Die International Federation of Football History & Statistics (IFFHS) ist eine internationale Vereinigung von Fußballstatistikern. Der Sitz befindet sich in Zürich in der Schweiz. Bekannt ist die IFFHS für ihre zahlreichen Buchveröffentlichungen zur Geschichte des Fußballs und für ihre durchgeführten Wahlen, wovon insbesondere die Auszeichnungen für den Welttorhüter und den Weltschiedsrichter größere Verbreitung in den Medien erfahren. Laut eigenen Angaben hat die Organisation rund 200 Mitglieder in 120 Ländern.[1]
Ziel ist eine umfassende Dokumentation der Sportart Fußball. Zu diesem Zweck führt die Vereinigung Statistiken über Länderspiele, olympische Fußballturniere, kontinentale Wettbewerbe, nationale Meisterschaften und Pokalwettbewerbe, erstellt regelmäßig eine Klub-Weltrangliste und sammelt skurrile Fakten, die sie auch im Internet veröffentlicht. Ferner führt die IFFHS jährlich zahlreiche Wahlen unter anderem zum Welttorhüter, zum Welttorjäger oder zum Weltschiedsrichter durch.
In der Vergangenheit gab die Organisation mehrere Fußball-Zeitschriften heraus. Ferner erschienen Bücher zu A-Länderspielen, den olympischen Fußballturnieren, zu den Fußball-Europapokal-Wettbewerben sowie zu den eigenen Wahlen und Veranstaltungen. Sowohl die Veröffentlichung der Zeitschriften als auch die als Serien geplanten Buchausgaben sind Anfang der 2000er Jahre eingestellt worden. Fortan konzentrierte man sich ausschließlich auf die Veröffentlichung im Internet.
Die Vereinigung wurde am 27. März 1984 in Leipzig von ihrem langjährigen ersten Präsidenten Alfredo Pöge gegründet.[2] Im Juni 1985 verließ Pöge mit seiner Familie die DDR – laut eigener Aussage wurde er dazu gedrängt – und ließ sich in Wiesbaden nieder. Später verlegte Pöge seinen Wohnsitz und damit auch den Hauptsitz der IFFHS nach Bonn.
Von 1987 bis 2002 gab die Organisation die Fußball-Weltzeitschrift und eine weitere Zeitschrift, den Libero heraus, von dem es zeitweise die Varianten spezial deutsch und international gab. In den 1980er und 1990er Jahren gab die IFFHS auch etliche Bücher und andere Print-Publikationen mit statistischen Auswertungen aus der Historie des Fußballs heraus, die später aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten eingestellt wurden.
Zu Beginn der Vergabe der Ehrungen Ende der 1980er Jahre sorgten diese noch für ein großes Medienecho. Der Sportartikelhersteller Uhlsport sponserte die Welttorhüterwahl und eine hessische Hotelkette übernahm die Reisekosten der Stars zu der von der IFFHS ausgerichteten jährlichen World Football Gala in Fulda. Bei der damals noch durchgeführten IFFHS-Wahl zum Weltfußballer – die 1988 und 1989 Marco van Basten und 1990 Lothar Matthäus gewann – stieg Adidas als Sponsor ein, bis 1991 die FIFA eine eigene Weltfußballerwahl startete und die IFFHS ihre einstellte. Lange Zeit wurden die Ergebnisse der IFFHS-Wahlen in vielen Medien verbreitet und die Preisübergabe mit Live-Übertragungen auf den TV-Kanälen RTLplus, DSF oder dem italienischen Sender RAI begleitet. Noch im März 2006 übergab Pöge live im Aktuellen Sportstudio im ZDF die IFFHS-Auszeichnungen an José Mourinho, Petr Čech und Markus Merk.
Nachdem sich bei einem Gerichtsverfahren im Jahr 2006 herausstellte, dass die IFFHS als Personenvereinigung nirgendwo offiziell registriert sei und die Zweifel an der Seriosität der IFFHS lauter wurden (siehe auch Abschnitt „Kritik“), rückte die IFFHS mehr und mehr in eine Nische. Die Deutsche Presse-Agentur stellte die Vermeldung der IFFHS-Statistiken und -Auszeichnungen ein und die letzten Sponsoren sprangen ab. 2008 fand die letzte World Football Gala statt, seitdem vermeldet die IFFHS ihre Wahlergebnisse nur noch über ihre eigene Homepage.[1]
Geführt wird die Organisation von einem Exekutivkomitee, bestehend aus dem Präsidenten, drei Stellvertretern und weiteren Mitgliedern. Nach dem Tod von Alfredo Pöge am 26. März 2013 übernahm zunächst der langjährige IFFHS-Vizepräsident Robert Ley aus Frankreich die Interimspräsidentschaft. Im März 2014 wurde nunmehr für zunächst fünf Jahre von den Mitgliedern des Exekutivkomitees Saleh Salem Bahwini aus Saudi-Arabien zum neuen Präsidenten gewählt.[3] Im April 2019 wurde er wiedergewählt. In seiner ersten Amtszeit wurde der Hauptsitz der Organisation von Lausanne nach Kloten verlegt, zudem wurde mit den Schweizer Behörden der Rechtsstatus der Organisation geklärt.[4] Mitglieder wurden bisher auf Vorschlag anderer Mitglieder aus einem Kandidatenpool ernannt.
Der Titel The World’s Best Player (IFFHS-Weltfußballer) wurde bereits 1988 bis 1990 verliehen, dann aber aufgrund der Einführung der offiziellen Wahl zum FIFA-Weltfußballer des Jahres eingestellt. 2020 wurde die Wahl wieder eingeführt.
Der Titel „Welt-Torhüter“(The World’s Best Goalkeeper) wird seit 1987 jährlich an Fußballtorhüter vergeben. An der Wahl des Siegers nehmen laut IFFHS ausgewählte Fachredaktionen und Experten aus 70 Ländern aller Fußball-Kontinente teil. Seit 2012 wird auch die „Welt-Torhüterin“ ausgezeichnet.
Der Titel „Welt-Schiedsrichter“(The World’s Best Referee) wird ebenfalls seit 1987 jährlich an Fußballschiedsrichter vergeben. An der Wahl des Siegers nehmen laut IFFHS ausgewählte Fachredaktionen und Experten aus 70 Ländern aller „Fußball-Kontinente“ teil. Seit 2012 wird auch die „Welt-Schiedsrichterin“ ausgezeichnet.
Der Titel „Welt-Torjäger“(The World’s Best Top Goal Scorer) wird seit 1991 jährlich an Fußballspieler vergeben. Bei der Ermittlung des Siegers werden dabei von der IFFHS all jene Tore berücksichtigt, welche innerhalb eines Kalenderjahres bei folgenden internationalen Spielen erzielt wurden:
Spiele im Rahmen der (inter-)kontinentalen Klubwettbewerbe der sechs kontinentalen Konföderationen, einschließlich Supercups (AFC – Asien, CAF – Afrika, CONMEBOL – Südamerika, CONCACAF – Nordamerika, OFC – Ozeanien und UEFA – Europa).
Für den Fall, dass zwei oder mehrere Spieler gleich viele Tore erzielt haben, entscheidet die Zahl der in A-Länderspielen erzielten Tore über die Rangfolge. Diese Regelung kam bisher fünfmal zum Tragen.
Seit 1997 gibt es die zusätzliche Auszeichnung zum weltbesten Erstligatorschützen (The World’s Best Top Division Goal Scorer), bei dem die Anzahl der Tore in der jeweiligen nationalen Liga ausschlaggebend ist. Dabei werden nur die 100 besten nationalen Ligen berücksichtigt. Von 1997 bis 2004 gab es zusätzlich die Auszeichnung zum effektivsten Torschützen (World's Most Effective Top Division Goal Scorer of the Year). 2020 wurde eine Auszeichnung zum insgesamt besten Torschützen (The World's Best Top Goal Scorer) eingeführt, die alle Tore des Kalenderjahrs berücksichtigt.
Seit 1991 führt die IFFHS eine monatlich aktualisierte Klub-Weltrangliste (Club World Ranking), aus der jährlich der beste Verein des abgelaufenen Kalenderjahres gekürt wird (The World’s Club Team of the Year). In die Wertung gehen die Ergebnisse aller offiziellen nationalen und internationalen Wettbewerbe ein. Seit 2012 wird auch der beste Verein im Frauenfußball ausgezeichnet.
2009 wurden für jeden Kontinent die besten Vereine des 20. Jahrhunderts benannt (Best Continental Clubs of the 20th Century). Diese waren Real Madrid (Europa), Peñarol Montevideo (Südamerika), Asante Kotoko SC (Afrika), al-Hilal (Asien), CD Saprissa (Nord-/Mittelamerika) und South Melbourne FC (Ozeanien). 2012 wurde der FC Barcelona als Bester Klub des Jahrzehnts (2001–2010) (World's Club Team of the Decade) gekürt.
Ebenfalls seit 1991 kürt die IFFHS jährlich die stärkste nationale Liga der Welt (The Strongest National League of the World) im abgelaufenen Kalenderjahr. In die Wertung gehen die Ergebnisse aller Vereine in den offiziellen nationalen und internationalen Wettbewerben ein. Seit 2020 wird auch die beste Liga im Frauenfußball gekürt.
Der Titel „Welt-Klubtrainer“(The World’s Best Club Coach) wird seit 1996 jährlich an Trainer von Klubmannschaften vergeben. Ebenfalls seit 1996 wird der Titel „Welt-Nationaltrainer“(The World’s Best National Coach) jährlich an Trainer von Nationalmannschaften vergeben. An der Wahl des Siegers nehmen laut IFFHS ausgewählte Fachredaktionen und Experten aus allen Fußball-Kontinenten teil. Seit 2020 werden auch die besten Trainer und Trainerinnen im Frauenfußball ausgezeichnet.
Der Titel The World’s Best Playmaker (Welt-Spielmacher) wird seit 2006 jährlich an Spielmacher vergeben. An der Wahl des Siegers nehmen laut IFFHS ausgewählte Fachredaktionen und Experten aus allen Fußball-Kontinenten teil. Seit 2012 wird auch die Welt-Spielmacherin ausgezeichnet.
Der renommierte Kölner SporthistorikerKarl Lennartz bezeichnete die IFFHS als „obskur“ und vermutete dahinter weitestgehend eine „Ein-Mann-Veranstaltung“ des früheren Präsidenten Alfredo Pöge.[5][6] Jörg Kramer kam in einem Artikel des Spiegels aus dem Jahr 2009 zu einer ähnlichen Erkenntnis.[7] Dem steht gegenüber, dass in Artikeln aus von der IFFHS herausgegebenen Zeitschriften bekannte Journalisten und Statistiker als Autoren genannt werden, darunter Karl-Heinz Jens[8], Gerhard Raschke, Colin José und Kaare M. Torgrimsen. Zudem wurden zahlreiche IFFHS-Mitglieder auf der eigenen Internet-Seite vorgestellt, u. a. auch etliche Autoren der bisher erarbeiteten Beiträge für den Zeitraum 1872 bis 1910. Nach Pöges Tod im März 2013 wurde die offizielle Homepage der IFFHS vorübergehend nicht mehr aktualisiert. Die in der Folge überarbeitete Seite enthält keinerlei fußballhistorische Angaben mehr, sondern nur noch die von der IFFHS durchgeführten Ehrungen.
Auffallend bleibt, dass zumindest aus den führenden Fußballnationen wie beispielsweise England, Italien, Brasilien, Argentinien und auch Deutschland keine weithin bekannten Journalisten oder sonstige Experten als Mitglieder der IFFHS bekannt waren. Von den 13 aufgeführten Mitgliedern des sogenannten Executive Committee galten lediglich der mexikanische Buchautor Carlos F. Ramírez und der kanadische Buchautor und Verbandsstatistiker Colin José als Autoritäten auf dem Fachgebiet Fußball. Die weiteren Mitglieder waren außerhalb des direkten Umfeldes der IFFHS kaum oder gar nicht bekannt. Teilnehmer an Wahlen zu von der IFFHS ausgegebenen Ehrungen wurden nicht klar spezifiziert. Stattdessen waren pauschal „auserwählte Fachredaktionen“ als Juroren angegeben, bzw. die Wahl erfolgte „in Einzelfällen unter der Regie der IFFHS-Mitglieder durch Fachleute“.
Weitgehende Anerkennung hatte die Fachwelt den Print-Publikationen der IFFHS aus den 1980er und 1990er Jahren gezollt, da damit in Bezug auf die Präsentation historischer, besonders statistischer Details aus der deutschen und internationalen Fußballgeschichte Neuland erschlossen wurde. Durchweg alle Texte waren mit Klarnamen der Autoren versehen. Nachdem finanzielle Probleme[9] zur Einstellung dieser Publikationen führten, verlegte die IFFHS ihre Schwerpunkte auf die von ihr herausgegebenen Ranglisten und durchgeführten Wahlen. Über deren Stellenwert bestehen in Teilen der deutschen Medienlandschaft erhebliche Zweifel. Während die IFFHS-Informationen nach erfolgter Einstellung der eigenen Printprodukte hauptsächlich in Publikationen erscheinen, die mit Hilfe des Sport-Informations-Dienstes („sid“) verbreitet wurden, verzichtete die Deutsche Presse-Agentur („dpa“) vollständig auf die Vermeldungen.
Jörg Kramer: Die Vermessung der Fußballwelt. In: Der Spiegel. Nr.28, 6. Juli 2009, ISSN0038-7452, S.110–111 (online [abgerufen am 28. September 2013]).
Erik Eggers: Der Nabel des Weltfußballs: Auf der Suche nach Dr. Alfredo Pöge. In: 11 Freunde. Nr.60, November 2006 (Neuveröffentlichung des Artikels online verfügbar unter Dr. Seltsam: Die dubiose Welttorhüterwahl vom 8. Januar 2016).
↑Zur Gründung vgl. Jörg Kramer: Die Vermessung der Fußballwelt. In: Der Spiegel. Nr.28, 6. Juli 2009, ISSN0038-7452, S.110–111 (online [abgerufen am 28. September 2013]).; Pöge wurde später zur Ausreise aus der DDR gedrängt.
↑langjähriger stellvertretender Chefredakteur des Kicker und ehemaliger Herausgeber des Kicker-Almanach; vgl. Meldung zu seinem 90. Geburtstag im Kicker vom 8. Mai 2008, Seite 11, und Artikel bei Skrentny/Prüß, Mit der Raute im Herzen (Göttingen 2008), S. 341
↑Jörg Kramer: Die Vermessung der Fußballwelt. In: Der Spiegel. Nr.28, 6. Juli 2009, S.111.: „Doch die fetten Jahre sind vorbei. Die Sponsoren sind weg (...) Für neue Veröffentlichungen fehlt Geld.“