Schultz, Oliver Lerone/Baleva, Martina/Reichle, Ingeborg (2012) : “IMAGE MATCH. Neue
Indizes einer globalen Bildtheorie”. In: Schultz, Oliver Lerone/Baleva, Martina/Reichle,
Ingeborg. IMAGE MATCH. Visueller Transfer, ʻImagescapesʼ und Intervisualität in globalen
Bild-Kulturen. Fink. München. (S. 9-24)
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IMAGE MATCH: neue Indizes einer globalen
Bildtheorie
M ARTINA B ALEVA, I NGEBORG R EICHLE, O LIVER L ERONE S CHULTZ
I. Imagescapes: Begegnungen mit und in neuen Bildräumen
Im Zuge der Globalisierung geraten Bilder mitsamt den sie tragenden Kulturen
in neuer und massenhafter Weise in Bewegung. Bilder werden zunehmend Teil
transnationaler und transregionaler Migration, fließen millionenfach durch
neue globale Kommunikationskanäle und wandern über Grenzen des Verstehens. Dabei sind Bilder – über soziokulturelle Akteure wie auch über ihre
mediale Verortung – kulturell gebunden an neue Perspektivitäten, an Vektorenund Skalierungsordnungen, an Formen von Beweglichkeit und Mobilität, aber
auch Sistierung. Im Zeitalter eines unablässigen Rapports zwischen Globalität
und Lokalität und neuer Formen von Translokalitäten fusionieren Bilder und
ganze Bildwelten ununterbrochen zwischen soziokulturellen Domänen, Teilkulturen oder vormals separierten Bedeutungsräumen. Bilder sind offen für die
Begegnung, die Gegenüberstellung und den Transfer von Bedeutungen, sie werden angeeignet, ausgelegt, aufgegriffen, amalgamiert und annotiert.
Die nicht zuletzt durch digitale Medien neu figurierte globale Gegenwart,
die neuerdings durch Begriffe wie ›Second Media Age‹, ›Netzwerkgesellschaft‹
oder ›Liquid Modernity‹ beschrieben wird, veranlasst die Autoren von IMAGE
MATCH, Spuren, Phänomene und Ergebnisse eines historisch schon lange vorgezeichneten Schauspiels zu reflektieren. Es geht schließlich um nichts weniger
als um die Einschätzung einer qualitativen Verschiebung unserer Bildkultur hin
zu einer grundsätzlich transkulturell verfassten Bildlichkeit und einer Intervisualität in dynamischer Permanenz.
Abgesehen von zunehmend beschleunigten und verdichteten Austauschbewegungen verändert sich das Beziehungsdreieck von Bild/Betrachter/Produzent in grundsätzlicher Weise. Zuschauer und Beobachter werden zu vermittelten Akteuren, sind diese heute doch gezwungen, die sie umgebenden bildgesättigten medialisierten Umgebungen aktiv ›auszulesen‹. Aufgrund der ubiquitären Zugänglichkeit digitaler Technologien kann zudem jeder in umfassender
Weise zu einem Bildproduzenten werden. Es gibt kaum einen Zuschauer mehr,
der nicht die Ästhetiken und Inszenierungen verschiedener Bildangebote vergleichen und diskutieren kann, kaum noch einen Haushalt ohne Digitalkamera,
Scanner oder Bildbearbeitungsprogramm. Die Allgegenwart von Megapostern und der »Culture of the Screen« stellt eine neue Landschaft bildbezogener
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Selbstverortungen her. Kulturphänomene wie Graffiti oder Street-Art verweisen zudem darauf, dass auch jenseits von digitalen Produktionsprozessen im
engeren Sinne die globalisierte(n) Gesellschaft(en) ebenso vitale wie stabile Bildkulturen auf hohem Schöpfungsniveau mit einer Vielzahl neuer Signifikationsräume ausbilden.1
Die Logik dieser neuen Verfasstheit des Bildlichen reicht tief in unsere Alltagspraktiken und Erfahrungswelten hinein und ergreift uns alle auf nachhaltige Weise: jeden, der Bildartefakte von seinen Reisen und Städtetrips mitbringt
oder vor Ort auf den Märkten der Kulturmigranten kauft; jede, die als Zuschauerin einer internationalen Filmproduktion in einem Kino-Komplex sitzt
oder sich in einem der vielen Filmfestivals die sogenannten Arthaus- oder Independent-Filme bislang unbereister Länder anschaut (früher als ›B-Movies‹ tituliert); jeden, der seine Bilder bei Flickr, in anderen ›Social Websites‹ einstellt oder
von Plattformen herunterlädt, welche selbst längst unzählige Formen und Formate von Bildproduktionen mit global verteilten Teilnehmern generiert haben2;
jede Zuschauerin von TV-Produktionen einer internationalisierten TV-Produktionsmaschinerie mit all ihren sich mittlerweile wechselseitig zitierenden Formaten, Genres und Ikonografien3; jeden, der zu den visuellen Bildwelten weltweit gebuchter und sich im global verfügbaren Bilderpool bedienender VJs
tanzt4 oder sich die Mashup-Videos5 global präsenter Videoautoren und Videoaktivisten anschaut; jeden, der die Spuren ›seines‹ Lieblings-Street-Art-Künstlers mit dessen je eigenen und aus einem globalen Repertoire der Stile montierten Bildsprache verfolgt6, nur um sie anschließend mithilfe der digitalen
Fotografie wieder in den grenzenlosen Bilderpool zurückzuspiegeln und in
Netzforen zu diskutieren. Jede und jeder nimmt heute mehr oder weniger aktiv
teil an einem transnationalen Spiel, einer interkulturellen Verhandlung der Bilder, ihrem Austausch und ihrer produktiven Begegnung.7 Diese Begegnung ist
vermittelt durch technische und soziale Infrastrukturen und ist letztlich immer
auch als eine kulturelle bestimmt. Gerade aus den hier zugrunde liegenden kulturellen Verschiedenheiten, Komplementaritäten und Spannungen entsteht etwas Neues, ein Drittes, das sich in diesen Bildern erst ausbildet und visuell manifestiert. In vielfachen Formen konturieren sich Bilder heutzutage durch eine
1 Ulf Wuggenig: The Tattooings of Cities. Notes on the Artistic Field and Popular Art in the
City. In: Timon Beyes et al. (Hg.): ParCITYpate. Art and Urban Space, Zürich 2009, S. 155–
180.
2 Siehe mit Blick auf neue Bildästhetiken Susan Murray: Digital Images, Photo-Sharing, and
Our Shifting Notions of Everyday Aesthetics. In: Journal of Visual Culture 7 (2008), S. 147–
163.
3 Graham Murdock: Transnational Television in Transition. Emerging Forces, Persistent Powers. In: Journal of Communication 58 (2008), S. 187–192.
4 Michael Faulkner: VJ: Audio-Visual Art + VJ Culture, London 2006.
5 Siehe Stefan Sonvilla-Weiss (Hg.): Mashup Cultures, Wien u. a. 2010.
6 Katrin Klitzke, Christian Schmidt: Street Art. Legenden zur Straße, Berlin 2009.
7 Siehe Arthur Engelbert: Global Images. Eine Studie zur Praxis der Bilder, Bielefeld 2011.
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bildgewordene Begegnung, eine Verhandlung, einen Transfer. Bilder lassen sich
heute nicht mehr hinreichend erfassen in den tradierten Kategorien von Autor,
Werk und Provenienz, von Ikonografie oder Motiv, sondern stellen fast immer
eine ›Verschaltung‹ von Sichtbarkeiten und Darstellungswelten unterschiedlicher, bereits bestehender Bildkulturen und Urheber dar.
II. Intervisualität: die Logik des Bildlichen im Zeichen
globaler Transfers
Nach der (post-)strukturalistischen und semiotischen Solvenz des Bildlichen ins
Sprachliche und in semiologische Differenzialstrukturen zeugen die globalen,
vielfach top(olog)ischen ›Imagescapes‹ (Bildlandschaften) auch von einem besonderen, altbekannten und ans Mythische grenzenden Versprechen: der universellen ›Lesbarkeit‹ des Visuellen und der vollkommenen Sprache der Bilder.8
Die Transparenz und Kontinuität unserer ebenso realen wie imaginierten globalen Ikonosphäre9 wird allerdings fraktalisiert und gebrochen durch alte wie
neue Bilderstreits, die sich etwa in Karikaturen, postkolonialen Rückführungsansprüchen oder einem Krieg der Bilder in weltweit zu empfangenden Nachrichtenstudios manifestieren. Gleichzeitig wird die visuelle Vielfalt der Ikonosphäre nivelliert und trivialisiert durch global icons, Labels oder Markenlogos,
deren Verständlichkeit sich jedoch oft aus einer banalisierenden lingua franca
grafica eines neuen, kommerziellen Empires ergibt.10
Nicholas Mirzoeffs Beitrag in diesem Band folgend und jenseits aller naiven
Fortschrittsgläubigkeit der industriellen Moderne, ist es »an der Zeit, uns zu fragen, wie Kultur es fertigbringt, Grenzen und Ozeane einfach zu überschreiten
und sich dabei ständig weiterzuentwickeln«11. Denn durch die eingangs angeführten Prozesse entsteht eine visuelle und bildliche Diversität und Reichhaltigkeit, die nahelegt, dass sich in ihrem Wirbel auch Grundsätzliches am ›Bild‹
verändert. Bild-Ereignisse, in denen sich latent oder explizit kulturelle Begegnungen organisieren und die verschiedene kulturelle Räume über visuelle Austauschprozesse miteinander verbinden, legen nahe, dass Bild- und Referenzordnungen unter den neuen Bedingungen transkultureller Bildschöpfung auch
neu, das heißt auf neue Weise codiert werden.
8 Siehe Umberto Eco: Die vollkommene Sprache der Bilder. In: Ders.: Die Suche nach der vollkommenen Sprache, München 1994, S. 153–187.
9 Mieczysław Pore˛bski: Ikonosfera, Warschau 1972.
10 Siehe etwa Andrea Semprini: Marche e mondi possibili. Un approccio semiotico al marketing della marca, Mailand 1993. Julia Katschnig: Totem und Marke als Phänomene der Bedeutungsvermittlung, Wien 2010. Siehe auch den – allerdings weiter reichenden – Beitrag »Digitale Spiritualität. Das Logo der Love-Parade und die Ideengeschichte der Globalisierung«
von Jörg Probst in diesem Band.
11 Siehe den Aufsatz »Die multiple Sicht. Diaspora und visuelle Kultur« von Nicholas Mirzoeff in diesem Band.
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Die Beiträge in diesem Band eröffnen einen systematischeren Zugang zu diesen Phänomenen, indem sie – auf je eigene Weise – einen neuen bildwissenschaftlichen Ansatz verfolgen, der gegenüber bisherigen bildwissenschaftlichen
Anstrengungen die Frage nach der Bestimmung des Bildlichen über seine Grenzen und Randbereiche stellt und ›Bild‹ als eine offene Kategorie versteht, die es
gerade unter Aufbietung ständig neuer und mannigfacher Perspektivierungen
auszubilden gilt. Vormals wurde angesichts eines sich erneut auf die Fragen des
›Bildes‹ fixierenden Diskurses bereits mit neuer Emphase auf den Umstand hingewiesen, dass ein ›Bild‹ immer in relationalen Feldern steht12 und durch diese
Verflechtung ebenso bestimmt ist, wie es diese schon durch sein einmaliges Auftreten neu ausprägt: »Bilder werden […] nicht schon deshalb zu Bildern, weil sie
Familienähnlichkeiten mit anderen Bildern haben, sondern weil durch diese
Familienähnlichkeiten ein Ganzes geschaffen wird, zu dem das einzelne Bild
sich jeweils verhält.«13 Demnach kann »ein Bild nicht unabhängig, sondern nur
im Zusammenhang anderer Bilder gesehen werden«14, selbst wenn man bei der
Betrachtung im Rahmen eines einzigen gesicherten kulturellen Zusammenhangs verbleibt:15 eine Einfassung, die heute zudem immer unwahrscheinlicher
und in Zeiten der Postmoderne und vielschichtiger globaler Zirkulationsrouten
der Bilder ohnehin immer außergewöhnlicher wird. Um so gültiger bleibt die
Beobachtung, dass, um »ein Bild zu verstehen […] seine Stellung innerhalb der
Bilder verstanden werden« muss, ja dass es »im Zusammenhang mit anderen
Bildern zu reflektieren«16 ist.
IMAGE MATCH stellt sich thematisch verschiedenen Formen dieser kulturellen Bildbegegnungen und arbeitet so nicht nur unter der Annahme, dass
»[d]ie Menge der Bilder […] keine natürliche Grenze auf[weist]« und dass im
unabschließbaren Prozess der kulturellen Bildproduktion »an unterschiedlichen Stellen immer neue Dinge eingeflochten werden« können, »die zu Bildern
werden, indem sie im Zusammenhang mit anderen Bildern verstanden werden«17. Darüber hinaus kann wohl mittlerweile angenommen werden, dass im
Zeitalter einer per se transnationalen kulturellen Produktion neue Arten von Bildern und neue Codes, wenn nicht sogar neue visuelle Semiotiken und Semantiken entstehen. Bilder, wie sie von uns hier verhandelt werden, tragen dabei eben
jene Signatur der Überkreuzung verschiedener Kulturen und Medien sowie der
Verschmelzung kultureller und epistemischer Sichtweisen in sich.
12 Ingeborg Reichle et al. (Hg.): Verwandte Bilder. Die Fragen der Bildwissenschaft, Berlin
2007.
13 Ingeborg Reichle et al.: Die Familienähnlichkeit der Bilder. In: Ebd., S. 7–11; hier S. 9.
14 Ebd.
15 Siehe zu Bildern und Familienähnlichkeit auch W. J. T. Mitchell: What Is an Image? In: Ders.
(Hg.): Iconology: Image, Text, Ideology, Bd. 164, Chicago 1986, S. 7– 46.
16 Reichle et al. 2007 (wie Anm. 12), S. 9 f.
17 Ebd., S. 10.
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Neben diesem Anschluss an die »Pluralisierung des Bildbegriffs« greift
IMAGE MATCH in gewendeter Form die Frage nach der »fundamentalen Dialektik von Grenzziehung und Grenzverletzung« der Bildsphäre wieder auf.18
Gegenüber der einerseits vorgenommenen Gegenüberstellung von Maß und
Maßlosem beziehungsweise der vorwiegend bildtheoretisch gesetzten Frage
nach der absoluten Transgression als eines Über-sich-Hinauswachsens und Entgrenzung bestehender Bildlichkeiten, wie sie etwa in den neueren postphänomenologischen Bildwissenschaften durchbuchstabiert werden,19 formuliert
IMAGE MATCH die Frage nach den Transformationen von Bildern innerhalb
eines fraktalen kulturellen Feldes aus. Transgressive und transformative Bewegungen des Bildlichen werden in den konkreten Begegnungen unterschiedlicher Bildkulturen untersucht und als Resultat der Fusion verschiedener visueller Kulturen verstanden, sei ihre jeweilige Differenz geografisch, kulturell,
sozial oder medial gekennzeichnet. Statt der Konfrontation des Bildes mit den
im Bildlichen angelegten Potenzen zur Maßlosigkeit und dem ›reinen Erscheinen‹ des Bild(akt)es – welche die Domäne des Bildlichen von den disjunkt und
endlich differenzierten Sprachsystemen unterscheiden soll20 – interessiert sich
IMAGE MATCH für die kulturellen Voraussetzungen, Milieus und Ergebnisse
von Begegnungen durch Bilder und einhergehenden Sichtwechseln.21 In diesem
Austauschprozess bringen verschiedene Bildkulturen ihre jeweiligen Eigenmaße ein, welche in einer Drittheit von anderer Qualität vermittelt werden.
Bilder stellen von jeher Sichtweisen auf die Welt her, die durch sie erst als
eine kulturelle mitkonstituiert wird. Insofern begegnen sich in der Fusion verschiedener Bildwelten immer auch kulturelle Sichtweisen – Kulturen blicken
sich an und treffen in einer neu entstehenden visuellen Topografie aufeinander,
bilden einen Ort der Begegnung (ab).22 Bilder »sind nicht allein Stellvertreter
18 Siehe auch Ingeborg Reichle et al. (Hg.): Maßlose Bilder: Visuelle Ästhetik der Transgression, München 2009.
19 Siehe hier auch Markus Rautzenbergs Beitrag »Possessive Bildlichkeit und die ›Pest der
Phantasmen‹« in diesem Band und seine Charakterisierung gegenwärtig vorherrschender
Ansätze der Bildwissenschaften.
20 Nelson Goodman: Sprachen der Kunst. Ein Ansatz zu einer Symboltheorie, Frankfurt am
Main 1973. An der entsprechenden Bestimmung des Bildlichen von Nelson Goodman setzen
viele bildwissenschaftliche Analytiken bis heute an. Stellvertretend siehe Oliver Robert
Scholz: Bilder: konventional, aber nicht maximal arbiträr. In: Stefan Majetschak (Hg.): BildZeichen: Perspektiven einer Wissenschaft vom Bild, München 2005, S. 63–73, wie auch weitere Beiträge in diesem Band.
21 Zu einigen philosophischen oder bildtheoretischen Voraussetzungen dieses Ansatzes siehe
etwa Eva Schürmann: Sehen als Praxis. Ethisch-ästhetische Studien zum Verhältnis von Sicht
und Einsicht, Frankfurt am Main 2008. Diese greift nicht zuletzt auf Merleau-Pontys Ansatz des verkörperten und chiasmatischen (überkreuzten) Sehens zurück.
22 Zu den grundlegenden Verbindungen von Bildlichkeit, Visualität und kulturellem Blick siehe
grundlegende Positionen innerhalb der Visual Culture von Marita Sturken, Lisa Cartwright:
Practices of Looking. An Introduction to Visual Culture, New York 22009, sowie Nicholas
Mirzoeff: The Right to Look. A Counterhistory of Visuality, Durham 2011.
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unseres Blicks auf die Welt. Sie besitzen vielmehr ein hohes Potential an formaler und medialer, semantischer und historischer Eigendynamik, das sie für die
sehr unterschiedlichen Zwecke von Religion, Kunst, Politik oder Wissenschaft
äußerst attraktiv erscheinen lässt, da die ihnen eigene Logik für vielfältige und
sehr unterschiedliche Erwartungen attraktive Anschlüsse in Aussicht stellt.«23
IMAGE MATCH will diese Dynamiken vor allem als kulturelle Bildprozesse
verstehen, ohne zu vergessen, dass die Frage nach ›dem Bild‹ stets die Frage
»nach einer unübersehbaren Vielzahl visueller Medien« einschließt.24
Bildbegegnungen und Bildfusionen als kulturelle Prozesse zu verstehen, in
denen immer auch kulturelle Indexikalitäten verhandelt und transponiert werden, bedeutet in der Konsequenz, Bildpraktiken als kulturelle Synthese-Prozesse
im engeren Sinne dieses Wortes ernst zu nehmen. Diese lassen sich also im wissenschaftlichen Sinn als »Umsatz (Vereinigung) von zwei oder mehr Elementen
(Bestandteilen) zu einer neuen Einheit« betrachten.25 Im weiter gefassten philosophischen Sinne können sie als eine das mannigfaltige und strukturierte ›Ausgangsmaterial‹ erweiternde Zusammenfassung zu einer neuen Einheit angesehen werden26 – einer Zusammenfassung, die hier auch verschiedene und
verschiedenartige sprachliche oder semiotische Setzungen und Formulierungen
umfasst. So greift IMAGE MATCH ein im jüngeren bildwissenschaftlichen Diskurs verhandeltes Motiv auf und folgt dem »Interesse an jenen Aushandlungsprozessen, in deren Verlauf die bis dahin gezogenen Grenzen, seien sie ethischer, politischer oder ästhetischer Art, verhandelt und unter Umständen neu
gezogen werden«,27 um diese Vorgänge bis in die Bildlichkeit hinein selbst nachzuverfolgen.
Es zeigt sich auch die wesentliche Bezogenheit von Bildprozessen und anderen Formen kultureller Aushandlung und sozialer Interaktion. Umso deutlicher
wird dann das Bildliche – verstanden als Sonderform des Visuellen – als in
wesentlichen Teilen konstituiert durch kulturelle Agenten und Subjekte. Diese
erweisen sich, im Sinne einer sozialtheoretischen Fortsetzung von Charles Sanders Peirces Konzept des (Zeichen-)Interpretanten28, als komplexe »visuelle Sub23 Ingeborg Reichle, Steffen Siegel: Gibt es ein Maß für das Maßlose? Anmerkungen zu einer
transgressiven Bildästhetik. In: Reichle et al. 2009 (wie Anm. 18), S. 9–14; hier S. 10.
24 Ebd., S. 12.
25 Siehe Jürgen Mittelstraß (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Stuttgart 2004.
26 Siehe: Stanford Encyclopedia of Philosophy: The Analytic/Synthetic Distinction (Firstpublished Thu Aug 14, 2003; substantive revision Fri Aug 15, 2008), http://plato.stanford. edu
/entries/analytic-synthetic/ (Letzter Zugriff: 10. August 2011).
27 Reichle et al. 2009 (wie Anm. 18), S. 14.
28 »Ein Zeichen oder Repräsentamen ist etwas, das für jemand in irgendeiner Hinsicht für
etwas anderes steht. Es wendet sich an jemanden, erzeugt also im Geist dieses Menschen
ein gleichwertiges oder komplexeres Zeichen. Dieses Zeichen, das es erzeugt, werde ich
den Interpretanten nennen.« Charles Hartshorne (Hg.): Charles S. Peirce: Collected Papers
of Charles Sanders Peirce, 8 Bde., Cambridge, Mass. 1931–1958, Bd. 2 (1932), Paragraph
228 [CP 2.228]. Peirce, so Adam Schaff, »hat mit allem Nachdruck betont, daß eine Sache,
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jekte«. Folgt man Nicholas Mirzoeff, sind Personen, verstanden als kulturalisierte Individuen, »visuelle Subjekte« in einem Sinn, in dem sie »konstituiert
sind sowohl als Agenten des Schauens [Blickens] – unabhängig von ihrer biologischen Kapazität des Sehens wie auch als Effekt einer Serie von Kategorisierungen der visuellen Subjektivierung«29.
Zudem verweist schon Phrasierung und Tonlage des Titels IMAGE MATCH
auf die ebenso starke Überzeugung, dass Bildtransfers in den Zeiten der umfassenden Digitalisierung, der »Netzwerkgesellschaft« und »Transkulturalität«30
gerade in ihrer Alltäglichkeit, Allgegenwart und Ubiquität nicht nur mit einem
neuen umfassenderen und ins Globale durchschlagenden Anspruch auftreten.
Angesichts der Reichweiten und des aktuellen Umfangs bildbezogener Prozesse und der zunehmenden und immer vielfältigeren Verbindung mit anderen
(meist ebenfalls digitalisierten) Medien stellt sich auch hier ein Umschlag des
Quantitativen ins Qualitative ein.31 Gerade wegen der dabei nunmehr allgegenwärtigen Wirkungskreise digitaler Verarbeitungs- und Verbreitungsformen, so
ist zu vermuten, schlagen Neuordnungen in der mit ihnen verbundenen Zeichenlogik umso mehr auch auf verschiedene Transferkulturen des Bildlichen
durch. Katherine Hayles etwa vermutet: »Informationstechnologien bringen
oder ein Ereignis nur dann als Zeichen funktionieren, wenn sie interpretiert werden, d. h.
wenn jemand vorhanden ist, der im Kommunikationsprozeß eine gegebene Sache, ein Ereignis usw., mittels Zeichen interpretiert.« Adam Schaff: Language and Cognition, New
York u. a. 1973, S. 153. Umberto Eco hat diese Instanz der Interpretation, um die es hierbei
geht, im Sinne von Peirce erneut produktiv entpersonalisiert: »In Wirklichkeit ist es so,
daß der Begriff des Interpretanten sich im Denken von Peirce als drittes vermittelndes Element in jede triadische Relation einschiebt, zu der ein erstes und ein zweites gehören …
Aus diesem Grund gibt es, wo eine Vermittlung stattfindet, auch immer einen Interpretanten, gleichgültig, ob diese Vermittlung durch ein anderes Zeichen, durch eine Idee im Platonischen Sinn, durch ein mentales Bild, durch eine Definition oder durch eine Notwendigkeitsbeziehung erfolgt.« Umberto Eco: Zeichen. Einführung in einen Begriff und seine
Geschichte, Frankfurt am Main 1977, S. 163. Wo Peirce ursprünglich die »Gewohnheit«
von Zeichenakteuren als realweltlichen Abschluss des Interpretanten beschreibt, setzt Eco
etwa die »kulturelle Einheit« (ebd., S. 176 ff.), eine Idee, an der auch die Soziosemiotik anschließt. Siehe Eliseo Verón: La semiosis sociale: fragments d’une théorie de la discursivité,
Saint-Denis 1988.
29 Nicholas Mirzoeff: The Subject of Visual Culture. In: Ders. (Hg.): The Visual Culture Reader, London u. a. 22002, S. 5–23; hier S. 10.
30 Einschlägig hierzu Frank Webster: Theories of the Information Society, New York 2006. Yochai Benkler: The Wealth of Networks. How Social Production Transforms Markets and
Freedom, New Haven 2006. Manuel Castells: The Rise of the Network Society, Chichester
u. a. 32010. Wolfgang Welsch: Transkulturalität – die veränderte Verfassung heutiger Kulturen, Weimar 1994. Ludger Pries: Die Transnationalisierung der sozialen Welt: Sozialräume jenseits von Nationalgesellschaften, Frankfurt am Main 2008.
31 Ingeborg Reichle, Oliver Lerone Schultz: Wege in eine »Bildweltgesellschaft«: Globale
Transfer- und Austauschbewegungen verändern die visuelle Kultur. In: Die Akademie am
Gendarmenmarkt 2011/12, Berlin 2011, hg. v. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, S. 46–50.
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›flickering signifiers‹ hervor, die charakterisiert sind durch ihre Tendenz zu
unerwarteten Metamorphosen, Verdünnungen und Verteilungen« und ordnet
dies einem entfesselten Spiel der Differenzen zu.32 Andere beschreiben und
theoretisieren die Auswirkungen der – ebenfalls Bildprozesse immer mehr prägenden – ›Multimodalität‹, um die damit multiplizierten Transferverhältnisse
im kulturellen und aisthesiologischen Feld sowie einhergehende neue Mechaniken sozialer Bezeichnung und Bedeutungsaushandlung in den Blick zu bekommen.33
Ganz gleich, wie man die vorhergehenden Konzeptualisierungen und Fragen jeweils im Einzelnen bewertet, welche davon man für systematisch vorrangig (oder nebensächlich) hält: Deutlich ist, dass sich die Logik(en) des Bildlichen
im Rahmen der neuen Austauschverhältnisse auf mehreren Ebenen im Fluss
befindet.
III. Bild-Routen: Wege durch den bildwissenschaftlichen
(Fließ-)Raum
Mit Blick auf Bildtheorie und Bildphilosophie, auf die sich immer noch ausformenden Bildwissenschaften und nicht zuletzt im Hinblick auf die Rezeption der
Diskurse der ›Visual Culture‹ und der ›Visual Studies‹ ist festzustellen, dass sich
die Aufmerksamkeit zunehmend fokussiert auf den Zusammenhang von globalen Zirkulationen und soziokulturellen Transfers mit den Sphären des Visuellen und Bildlichen. Ernsthafte Ansätze zur Versammlung und Beschreibung dieser Zusammenhänge und erste Versuche ihrer Theoretisierung wurden hierzu
jüngst gemacht.34 Allgemein wird in verschiedenen Kulturwissenschaften zudem registriert, dass Bilder und visuelle Ensembles vermehrt zu Trägern,
»Orten« oder auch symptomatischen Indizes kultureller Austauschbewegungen werden und sich Konzepte wie »Third Space« und »Flowing Images« etablieren.
Betrachten bisherige Verhandlungen von Bildtransfers diese vor allem als
operationale Träger einer örtlich bestimmten Kultur in einen anderen (fremden)
32 N. Katherine Hayles: Virtual Bodies and Flickering Signifiers. In: Dies.: How We Became
Posthuman. Virtual Bodies in Cybernetics, Literature, and Informatics, Chicago u. a. 1999,
S. 25–49.
33 Gunther R. Kress, Theo van Leeuwen: Multimodal Discourse. The Modes and Media of Contemporary Communication, London u. a. 2001. Hier wenden sich die Autoren den neuen
»semiotischen Ressourcen zu, die gleichzeitige Umsetzung von Diskursen und (Inter-)Aktionsformen erlauben.« Ebd., S. 21.
34 Zu erwähnen sind die Publikationen von Peter C. Seel et al. (Hg.): Migrating Images. Producing – Reading – Transporting – Translating, Berlin 2004. Birgit Mersmann, Alexandra
Schneider: Transmission Image, Visual Translation and Cultural Agency, Newcastle upon
Tyne 2009. Christiane B. Brosius, Roland Wenzlhuemer: Transcultural Turbulences. Towards
a Multi-Sited Reading of Image Flows, Berlin 2011.
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kulturellen Raum und interessieren sich unter dieser Fragestellung für geografisch-kulturelle Transmissionen im gegenwärtigen globalen Raum,35 wendet
sich IMAGE MATCH mit besonderem Augenmerk den Bildlogiken selbst zu
sowie den entstehenden Bildstrukturen und ihrer Bedeutung für die Umakzentuierung einer medien- wie kultursensiblen Bildtheorie.
Auch hat eine tiefer gehende Verbindung von Bild- und Medientheorie mit
den Topoi der Globalisierung und der Transfernetze eine längere Tradition beziehungsweise findet schnell prominente Vorläufer. Zu denken ist hier an Vilém
Flussers Idee einer sich durchsetzenden Kommunikologie. Diese will den Übergang von Kommunikationsmustern beschreiben, die Kommunikationspartner
nicht länger in letztlich hierarchischer Kommunikation nach den Modellen der
Pyramide und der Baumstruktur anordnet oder in den virtuellen Amphitheatern des Broadcasting-Modells versammelt. Sie sieht demgegenüber in der
Fluchtlinie ihrer Beschreibung die Teilnehmer eines zunehmend globalen Austausches in neue kommunikative Kreise eingebettet, in denen sich, wie auf
Märkten oder in Laboratorien, die Informationen allererst durch den Dialog bilden – nur, um in Netzen, die eine erneute Diffusion herstellen, in neuen Synthesen wiederum neue Information zu erzeugen. Jeder beteiligte Partner bildet hier
– potenziell – das Zentrum eines Dialogs.36
Der Begriff der »Visual Culture« hat einen ersten diskursiven Auftritt zu
Beginn der 1960er Jahre in den Schriften Marshall McLuhans und seinem auf die
neue Medienkultur globaler Instantaneität und Simultaneität reflektierenden
Understanding Media von 1964.37 McLuhan weist hier eindringlich hin auf die
Veränderungen durch die neuen, insbesondere elektronischen Umwelten, welche die lineare (Schrift-)Logik durch die Wirkungen des medialen Feldes mit seinen vielfachen Interferenzen supplementieren. Neben den sich seinerzeit ausbreitenden Bildräumen, wie sie etwa die Werbeindustrie oder die Comic-Kultur
hervorbrachten, beschreibt McLuhan neuartige mediale ›Logiken‹, die die neuen Medienumwelten in ihrer elektronischen (und später digitalen) Beschleunigung in die sozialen und kulturellen Produktionen einführten. Es sind Logiken,
die sich, wie er in Through the Vanishing Point ausführt, speziell und vielleicht
sogar am eindrücklichsten in ihrer historischen Genese in den visuellen Medien
35 In Anschlag kommen in diesen Framings entsprechend Zentralmetaphern wie die des Migranten oder des ›Kulturbotschafters‹, die auf das Bildliche übertragen und in die Beschreibung von Bildprozessen eingetragen werden.
36 Vilém Flusser: Kommunikologie, Frankfurt am Main 1998. Für den Übertrag der Kommunikologie auf die Fragen der Bildlichkeit siehe insbesondere Oliver Fahle: Bilder von Begriffen: Vilém Flussers Bildtheorie. In: Ders. (Hg.): Technobilder und Kommunikologie. Die
Medientheorie Vilém Flussers, Berlin 2009, S. 161–176.
37 Marshall McLuhan: Understanding Media. The Extensions of Man, New York 1964. Erste
deutsche Ausgabe: Die magischen Kanäle: Understanding Media, Düsseldorf u. a. 1968. Zu
diesem Hinweis siehe auch Mirzoeff 22002 (wie Anm. 29).
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nachzeichnen lassen.38 Die traditionell unterstellten Mechanismen von Ursache
und Wirkung sowie – im Zusammenhang mit kultureller Produktion besonders
relevant – von Intentionalität39 greifen in diesen »Mediascapes« nicht mehr.40 In
seinem Kapitel Energie aus Bastarden nimmt McLuhan einen Großteil der aktuelleren Diskussion um Hybridität vorweg, wenn er diese neuen Logiken der
»Hybridisierung« explizit beschreibt.41 Er bezeichnet diese medialen Fusionen
als »Kreuzungen, die gewaltige Energiemengen und Veränderungen erzeugen«,
und überträgt hiernach das »Prinzip der Kreuzung als Methode zur schöpferischen Entdeckung« auf die Kultur- und Mediengeschichte,42 kennzeichnet sie
aber als zumindest teilweise unbewusste Prozesse.43
Es fällt keinesfalls schwer, McLuhans Beschreibungen und Charakterisierungen auf das Aufbrechen kulturell eingefahrener Sehgewohnheiten und vertrauter Bildrepertoires durch die sich ständig neu resamplenden globalen Bildwelten zu übertragen, wenn er schreibt: »Der Bastard oder die Verbindung
zweier Medien ist ein Moment der Wahrheit und Erkenntnis, aus dem neue
Form entsteht. Denn die Parallele zwischen zwei Medien lässt uns an der
Grenze zwischen Formen verweilen, die uns plötzlich aus der narzisstischen
Narkose herausreißen.«44 McLuhan entgeht dabei nicht, entgegen der damals
vorherrschenden Sicht, die kulturelle Rückbindung an die Akteure45, noch ver-
38 Marshall McLuhan, Harley Parker: Through the Vanishing Point. Space in Poetry and Painting, New York 1968. Hier zeigt sich auch eine weitere, meist verkannte Perspektive McLuhans. Fern davon ab, eine ›reine‹ Zäsur durch das »elektronische« respektive »digitale«
Zeitalter zu postulieren, wendet McLuhan die in diesen prävalent werdenden Muster retrospektiv auch auf die Betrachtung der Geschichte, hier insbesondere der Malerei und der
Kunstgeschichte, an und entnimmt dieser mit dem Blick des Neuen selbst wiederum neue
Einsichten.
39 Zu medialen Wirkungslogiken in der McLuhan’schen Sicht siehe Oliver Lerone Schultz:
McLuhan, Pasteur des Medienzeitalters – Kausalität als Ansteckung: Zur Diagnose der (elektrischen) Medienkultur. In: Mirjam Schaub et al. (Hg.): Ansteckung – zur Körperlichkeit eines
ästhetischen Prinzips, München 2004, S. 331–350.
40 Zum Begriff der »Mediascapes« siehe Arjun Appadurai: Modernity at Large. Cultural dimensions of globalization, Minneapolis, Minn. 1996. Ausführlicher zu diesem Konzept, das
hier zur Idee der »Imagescapes« adaptiert wurde, siehe im Zusammenhang mit Bildlichkeit
und Visualität den Aufsatz von Patrizia Faccioli »Globalisierung als visuelles Phänomen« in
diesem Band.
41 Marshall McLuhan: Energie aus Bastarden. Les Liaisons Dangereuses. In: Ders.: Die magischen Kanäle: Understanding Media, Bd. 127, Dresden u. a. 1994, S. 84–95.
42 Ebd., S. 86, 95.
43 McLuhan stellt fest, dass »Medien […] wirkende Kräfte sind, die ›geschehen‹ machen, aber
nicht Kräfte, die ›bewusst‹ machen«, und dass uns in gewisser Weise gerade durch die Ubiquität und Simultaneität der Wechselwirkungen »die Möglichkeit, sie auszudenken, uns
überhaupt genommen ist«. Ebd., S. 84 f.
44 Ebd., S. 95. Siehe auch Jacob Birkens Beitrag »Weltenfresser: Eklektizismus als Bildpolitik«
in diesem Band.
45 Ebd., S. 85: »Diese Medien als Ausweitungen unserer selbst sind auch, was das Wechselspiel
untereinander und ihre Entfaltung betrifft, von uns abhängig«.
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schließt er sich in seinen Beschreibungen Konfliktpotenzialen46 – wie sie auch in
diesem Band behandelt werden.47
IMAGE MATCH stellt die Frage nach den Neubestimmungen einer Bildwissenschaft unter den Bedingungen der massenhaften und mitunter bewusst
respektive reflexiv stattfindenden Bildtransfers zwischen bestehenden Bildkulturen. In den Blick genommen werden dabei neu entstehende Gleichzeitigkeiten und Verkoppelungen zwischen kulturellem sowie bildlichem Raum – und
damit zwischen unterschiedlichen, sich jedoch ergänzenden Perspektiven des
praktischen Sehens. Inwieweit muss die Idee der kulturellen (Bild-)Produktion
beispielsweise von der Dublette »Making« und »Matching« (McLuhan) um ein
»Mixing« ergänzt werden? Was bedeutet es für die gegenwärtigen Bildwissenschaften, wenn dabei von einer Einbindung der Bilder in ›soziale Denkbilder‹
und kulturelle Repertoires ausgegangen werden muss, also immer auch von
einem weiter gefassten Kontext der soziokulturellen Kognition und damit einer
Bildwahrnehmung als Gebrauch sowie in Form der Reflexion visueller Medien
selbst?
Eben dieses in den 1960er Jahren entstehende Denkmodell wird diskursiv im
Zuge digital getakteter und beschleunigter Globalisierung erneut aufgegriffen,
etwa in Diskursen um das Nomadische, das Hybride und – aktuell – das Transkulturelle. Etwa wenn Alfonso de Toro hier der dekonstruktiven Philosophie
Jacques Derridas folgend feststellt: »Das Präfix ›trans‹ impliziert gerade keine
Tätigkeit, die kulturelle Unterschiede verschleiert und diese unter dem Deckmantel der Globalisierung in eine gleichartige und gesichtslose, dem Produktivitäts- und Effektivitätsprinzip unterworfene Kultur überführt. Durch Globalisierungsprozesse werden Differenz und Alterität gerade herausgefordert. Das
Präfix ›trans‹ meint keine kulturelle Nivellierung bzw. keine rein konsumtive
Kultur, sondern bezeichnet einen nichthierarchischen, offenen und nomadischen Dialog, der unterschiedliche Identitäten und Kulturen in eine dynamische
Interaktion bringt.«48
Als Topos wie auch als anspruchsvolle methodische Herausforderung an
einen rein kulturvergleichenden und komparatistischen Zugriff wird »Transfer«
bereits seit Längerem in den Literaturwissenschaften verhandelt. Ähnliches
zeichnet sich in ersten Umrissen für die Bildwissenschaften ab, in denen die Pro-
46 McLuhan unterstreicht im Zusammenhang mit medialen Hybriden (»Bastarden«) »die Konflikte, aus welchen sie entstehen, und die noch größeren Konflikte, zu welchen sie Anlass
geben«. Ebd., S. 89.
47 Siehe insbesondere die Ausführungen von Martina Baleva zu dem Fall, in dem visuelle
Kriegsdarstellungen, Ergebnis vielfacher Übertragungsprozesse, »selbst zu Mitteln der
Kriegsführung« werden: »Das Imperium schlägt zurück. Bilderschlachten und Bilderfronten
im Russisch-Osmanischen Krieg 1877–1878« in diesem Band.
48 Alfonso de Toro: Zu einer Kulturtheorie der Hybridität als transrelationales, transversales
und transmediales Wissenschaftssystem. In: Ders. (Hg.): Räume der Hybridität. Zur Aktualität postkolonialer Konzepte, Hildesheim u. a. 2003, S. 15–52; hier S. 28.
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grammatiken einer »Intervisualität« oder »Interikonizität« bereits in Ansätzen
diskutiert werden. Die Frage nach einer »globalen Bildkultur« erhält also eine
neue Konfiguration, wenn der Fundamentalperspektive der »Intertextualität«
eine kulturell verstandene »Intervisualität« an die Seite gestellt wird49 und wenn
neben die Erkenntnis von globalen »Ideascapes« oder »Mediascapes« auch die
von im Austausch allererst entstehenden »Imagescapes« tritt.50 »Allerdings« –
darauf weist Nicholas Mirzoeff in seinem Beitrag in diesem Band hin – »ist bei
visuellen Bildern die Intertextualität nicht einfach eine Frage verschränkter Texte,
sondern von interagierenden und sich durchdringenden Modi der Visualität,
die ich als Intervisualität bezeichnen werde. Von einem bestimmten Ausgangspunkt aus kann ein diasporisches Bild multiple visuelle und intellektuelle Assoziationen erzeugen, sowohl vom Erzeuger des Bildes gewünschte als auch solche, die seine Absichten überschreiten.«51 Mirzoeff weist zu Recht darauf hin,
dass »Intervisualität« gleichzeitig als Phänomen einer kulturellen wie auch einer
»modalen« (also auch multimedialen) Überschneidung bestimmt werden muss.52
IV. Konsequenzen und Ausblicke: Bildwissenschaften und
Bildtheorien im Zeichen der Globalisierung
Die Einsicht, »daß Kulturbegriffe, die von Homogenität beziehungsweise klaren
Trennungen ausgehen, die auf Reinheit referieren, die heutigen Kulturphänomene nicht mehr angemessen beschreiben«,53 überträgt IMAGE MATCH aus
dem Bereich einer kulturalistischen Medientheorie auf Bilder, welche selber –
wenn auch offen für Transfers – als kulturell situierte, eingebettete und mehrdimensionale Kulturelemente verstanden werden. Aus dieser Motivation heraus
folgen wir der gegenwärtigen Umschreibung der Diskurse über Kultur in das
Register des Transkulturellen. Damit ist gerade nicht eine ›postmoderne‹ oder
allgemein kulturtheoretische Egalisierung der Frage nach den Bildern impliziert: »Ein solches Denken hat zudem eher die Chance, an die Stelle einer Me-
49 Ein Ansatz, der in poststrukturalistischer Deutung das textwissenschaftliche Konzept der
Intertextualität als Interikonizität relativ nahtlos in den Bereich des Bildlichen zu übertragen
sucht, findet sich in Christoph Zuschlag: Auf dem Weg zu einer Theorie der Interikonizität.
In: Silke Horstkotte et al. (Hg.): Lesen ist wie Sehen. Intermediale Zitate in Bild und Text,
Köln 2006, S. 89–99. Siehe hierzu auch Anna Valentine Ullrichs Aufsatz »Bildtransfers als
transkriptive Prozesse: ein Beschreibungsmodell« in diesem Band.
50 Appadurai 1996 (wie Anm. 40).
51 Siehe den Aufsatz »Die multiple Sicht. Diaspora und visuelle Kultur« von Nicholas Mirzoeff in diesem Band.
52 Mirzoeff nennt Intervisualität »the formal condition of contemporary visual culture that I call
intervisuality, the simultaneous display and interaction of a variety of modes of visuality«.
Nicholas Mirzoeff: Introduction. In: Ders. (Hg.): The Visual Culture Reader, London u. a.
2
2002, S. 2–6; hier S. 5. Zum Aspekt der Multimodalität siehe auch Anm. 33.
53 Irmela Schneider: Einleitung. In: Dies., Christian W. Thomsen: Hybridkultur: Medien, Netze,
Künste, Köln 1997, S. 7–12; hier S. 8.
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dienkritik, die den Kulturverfall beschwört, ein Wissen um die Hybridität von
Medien, Künsten und Netzen zu stellen.«54 Gerade die Sensibilität für die –
immer auch im Bildlichen verhandelten – Begegnungen erlaubt also ein genaueres Sehen: »Das Interesse an solchen Hybridisierungen schärft dann zugleich
auch den Blick für das Spezifische, für das Nichtvermischte und Unvermischbare […]«55. Es gilt also bildwissenschaftlich noch zu bilanzieren, was es heißt,
»dass ein globaler, unterschiedlich gearteter und angesiedelter Hybridisierungsprozess in allen Bereichen der Kultur und Gesellschaft stattgefunden hat
und noch stattfindet«56. Umgekehrt scheint die Bestimmung dieser intervisuellen Bildzusammenhänge ein vielversprechender Zugang zu der Frage nach
einer Bestimmung des Umfangs, des Charakters und der aktuellen Erscheinungsformen von »Kultur(en)« in global verfassten Gesellschaften zu sein. In
diesen von jeher bedeutsamen Bewegungen der Bilder und Bildkulturen entstehen so nicht nur neue Bildformen, sondern darüber hinaus auch »Third Spaces«57 von Bildern in den Transferräumen – das heißt neue, reale und virtuelle
Bildarchive, Bildmärkte und visuelle Bühnen. Mit ihnen formen sich spezifische
transkulturelle Bildensembles und neue Interpretationsgemeinschaften im
Sinne von Bildkulturen58, in denen diese vielfältigen visuellen und ikonischen
Begegnungen kultiviert, enkulturiert oder verhandelt werden.59
Fragen nach »Transfer« und »Intervisualität« müssen also mit der Betrachtung transversaler Kulturalität verknüpft werden und im Sinne einer systematischen Neufassung des Kulturellen unter den Bedingungen der Globalisierung
besonders hinsichtlich der Sphäre der Bilder erörtert werden. Die Bedeutung
von »Transfer« und »Perspektivenübernahme« für komplexe kulturelle Prozesse wie die des Lernens, des Dialogs oder der Empathie sowie der Zusammenhang des Bildlichen mit anderen Perspektivierungen des Kulturellen sollten dabei bewusst mitgedacht werden.
In diesem Rahmen stellt sich ebenso die Frage nach der kulturellen Bedeutung von Bildtransfers. In reflexiven Bildpraktiken – von denen man in Zeiten
eines millionenfachen Gebrauchs von Bildern und einer Massenkultur der Bild-
54
55
56
57
Ebd., S. 7.
Ebd., S. 8.
de Toro 2003 (wie Anm. 48), S. 25.
Edward W. Soja: Thirdspace – Journeys to Los Angeles and Other Real-and-Imagined Places,
Oxford u. a. 1996.
58 Stellvertretend und exemplarisch genannt sei hier: streetfiles.org. Diese Website »is dedicated to collect and archive photos from all over the world and show this movements
power«. Sie organisiert nicht nur einen ästhetischen Austausch zwischen Graffiti-Szenen
verschiedener geografischer und kultureller Kontexte und vermittelt Graffiti-Kultur mit
Foto, sondern verfährt dabei auch ausdrücklich nach spezifisch eigenen kulturellen Codes:
»We and the visitors grade photos by style, an aesthetic level that might not be understood
by outsiders.« »About Streetfiles«, http://streetfiles.org/page/about/ (Letzter Zugriff: 10.
August 2011).
59 Reichle, Schultz 2011 (wie Anm. 31).
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produktion und -rezeption ausgehen muss – finden an den verschiedenartigsten
kulturellen Übergangsstellen Bildtransfers statt, in deren Vollzug sich die Akteure bewusst mit verschiedenen Formen von Bildlichkeit auseinandersetzen.
Wo von »User-generated Content«, sozialen Netzwerken und Partizipationskulturen die Rede ist, muss auch eine Kultur des Transfers als eines ausdrücklichen und expliziten Bildgebrauchs vorausgesetzt werden. Ausgegangen werden muss also auch von Aneignungen, die von den Akteuren mehr oder
weniger bewusst erörtert und geprägt werden und in denen sich Taktiken, Strategien und operative Kulturen ausbilden, auch als Auseinandersetzung mit den
übernommenen Bildern und deren heterogener Kulturalität. In diesen Prozessen der Fusion, Montage, Entlehnung und der impliziten wie expliziten Bilddialoge werden nicht nur bestehende Kontexte überbrückt und vermittelt, sondern es entsteht immer auch ein neuer, dritter und übergeordneter Kontext.
Damit wird die Frage nach neuen Epistemologien, Bildtheorien und Semiotiken, die diesem Zustand Rechnung tragen, akut. Was heißt es für die Bildbedeutung, wenn Referenzen immer auch einen bestimmten und internalisierten
Verweis auf Externes beinhalten? Was bedeutet es, wenn sie mit einem stereoskopen Blick der »Zwei Kulturen« verbunden sind und in ihrer je bestimmten
Verklammerung eine spezifische Aufhebung artikulieren? Richtet man den
Blick dabei auf die Subjekte und Akteure der neuen Transfer-Bild-Kulturen als
»Interpretanten« von Bildbedeutungen im Sinne von Charles Sanders Peirce,60
stellt sich die Frage nicht nur aus kultur- oder sozialwissenschaftlicher Sicht,
sondern auch in ihrer weitreichenden Bedeutung für Grammatiken, Signifikationsweisen und Semiotiken des Bildlichen selbst. Noch unbedacht sind bislang
die Implikationen für eine Bildtheorie, wenn im Spannungsraum des Kulturtransfers die Referenzordnungen der Bilder und ihre klassischen Bildsemiotiken
ergänzt werden durch die inhärente Bedeutsamkeit ihrer kulturellen Verweise
und eine Praxis der Verknüpfung sowie des expliziten Bezugs auf heterogene
Sozial- und Bedeutungsräume.
Bilder zeichnen sich gegenüber Sprache – sofern man sie davon unterscheiden mag61 – durch ihren Verweis- und Präsentationscharakter aus, also unter
anderem durch die Arten und Weisen ihrer Indexikalität im Zuge ihrer Bedeutungsgenerierungen. Sicher wäre es vermessen, im Konzert der ›Familie der Bilder‹ nur von einer Art der Indexikalität auszugehen und etwa den Verweischarakter von Holzstichen für illustrierte Magazine des 19. Jahrhunderts mit
Pressefotografien des 20. Jahrhunderts oder mit Marienbildern des 17. Jahrhunderts semiologisch schlicht gleichzusetzen. Die in diesem Band besprochenen
Bilder sind – fasst man sie semiotisch – in besonderer Weise indexikalisch. Indizes verweisen in ihrer Art der Bedeutsamkeit immer auf ihre Ausgangsgrößen
60 Siehe Anm. 28.
61 Zur Kritik einer kategorischen Trennung siehe W. J. T. Mitchell: Picture Theory. Essays on
Verbal and Visual Representation, Chicago 1994.
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und »den Umstand einer tatsächlichen Verbundenheit« hiermit. Es gilt aus
transkultureller Sicht offensichtlich, dass das Bild, wo es aus der lebenspraktischen Verbindung und ›Berührung‹ unterschiedlicher Darstellungs- und Ausdruckskulturen hervorgeht – ebenso wie der Index in seiner allgemeinen Bestimmung –, »die Nahtstelle zweier Teilbereiche der Erfahrung markiert«62.
Schon hierdurch übersetzt es einen eigenständigen Wirklichkeitsbezug in eine
Bedeutung, indem es (mehrfache) kulturelle Referenzialitäten in sich trägt,
anzeigt und darstellt – sowohl als Ganzes wie auch in seinen einzelnen Bildelementen. Wendet man den Peirce’schen Gedanken der Indexikalität also auf die
Spuren der kulturellen Herkunft an, so kommt man zum Konzept einer »kulturellen Indexikalität« im Sinne einer erweiterten, »nichtreferenziellen Indexikalität«, wie es in verschiedenen soziolinguistischen Studien jetzt nach und nach für
Sprachäußerungen konzeptionalisiert wird.63 Nicht nur ist dies in ähnlicher
Weise zu berücksichtigen, wenn man den Blick von einzelnen Bildern auf Bildkulturen erweitert.64 Vielmehr wird in dieser Perspektive die Verbindung unterschiedlicher Bildanteile, die aus verschiedenen Bild- und Bedeutungskulturen
stammen, wiederum zu einem Index eigenen Rechts – einem Index, der die Bedeutung des Bildes ebenso mitbestimmt und in sie eingetragen ist.
Trotz der Skizzenhaftigkeit dieser Überlegungen ist bereits zu erkennen,
dass die Tatsache einer neuen Bildtransferkultur eine Neuformulierung oder
zumindest eine Überarbeitung bisheriger Theorien zur Bildbedeutung nahelegt
und weitere Arbeit an der ›Globalisierung‹ der Bildtheorie hier aussteht.
62 Peirce 1932 (wie Anm. 28), Paragraph 285 [CP 2.285].
63 Siehe Michael Silverstein: Shifters, Linguistic Categories, and Cultural Description. In: Keith
H. Basso et al. (Hg.): Meaning in Anthropology, Albuquerque 1976, S. 11–56. Elinor Ochs:
Indexicality and Socialization. In: James W. Stigler et al. (Hg.): Cultural Psychology. Essays
on Comparative Human Development, Cambridge 1990, S. 287–308.
64 Alternative Zugänge jenseits der Peirce’schen Semiotik zur »kulturellen Indexikalität« der
Bilder könnten in eben diesem Sinne auch über Michail Bachtins »Heteroglossie«-Konzept
gefunden werden, das es bildwissenschaftlich auszulegen gälte. Bachtin beschrieb bereits in
der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts das Primat von Kontext gegenüber Text, und es
ist naheliegend, im Zuge der Umschrift von Intertextualität auf Intervisualität/Interikonizität dieses Prinzip auf Bilder als kulturelle Äußerungen zu übertragen. Man muss in der folgenden Passage etwa nur den Begriff »Wort« durch »Bild« ersetzen, um sich diesen Transfer von Text- auf Bildwissenschaften vorstellen zu können: »Das Wort [Bild] lebt außerhalb
von sich selbst, in seiner lebendigen Intention auf den Gegenstand; wenn wir von dieser
Intention absehen, bleibt lediglich der entblößte Leichnam des Wortes [Bildes] zurück, der
uns weder etwas über die soziale Lage noch vom Lebensschicksal des jeweiligen Wortes
[Bildes] verrät. Ein Wort [Bild] in sich selbst zu untersuchen, ohne seine Orientierung nach
außen zu beachten, ist ebenso sinnlos, wie ein psychologisches Erlebnis außerhalb derjenigen Realität zu untersuchen, auf die es gerichtet ist und durch die es bestimmt wird.« Michail M. Bachtin: Die Ästhetik des Wortes, Frankfurt am Main 1979, S. 184. Theoretisch
ähnliche erste Überlegungen zur Heteroglossie bezogen auf Bilder finden sich in: Wolfgang Kemp: Praktische Bildbeschreibung. Über Bilder in Bildern, besonders bei van Eyck
und Mantegna. In: Gottfried Boehm, Helmut Pfotenhauer (Hg.): Beschreibungskunst –
Kunstbeschreibung. Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart, München 1995, S. 99–122.
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Der Übergang zu einer bedeutungspragmatischen Sicht und zur Soziolinguistik steht noch an und weist hin auf die Notwendigkeit eines dialogischen
methodischen Ansatzes, der womöglich als einziger die neuen, hier versammelten Bildbegegnungen erhellen kann. Dieser transkulturelle Dialog über Bildbedeutungen ist notwendig, um die Verhandlungen im transkulturellen
Bildraum selbst theoretisch und wissenschaftlich überhaupt erfassen zu können. Zuzustimmen ist in diesem Sinne Alfonso de Toro, wenn er feststellt: »Ein
›transdisziplinär‹ ausgerichteter Ansatz im Rahmen einer umfassenden Kultursemiotik bzw. -theorie ist auch deshalb notwendig, weil Fragen von Hybridität
und Transmedialität sowie deren dialogischer Bezugsrahmen nur länder-, autoren- und disziplinenübergreifend behandelt werden kann. Diese Ausrichtung
soll dazu beitragen, kulturelle und gesellschaftliche Fragen in einen breiten epistemologischen Kontext zu stellen«65. Bildsemiotiken wie Bildwissenschaften
müssen gleichermaßen grundlegend neu formuliert werden – als »Cultural Relations« vor dem Horizont pluraler, miteinander auf allen Ebenen (inter-)
agierender Bildkulturen.
65 de Toro 2003 (wie Anm. 48), S. 25.