Schweizer Deutsch
Schweizer Deutsch
Schweizer Deutsch
Die Schweiz stellt sich als eine bemerkenswerte sprachliche Ausnahme in der
westlichen Welt heraus, weil sie offiziell als ein mehrsprachiges Land bezeichnet wird. In
anderen europäischen Ländern befinden sich doch bedeutsame linguistische Minderheiten
wie zum Beispiel in Italien, wo man eine bunte sprachige Landschaft betrachten kann, aber
der Status der Schweiz ist auffällig: vier Sprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch und
Rätoromanisch) werden als nationale Sprachen anerkannt. Diese Vielfalt von Sprachen ist
sogar komplexer als man auf den ersten Blick beurteilen könnte. In diesem facettenreichen
linguistischen Bild ist die deutsche Sprache am meisten verbreitet: von 7 Millionen
Einwohnern sprechen Deutsch als Muttersprache ungefähr 5.5 Millionen Schweizer 1.
Deutsch ist unwiderruflich eine polyzentrische Sprache, weil sie von mehr als 90 Millionen
Leuten in Europa gesprochen wird; in diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Rolle und die
Stelle der schweizerischen Variante des Hochdeutschen sowohl in der deutschsprachigen
Welt als auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnisse mit den anderen nationalen
Sprachen zu berücksichtigen.
Was beträchtlich ist, sind zweifellos die Koexistenz der Hochsprache und eine große Vielfalt
von Mundarten oder Dialekten und deren überraschenderweise ausgeglichene Beziehung.
Konsequenterweise hat die entsprechende Mundart einen erheblichen Einfluss auf die
Hochsprache und sie verursacht auch markante Abweichungen: „Ein Schweizer, der
Hochdeutsch spricht, bringt ganz andere Ergebnisse hervor als ein Deutscher“. 2 Wie wir in
den nächsten Abschnitten vertiefen werden, weist jede Variante andere phonetische,
tonetische, grammatische und lexikalische Merkmale auf.
Die verschiedenen Dialekte haben eine regionale Herkunft, die einen alemannischen Stamm
hat. Die Schweiz genießt politische Unabhängigkeit seit dem Mittelalter, aber sie verfügt
immerhin über keine kodifizierte schweizerische Schriftsprache, damit das Land
diplomatische und kulturelle Beziehungen unterhalten konnte und am Handelsverkehr mit
1
Für den anfänglichen Teil der Einführung habe ich mich auf den folgenden Text bezogen: Panizzolo, Paola
(1982): Die schweizerische Variante des Hochdeutschen. Marburg: N. G. Elwert Verlag. S. 10-13.
2
Ib. S.12.
der restlichen deutschsprachigen Welt teilnehmen konnte/kann. Überdies hat sie keine
Koiné vielleicht wegen ihrer religiösen und Meinungsverschiedenheit entwickelt. Es begann
schon früh, die Mundarten zu pflegen und den Wert auf die Idiome zu legen als Zeichen für
eine starke Identität: 1862 wurde das erste schweizerische Idiotikon veröffentlicht. Die
ersten zwei Wörterbücher der deutschen Sprache in der Schweiz gehen auf 1561 mit
Maler’s Die Teütsch Spraach und auf 1656 mit Redinger’s Latinisher Runs zurück3. Diese
Tendenz wurde nach dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges hervorgehoben, indem die
Schweizer zu den Mundarten zurückfanden, um sich von den Deutschen zu differenzieren.
3
Rash, Felicity (1998): The German Language in Switzerland – multilingualism, diglossia and variation. Bern:
Peter Lang. S. 120.
4
Sonderegger, Stefan (1964): „Ein Jahrtausend Geschichte der deutschen Sprache in der Schweiz“. In: Sprache,
Sprachgeschichte, Sprachpflege in der deutschen Schweiz. Sechzig Jahre Deutschschweizerischer Sprachverein,
zweite Ausgabe. Zürich: Geschäftsstelle des DSSV. S. 12-15.
5
Hove, Ingrid (22. Juni 2007): Die Aussprache des Deutschen in der Schweiz. Vortrag an der Jahrestagung des
Schweizerischen Vereins für die deutsche Sprache und der Gesellschaft für deutsche Sprache, Luzern. S. 5.
existieren und jede eine spezifische Funktion bekleidet 6. Damit ist eine funktionelle Diglossie
gemeint, in der der Dialekt ein hohes Ansehen hat, weil er die Muttersprache bleibt und
keinem Verfall begegnet. Andere sind der Meinung, dass es sich um keine perfekte Diglossie
handele7, weil das Schweizerdeutsch fast alle Funktionen in zahlreichen Domänen erfüllen
kann, die in anderen Gemeinschaften die Verwendung der Standardsprache benötigen
würden. Das Hochdeutsche wird hauptsächlich für geschriebene Zwecke und formelle
Konversationen benutzt, wobei das Schweizerdeutsche bei informellen Gelegenheiten, in
einer Vielzahl von Nachrichten sowie Volks- und Kinderliteratur bevorzugt wird.
Betrachtet man ein Kontinuum und Übergangsformen oder sind sie eindeutig getrennt?
Während Sieber8 behauptet, dass es kaum Übergangsformen zwischen diesen beiden
Sprachformen gebe, betont Markus Ramseier: „Die beiden Sprachformen Mundart und
Standardsprache sind nicht säuberlich nebeneinander angelegte, selbstständige Stücke einer
Sprache, sondern überlappen und durchdringen sich in hohem Maß“ 9. Auch nach Ammon ist
die Abgrenzung schwierig und er beobachtet „keine fließenden Übergänge (ein sogenanntes
>> Dialekt-Standard-Kontinuum <<) zwischen den beiden Sprachformen; ebenso fehlt eine
überregionale, aus dem Standard abgeleitete Umgangssprache. Die Sprache des alltäglichen
Umgangs bilden die Dialekte“.10
6
Ferguson, Charles (1972, 1990): „Diglossia“. In: Pier Paolo Gagliolo (hrsg.), Language and Social Contex.
London: Penguin. S. 232.
7
Rash, S. 53.
8
Sieber, Peter und Horst Sitta (1986): Mundart und Standardsprache als Problem der Schule (= Reihe
Sprachlandschaft 3). Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg: Sauerländer. S. 29.
9
Ramseier, Markus (1988): Mundart und Standardsprache im Radio der deutschen und rätoromanischer
Schweiz. Sprachgebrauch, Sprach- und Sprechstil im Vergleich (= Reihe Sprachlandschaft 6). Aarau/Frankfurt
a.M./Salzburg: Sauerländer. S. 545.
10
Ulrich Ammon, Hans Bickel, Jakob Ebner, et al. (1995): Variantenwörterbuch des Deutschen. Die
Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und
Südtirol. Walter de Gruyter, Berlin. S. XL.
zunehmenden Vielzahl von Situationen zu verwenden, nennt man „Mundartwelle“ 11. Die
Diglossie ist überhaupt nicht unproblematisch: viele Schweizer haben eine negative
Einstellung zur Hochsprache, die in politischen Verhandlungen und in formellen Kontexten
benutzt wird12. Die schweizerdeutschen Mundarten werden von den anderen nationalen
Sprachgemeinschaften als ein Hindernisfaktor für die Kommunikation betrachtet, weil sie
kaum verständlich sind. Es wird sogar ein abwertendes Wort erfunden, um auf diese
sprachliche Grenze anzudeuten. „Röschtigraben“ bezeichnet die Sprachgrenze zwischen der
deutschsprachigen und der französischsprachigen Schweiz.
Das Hochdeutsche wird in Erwägung als die Sprache der Formalität gezogen, die keinen
Bezug zur Alltagswelt hat: sie wird als eine Fremdsprache empfunden.
2. Phonetische Variationen13
2.1 Vokalen
2.3 Diphthonge
- Die Buchstabenkombinationen ie, ue/uo, üe/üo in Eigennamen und Ortsnamen
werden in der Schweiz gewöhnlich als fallende Diphthonge ausgesprochen, die in
Deutschland monophthongisch gesprochen werden (Rüeggisberg, Spiez, Brienz,
Diesbach, Küenzli, Ruoss);
- Der Diphthong ei wird oft gerundet: riise anstatt reißen;
- Der Diphthong eu wird monophthongisch realisiert: Tüüfel, Tüütsch.
- Der Diphthong [ei] englischer Fremdwörter ist in der Schweiz bewahrt (shake, Baby,
Make-Up, Steak).
2.4 Wortbetonung
Großen Einfluss hat der Dialekt auf die Aussprache besonders hinsichtlich der
Intonation bzw. der Wortbetonung. Tendenziell legt man sie im Schweizerdeutschen auf die
erste Silbe in verschiedenen Komposita (‘nachher, ‘rechtelmachtel), in vielen französischen
Lehnwörtern (Merci, Büro, Buffet, Filet) und in buchstabierten Abkürzungen (SBB, USA),
wobei sie im Hochdeutschen auf der zweiten oder dritten Silbe ist.
Was prosodische Aspekte der schweizerischen Variante betrifft, haben Paola Panizzolo und
Christiane Ulbirch andere Tonhöhebewegungen, mehr Melodiebewegungen, Silben- und
Vokaldehnung bei betonten und Kürzung bei unbetonten Silben festgestellt 14.
2.5 Beispieltext
schwèèr? schwierig?
säit Hoochtüütsch und mèrkt gar sagt Hochdeutsch und merkt gar
bi, ime groosse Hotelgang ine ich in den Ferien gewesen bin, in
de Tüüfel gschtoche, und i ha ich sei Deutscher. Und mich hat der
müese lache. Ja, so gaats äim halt schwümmen?» Darauf haben wir
findt de Rank nöd immer mit em einem halt manchmal, haben wir
wämes hät wele bsunders guet Rank nicht immer mit dem
Und druufabe hät si der äint oder wenn man es besonders gut hat
dörfepmer nöd laa iiriisse, dänn hat sich der eine oder der andere
soo schwèèr, wies iez schiint, ischs gesagt: «Ich probier's gar nicht
halt au wider nöd. Das wämmer mehr.» Da hockt's! Aber diese
3. Grammatische Variationen
3.1 Schreibung
Seit der 1996 eingeführten Reform sind die Unterschiede in der Schreibung zwischen
Schweizerdeutsch und Deutsch gering16: im Schweizerdeutschen wird „ß“ durch „ss“ ersetzt
(Strasse anstatt Straße); der Umlaut ist öfter getilgt als im Hochdeutschen, indem man ein
„e“ nach dem Vokal hinzufügt (ae/oe/ue); Lehnwörter tendieren dazu, die ursprüngliche
Schreibung häufiger zu bewahren (Sauce anstatt Soße, Quai anstatt Kai, Crêpe anstatt Krepp,
16
Rash, S. 154.
chic anstatt schick, Réception anstatt Rezeption). Andere Differenzen bestehen in der
Konsonantenverdoppelung.
HD SD
Substantive, die im Hochdeutschen weiblich sind, können entweder männlich oder sächlich
sein:
HD SD
17
Panizzolo, S. 44-47, Rash, S.157-8.
die Tram(bahn) das Tram
Bei einigen Substantiven impliziert die Abweichung des Artikels auch morphologische
Unterschiede. Überdies können Substantive, die im Hochdeutschen sächlich sind, entweder
männlich oder weiblich sein:
HD SD
Der Artikel einiger Substantive der letzten Gruppe könnte von den anderen nationalen
Sprachen beeinflusst worden sein (zum Beispiel sind Foto, Fräulein, Radio im Französischen
und Italienischen auch weiblich: la photo/foto, la mademoiselle/signorina, la radio).
Im Schweizerdeutschen geht der bestimmte Artikel mehr Ortsnamen und Eigennamen (wie
in einigen Varietäten in Deutschland) voran: der Thurgau, der Peter. Man bezieht sich auf
Mädchen und Frauennamen mit dem sächlichen bestimmten Artikel.
3.3 Kasus
Einige Präpositionen regieren einen anderen Kasus als im Hochdeutschen 18: wegen,
trotz und während können mit dem Dativ benutzt werden: wegen dir anstatt deinetwegen;
18
Panizzolo, S.56.
während dem ganzen Tag anstatt während des ganzen Tages.
Außerdem wird der Akkusativ (sing., männlich) gelegentlich mit dem Nominativ
gleichgesetzt: es gibt kein Grund.
Der Genitiv wird weitgehend zur Zeitbestimmung verwendet: heute morgens, eines Monats.
Der Dativ erscheint oft bei Präpositionen mit doppelter Rektion in Fällen, in denen das
Hochdeutsche üblicherweise den Akkusativ vorsehen würde: Ich fahre in der Stadt.
3.4 Präpositionen
Manche Verben, Substantive und Adjektive weisen eine andere Valenz auf als im
Hochdeutschen20: Antwort für (HD: auf), Bedarf von (HD: an), Beziehung mit (HD: zu),
Nachfrage über (HD: nach), behilflich zu (HD: bei), dankbar um (HD: für), froh um (HD: über),
verschieden zu (HD: von), beitragen an (HD: zu), kommen auf (HD: nach), interessiert sein in
(HD: an), helfen an (HD: bei), gratulieren für (HD: zu).
Differenzen hinsichtlich der Formation de Plurals sind auch zu betrachten, in der keine
bestimmten Regeln verfügbar sind, aber auffällig ist die Tendenz, dass mehr umgelautete
Pluralformen vorkommen als in Deutschland: Pärke (HD: Parken), Bögen (HD: Bogen).
3.6 Affixe
19
Rash, S. 160.
20
Panizzolo, S. 47, 49, 54, 55.
(das Tanzen). Das Suffix –i kommt häufig vor: Rolli (Schubkarre), Nuggi (Schnuller), Stürmi,
Muni.
3.8 Pronomina
21
Rash, S. 158; Ammon, S. LXXII.
22
Rash, S. 159.
Bemerkenswert ist die Verwendung von Relativpronomina: wo bekleidet eine
vielfältige Funktion und es kann sich im Schweizerdeutschen sogar auf Personen beziehen:
Ein Mann, wo Geld verdient hat; etwas, wo niemand weiß; der Tisch, wo darauf ein Buch
liegt23.
3.9 Verbformen
In der 1. Person Singular (Nominativ) wird das Personalpronomen ausgelassen: Wenn etwas
kaufe, gebe dir morgen. Es ist wahrscheinlich ein Resultat des Einflusses der herumliegenden
Sprachen: Italienisch wird als Pro-Drop-Sprache bezeichnet, weil es in romanischen Sprachen
im Allgemeinen (außer Französisch) üblich ist, das Subjekt im Nominativ zu elidieren. Auch
im Interrogativsatz wird die 2. Person Singular oft weggelassen (Was meinst?).
Andere beträchtliche Merkmale betreffen das Erscheinung oder die Auslassung des Ablautes
(er bratet, er fallt, er haltet, er hangt, er lauft, er ladet, er ratet, er wascht – ihr fährt, ihr fällt,
ihr schläft), die Konjugation (einige schwache Verben werden stark konjugiert – gebauen,
überzogen – oder umgekehrt – getrügt, gebittet, gedenkt, gekennt), manche Präfixverben
(ich anerkenne anstatt ich erkenne an) und die Verwendung von Reflexivverben ohne
Reflexivpronomen (ändern, auseinandersetzen)25.
23
Panizzolo, S. 49-50.
24
Ammon, S. LXXII.
25
Panizzolo, S. 51-54.
regieren den Genitiv; bedürfen, halten und nützen regieren den Akkusativ; warten und rufen
regieren den Dativ26.
3.11 Satzbildung
4. Lexikalische Variationen
Die Herkunft mancher Wörter und deren situative Verwendung sind Dialekten verankert:
absitzen (sich setzen), gluschig (lecker), Mischtchratzerli (kleines Huhn), Cheib (Fluchwort).
Wenige Helvetismen wurden in den hochdeutschen Wortschatz einbezogen und sie sind
sogar in anderen Sprachen angenommen worden: Müesli, Rösti, Lawine, Rufe.
Andere Lexeme, die begrenzt in Deutschland verwendet werden, sind jedoch üblich in der
Schweiz: Matte (Wiese), Kehricht (Abfall, Müll), Schragen (Campingliege), stetsfort
(immerfort), Bauernsame (Bauernschaft), Geschma. Im Vergleich zum Hochdeutschen wird
die Bedeutung einiger Wörter verschoben bzw. erweitert: Anzug (Antrag im Parlament),
Auffahrt (Aufstieg), Bühne (Heuboden), Scheune (Saustall), Kleid (Anzug), dürr (geräuchert),
fest (gut gebaut, muskulös), zügig (auffällig), Geschmack (Geruch), Gipfel (Hörnchen),
Hausmeister (Hausbesitzer), (der) Luft (Wind), Umgang (Vorhang), schaffen (arbeiten),
abschaffen (bezahlen), hausen (sparen), springen (laufen), hinter sich (rückwärts), begreiflich
30
Die mitgebrachten Beispiele beziehen sich auf Rash (1998, S. 162-166), Panizzolo (1982, S. 60-65), Ammons
Wörterbuch (passim).
(natürlich), für sich (vorwärts). Veraltete Wörter überleben nur im Schweizerdeutschen,
wobei damals sie im ganzen deutschsprachigen Raum verbreitet waren: Liegenschaft (Stück
Land, Eigentum), einhellig (einstimmig), inskünftig (in Zukunft). Letztlich lohnt es sich, einige
Redewendungen zu erwähnen: einen Span ausgraben (einen Streit suchen), kein Bein, kein
Knochen (kein Mensch), jemandem den Bart anhängen (jemanden verantwortlich machen),
die Hefte revidieren (Aussichten Meinungen überprüfen und ändern).
In der Renaissancezeit (15.-16. Jahrhundert) war Italienisch eine sehr relevante Sprache
vorwiegend in kulturellen und literarischen Bereichen. Später besetzen italienische
Lehnwörter auch die Felder der Landwirtschaft, des Haushaltes, der Mode und Gastronomie.
Aufgrund der Nahe zum italienischsprachigen Kanton Tessin sind einige Lehnwörter
spezifisch schweizerisch. Beispiele: Salü (Begrüßungsformel unter Bekannten), Marend (<
Merenda, Nachmittagsimbiss), Manestre (< Minestra, Suppe), Kaparre (< Caparra, Pfand),
Kardifiol (< Cavolfiore, Blumenkohl).
Englisch ist ein wesentlicher Einfluss seit dem 20. Jahrhundert und noch wichtiger seit dem
zweiten Weltkrieg in allen Varietäten des Deutschen und ein bedeutsamer Bestandteil der
Umgangssprache und der Alltagssprache der Jugend. Ausschließlich schweizerisch sind die
folgenden Entlehnungen: snöben (to snowboard, snowboarden im Hochdeutschen), Car
(Autobus für Ausflugfahrten), Change (Geldwechsel), Tea-Room (alkoholfreies Café – in
Deutschland nicht übrig).
5. Pragmatische Variationen
Was das Sprachverhalten der Schweizer betrifft, betrachtet man in erster Linie
bedeutende Variationen in Begrüßungen/Grußformeln und in den Anreden 33. Ammon stellt
mehr Unterbrechungen in der Konversation in Deutschland als in der Schweiz fest;
außerdem ist der Gebrauch von Abtönungspartikeln eh und halt typisch für Süddeutschland,
die Schweiz und Österreich; sie sind dennoch jetzt auch in Norddeutschland ausgebreitet. In
der Aufführung einiger Sprechakte gibt es auch Unterschiede: in Deutschland wird es
gewöhnlicher beim Bestellen im Restaurant, „ich kriege X“ zu sagen, wobei in der Schweiz
„ich hätte gern X“ zu bevorzugen ist. Indirektere Redeeinstiege, Entleiteformulierungen und
Höflichkeitsformen werden erheblich benutzt und Konversationsregeln werden strenger
33
Ammon, S. LXXIV, LXXV.
eingesetzt (Duzis machen wird trotzdem immer üblicher in der Schweiz) 34; weniger Wert
wird jedoch auf berufliche bzw. akademische Titel gelegt als in Deutschland und Österreich.
Begrüßungen und Verabschiedungen stellen sich als soziale Rituale heraus 35: sie verkörpern
eine entscheidende Art von Sprachverhalten, das für die gesellschaftliche Kohäsion in vielen
Kulturen unerlässlich ist. Unter verschiedenen Begrüßungsformeln nennt man: grüezi
(mitenand/zamme), grüezi wol, guete Morge, salü, tschau, uf wider luege, adieu, schöne
Tag/Namittag/Aabig, schöns Wochenend, schöni Fäschtäg, schöni Wiinachte/Oschtere, es
guets neus Jahr/gueti Rutsch. Solche Formeln werden regelmäßig von anderen
Komponenten geprägt, weil man auf Formalitäten achtet: die Begrüßungen hallo, salü und
hoi gehen gewöhnlich dem Eigennamen voran.
34
Rash, S. 277.
35
Rash, S. 278.
6. Quellen
2. Ferguson, Charles (1972, 1990): „Diglossia“. In: Pier Paolo Gagliolo (hrsg.),
Language and Social Contex. London: Penguin;
3. Hove, Ingrid (22. Juni 2007): Die Aussprache des Deutschen in der Schweiz. Vortrag
an der Jahrestagung des Schweizerischen Vereins für die deutsche Sprache und
der Gesellschaft für deutsche Sprache, Luzern;
8. Sieber, Peter und Horst Sitta (1986): Mundart und Standardsprache als Problem
der Schule (= Reihe Sprachlandschaft 3). Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg:
Sauerländer;