otwock znajduje sie˛ pod Warszawa˛. ‚Otwock liegt bei Warschau.’
Kro´l Jan Sobieski odnio´sΩ zwycie˛stwo pod Wiedniem. ‚König Jan Sobieski hat bei
Wien einen Sieg errungen.’
Diese Funktion erfüllen auch Präpositionalphrasen mit u ‚bei’ + Genitiv des personalen
Substantivs, das Wohnungsbesitzer bezeichnet:
ByΩem z wizyta˛ u znajomych. ‚Ich war zu Besuch bei Bekannten.’
Mieszkalis´my u ciotki. ‚Wir wohnten bei der Tante.’
oder Personen, die einen Beruf ausüben:
ByΩem u lekarza. ‚Ich war beim Arzt.’
MierzyΩem ubranie u krawca. ‚Ich probierte die Sachen beim Schneider an.’
• znad + Genitiv:
Jedziemy znad morza. ‚Wir fuhren vom Meer zurück.’ Wracamy znad jeziora.
‚Wir kehren vom See zurück.’
• spod + Genitiv:
PrzyjechaΩem spod Krakowa. ‚Ich bin aus der Gegend von Krakau gekommen.’
• mie˛dzy + Instrumental:
przechodzic´ mie˛dzy drzewami ‚zwischen den Bäumen gehen’
Das perlative Ortsadverbiale wird auch mithilfe des präpositionslosen Instrumentals ausge-
drückt:
is´c´ ulica˛ MarszaΩkowska˛, jechac´ szosa˛ ‚auf der MarszaΩkowska Straße gehen, auf
der Schaussee fahren’, is´c´ chodnikiem ‚auf dem Bürgersteig gehen’
In dieser Form treten gewöhnlich Straßennamen auf.
Die Fortbewegung im Bereich eines bestimmten Raums, die explizit nicht gerich-
tet ist oder in verschiedenen Richtungen verläuft, wird mithilfe der Kombination des Verbs
und Präpositionalphrasen (po + Präpositiv) ausgedrückt:
chodzic´ po pokoju, po ogrodzie ‚durch das Zimmer, durch den Garten gehen’,
spacerowac´ po parku, po lesie ‚im Park, im Wald spazieren’, pΩywac´ Ωo´dka˛ po je-
ziorze, po rzece ‚mit dem Boot auf dem See, auf dem Fluss fahren’, bΩa˛dzic´ po u-
licach miasta bez celu ‚ohne Ziel durch die Straßen der Stadt herumirren’, Ptaki
lataja˛ po niebie. ‚Die Vögel fliegen am Himmel.’
Mithilfe der Form des Instrumentals werden auch Adverbiale des Typs mo´ w ic´
szeptem ‚flüstern’, chodzic´ wolnym krokiem ‚langsamen Schrittes gehen’ ausgedrückt.
Die Präpositionalphrasen, die die Funktion der Adverbiale der Art und Weise aus-
füllen, haben verschiedene Formen:
• przez + Akkusativ:
mo´wic´ przez nos ‚durch die Nase sprechen’, patrzec´ przez okulary ‚durch die
Brille schauen’
• na + Akkusativ:
umiec´ na pamie˛c´ ‚auswendig können’, ugotowac´ jajka na mie˛kko ‚die Eier
weichkochen’, przygotowac´ pieczen´ na zimno ‚einen kalten Braten vorbereiten’
• w + Präpositiv:
chodzic´ w pΩaszczu, w butach, w re˛kawiczkach ‚im Mantel, in Schuhen, mit
Handschuhen gehen’
• bez + Genitiv:
chodzic´ bez pΩaszcza, bez buto´w, bez czapki ‚ohne Mantel, ohne Schuhe, ohne
Mütze gehen’
Zu den Adverbialen der Art und Weise zählen wir auch von von adjektivischen Namen
abgeleitetete Sprachenbezeichnungen mit der Präposition po. Sie weisen jedoch Merkmale
auf, die sie in die Nähe von Objekten bringen:
mo´ w ic´ po polsku, po angielsku, po wΩosku, po rosyjsku, po niemiecku ‚pol-
nisch, englisch, italienisch, russisch, deutsch sprechen’
Adverbiale der Art und Weise bilden darüber hinaus die Vergleichskonstruktionen jak +
Nominativ:
ZaczerwieniΩ sie˛ jak burak. ‚Er wurde rot wie eine Tomate.’ UparΩ sie˛ jak osioΩ.
‚Er ist stur wie ein Esel.’ Sπpiewa jak skowronek. ‚Sie/Er singt wie eine Lerche.’
• przez + Akkusativ:
Przez nieuwage˛ zapomniaΩem parasola. ‚Aus Unachtsamkeit habe ich den
Schirm vergessen.’ Spo´z´niΩem sie˛ przez ciebie. ‚Ich habe mich deinetwegen ver-
spätet.’ PowiedziaΩes´ to przez zazdros´c´. ‚Du hast das aus Eifersucht gesagt.’
Przez zapomnienie zabraΩem tylko jedna˛ re˛kawiczke˛. ‚Aus Vergesslichkeit habe
ich nur einen Handschuh genommen.’
• z powodu + Genitiv:
Nie byΩem w pracy z powodu grypy. ‚Ich war wegen einer Grippe nicht in der
Arbeit.’ Z powodu deszczu nie odbyΩa sie˛ wycieczka w go´ry. ‚Wegen des Re-
gens fand der Ausflug in die Berge nicht statt.’
Kausale Adverbiale können auch mithilfe des präpositionslosen Instrumentals ausgedrückt
werden:
Zme˛czyΩem sie˛ kopaniem piΩki. ‚Ich wurde müde vom Fußballspielen.’
ZdenerwowaΩem sie˛ ta˛ wiadomos´cia˛. ‚Ich habe mich über diese Neuigkeit aufge-
regt.’
5.2.6. Gradadverbiale
Adverbiale des Grades (okolicznik stopnia) antworten auf die Frage jak bardzo? ‚wie sehr’,
w jakim stopniu? ‚in welchem Maß’ und werden mithilfe der Adverbien bardzo ‚sehr’,
troche˛ ‚etwas’, prawie ‚fast’ usw. ausgedrückt, die zur Bestimmung von Verben, Adjekti-
ven und Adverbien gebraucht werden, denen sie syntaktisch untergeordnet sind:
Bardzo mi na tym zalez˙y. ‚Es liegt mir sehr daran.’
Ten samocho´d jest bardzo drogi. ‚Dieses Auto ist sehr teuer.’
Mam bardzo duz˙o ksia˛z˙ek. ‚Ich habe sehr viele Bücher.’
Troche˛ sie˛ zme˛czyΩem. ‚Ich bin etwas müde geworden.’
Jestem troche˛ niespokojny. ‚Ich bin etwas unruhig.’
Nalej mi troche˛ wie˛cej kawy. ‚Gieß mir etwas mehr Kaffee ein.’
Juz˙ prawie skon´czyΩem swo´j artykuΩ. ‚Ich habe meinen Artikel fast beendet.’
Jestem prawie gotowa do podro´z˙y. ‚Ich bin fast fertig für die Reise.’
Das Übermaß eines Grades drücken Verbindungen der Präposition za ‚hinter’ mit Adjekti-
ven und Adverbien aus:
Mam za maΩo pienie˛dzy, z˙eby kupic´ pΩaszcz. ‚Ich habe zu wenig Geld, um den
Mantel zu kaufen.’
Te buty sa˛ za duz˙e. ‚Diese Schuhe sind zu groß.’
Za wolno idziemy, moz˙emy sie˛ spo´z´nic´. ‚Wir gehen zu langsam, wir könnten uns
verspäten.’
5.2. Adverbiale 549
In der gleichen Funktion wie die Präposition za tritt auch das Adverb zbyt ‚zu’ auf:
Zbyt wolno jedziemy. ‚Wir fahren zu langsam.’
Nie mam zbyt wiele czasu. Ich habe nicht zu viel Zeit.’
5.2.7. Maßadverbiale
Die Adverbiale des Maßes (okolicznik miary), die auf die Frage ile? jak duz˙o? ‚wie viel’
jak daleko? ‚wie weit’ usw. antworten, werden üblicherweise mithilfe von Kombinationen
aus Numerale und Ausdrücken für Maß-, Gewichts- oder Entfernungseinheiten gebildet.
Die Numerale treten im Maßadverbiale in der Form des präpositionslosen Akkusativs oder
des Akkusativs mit Präposition auf:
Waz˙e˛ pie˛c´dziesia˛t kilogramo´w. ‚Ich wiege fünfzig Kilogramm.’
SzedΩem dwa kilometry. ‚Ich ging zwei Kilometer.’
ZastukaΩem dwa razy. ‚Ich habe zweimal geklopft.’
• na + Akkusativ:
Sπniegu napadaΩo na po´Ω metra. ‚Es hat einen halben Meter geschneit.’ Warstwa
jest gruba na dwa centymetry. ‚Die Schicht ist zwei Zentimeter dick.’ Jezdnia
jest szeroka na pie˛c´ metro´w. ‚Die Durchfahrt ist fünf Meter breit.’
• po + Akkusativ:
ZapΩacilis´my po dwadzies´cia zΩotych za bilety (kaz˙dy z nas, za kaz˙dy bilet).
‚Wir haben jeder zwanzig ZΩoty für die Eintrittskarten bezahlt.’ Pracuje˛ po o-
siem godzin na dobe˛. ‚Ich arbeite acht Stunden am Tag.’
• o + Akkusativ:
Brat jest starszy ode mnie o trzy lata. ‚Mein Bruder ist um drei Jahre älter als
ich.’ Kowalscy mieszkaja˛ o dwa kilometry od nas. ‚Kowalscy wohnen zwei
Kilometer von uns entfernt.’ OddaliΩem sie˛ o pare˛ kroko´w. ‚Ich habe mich eini-
ge Schritte weit entfernt.’ Spo´z´niΩem sie˛ o godzine˛. ‚Ich habe mich um eine
Stunde verspätet.’ Te buty sa˛ o dwa numery za duz˙e. ‚Diese Schuhe sind zwei
Nummern zu groß.’
• z/ze + Akkusativ:
To be˛dzie kosztowaΩo ze dwa tysia˛ce zΩotych. ‚Das wird so um zweitausend
ZΩoty kosten.’ On ma chyba z osiemdziesia˛t lat. ‚Er ist etwa achtzig Jahre alt.’
Die Maßadverbiale können auch mithilfe indefiniter Numerale: kilka ‚einige’, kilkanas´cie
‚einige zehn’, kilkadziesia˛t ‚einige …zig’, pare˛ ‚ein paar’ ausgedrückt werden und auch
mithilfe von Adverbien für Zahlen oder Mengen: duz˙o ‚viel’, maΩo ‚wenig’, wiele ‚viel’,
niewiele ‚nicht viele’.
550 5. Der Elementarsatz: Die sekundären Satzglieder
5.3. Attribute
5.3.2. Apposition
Die Apposition ist ein Substantiv-Attribut, das mit dem determinierten Ausdruck (dem
Kopf der Fügung) in Kasus und im Numerus kongruiert:
inz˙ynier elektryk ‚Elektro-Ingenieur’, lekarz dentysta ‚Zahnarzt’, artysta malarz
‚Kunstmaler’, s´liwka we˛gierka ‚Pflaume’, rzeka Odra ‚die Oder’
In Fügungen dieses Typs braucht das Genus nicht zu kongruieren:
kobieta inz˙ynier ‚Ingenieurin’, statek przetwo´rnia ‚Fabrikschiff’, wagon cysterna
‚Kesselwagen’
Das Prädikat kongruiert im Genus mit dem Kopf:
Doktor Ewa mo´wiΩa. ‚Dr. Eva hat gesagt.’ Statek przetwo´rnia wpΩyna˛Ω. ‚Das Fab-
rikschiff ist eingelaufen.’
552 5. Der Elementarsatz: Die sekundären Satzglieder
In der Funktion der Apposition erscheinen häufig Eigennamen. Die Wortstellung ist dann
obligatorisch, der Vorname steht immer vor dem Nachnamen:
Henryk Sienkiewicz, Tadeusz Kos´ciuszko, Marysien´ka Sobieska
Titel, Ehrennamen, Berufsbezeichnungen usw. stehen vor dem Eigennamen:
kro´l Zygmunt ‚König Zygmunt’, ksia˛z˙e˛ ‚Fürst’ Jo´zef Poniatowski, doktor Ewa ‚Dr.
Eva’, szewc Kilin´ski ‚Schuster Kilin´ski’
Substantive für Personen in dieser Funktion verbinden sich mit der Präposition od:
list od ojca ‚Brief vom Vater’, wiadomos´c´ od matki ‚Nachricht von der Mutter’,
prezent od przyjacio´Ω ‚Geschenk von Freunden’, recepta od lekarza ‚Rezept vom
Arzt’
Mit der Präposition do + Genitiv kann die Bestimmung eines Gegenstandes bezeichnet
werden:
szczoteczka do ze˛bo´w ‚Zahnbürste’, pasta do buto´w ‚Schuhcreme’, s´cierka do
podΩogi ‚Fußbodenwischlappen’, zeszyt do rysunko´w ‚Malblock’, okulary do czy-
tania ‚Lesebrille’, woda do picia ‚Trinkwasser’
In einigen Fällen wird in der gleichen Funktion die Präposition od verwendet:
okulary od sΩon´ca ‚Sonnenbrille’, korek od butelki ‚Flaschenkorken’, proszki od
bo´lu gΩowy ‚Kopfschmerztablette’, syrop od kaszlu ‚Hustensaft’, klucz od szafy
‚Schrankschlüssel’
Genitiv-Attribute mit personalen Substantiven werden mit der Präposition dla gebraucht:
ksia˛z˙ka dla dzieci ‚Kinderbuch’, film dla dorosΩych ‚Film für Erwachsene’, sana-
torium dla chorych na cukrzyce˛ ‚Sanatorium für Zuckerkranke’, prezent dla ojca
‚Geschenk für den Vater’, poko´j dla gos´ci ‚Gästezimmer’
Das Fehlen eines den Gegenstand bestimmenden Elementes wird mithilfe der Präposition
bez ausgedrückt:
suknia bez re˛kawo´w ‚Kleid ohne Ärmel’, niebo bez chmurki ‚wolkenloser Him-
mel’, krzesΩo bez nogi ‚Stuhl ohne Fuß’, herbata bez cukru ‚Tee ohne Zucker’,
pΩaszcz bez paska ‚Mantel ohne Gürtel’
(2) Akkusativ-Attribut
Die Bestimmung eines Gegenstandes kann auch mit der Präpositionalphrase na + Akkusa-
tiv ausgedrückt werden:
chustka na gΩowe˛ ‚Kopftuch’, po´Ωka na ksia˛z˙ki ‚Bücherregal’, siatka na zakupy
‚Einkaufstasche’, kosz na s´mieci ‚Mülleimer’, krople na serce ‚Herztropfen’
Konstruktionen mit w + Akkusativ bezeichnen das Muster des Stoffs, aus dem der Ge-
genstand hergestellt ist:
piz˙ama w paski ‚gestreifter Schlafanzug’, pΩaszcz w krate˛ ‚karierter Mantel’,
suknia w kwiaty ‚blumengemustertes Kleid’, krawat w grochy ‚gepunktete Kra-
watte’
(3) Instrumental-Attribut
Substantive im Instrumental mit der Präposition z/ze drücken das Merkmal eines Gegens-
tandes oder einer Person aus:
5.3. Attribute 555
6.1. Ellipsen
wo die Bedeutung dem situativen Kontext zu entnehmen ist. Diese Erscheinungen werden
hier jedoch nicht weiter behandelt.
6.3. Nominalsätze
Wenn interpunktorische Sätze aus mehr als einem Elementarsatz bestehen, heißen sie ‚zu-
sammengesetzte Sätze’ (zdanie zΩoz˙one). Elementarsätze, die Bestandteil eines zusammen-
gesetzten Satzes sind, werden häufig und auch hier als dessen ‚Teilsätze’ bezeichnet. Zwi-
schen den Teilsätzen bestehen syntaktische Relationen, die denen zwischen Satzgliedern
weitgehend analog sind. Die Markierung der Relationen zwischen Teilsätzen – die Formen
der Satzverknüpfung – sieht allerdings meistens anders aus, als die zwischen Satzgliedern.
Auch im zusammengesetzten Satz besteht eine syntaktische Ordnung durch Ver-
kettung:
(1) Kiedy zarobimy duz˙o pienie˛dzy (1.1), kupimy sobie domek (1.2), w kto´rym be˛da˛
mieszkac´ ro´z˙ne pokolenia (1.3). ‚Wenn wir viel Geld verdient haben, kaufen wir
uns ein Haus, in dem verschiedene Generationen wohnen werden.’
(1.2)
(1.1) (1.3)
Die Beziehungen zwischen den Teilsätzen im zusammengesetzten Satz können daher nach
den gleichen Prinzipien beschrieben werden, wie die Satzglieder im Elementarsatz. Die
Teilsätze nehmen weitgehend die gleiche Ordnungsposition zu anderen Konstituenten,
seien es Satzglieder oder andere Teilsätze, wie die Satzglieder ein und können weitgehend
parallel zu den Satzgliedkategorien definiert werden.
Im Elementarsatz ist das Anfangsglied der Verkettung das Prädikat, das keinem
anderen Glied untergeordnet ist. Gibt es zwei Prädikate, sind sie der Kopf von zwei Ele-
mentarsätzen. Für den zusammengesetzten Satz soll dementsprechend gelten: In der tradi-
tionellen Syntax werden Haupt- und Nebensätze (zdanie gΩówne i zdanie poboczne) unter-
schieden. Die Arbeit mit dem Begriff der Unter-/Überordnung ist jedoch weniger kompli-
ziert. Hier wird trotzdem ein Definitionsvorschlag gemacht: Nicht untergeordnet, d.h.
Hauptsatz, ist ein Teilsatz, der nicht durch explizite lexikalische oder grammatische Mittel
einem Bestandteil des gesamten interpunktorischen Satzes untergeordnet ist. Dies trifft im
obigen interpunktorischen Satz auf (1.2) zu, während (1.1) durch seinen Bestandteil kiedy
und (1.3) durch kto´rym als untergeordnete Teilsätze markiert sind.
7.1. Über- und Unterordnung von Elementarsätzen 561
(4.2)
(4.3)
(4.2) ist einerseits ein übergeordneter, andererseits ein untergeordneter Teilsatz.
Untergeordnete Teilsätze sind Nebensätze. Diese Statuszuweisung ändert sich
nicht, wenn ein Nebensatz, wie (4.2), zugleich einem anderen Teilsatz übergeordnet ist.
Kombinationen mit zwei oder mehr Hauptsätzen heißen ‚Satzverbindungen’ (zdanie
zΩoz˙one wspóΩrze˛dnie), solche, mit einem Nebensatz ‚Satzgefüge’ (zdanie zΩoz˙one
podrze˛dnie). Im Schema:
562 7. Der zusammengesetzte Satz
Interpunktorischer Satz
Einfacher Satz Zusammengesetzter Satz
genau 1 Elementarsatz mindestens 2 Elementarsätze
Satzverbindung = Satzgefüge =
Kombination aus mindestens Kombination mit
2 Häuptsätzen Nebensatz
Hauptsatz = nicht untergeordneter Elementarsatz
Nebensatz = untergeordneter Elementarsatz
Wie wird nun die Unterordnung eines Teilsatzes ausgedrückt? Auch hier gibt es Mittel der
lexikalischen und der grammatischen Ebene.
Objekte des Elementarsatzes sind einerseits Argumente des übergeordneten Wor-
tes und werden von ihm regiert, andererseits zeigt ihr Kasus, manchmal mit Präposition,
an, dass eine und welche Fügungsrelation zum übergeordneten Wort besteht. Im ZS ist der
untergeordnete Satz ein propositionales (satzwertiges) Argument, vor allem Verben, deren
Relation zum übergeordneten Satz in der Schriftsprache meist durch eine Konjunktion
angezeigt wird:
(5) Ona powiedziaΩa (5.1), z˙e nie przyjdzie (5.2). ‚Sie hat gesagt, dass sie nicht
komme.’
(5.2) ist propositionales Argument von powiedziaΩa. Die Konjunktion, hier z˙e, kann meis-
tens auch weggelassen werden, was besonders in der mündlichen Realisierung vorkommt
oder bei erzählter direkter Rede. So ist in (6) die wörtliche Rede propositionales Argument
aufgrund der propositionalen Fügepotenz des Verbs powiedziec´.
(6) ‚Nie przyjde˛!’ powiedziaΩa ona. ‚‚Ich komme nicht!’ sagte sie.’
Die Verknüpfung ist asyndetisch (konjunktionslos).
Dass hier ein Argument erscheint, wird durch das übergeordnete Wort (powie-
dziaΩa) vorausgesagt. Dass es ein propositionales Argument sein kann, wird durch das
Rektionsmodell (die Menge der möglichen Formen des Arguments) vorausgesagt.
Die grammatischen Standardmittel zum expliziten Ausdruck von Unter- und Ne-
benordnung sind Konjunktionen und Relativpronomina, d.h. konnektiv verwendete Frage-
pronomina wie gdzie oder kto´ry.
Relativpronomina kongruieren mit einem Substantiv des übergeordneten Satzes und
entsprechen insofern dem kongruierenden Attribut im Elementarsatz. Konjunktionen
sind Operatoren mit zwei Argumentstellen, sei es für zwei nebengeordnete Sätze
7.2. Zur Unterordnung von Sätzen 563
XElementarsatz i Y Elementarsatz
sei es für einen über- und einen untergeordneten Satz:
XElementarsatz kiedy Y Elementarsatz
Konjunktionen haben nebenordnende Funktion so wie im Elementarsatz oder ihre Funktion
entspricht einer nebenordnenden Funktion von Konjunktionen im Elementarsatz.
Durch unterordnende Konjunktionen werden inhaltliche (sachverhaltsbezogene)
Relationen abgebildet oder vom Sprecher gesetzt, denen im Elementarsatz die Relationen
entsprechen, die von Präpositionalkasus bzw. reinem Kasus ausgedrückt werden, sei es bei
Objekten oder bei Adverbialen. Bei Objektsätzen: die Konjunktion ist Operator und bildet
zusammen mit dem einen Teilsatz das Argument zum anderen Teilsatz, der übergeordneter
Satz ist, während der Argument-Satz Nebensatz ist; bei Adverbialsätzen: die Konjunktion
ist Operator und bildet zusammen mit dem einen Teilsatz den Prädikator für den anderen
Teilsatz, der Hauptsatz ist, während der Prädikator-Satz Nebensatz ist.
Bei dieser Konzeption des zusammengesetzten Satzes ‚Ordnung durch Verket-
tung’ ist das Problem der Unterscheidung der unterordnenden und nebenordnenden Funkti-
on von Konjunktionen entschärft. Diese Funktion wird hier Konjunktionen aufgrund der
Relation, die ihre Standardbedeutung ist, zugeordnet. Damit liegt das Problem in der Ex-
plikation der Standardbedeutung der Konjunktion. (Eine adäquate und vollständige Liste
der Standardbedeutungen polnischer Konjunktionen gibt die Akademiegrammatik von
1986: 270-294.) Auf dieser Grundlage wäre auch die Unterscheidung von Konjunktionen
und pronominalen Adverbien wie dlatego, zatem ‚deswegen’ vorzunehmen (die deshalb
Probleme bereitet, weil Konjunktionen entwicklungsgeschichtlich auf Adverbien zurück-
gehen können). Konjunktionen nehmen wir dann an, wenn die Explikation keinen (anapho-
rischen) Verweis auf eine dem Elementarsatz vorangehende syntaktische Einheit enthält.
Die unter- bzw. nebenordnende Funktion kann den Konjunktionen in Analogie zu
entsprechenden Relationen im Elementarsatz zugeschrieben werden, auch wenn im Einzel-
fall eine Operationalisierung notwendig sein sollte.
Die Unterscheidung von Nebenordnung bzw. Parataxe und Unterordnung bzw.
Hypotaxe ist so problematisch, dass sie von Grochowski in der Syntax der Akademie-
grammatik von 1986 (S. 245 ff.) als zumindest gegenwärtig nicht begründbar zurückgewie-
sen wird oder dass sie als Kontinuum beschrieben wird (s. Weiss 1989). Hier wird die Un-
terscheidung in Analogie zu den Relationen im Elementarsatz vorgenommen, es werden
keine Definitionen auf der Grundlage essenzieller funktionaler und formaler Merkmale der
Teilsätze und ihrer Kombinationen gegeben. Diese sind, wie Weiss 1989 gezeigt hat, viel-
fältig und daher im Einzelfall als Position auf einem Kontinuum zu rekonstruieren.
Zwischen nebengeordneten Teilsätzen kann implizit eine Relation bestehen, die
einer Relation bei Unterordnung entspricht, z.B. einer konsekutiven bei nebenordnender
Konjunktion:
564 7. Der zusammengesetzte Satz
Deszcz zacza˛Ω padac´ i ludzie otworzyli parasole. ‚Es fing an zu regnen und die
Leute machten die Schirme auf.’
Matka zawoΩaΩa i dziecko wro´ciΩo do domu. ‚Die Mutter rief und das Kind kehrte
nach Hause zurück.’
oder einer kausalen bei Asyndese:
Nie zarobiΩ duz˙o pienie˛dzy, nie uczyΩ sie˛. ‚Er verdiente nicht viel Geld, er hatte
keine Ausbildung (hatte nicht gelernt).’
Es erscheint daher angebracht, neben den formal-funktionalen Relationen der Neben- bzw.
Unterordnung auch rein funktionale Relationen zu unterscheiden, für die die Ausdrücke
‚para-’ und ‚hypotaktische Relationen’ verwendet werden können. Für diesen Zweck soll
gelten: Der expliziten Unterordnung eines Teilsatzes entspricht eine bestimmte hypotakti-
sche Relation (z.B. eine kausale, konditionale, lokale, …). Der Nebenordnung von Teilsät-
zen entspricht per Default die – rein funktionale – Parataxe, es sei denn, der Satz enthält
eine implizite hypotaktische Relation.
Funktional gesehen sind Nebensätze immer hypotaktisch, während viele konjunk-
tionale und asyndetische Nebenordnungen von Teilsätzen parataktisch oder hypotaktisch
oder diffus para-hypotaktisch interpretiert werden können.
Die Verknüpfung bei Objektsätzen kann konjunktional oder asyndetisch sein, d.h. die Re-
lation zu einem untergeordneten Teilsatz, die in der Fügepotenz des übergeordneten Satzes
angelegt ist, kann durch eine Konjunktion spezifiziert sein, vgl. WiedziaΩem, z˙e przyjed-
ziesz, oder nicht, vgl. WiedziaΩem: przyjedziesz. Die konjunktionale und die relative Ver-
kettung können zusätzlich durch korrelative Pronomen gekennzeichnet sein. Ein Pronomen
hat korrelative Funktion, wenn ihm ein Relativsatz untergeordnet ist. Korrelativ- und Rela-
tivpronomen bilden eine korrelative Konstruktion, vgl.:
Wro´ciΩem tam, ska˛d przyjechaΩem. ‚Ich bin dorthin zurückgekehrt, woher ich ge-
kommen bin.’
Korrelative Konstruktionen (vgl. noch wtedy …, gdy …; kto …, ten …) werden vor allem
dann verwendet, wenn ein Teilsatz eine Position einnimmt, die von der Fügepotenz des
übergeordneten Wortes nicht für einen Satz, sondern für ein Wort vorgesehen ist. Korrela-
tive Pronomina werden als Bestandteil des Nebensatzes gewertet (im obigen Satz also
tam), oder to in
Co byΩo ciekawe dla mnie, to nie interesowaΩo moich kolego´w. ‚Was für mich inte-
ressant war, (das) interessierte meine Kollegen nicht.’
oder tym in
Jestem tym, czym byΩem. Ich bin (der), der ich war.
Diese Verknüpfungsarten treten in folgender Verteilung mit Neben- und Unterordnung auf:
Nebenordnung Unterordnung
(Haupt-oder Nebensätze) (Nebensätze)
konjunktional + +
relativ – +
korrelativ – +
asyndetisch + durch Prädikator-Argument-
(Default) Relation
Wro´ciΩem do domu i zjadΩem obiad. ‚Ich kam nach Hause und aß zu Mittag.’
Posprza˛taΩam poko´´j, a na stole postawiΩam kwiaty. ‚Ich habe das Zimmer aufge-
räumt, und auf den Tisch Blumen gestellt.’
SπwieciΩo sΩon´ce, a w ogrodzie s´piewaΩy ptaki. ‚Es schien die Sonne und im Garten
sangen die Vögel.’
Dziecko zasypiaΩo, a babcia s´piewaΩa mu koΩysanke˛. ‚Das Kind war dabei einzu-
schlafen, und die Oma sang ihm ein Wiegenlied.’
Nie uczyΩ sie˛ ani nie pracowaΩ. ‚Er lernte nicht und arbeitete auch nicht.’
Nie jestem chora ani nic mnie nie boli. ‚Ich bin nicht krank, und mir tut auch
nichts weh.’
Ani sie˛ nie przywitaΩ z nami, ani sie˛ nie us´miechna˛Ω. ‚Weder hat er uns gegrüßt,
noch hat er uns angelächelt.’
(2) Adversative (przeciwstawne) Konjunktionen: ale ‚aber’, jednak ‚jedoch’, a ‚und’, lecz
(Synonym zu ale, jedoch schriftsprachlich), przeciez˙ ‚dennoch’, natomiast ‚dagegen’, tylko
‚nur’ …:
Mo´j brat jest ode mnie starszy, ale ja jestem wyz˙szy od niego. ‚Mein Bruder ist äl-
ter als ich, aber ich bin größer als er.’
ChciaΩem zasna˛c´, ale przeszkadzaΩ mi haΩas. ‚Ich wollte einschlafen, doch der
Lärm störte mich.’
Chcielis´my nocowac´ w schronisku, jednak noc zaskoczyΩa nas w drodze. ‚Wir
wollten in der Jugendherberge übernachten, jedoch überraschte uns die Nacht un-
terwegs.’
Nie jest zdolny, jednak bardzo sie˛ stara. ‚Er ist nicht begabt, jedoch bemüht er
sich sehr.’
Dzis´ po´jdziemy na wycieczke˛, a jutro be˛dziemy wypoczywac´. ‚Heute machen wir
einen Ausflug, und morgen werden wir uns ausruhen.’
(3) Disjunktive (rozΩa˛czne) Konjunktionen: albo/lub ‚oder’, ba˛ d z´ … ba˛dz´ ‚entweder …
oder’:
W lecie pojedziemy w go´ry albo spe˛dzimy urlop nad morzem. ‚Im Sommer fahren
wir in die Berge oder wir verbringen den Urlaub am Meer.’
Wynajmiemy poko´j w hotelu lub zatrzymamy sie˛ u cioci. ‚Wir werden ein Zimmer
im Hotel buchen, oder wir werden bei der Tante unterkommen.’
568 7. Der zusammengesetzte Satz
7.5.1. Objektsätze
Die Objektsätze (zdanie dopeΩnieniowe) haben dieselbe Satzposition wie ein nominales
Objekt oder ein Infinitiv und sind in der Regel Konjunktional- oder Relativsätze. Sehr häu-
fig wird die Konjunktion z˙e ‚dass’ gebraucht:
Wyobraz˙am sobie, z˙e wiosna˛ w go´rach jest bardzo pie˛knie. ‚Ich kann mir vorstel-
len, dass es im Frühling in den Bergen sehr schön ist.’
PoczuΩem, z˙e zrobiΩo sie˛ zimno. ‚Ich fühlte, dass es kalt wurde.’
DowiedziaΩem sie˛, z˙e egzamin jest we s´rode˛. ‚Ich habe erfahren, dass die Prüfung
am Mittwoch ist.’
Nie wierze˛, z˙e zepsuΩ ci sie˛ samocho´d. ‚Ich glaube nicht, dass dein Auto kaputt-
gegangen ist.’
Wenn der Inhalt des Objektsatzes Gegenstand von Zweifel oder Unsicherheit ist, dann
kann anstelle der Konjunktion z˙e die Konjunktion czy gebraucht werden:
WiedziaΩem, z˙e przyjedziesz. ‚Ich wusste, dass du kommst.’ – Nie wiedziaΩem, z˙ e
przyjedziesz ‚Ich wusste nicht, dass du kommst.’ Nie wiedziaΩem, czy przyjedziesz.
– ‚Ich wusste nicht, ob du kommst.’
ByΩo widac´, z˙ e drzwi sa˛ otwarte. ‚Es war zu sehen, dass die Tür auf war.’ – Nie
byΩo widac´, z˙e drzwi sa˛ otwarte; ‚Es war nicht zu sehen, dass die Tür auf war.’ –
Nie byΩo widac´, czy drzwi sa˛ otwarte. ‚Es war nicht zu sehen, ob die Tür auf war.’
Die Konjunktion czy ‚ob’ verbindet Objektsätze mit übergeordneten Sätzen, in denen die
Verben wahac´ sie˛ ‚zweifeln’, zastanawiac´ sie˛ ‚überlegen’, pytac´ ‚fragen’ usw. als Prädikat
verwendet werden:
Waham sie˛, czy ci to opowiedziec´. ‚Ich frage mich, ob ich dir das erzählen soll.’
Zastanawiam sie˛, czy jechac´. ‚Ich überlege, ob ich fahren soll.’
PytaΩ, czy be˛de˛ w s´rode˛. ‚Er fragte, ob ich am Mittwoch kommen werde.’
Objektsätze können auch mithilfe der Konjunktion z˙eby ‚dass’ angebunden werden, wenn
das Prädikat im übergeordneten Satz die Bedeutung der Bitte, des Wünschens, des Befehls
usw. hat, das Verb hat dann die Präteritalendung:
Janek prosiΩ, z˙eby Krysia do niego przyszΩa. ‚Janek bat, dass Krysia zu ihm
kommt.’
In untergeordneten Sätzen mit den Formen der 1. und 2. Person wird die Personalendung
nicht mit der Form des Verbs, sondern mit der Konjunktion z˙eby verbunden:
Janek prosiΩ, z˙ebys mu kupiΩ papierosy. ‚Janek bat, dass du ihm Zigaretten kaufst.’
Mama chce, z˙ebym sie˛ uczyΩ. ‚Die Mutter will, dass ich lerne.’
7.5. Unterordnung von Sätzen – Satzgefüge 569
MarzyΩem o tym, z˙ebys´cie przyjechali. ‚Ich träumte davon, dass ihr kommt.’
In Sätzen mit der Konjunktion z˙eby kann das Prädikat die Personalform haben oder auch
mithilfe des Infinitivs ausgedrückt werden:
Dziadek prosiΩ konduktora, z˙eby go obudziΩ o pia˛tej. ‚Der Großvater bat den
Schaffner, er möge ihn um fünf wecken.’
Dziadek prosiΩ, z˙eby go obudzic´ o pia˛tej. ‚Der Großvater bat, ihn um fünf zu we-
cken.’
Bei Identität der logischen Subjekte beider Prädikate tritt in der Regel im Nebensatz der
Infinitiv auf:
Mys´laΩem tylko o tym, z˙eby jak najpre˛dzej wyzdrowiec´ (aber: *Mys´laΩem, z˙ebym
wyzdrowiaΩ). ‚Ich habe nur daran gedacht, dass ich so schnell wie möglich gesund
werde.’
Objektsätze werden mit den Hauptsätzen auch mithilfe von Frage-Relativpronomen ver-
bunden:
Opowiedz, co sie˛ staΩo. ‚Erzähl, was passiert ist.’
Wiem, czego chce˛. ‚Ich weiß, was ich will.’
Nie powiedziaΩes´ mi, kto przyszedΩ. ‚Du hast mir nicht gesagt, wer gekommen ist.’
PrzypomniaΩam sobie, ska˛d sie˛ wzie˛Ωa ta walizka. ‚Ich habe mich erinnert, woher
ich diesen Koffer genommen habe.’
DowiedziaΩem sie˛, komu poz˙yczyΩes pienia˛dze. ‚Ich habe erfahren, wem du das
Geld geliehen hast.’
Nie pamie˛tam, kiedy przyjechali. ‚Ich erinnere mich nicht, wann sie angekommen
sind.’
Weiterhin werden die folgenden Sätze nicht, wie traditionell häufig, als Subjektsätze ange-
sehen, sondern als Objektsätze, und zwar deshalb, weil das Prädikat unpersönlich ist, folg-
lich kein Subjekt zugelassen ist:
OkazaΩo sie˛, z˙e Wojtek zmieniΩ adres. ‚Es hat sich herausgestellt, dass Wojtek sei-
ne Adresse geändert hat.’
Wypada, z˙eby Wojtek zΩoz˙yΩ wizyte˛ rodzicom narzeczonej. ‚Es gehört sich, dass
Wojtek den Eltern seiner Braut einen Besuch abstattet.’
PrzyszΩo mi do gΩowy, z˙eby pojechac´ do Zakopanego. ‚Mir kam die Idee, nach
Zakopane zu fahren.’
Nie obchodzi mnie, kiedy Karol przyjechaΩ. ‚Es interessiert mich nicht, wann Ka-
rol gekommen ist.’
Wa˛tpliwe, czy Karol przyjedzie. ‚Es ist zweifelhaft, ob Karol kommt.’
570 7. Der zusammengesetzte Satz
ZdarzaΩo sie˛, z˙e Wojtek nie wracaΩ na noc. ‚Es kam vor, dass Wojtek nachts nach
Hause nicht kam.’
SπniΩo mi sie˛, z˙e jestem kro´lem. ‚Ich träumte, dass ich ein König wäre.’
WydawaΩo mi sie±, z˙e ktos´ stuka do drzwi. ‚Es kam mir vor, als ob jemand an die
Tür klopfte.’
To jasne, z˙e dotrzymam sΩowa. ‚Das ist doch klar, dass ich mein Wort halte.’
Nieprawda, z˙e Kowalski sie˛ rozwio´dΩ. ‚Es ist nicht wahr, dass Kowalski sich
scheiden ließ.’
To dobrze, z˙e jestes´. ‚Das ist gut, dass du da bist.’
To z´le, z˙e nie masz czasu. ‚Das ist nicht gut, dass du keine Zeit hast.’
Ciekawi mnie, ska˛d to wiesz. – aber: Ciekawi mnie, czy to wiesz. ‚Es interessiert
mich, woher du das weißt.’ – aber: ‚Es interessiert mich, ob du das weißt.’
Wiadomo, z˙e Kowalski jest dobrym fachowcem. ‚Es ist klar, dass Kowalski ein
guter Fachmann ist.’
Wiadomo, kto jest dobrym fachowcem. ‚Es ist klar, wer ein guter Fachmann ist.’
7.5.2. Adverbialsätze
Temporale Adverbialsätze
Temporale Adverbialsätze (zdanie okolicznikowe czasu) bestimmen die Zeit, in der die
Handlung des Hauptsatzprädikats stattfindet. Die Nebensätze werden meistens mit den
Konjunktionen kiedy ‚wann, wenn, als’, gdy ‚als’ eingeleitet, wobei folgende zeitlichen
Beziehungen zum Ausdruck kommen können:
(a) Gleichzeitigkeit der Handlung des Nebensatzes mit der des Hauptsatzes:
Kiedy wracalis´my, byΩ juz˙ wieczo´r. ‚Als wir zurückkehrten, war schon Abend.’
Kiedy nowy pasaz˙er wszedΩ do przedziaΩu, ja siedziaΩam przy oknie. ‚Als der neue
Fahrgast in das Abteil trat, saß ich am Fenster.’
(b) die Vorzeitigkeit der Nebensatzhandlung im Verhältnis zur Hauptsatzhandlung:
Kiedy wszyscy gos´cie juz˙ usiedli, Zofia zacze˛Ωa s´piewac´. ‚Als alle Gäste sich ge-
setzt hatten, begann Zofia zu singen.’
Kiedy zarobimy duz˙o pienie˛dzy, kupimy sobie domek. ‚Wenn wir genug Geld ver-
dient haben, kaufen wir uns ein Häuschen.’
(c) Die Nachzeitigkeit der Nebensatzhandlung bezüglich der Hauptsatzhandlung:
Pocia˛g juz˙ dawno odszedΩ, kiedy wpadΩem zdyszany na peron. ‚Der Zug war
schon längst abgefahren, als ich atemlos auf dem Bahnsteig anlangte.’
Zum Ausdruck der Gleichzeitigkeit der Handlungen des Haupt- und des Nebensatzes kön-
nen auch die Konjunktionen podczas gdy ‚während’ verwendet werden:
7.5. Unterordnung von Sätzen – Satzgefüge 571
Lokale Adverbialsätze
Lokale Adverbialsätze (zdanie okolicznikowe miejsca) werden von den Relativpronomina
gdzie ‚wo’, ska˛d ‚woher’, doka˛d, ‚wohin’, kto´re˛dy ‚welchen Weg’ eingeleitet:
Pojade˛ z toba˛, doka˛d zechcesz. ‚Ich gehe mir dir, wohin du willst.’
Wro´cilis´my do domu, gdzie czekaΩa na nas matka z obiadem. ‚Wir kamen nach
Hause zurück, wo die Mutter mit dem Mittagessen auf uns wartete.’
572 7. Der zusammengesetzte Satz
Konsekutive Adverbialsätze
(zdanie okolicznikowe skutku) Adverbialsätze, die die Folge einer Handlung bezeichnen,
werden mit den Konjunktionen z˙e, z˙eby ‚dass’ eingeleitet.
SkoczyΩem tak nieszcze˛s´liwie, z˙e zΩamaΩem sobie noge˛. ‚Ich sprang so unglücklich,
dass ich mir das Bein brach.’
Usia˛dz´ tak, z˙eby ci byΩo wygodnie. ‚Setz dich so, dass es dir bequem ist.’
Die konsekutiven Adverbialsätze drücken sehr oft eine Folge der Handlung eines Haupt-
satzes mit korrelativem tak auf und sind dann mit dem Hauptsatz mit den Konjunktionen az˙
‚bis’, z˙e ‚dass’ verbunden:
SpacerowaΩ tak dΩugo, az˙ sie˛ zme˛czyΩ. ‚Er ging solange spazieren, bis er müde
war.’
ByΩ tak zme˛czony, z˙e zaraz zasna˛Ω. ‚Er war so müde, dass er sofort einschlief.’
Kot tak sie˛ przestraszyΩ, az˙ uciekΩ. ‚Der Kater erschrak so, dass er weglief.’
Die konsekutiven Adverbialsätze können auch mithilfe der Konjunktion z˙eby ‚dass’ ange-
bunden werden. Das Prädikat kann dann in finiter oder infiniter Verbform auftreten:
Pieczywa trzeba kupic´ tak duz˙o, z˙eby starczyΩo dla wszystkich. ‚Man muss soviel
Gebäck kaufen, dass es für alle reicht.’
7.5. Unterordnung von Sätzen – Satzgefüge 573
Jedzenia byΩo za maΩo, z˙eby nakarmic´ wszystkich gos´ci. ‚Es gab zu wenig Essen,
um alle Gäste zu versorgen.’
Nie miaΩem dos´c´ silnej woli, z˙eby sie˛ uczyc´. ‚Ich hatte nicht genug starken Willen,
um zu lernen.’
Die vom Infinitiv ausgedrückte Handlung erreicht das Resultat nicht aufgrund der im
Hauptsatz ausgedrückten zu geringen Quantität oder Qualität (sog. negatives Resultat).
Finale Adverbialsätze
(zdanie okolicznikowe celu) Gliedsätze, die das Ziel der Handlung ausdrücken, antworten
auf die Frage mit po co? ‚wozu’, w jakim celu? ‚mit welchem Ziel’ und werden von den
Konjunktionen by, byle ‚um’, aby, z˙eby, az˙eby ‚damit’ eingeleitet. Das Prädikat kann die
Form in des Präteritum oder des Infinitivs haben. Bei der Identität der beiden logischen
Subjekte muss der Infinitiv verwendet werden:
Ojciec wysΩaΩ syna do kiosku, z˙eby mu kupiΩ papierosy. ‚Der Vater schickte den
Sohn zum Kiosk, damit der ihm Zigaretten kaufte.’ (wörtlich)
Ojciec wyszedΩ do kiosku, z˙eby kupic´ papierosy. ‚Der Vater ging zum Kiosk, um
Zigaretten zu kaufen.’
Im zweiten Satz ist es nicht möglich, die finite Form *z˙eby kupiΩ ‚damit er kauft’ zu ver-
wenden.
Pojedziemy samochodem, aby oszcze˛dzic´ czasu. ‚Fahren wir mit dem Auto, damit
wir Zeit sparen.’
BiegΩem co siΩ, byle zda˛z˙yc´ przed deszczem do domu. ‚Wir liefen mit ganzer
Kraft, um vor dem Regen nach Hause zu gelangen.’
Die Form des Infinitivs haben auch Nebensätze, die Sätzen mit invarianter Person im Prä-
dikat untergeordnet sind:
Trzeba miec´ cierpliwos´c´, z˙eby wychowywac´ dziecko. ‚Man muss Geduld haben,
um ein Kind zu erziehen.’
Kausale Adverbialsätze
Kausale Adverbialsätze (zdanie okolicznikowe przyczyny) antworten auf Fragen mit cze-
mu?, dlaczego? ‚warum’ z jakiego powodu? ‚aus welchem Grund’ und werden von den
Konjunktionen bo, gdyz˙ ‚denn’ poniewaz˙ ‚weil’ eingeleitet.
ByΩam zΩa na ciebie, bo sie˛ spo´z´niΩes´. ‚Ich war böse auf dich, denn du hast dich
verspätet.’
574 7. Der zusammengesetzte Satz
Wuj cieszyΩ sie˛ sympatia˛ ws´ro´d sa˛siado´w, gdyz˙ byΩ czΩowiekiem kulturalnym. ‚Der
Onkel erfreute sich (großer) Sympathie bei den Nachbarn, denn er war ein gebil-
deter Mensch.’
Von den Konjunktionen bo bzw. gdyz˙ ‚denn’ eingeleitete Nebensätze stehen immer nach
dem Hauptsatz. Mit der Konjunktion poniewaz˙ ‚weil’ eingeleitete Sätze können die Positi-
on vor oder nach dem Hauptsatz einnehmen:
Poniewaz˙ nalez˙aΩo pocze˛stowac´ gos´ci, ciotka nakryΩa sto´Ω. ‚Weil die Gäste be-
wirtet werden sollten, deckte die Tante den Tisch.’
Ciotka nakryΩa sto´Ω, poniewaz˙ nalez˙aΩo pocze˛stowac´ gos´ci. ‚Die Tante deckte den
Tisch, weil die Gäste bewirtet werden sollten.’
Konditionale Adverbialsätze
(zdanie okolicznikowe warunku) Gliedsätze, die eine Bedingung bezeichnen, werden mit
dem übergeordneten Satz mithilfe der Konjunktion jez˙ e li ‚wenn’, jes´li ‚wenn’, gdyby
‚wenn’, z˙eby ‚damit’, kiedy ‚wann’ verbunden. Das Prädikat des konditionalen Gliedsatzes
kann ausgedrückt werden mithilfe:
(a) der Form des Konditionals für kontrafaktische Aussagen (nach den Konjunktionen
jes´liby ‚wenn’, gdyby ‚wenn’, z˙eby ‚damit’ wird das Morphem -by nicht in der Tempus-
form des präteritalen Verbs gebraucht, da es in der Konjunktion enthalten ist. Mit dieser
Form wird die Personalendung des Verbs im Hauptsatz verbunden; im Falle von jes´li kann
die konditionale Markierung anstatt mit der Konjunktion auch mit der Verbform des Ne-
bensatzes verbunden werden):
Jes´libym wygraΩ milion, kupiΩbym wille˛. / Jes´li wygraΩbym milion, kupiΩbym wille˛.
‚Wenn ich eine Million gewinnen würde, würde ich mir eine Villa kaufen.’
Nie poste˛powalibys´cie tak, gdybys´cie mys´leli o innych. ‚Ihr hättet nicht so gehan-
delt, wenn ihr an die Anderen gedacht hättet.’
Gdybys´ przyszedΩ do mnie, zobaczyΩbys´ mojego psa. ‚Wenn du zu mir kommen
würdest, würdest du meinen Hund sehen.’
7.5. Unterordnung von Sätzen – Satzgefüge 575
Konzessive Adverbialsätze
(zdanie okolicznikowe przyzwolenia) Konzessive Gliedsätze drücken aus, dass eine Situa-
tion realisiert wurde, von der man bei dem gesamten Umstand erwartet hätte, dass sie nicht
stattfindet. Sie drücken eine nicht begünstigende Bedingung, ein Hindernis, einen Gegen-
satz aus, ungeachtet derer oder gegen diese die Tätigkeit, die im übergeordneten Satz aus-
gedrückt wird, zu Ende geführt wird. Die Gliedsätze werden mithilfe folgender Konjunkti-
onen mit der Bedeutung ‚obwohl’ mit dem übergeordneten Satz verbunden: choc´, chociaz˙,
choc´by, mimo z˙e, pomimo z˙e:
Podro´z˙ do miasta trwaΩa tylko dwie godziny, choc´ to byΩo bardzo daleko. ‚Die
Fahrt zur Stadt dauerte nur zwei Stunden, obwohl es sehr weit war.’
Dzieci nie baΩy sie˛ ojca, chociaz˙ byΩ surowy. ‚Die Kinder hatten keine Angst vor
dem Vater, obwohl er streng war.’
Choc´ b y mi przyszΩo nie spac´ nocami, musze˛ zdac´ ten egzamin. ‚Obwohl ich
nächtelang nicht schlafen konnte, muss ich dieses Examen bestehen.’
Mimo z˙e pora byΩa po´z´na, wybralis´my sie˛ z wizyta˛. ‚Obwohl es spät war, machten
wir uns auf den Weg zu einem Besuch.’
Konzessive Gliedsätze drücken oft die Ursachen für ein Resultat aus, das dem entgegenge-
setzt ist, was aufgrund des Hauptsatzes zu erwarten ist:
Podro´z˙ do miasta trwaΩa az˙ dwie godziny, choc´ to nie byΩo daleko. ‚Die Fahrt in
die Stadt dauerte bis zu zwei Stunden, obwohl es nicht weit war.’
Dzieci baΩy sie˛ ojca, choc´ byΩ Ωagodny. ‚Die Kinder hatten Angst vor dem Vater,
obwohl er gutmütig war.’
Pomimo z˙e pogoda byΩa pie˛kna, nie poszlis´my na spacer. ‚Obwohl das Wetter
schön war, sind wir nicht spazieren gegangen.’
7.5.3. Attributsätze
Attributive Nebensätze (zdanie przydawkowe) beziehen sich als Bestimmung auf ein Sub-
stantiv des übergeordneten Satzes. Sie werden mit diesem meist mithilfe von Relativpro-
nomen verbunden: kto´ry, jaki ‚welcher’. Im übergeordneten Satz können korrelative Pro-
nomen die Kombination der Sätze anzeigen: für das Pronomen kto´ry das Demonstrativ-
pronomen ten ‚der’, für das Pronomen jaki meistens das Demonstrativpronomen taki:
ByΩ to ten pocia˛g, kto´rym zwykle wracalis´my do domu. ‚Das war der Zug, mit
dem wir normalerweise nach Hause zurückgefahren sind.’
Moje opowiadanie wywarΩo na was takie wraz˙enie, jakiego sie˛ spodziewaΩam.
‚Meine Erzählung machte auf euch genau den Eindruck, den ich vermutet habe.’
Häufig treten jedoch keine korrelativen Pronomina auf:
Opowiem wam historie˛, kto´ra zdarzyΩa sie˛ dawno temu. ‚Ich erzähle euch eine
Geschichte, die sich vor langer Zeit ereignet hat.’
7.6. Weiterführende Nebensätze 577
Moja babka mieszka we wsi, kto´ra sie˛ nazywa Grabowo. ‚Meine Oma wohnt in
einem Dorf, das Grabowo heißt.’
Cze˛sto czytam ksia˛z˙ki, w kto´rych znajduje˛ opisy podro´z˙y. ‚Oft lese ich Bücher, in
denen ich Reiseberichte finde.’
UpiekΩam wam ciasto, jakiego jeszcze nie jedlis´cie. ‚Ich habe euch einen Kuchen
gebacken, den ihr noch nie gegessen habt.’
Nebensätze können auch mithilfe anderer Relativpronomen angeschlossen werden:
Wspominalis´my czasy, kiedy chodzilis´my do szkoΩy. ‚Wir erinnerten uns an die
Zeit, als wir zur Schule gingen.’
Che˛tnie wracam do miejsca, gdzie sie˛ wychowaΩam. ‚Gerne kehre ich an den Ort
zurück, wo ich aufgewachsen bin.’
Dom nasz jest otwarty dla kaz˙dego, kto ma ochote˛ nas odwiedzic´. ‚Unser Haus ist
für jeden offen, der Lust hat, uns zu besuchen.’
Ksia˛z˙ka ma te˛ zalete˛, z˙e jest napisana je˛zykiem zrozumiaΩym dla dziecka. ‚Das
Buch hat den Vorteil, dass es in einer für Kinder verständlichen Sprache geschrie-
ben ist.’
In weiterführenden Nebensätzen (zdanie rozwijaja±ce) wird ein Satz mit eigener Äußerungs-
funktion, also eine neue Äußerung im Rahmen eines interpunktorischen Satzes an den
Hauptsatz angeschlossen. Sie beziehen sich auf den gesamten Inhalt des übergeordneten
Satzes und nicht auf eines seiner einzelnen Satzglieder und werden mit dem übergeordne-
ten Satz mithilfe verschiedener Kasusformen des Relativpronomens co ‚was’ verbunden:
578 7. Der zusammengesetzte Satz
Ojciec sie˛ cie˛z˙ko rozchorowaΩ, czym sie˛ bardzo zmartwiΩem. ‚Der Vater wurde
schwer krank, was mir sehr große Sorgen machte.’
Janeczka jutro wyjez˙dz˙a do Gdan´ska, o czym sie˛ dowiedziaΩem z jej listu. ‚Janina
fährt morgen nach Danzig, was ich aus ihrem Brief erfahren habe.’
Piotrus´ zdaΩ mature˛ na pia˛tki, co mnie bardzo ucieszyΩo. ‚Peter bestand das Abitur
mit ‚sehr gut’, was mich sehr erfreute.’
Kierowca paliΩ papierosa na stacji benzynowej, co jest surowo zabronione. ‚Der
Fahrer rauchte eine Zigarette an der Tankstelle, was streng verboten ist.’
Das Pronomen zeigt eine Unterordnung an, aber die Teilsätze stehen nicht in einer syntak-
tischen Relation, die einer Satzgliedrelation entspricht. Sie sind deshalb keine Gliedsätze,
auch wenn ihre Form das nahe legt.
7.7. Parenthesen
Analog zum einfachen Satz gibt es auch beim zusammengesetzten Satz Parzellierungen:
7.8. Parzellierung von Sätzen 579
(5) – ChciaΩ, (6) z˙ebym mu przebaczyΩa. ‚Er wollte, dass ich ihm verzeihe.’
(7) – Tak. ‚Ja.’
(8) – I z˙ebys´ ty zostaΩa moja˛ co´rka˛, a ona wnuczka˛. ‚Und dass du meine Tochter
wirst, und sie meine Enkelin.’
Ein parzellierter Teilsatz ist ein interpunktorischer einfacher Satz, der über syntaktische
Kennzeichen für die Neben- oder Unterordnung von Teilsätzen verfügt und in der Weise
verfügt, dass er als Teilsatz des vorangehenden Satzes fungieren könnte. Hier ist (5)+(6)
vorangehender Satz (derselben Sprecherin), vgl. zu monologischer Rede:
Nie po´jde˛ do kina. Poniewaz˙ mam cos´ do zaΩatwienia. ‚Ich gehe nicht ins Kino,
weil ich habe etwas zu erledigen.’
8. Zur Äußerung
Die Äußerung ist eine sprachliche Einheit mit einer bestimmten kommunikativen Funktion.
Die Grenzen einer schriftlichen Äußerung werden hier prinzipiell mit denen des inter-
punktorischen Satzes gleichgesetzt, schriftliche Äußerungen sind – im Standardfall – in-
terpunktorische Sätze, es gibt jedoch Abweichungen davon.
Interpunktorische Sätze sind formbezogen definiert, ihre typische kommunikative
Funktion wird traditionell mit dem Begriff der Satzart erfasst. Äußerungen sind funktions-
bezogen definiert: Sie haben kommunikative Funktionen, unter denen als die entscheidende
üblicherweise die illoktive Funktion angesehen wird. Da die Grenzen einer Äußerung rein
funktional häufig schwer zu bestimmen sind, gehen wir hier davon aus, dass die Grenze der
Äußerung per Default durch die des interpunktorischen Satzes markiert wird.
Äußerungen sind die Bestandteile, aus denen Texte bestehen. Diese sind monolo-
gisch, wenn es die Äußerungen (oder die Äußerung) nur eines Sprechers sind, sie sind ein
Gespräch, wenn die Äußerungen mündlich, abwechselnd von verschiedenen Sprechern
gemacht werden. Jede Änderung der Sprecherrolle, z.B. des Fragenden und Anwortenden,
bezeichnet eine Grenze zwischen Äußerungen. In epischen Gattungen wie Romanen, No-
vellen sind in der Regel mehrere ‚Sprecher’ beteiligt, neben dem Erzähler sprechen Figuren
in wörtlicher Rede oder sie kommen durch indirekte oder erlebte Rede zur Geltung.
Wir verwenden also den Begriff ‚Äußerung’ als Oberbegriff (a) für schriftliche Einheiten,
deren Grenzen per Default durch die Interpunktion gesetzt werden, und (b) für mündliche
Einheiten, deren Grenzen im Wesentlichen durch Intonation und jedenfalls nicht durch
Interpunktion gesetzt werden. Das funktionale Merkmal einer Äußerung ist ihre Illokution.
Über die Illokutionen wird unten etwas mehr gesagt, hier sei nur bemerkt, dass die Illoku-
tion der jeweilige pragmatische Sinn der Äußerung ist, der kommunikative Akt, der mit der
Äußerung z.B. eines Versprechens, einer Drohung, eines Grußes, eines Glückwunsches,
der Darstellung eines Sachverhalts, eines Überraschungsausrufs usw. vollzogen wird.
Damit kommt der Unterschied zwischen Elementarsätzen und Äußerungen erneut
zur Sprache: Die Beschreibung der Struktur von Elementarsätzen bezieht sich nur auf In-
haltswörter und die mit ihnen kombinierten Präpositionen, Auxiliare und Konjunktionen.
Neben diesen enthalten interpunktorische Sätze und ihre mündichen Entsprechungen aber
auch Partikeln und Interjektionen oder bestehen sogar nur aus solchen (z.B. Tak. ‚Ja.’). Wir
8.1. Die Äußerung 581
bezeichnen sie hier als Äußerungsglieder und behandeln sie im Rahmen der Kategorie der
Äußerungen.
Wir können also sagen: Eine Äußerung ist eine sprachliche Einheit aus einem oder
mehreren Wortformen, die über einen pragmatischen Sinn (Illokution) verfügt und intona-
torisch bzw. interpunktorisch als Ganzheit erkennbar ist.
Im Weiteren wird, parallel zu den traditionellen Darstellungen, dann, wenn es um
die Einheiten der Äußerungsebene unter Gesichtspunkten der syntaktischen Struktur geht,
von interpunktorischen Sätzen gesprochen, wenn es um die Einheiten hinsichtlich des
pragmatischen Sinns geht, von Äußerungen. Die Definitionen der Äußerung und des Tex-
tes beziehen sich auf typische Vorkommen und garantieren nicht die eindeutige Klassifizie-
rung jedes sprachlichen Vorkommens dieser Formate. Es muss auch nicht jede Äußerung
Teil eines Textes sein. Wann ist ein Transparent von Fußballfans in der Kurve nur eine
Äußerung und wann schon ein Text? Für solche Fragen wären weitere Operationalisierun-
gen, also Festlegungen für bestimmte Zwecke, notwendig. Wichtig für den vorliegenden
Zusammenhang ist die Klärung des Verhältnisses zwischen Elementarsätzen, interpunkto-
rischen Sätzen und Äußerungen. Für interpunktorische Sätze gilt der Default, dass sie als
Äußerungen angesehen werden. Abweichend davon kann ein interpunktorischer Satz meh-
rere Äußerungen enthalten, z.B. bei Parenthesen oder interpunktorischen Sätzen mit soge-
nannten weiterführenden Nebensätzen. Umgekehrt kann eine Äußerung mehrere inter-
punktorische Sätze umfassen, etwa bei der Parzellierung.
Im folgenden Schema befinden sich links wiederum die Form-Funktions-
Einheiten, in der Mitte suprasegmentale Merkmale und Funktionswörter, rechts die zent-
rale funktionale Komponente der Form-Funktions-Einheit:
Text
Äußerung
(Satzart, Äußerungsstruktur, Illokution
einfacher / zusammenge-
setzter Satz)
Interpunktion / Intonation
Satzverknüpfung (durch Kon-
junktionen, Relativpron. u.a.)
Partikeln, Interjektionen
Elementarsatz
Interpunktorische Sätze haben, wie oben definiert, formal-funktionale Merkmale, die zur
Unterscheidung von Satzarten führen. Sätze mit Punkt werden als Aussagesätze, solche mit
Fragezeichen als Fragesätze und solche mit Ausrufezeichen als Aufforderungs- bzw. Aus-
rufesätze bezeichnet. In der mündlichen Kommunikation entsprechen den Satzzeichen
verschiedene Intonationstypen. Die mündliche Realisierung eines schriftlichen Satzes un-
terscheidet dann auch Aufforderungs- und Ausrufesätze. Hinzu kommen weitere formale
Merkmale von Satzarten wie Wortarten (Interjektionen beim Ausrufesatz, Fragepronomen
oder czy bei Fragesätzen) oder grammatische Kategorien (Imperativ bei Aufforderungs-
sätzen).
Mit der Form einer Satzart kann eine andere als die dafür typische Funktion ver-
bunden sein. So kann als Alternative zu seiner kommunikativen Standardfunktion ein Aus-
sagesatz eine Aufforderung enthalten, vgl. Cia˛gnie tu ‚Es zieht hier’. Eine ‚rhetorische
Frage’ hat die Form des Fragesatzes, vermittelt aber eine Aussage, vgl.:
Kto´z˙ tego nie wie? ‚Wer weiß das nicht.’
Czy Pan wie, jak juz˙ jest po´z´no? ‚Wissen Sie, wie spät es ist?’
Solche für Satzarten typischen und alternativen kommunikativen Funktionen von Äuße-
rungen werden als ‚Illokutionen’ (oder ‚illokutive Sprechakte’; hier auch ‚illokutive Funk-
tionen’) bezeichnet.
Wenn einer Satzart ihre typische illokutive Funktion, anders gesagt, der für sie ty-
pische illokutive Sprechakt entspricht, dann hat
• ein Ausrufesatz eine expressive Illokution;
• ein Aufforderungssatz oder ein Fragesatz eine direktive Illokution; (bei Fragesät-
zen wird auch von ‚erotetischer’ Illokution gesprochen);
• ein Aussagesatz eine repräsentative, deklarative oder kommissive Illokution.
Repräsentative Funktion haben Äußerungen, an die das Wahrheitskriterium angelegt wer-
den kann, also Aussagen, Behauptungen, Berichte, Erzählungen; mit einer deklarativen
Äußerung wie einer Ernennung, einer Verurteilung, einer Taufe wird in einem institutio-
nellen, ritualisierten Rahmen ein sozialer Status im weitesten Sinne verändert; mit einer
kommissiven Äußerung geht der Sprecher eine bestimmte Verpflichtung ein, er verspricht
z.B. etwas oder schließt einen Vertrag.
Wenn die illokutive Funktion der Äußerung vom Sprecher in der 1. Person Präsens
Aktiv ausgedrückt wird, spricht man von einer explizit performativen Funktion der Äuße-
rung, vgl.:
Niniejszym mianuje˛ Pana … ‚Hiermit ernenne ich Sie …’, Chrzcze˛ cie˛ …, ‚Hier-
mit taufe ich dich …’, OgΩaszam wasze maΩz˙en´stwo za zawarte. ‚Hiermit erkläre
ich euch zu Mann und Frau.’ Dzie˛kuje˛ ci. ‚Ich danke dir.’ Obiecuje˛ przyjs´c´. ‚Ich
verspreche, zu kommen.’
8.3. Grenzen der Äußerung 583
Mit dem Verb wird dann ausdrücklich gesagt, welcher kommunikative Akt mit dem Äu-
ßern des Satzes vollzogen wird. Die illokutiven Funktionen werden durch solche und ande-
re Komponenten der Äußerung explizit zum Ausdruck gebracht, ihr Verständnis setzt aber
darüber hinaus meist die Kenntnis und Entschlüsselung impliziter Funktionen voraus und
die Anerkennung des illokutiven Aktes erfordert die Erfüllung bestimmter Vorbedingun-
gen, z.B. eine Ernennung die entsprechende Legitimation.
Dem expliziten Anteil einer Äußerungsfunktion entsprechen im Wesentlichen fol-
gende Äußerungskomponenten:
• die durch die Intonation bzw. Interpunktion des Satzes und den Modus des Prä-
dikats vermittelte Satzart;
• Prädikate mit performativer Funktion im Hauptsatz wie in Obiecuje˛ ci (nigdy
wie˛cej nie …) ‚Ich verspreche dir, (ich werde nie wieder … )’, das Prädikat in To
rozkaz. ‚Das ist ein Befehl.’; auch als parenthetische oder weiterführende Glied-
sätze;
• Partikel;
• Interjektionen – sie sind Äußerungen und haben eine bestimmte, nämlich expres-
sive illokutive Funktion.
Für die schriftliche Kommunikation hatten wir gesagt, dass per Default normalerweise ein
interpunktorischer Satz eine Äußerung ist. Als Ausnahmen sind oben schon genannt wor-
den weiterführende Nebensätze
Nazywaja˛ ja˛ fantastka˛, co w zasadzie odpowiada prawdzie. ‚Man nennt sie eine
Märchentante, was im Prinzip der Wahrheit entspricht.’
und Parenthesen,
Nazywaja˛ ja˛ – i w zasadzie odpowiada to prawdzie – fantastka˛. ‚Man nennt sie –
was im Prinzip der Wahrheit entspricht – eine Märchentante.’
Sie können eine andere illokutive Funktion haben, als der Rest des Satzes. Das kann auch
in einem normal nebengeordneten Satz vorkommen, vgl.:
Nie jedz´ do lasu, tam jest niebezpiecznie. ‚Fahr nicht in den Wald (direktive Funk-
tion), dort ist es gefährlich (repräsentative Funktion).’
Jeder interpunktorische Satz, und damit auch jeder einfache Satz, ist also eine Äußerung
oder Teil einer Äußerung. Das Umgekehrte trifft jedoch nicht zu, vielmehr gilt, dass es
Äußerungen ohne Elementarsatz gibt, vor allem solche, die aus Interjektionen, d.h. syntak-
tisch autonomen Wörtern oder Wortkombinationen, bestehen, u.a. Exklamationen wie O!,
584 8. Zur Äußerung
Boz˙e! oder Repliken wie Tak (eine Replik kann jedoch auch in einem Elementarsatz be-
stehen (mit Ellipse von to):
[– Czy to prawda? ‚Ist das die Wahrheit?’]
– Prawda. Szczera prawda. ‚Die Wahrheit. Die reine Wahrheit.’
Auch soziale Formeln wie Dzien´ dobry! und Anreden wie Panie doktorze! sind Äußerun-
gen ohne Elementarsatz. Daneben gibt es Äußerungen mit einfachem Satz und anderen
pragmatischen Bestandteilen, z.B. Äußerungen aus Anrede und einfachem Satz, vgl. Panie
doktorze, prosze˛ … oder aus einfachem Satz mit Partikel:
Alez˙ to niesΩychane! ‚Das ist doch unerhört!’
Tam wΩas´nie on co dzien´ chodziΩ na spacer. ‚Genau dorthin ging er jeden Tag spa-
zieren.’
Die Bestandteile von Äußerungen, die nicht zu einem Elementarsatz gehören, werden hier
als Äußerungsglieder bezeichnet. Die Bestandteile einer Äußerung bzw. eines interpunkto-
rischen Satzes sind also entweder Bestandteile eines einfachen Satzes (Satzglieder und
deren syntaktische Begleiter) oder Äußerungsglieder. Letztere haben nur pragmatische
Funktion.
Die Äußerungsglieder können danach unterschieden werden, ob sie interpunkto-
risch bzw. intonatorisch autonom sind oder nicht. Autonome Äußerungsglieder sind Inter-
jektionen aller Art, die zugleich auch ihre eigene illokutive, nämlich expressive Funktion
haben, und Anreden, die eine Äußerung oder Teil einer Äußerung sein können. Sie sind
durch Satzzeichen vom Rest der Äußerung getrennt ebenso wie diejenigen Gliederungs-
partikel wie no ‚also, na’, die interpunktorisch bzw. intonatorisch abgetrennten sind.
Nicht autonome Partikeln bilden eine interpunktorische bzw. intonatorische Ein-
heit mit einer Satzkonstituente und sollen als ‚pragmatische Begleiter’ bezeichnet werden.
Es sind epistemische Partikeln wie chyba ‚vielleicht’, Abtönungspartikel wie wie˛c ‚also’,
Gradpartikel wie juz˙ ‚schon’, Gliederungspartikel wie a (weicher Äußerungseinstieg).
Wir haben die syntaktische Einheit der Äußerung formal und funktional definiert und zent-
rale innere Strukturen zumindest der schriftlichen anhand des Vorhandenseins von einem,
mehreren oder keinem Elementarsatz charakterisiert. Die spezifischen Strukturen von
mündlichen Äußerungen lassen wir hier unberücksichtigt. Es ist jedoch noch ein viertes
Merkmal von Äußerungen zumindest zu erwähnen, das der monologischen oder dialogi-
schen Außenrelationen. Eine Äußerung ist in der Regel Bestandteil eines Textes oder eines
Gesprächs und hat dementsprechend verschiedene Relationen zu dieser Umgebung, natür-
8.5. Schema der Äußerung 585
lich neben denen, die für beide Arten der Umgebung gelten. Das Personalpronomen ty
oder gdzie in der Funktion des Fragepronomens bezieht sich auf die Sprechsituion mit
Adressat und Sprechort und sind typisch (natürlich nicht obligatorisch) für dialogische
Sprachverwendung, das Personalpronomen on oder gdzie in der Funktion des Relativpro-
nomens beziehen sich auf den Vortext und sind typisch für monologische Sprachverwen-
dung.
Im Folgenden sind die Merkmale der Äußerungen noch einmal in kurz gefasster
Form aufgelistet und in einem Schema dargestellt. Dabei gilt: die Merkmale eines Merk-
mals-Parameters, z.B. der inneren Struktur oder der Illoktion, gelten alternativ für ein Vor-
kommen (daran ändern auch nicht Probleme, die auftauchen, wenn man konkrete Vor-
kommen entsprechend klassifizieren will): Eine Äußerung enthält entweder einen einfa-
chen oder einen zusammengesetzten Satz oder sie ist eine Äußerung ohne Elementarsatz.
Eine Äußerung hat entweder die Illokution eines Versprechens oder die eines Grußes. Die
Merkmale liefern also zugleich die Grundlage für formale oder funktionale Klassifizierun-
gen von Äußerungen.
Funktionale Merkmale: die jeweilige Illokution, die den kommunikativen Sinn der
Äußerung ausmacht.
Formale Merkmale: die Intonation bei mündlichen Äußerungen und die Interpunk-
tion (./?/!), die die Grenzen einer Äußerung markiert.
Außenrelationen: die Merkmale der Einbindung der Äußerung in die Diskurs-
Umgebung, d.h. in ein Gespräch oder in einen monologischen Text.
Strukturelle Binnenmerkmale: die syntaktischen Relationen zwischen den Wort-
formen und Wortformkombinationen in der Äußerung, deren Kern die syntakti-
sche Ordnung des Elementarsatzes mit dem Prädikat an der Spitze ausmacht. Ei-
ne Äußerung kann Äußerungsglieder enthalten, nicht enthalten oder nur aus sol-
chen bestehen.
586 8. Zur Äußerung
Funktion
mündlich:
Intonations- dialogisch
grenze
Form Äußerung Außenrelationen
schriftlich:
Interpunk- monologisch
tionsgrenze
Binnenstrukturen
Unter dem Terminus des Anredesystems (system adresatywny) werden die Mittel der
Versprachlichung des Hörers in einer Kommunikationssituation verstanden. Es geht darum,
mit welchen sprachlichen Mitteln der Sprecher auf den Hörer referiert. Mithilfe der Anre-
deformen kann der Sprecher Kontakt zum Hörer etablieren und im weiteren Verlauf der
Kommunikation aufrechterhalten. Die Wahl der spezifischen Anredeform hängt von der
gesellschaftlichen Beziehung zwischen den Kommunikanden ab, die sich aus den gesell-
schaftlichen Normen ergibt. Die polnischen Anredeformen setzen sich im Wesentlichen
aus folgenden drei sprachlichen Ausdrucksmitteln zusammen:
(a) Personalpronomen: ty, wy, pan 1., pani 1., panowie 1., panie 1. und pan´stwo 1.
(b) Substantive
8.6. Das Anredesystem 587
Prosze± pana! Pan zapomniaΩ kapelusza. ‚Hallo, Sie haben ihren Hut vergessen.’
Ein wesentlicher Unterschied des polnischen Anredesystems zum deutschen besteht in
folgendem: Der Nachname des Hörers wird im Standardpolnischen eher selten genannt!
Selten: Panie Kowalski, kiedy przyjdzie pan do nas naprawic´ kran? ‚Herr Ko-
walski, wann kommen Sie zu uns, um den Wasserhahn zu reparieren?’
Regulär fungieren diese Konstruktionen:
• pan/pani + Vornamen (Vokativ obligatorisch!):
Pani Zosiu, czy moz˙e nam pani przynies´c´ herbate±? ‚Zosia, können Sie uns einen
Tee bringen?’
• pan/pani + Titel (Vokativ obligatorisch!):
Zaraz, panie dyrektorze! ‚Sofort, Herr Direktor!’
Es gilt zu beachten: Im Polnischen kommt es oft zu einer Asymmetrie bei der Verwendung
der Anredeform; d.h. die Gesprächspartner nutzen jeweils andere Anredeformen. Je größer
der Hierarchieunterschied zwischen den Kommunizierenden ist, desto häufiger tritt die
folgende Asymmetrie auf: der Höhergestellte verwendet die Form pan + Vornamen und
der Niedrigergestellte pan + Titel.
Vorgesetzter: – Pani Zosiu, czy moz˙e nam pani przynies´c´ herbate±?
Sekretärin: – Zaraz, panie dyrektorze!
Wenn der Sprecher den Angesprochenen mit Vornamen anredet, kann er sich einer Reihe
von Eigennamenformen bedienen, die eine Abstufung der Intimität widerspiegelt.
Tomasz – Tomek
Einige Teile der vorliegenden Grammatik stellen Übersetzungen dar; auch sind viele Bei-
spielsätze übernommen worden aus:
Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................................1
1. Einleitung.................................................................................................................................7
1.1. Inklusionsbeziehungen ..............................................................................................7
1.2. Modellierung..............................................................................................................8
1.3. Beispiel zur Modellbildung: die Vokabel.................................................................9
1.4. Kombinatorik ...........................................................................................................12
1.5. Defaults ....................................................................................................................13
1.6. Typen und Vorkommen...........................................................................................14
1.7. Paradigmatik und Syntagmatik ...............................................................................16
1.8. Beschreibung und Erklärung...................................................................................16
1.9. Formen und Funktionen .........................................................................................17
1.9. Die äußere Form sprachlicher Einheiten ................................................................18
1.10. Funktionen sprachlicher Einheiten........................................................................19
1.11. Zur vorliegenden Grammatik................................................................................22
1. Phonetik .................................................................................................................................25
1.1. Laut und Buchstabe. Das Internationale Phonetische Alphabet ............................25
1.2. Klassifikation der polnischen Grundlaute...............................................................29
1.2.1. Der Sprechapparat ..........................................................................................30
1.2.2. Vokale .............................................................................................................31
1.2.3. Halbvokale ......................................................................................................33
1.2.4. Konsonanten ...................................................................................................33
1.3. Beschreibung der Artikulation der einzelnen Laute...............................................36
1.3.1. Vokale .............................................................................................................36
a) Die Nasalvokale ........................................................................................39
Ausführliches Inhaltsverzeichnis 599
3. Phonologie .............................................................................................................................65
5. Orthografie............................................................................................................................85
5.1. Das phonetische Prinzip ..........................................................................................85
5.2. Das morphologische Prinzip ...................................................................................86
5.3. Das historische Prinzip ............................................................................................87
5.4. Das konventionelle Prinzip .....................................................................................89
Groß- und Kleinschreibung ......................................................................................89
Zusammen- und Getrenntschreibung .......................................................................90
Worttrennung ............................................................................................................91
6. Morphonologische Alternationen.......................................................................................92
6.1. Konsonanten ............................................................................................................92
6.2. Vokale ......................................................................................................................94
1. Grundlagen............................................................................................................................97
1.1. Funktionen ...............................................................................................................97
1.1.1. Funktionsträger ...............................................................................................98
1.1.2. Funktionsbereiche...........................................................................................98
1.1.3. Typen und Vorkommen................................................................................100
1.1.4. Grammatische Rekategorisierung ................................................................101
1.1.5. Funktionale Alternationen............................................................................102
1.1.6. Register-Alternationen .................................................................................105
1.2. Morphematik..........................................................................................................105
a) ungebundene lexikalische Wurzeln........................................................107
b) ungebundene grammatische Wurzeln....................................................107
c) gebundene lexikalische Wurzeln............................................................108
d) Derivationale lexikalische Affixe ..........................................................108
e) Derivationale grammatische Affixe .......................................................108
f) Endung.....................................................................................................109
g) Weitere Analyseeinheiten.......................................................................109
1.3. Grundprinzipien der Wortbildung.........................................................................110
a) Bildung und Wortbildungsbasis plus Formativ .....................................110
b) Wortbildungsformation ..........................................................................110
c) Bedeutungsfunktion................................................................................111
Ausführliches Inhaltsverzeichnis 601
d) Wortbildungstypen .................................................................................111
e) Wortbildungskategorie ...........................................................................112
f) Zur Regelmäßigkeit.................................................................................113
g) Spezialisierung der Wortbildungsformative ..........................................113
h) Lexikalisierung .......................................................................................114
1.4. Wortarten ...............................................................................................................115
1.4.1. Substantive....................................................................................................119
1.4.2. Adjektive.......................................................................................................120
1.4.2. Verben...........................................................................................................120
1.4.3. Adverben.......................................................................................................120
1.4.4. Funktionswörter............................................................................................120
1.5. Kategorien..............................................................................................................122
1.5.1. Zur Beschreibung von Kategorien der Morphologie ..................................122
Lexikalischer und grammatischer Status ..................................................122
Obligatorische und fakultative Kategorien ................................................124
Wortbildung und Flexion............................................................................127
Traditionelle Kategorienbildung in der Morphologie...............................128
Die Typen morpho-grammatischer Kategorien .........................................129
1.5.2. Die morphologischen Kategorien ................................................................134
Die flektivischen Kategorien ......................................................................134
Die derivationalen morphologischen Kategorien .....................................135
Die klassifikatorische morphologische Kategorie Genus des Substan-
tivs ...............................................................................................................136
1.5.3. Die anderen morpho-gammatischen Kategorien .........................................138
Die Transpositionskategorien .....................................................................138
Erweiterte morphologische Kategorien......................................................139
Lexiko-grammatische Kategorien ..............................................................140
1.5.4. Korrespondierende Kategorien ....................................................................142
Kategoriale Korrespondenzen ....................................................................142
Funktional-semantische Kategorien ...........................................................143
2. Substantive ..........................................................................................................................145
2.1. Lexikalisch-grammatische Kategorien des Substantivs.......................................145
2.1.1. Appellativa....................................................................................................145
2.1.2. Eigennamen ..................................................................................................146
602 Ausführliches Inhaltsverzeichnis
3. Adjektive..............................................................................................................................250
3.1. Lexikalisch-grammatische Kategorien der Adjektive..........................................250
3.2. Adjektivische Wortbildungsformationen..............................................................251
3.2.1. Deverbale Adjektive.....................................................................................251
Typ ‚mylny’.................................................................................................252
Typ ‚oz˙ywczy’ ............................................................................................253
Typ ‚pΩaczliwy’ ...........................................................................................253
Typ ‚zmywalny’..........................................................................................253
Typ ‚osiwiaΩy’ .............................................................................................254
3.2.2. Desubstantivische Adjektive........................................................................254
Typ ‚samochodowy’ ...................................................................................254
Typ ‚piΩkarski’.............................................................................................255
Typ ‚nocny’ .................................................................................................256
Typ ‚tajemniczy’ .........................................................................................257
Typ ‚beczuΩkowaty’ ....................................................................................257
608 Ausführliches Inhaltsverzeichnis
4. Numeralia ............................................................................................................................276
4.1. Bestand und Wortartenzugehörigkeit ...................................................................276
4.2. Kardinalia...............................................................................................................278
,1’.............................................................................................................................279
,2’.............................................................................................................................279
,3 und 4’ ..................................................................................................................280
,5 bis 10’..................................................................................................................281
,11 bis 19’................................................................................................................281
,20, 30 und 40’ ........................................................................................................282
,50, 60, 70, 80 und 90’............................................................................................282
,21, 22, 23 …’ .........................................................................................................283
,100 bis 900’............................................................................................................284
,1 000 und 1 000 000’.............................................................................................284
4.3. Kollektiva...............................................................................................................285
4.4. Ordinalia.................................................................................................................286
4.5. Bruchzahlen ...........................................................................................................287
4.6. Ableitungen............................................................................................................287
5. Pronomen.............................................................................................................................288
5.1. Personalpronomen .................................................................................................288
5.1.1. Kategorien und Bestand ...............................................................................288
5.1.2. Deklination....................................................................................................290
5.1.3. Die Funktionen .............................................................................................291
5.2. Reflexivpronomen .................................................................................................292
5.2.1. sie± ..................................................................................................................294
610 Ausführliches Inhaltsverzeichnis
6. Auxiliare ..............................................................................................................................310
6.1. Kopulae ..................................................................................................................311
6.2. Temporalauxiliare..................................................................................................312
6.3. Diatheseauxiliare ...................................................................................................312
Ausführliches Inhaltsverzeichnis 611
7. Verben..................................................................................................................................328
7.1. Wortbildung der Verben........................................................................................328
7.1.3 Derivation von Verben ..................................................................................328
Deverbale lexikalische und grammatische Derivation ..........................................329
‚Aktionsarten’ .............................................................................................330
7.1.2 Wichtige lexikalische Präfixe und deren Funktionen...................................331
do-................................................................................................................331
na-................................................................................................................332
nad-..............................................................................................................332
o-/ob(e)-.......................................................................................................332
od(e)- ...........................................................................................................333
po-................................................................................................................333
pod-..............................................................................................................333
prze-.............................................................................................................334
przed-...........................................................................................................334
przy-.............................................................................................................334
roz-...............................................................................................................335
u-..................................................................................................................335
w- .................................................................................................................335
wy- ...............................................................................................................336
z- ..................................................................................................................336
za- ................................................................................................................336
612 Ausführliches Inhaltsverzeichnis
7.1.3 Lexikalisches Suffix -ywa-, -a- ohne und mit Präfix ...................................337
7.1.4 Deadjektivische und desubstantivische Derivation......................................337
7.2. Lexikalisch-grammatische Subkategorien des Verbs...........................................338
7.2.1. Typen von Verballexemen (lexikalisch-grammatische Aktionsarten) .......338
7.2.2. Rektionsmodelle ...........................................................................................339
a) Null-stellige Verben ...........................................................................................340
b) Ein-stellige Verben.............................................................................................341
mit gegenständlichem Argument................................................................341
mit propositionalem oder gegenständlichem Argument............................342
c) Zwei-stellige Verben ..........................................................................................342
mit zwei gegenständlichen Argumenten ....................................................342
mit einem gegenständlichen und einem propositionalen Argument .........344
d) Drei-stellige Verben ...........................................................................................345
mit gegenständlichen Argumenten:............................................................345
mit gegenständlichen und propositionalen Argumenten ...........................346
7.3. Der Bestand der grammatischen Kategorien des Verbs.......................................347
7.3.1. Die grammatischen Kategorien....................................................................347
7.3.2. Partizipien, Adverbialpartizipien, Deverbativa ...........................................348
7.4. Konjugationen der Verben und kombinatorische Formtypen der Verbstämme..348
a) Ansätze zur Beschreibung der Konjugationen ..................................................348
b) Die angewandten Prinzipien der Klassifizierung der Verben...........................349
7.4.1. Konjugation -m/-sz .............................................................................................350
a) Haupttyp..............................................................................................................351
CZYTACπ ‚lesen’.........................................................................................351
b) Seltener Typ........................................................................................................351
ROZUMIECπ ‚verstehen’.............................................................................351
c) unregelmäßige Einzelfälle..................................................................................352
DACπ ‚geben’................................................................................................352
MIECπ ‚haben’..............................................................................................352
WIEDZIECπ ‚wissen’ ...................................................................................352
JESπCπ ‚essen’................................................................................................353
7.4.2. Konjugation -e±/-isz .............................................................................................353
a) Haupttypen..........................................................................................................353
MOπWICπ ‚sprechen’ ....................................................................................353
UCZYCπ ‚lehren’ .........................................................................................354
b) Nebentyp.............................................................................................................354
Ausführliches Inhaltsverzeichnis 613
PROSICπ ‚bitten’..........................................................................................354
c) Seltene Typen .....................................................................................................354
S∫YSZECπ ‚hören’.......................................................................................355
SIEDZIECπ ‚sitzen’......................................................................................355
STACπ ‚stehen’..............................................................................................355
SPACπ ‚schlafen’ ..........................................................................................356
7.4.3. Konjugation -e±/-esz.............................................................................................356
a) Haupttypen..........................................................................................................356
KUPOWACπ ‚kaufen’..................................................................................356
POKAZYWACπ ‚zeigen’.............................................................................357
b) Nebentypen.........................................................................................................357
PISACπ ‚schreiben’ ......................................................................................357
MDLECπ ‚in Ohnmacht fallen’....................................................................358
CIA±GNA±Cπ ‚ziehen’ ....................................................................................358
RWACπ ‚reißen’ ...........................................................................................358
MOKNA±Cπ ‚nass werden’ ...........................................................................359
SπMIACπ SIE± ‚lachen’...................................................................................359
MYCπ ‚waschen’ ..........................................................................................359
KRASπCπ ‚stehlen’ ........................................................................................360
WYJA±Cπ ‚herausnehmen’............................................................................360
BRACπ ‚nehmen’ ..........................................................................................360
TRZECπ ‚reiben’ ...........................................................................................361
NIESπCπ ‚tragen’ ............................................................................................361
MOπC ‚können’ ...........................................................................................361
PIEC ‚backen’............................................................................................362
CHCIECπ ‚wollen’ .......................................................................................362
ISπCπ ‚gehen’..................................................................................................362
7.4.4. Außerhalb der Konjugationen: Der Einzelfall BYCπ ‚sein’ ........................362
7.4.5. Verteilung der Verben auf die Konjugationen ............................................363
7.5. Genus verbi und Diathese......................................................................................364
7.5.1. Diathese.........................................................................................................364
Subjekthaltige Diathese ..............................................................................366
Subjektlose Diathese...................................................................................366
Diathese in nicht-finiten Verbformen.........................................................367
7.5.2. Genus verbi ...................................................................................................367
614 Ausführliches Inhaltsverzeichnis
Bildung ........................................................................................................367
Grundfunktion .............................................................................................369
7.5.3. Subjektlose Formen ‚czyta sie±’ und ‚czytano’ ............................................371
7.6. Der Aspekt .............................................................................................................372
7.6.1. Aspektualität .................................................................................................372
Die aktionale Gestalt...................................................................................373
Phasenprofilierung, Dauer ..........................................................................374
Zustandswechsel, Effekt, zyklische Dynamik ...........................................375
Temporale Definitheit (Episodizität)..........................................................377
Aktionale Häufigkeit..................................................................................380
7.6.2. Die Ebenen der Aspektbeschreibung ...........................................................381
7.6.3. Die lexikalische Ebene .................................................................................389
Verb-Vokabeln und Verb-Lexeme.............................................................389
Die Lexemtypen..........................................................................................389
7.6.4. Die morphologische Ebene ..........................................................................393
Aspektuelle Derivation und Kombination auf der morphologischen
Ebene ...........................................................................................................393
Die morphologischen Funktionen des Aspekts..........................................394
Die funktionalen Veränderungen durch aspektuelle Derivation ...............395
Die formalen Veränderungen durch aspektuelle Derivation .....................397
Die funktionalen Aspektpartner..................................................................397
a) Derivation von ipf. Aspektpartnern durch Suffigierung: ....................400
b) Derivation von pf. Aspektpartnern durch Präfigierung.........................401
Lexemtypen und Aspektparnerschaft.........................................................402
Sonderfälle ..................................................................................................403
Verben der Fortbewegung ..........................................................................404
Aktionsarten ................................................................................................406
7.6.6. Morphologische Kombinatorik: Aspekt mit Imperativ oder im Infinitiv
plus Modalauxiliar ..................................................................................................407
Ohne Negation: ...........................................................................................407
Mit Negation: ..............................................................................................410
7.6.5. Die syntaktische Ebene ................................................................................411
Kanonische Satzfunktionen ........................................................................411
Nichtkanonische Satzfunktionen ................................................................415
Die funktionale Asymmetrie zwischen den Aspektpartnern ....................416
7.7. Das Tempus ...........................................................................................................419
Ausführliches Inhaltsverzeichnis 615
8. Adverben .............................................................................................................................462
8.1. Semantische Subkategorien von Adverben ..........................................................462
8.2. Formen ...................................................................................................................462
8.2.1. Durch Adjektive motiviert ...........................................................................463
8.2.2. Durch Partizipien motiviert..........................................................................464
8.2.3. Durch Präpositionalphrasen motiviert .........................................................465
8.2.4. Durch Substantive motiviert.........................................................................465
8.2.5. Adverben und ihre syntaktische Funktion ...................................................465
8.2.6. Adjektive gleicher Form in Prädikatsfunktion ............................................466
8.4. Komparation ..........................................................................................................467
Ausführliches Inhaltsverzeichnis 617
9. Präpositionen ......................................................................................................................469
9.1. Primäre Präpositionen ...........................................................................................470
9.2. Sekundäre Präpositionen .......................................................................................470
9.3. Verwendung der Präpositionen .............................................................................471
9.3.1. Präpositionen mit Genitiv.............................................................................471
9.3.2. Präpositionen mit Dativ................................................................................474
9.3.3. Präpositionen mit Akkusativ ........................................................................474
9.3.4. Präpositionen mit Instrumental ....................................................................476
9.3.5. Präpositionen mit Präpositiv ........................................................................477