Antonio Scandello

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Antonio Scandello auf einer Medaille von Tobias Wolff, 1577.

Antonio Scandello (auch Scandellus oder Scandelli; * 17. Januar 1517 in Bergamo;[1]18. Januar 1580 in Dresden) war ein italienischer Komponist und Hofkapellmeister.[2]

Der aus einem alten Adelsgeschlecht Oberitaliens (de Rusticis) stammende Antonio Scandello war vermutlich ab 1530 als Zinkenist und Posaunist in Bergamo tätig.[3] Mit seinem Bruder Angelo folgte er seinem Vater Hieronimus Scandello als Stadtpfeifer nach. Im Jahr 1547 war Scandello an der Kirche Santa Maria Maggiore in Bergamo tätig. Sechs Jahre später ist er in der Kapelle des Trienter Kardinals Cristoforo Madruzzo nachweisbar. Bei einer Italienreise 1549 stellte Kurfürst Moritz von Sachsen ihn und fünf weitere „welsche Musiker“ für die neu gegründete Dresdner Hofkapelle ein.[4] Damit folgte der sächsische Kurfürst einer Mitte des 16. Jahrhunderts aufkommenden Mode, nämlich der vermehrten Beschäftigung italienischer Musiker an deutschen Höfen.[5]

Scandello konvertierte 1562 zum Protestantismus. Dies stand im Zusammenhang mit dem Erwerb des späteren Kapellmeisterpostens und des Bürgerrechts der Stadt Dresden. Ab 1566 war er Vizekapellmeister und als „zugeordneter Moderator“[6] dem altersschwachen Mattheus Le Maistre unterstellt. Von 1568 bis zu seinem Tod war Scandello selbst Hofkapellmeister.[7] In das Jahr seiner Ernennung ist vermutlich auch seine Heirat mit Agnes Tola zu datieren, einer Tochter des Hofmalers und Musikers Benedikt Tola. Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor.[8] Scandello wurde nach seinem plötzlichen Tod auf dem Dresdner Frauenkirchhof begraben.[9] Sein Nachfolger im Amt des Kapellmeisters wurde Giovanni Battista Pinello di Ghirardi.[1][10]

Werkverzeichnis (Auswahl)

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Geistliche Musik

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  • Missa sex vocum super epitaphium illustrissimi principis Mauritii ducis et electoris Saxoniae, Nürnberg 1558. Digitalisat: SLUB Dresden (D-Dl), Mus.Pi.Cod.I
  • Missa Deus qui sedes super thronum, Universitätsbibliothek Rostock (D-ROu), Mus. Saec. XVI-49.
  • Missae sex, München 1576. Verlorene, vermutlich beim Münchner Drucker Adam Berg gedruckte Sammlung mit sechs fünf- und sechsstimmigen Messen, die sich jedoch in einer Abschrift aus Breslau erhalten hat. Die Sammlung enthielt folgende Messen:
    1) Missa super Aveque vous
    2) Missa super Io mi son giovenetta
    3) Missa ad aequales
    5) Missa super Au premier jour
    6) Missa super O passi sparsi
  • Mauritius cedidit bellam Germania plange, Nürnberg 1553, verschollen.
  • Nawe schöne auserlesene geistliche deudsche Lieder, 4–6v., Dresden 1575.
  • Auferstehungshistorie (komponiert um 1573), Breslau 1612 [anderer Titel: Gaudii paschalis Jesu Christi].
  • Passio das Leyden unsers Herrn Iesu Christi, nach dem H. Evangelisten Iohanne (komponiert 1561), Breslau 1621.
  • Magnificatvertonungen, Motetten, geistliche Lieder.

Weltliche Canzonetten und Lieder

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  • Johannespassion, 1) in: Kade, Otto, Die ältere Passionskomposition bis zum Jahre 1631, Gütersloh 1893.
    2) hrsg. von Klaus Beckmann, Neuhausen 1966, Stuttgart 21998.
  • Auferstehungshistorie, 1) in: Geistliche Chormusik, 2. Reihe, Heft 8, Stuttgart 1960.
    2) Faksimile der Quelle im Stadtarchiv Naumburg, hrsg. von der Ständigen Konferenz Mitteldeutscher Barockmusik, Blankenburg 1998.
  • Missa super Epitaphium Mauritii. Zu 6 Stimmen, hrsg. von Lothar Hoffmann-Erbrecht (Das Chorwerk 65), Wolfenbüttel: Möseler 1958.[11][12]

Das Werk Antonio Scandellos umfasst mindestens acht Messen, zahlreiche lateinische Motetten, zwei gedruckte Bände italienischer Canzonen sowie drei Sammlungen geistlicher und weltlicher Lieder. Eine zentrale Stellung nehmen die Liedkompositionen ein, die durch seine Vorgänger am kursächsischen Hof Walter und Le Maistre beeinflusst sind. Sein Canzonettenstil ist dagegen eher Gaspard de Alberti verpflichtet.[13] Die Missa sex vocum super epitaphium Mauritii ist eine Gedenkmesse für den 1553 in der Schlacht bei Sievershausen gefallenen Kurfürst Moritz von Sachsen. Sie basiert vermutlich auf einem verschollenen Trauerepitaph. Wie alle Messen Scandellos ist auch die Missa sex vocum super epitaphium Mauritii als Parodiemessen konzipiert.[14]

In der Johannespassion („Passio das Leyden unsers Herrn Iesu Christi, nach dem H. Evangelisten Iohanne“) von 1561 lässt sich der Übergang zur motettischen Passion nachvollziehen. Scandello greift in seiner Passionsvertonung den responsorialen Kompositionsstil Johann Walters auf. Er scheint auch in seiner fünfstimmigen Johannespassion der Erste gewesen zu sein, der in der protestantischen Passion den Lektionston ausschließlich dem Evangelisten vorbehielt, die übrigen Personen aber in wechselnden Besetzungen frei und ohne Anlehnung an den Passionston komponierte.[15] Der in Hufnagelnotation notierte, nicht rhythmisierte Lektionsvortrag des Evangelisten wird durch mehrstimmig komponierte Einschübe handelnder Personen unterbrochen. Scandello entwickelte Walters Modell weiter, indem er die polyphonen Einschübe in wechselnden Besetzungen vertonte.[16]

Die Auferstehungshistorie (Österliche Freude der siegreichen und triumpfierenden Auferstehung[17]), die um 1573 komponiert wurde, ist ähnlich wie die Johannespassion konzipiert. Sie zählt zu den Frühformen dieser Art und wurde bis in die 1770er Jahre aufgeführt.[18] Die Liedkompositionen Scandellos nehmen den größten Teil des erhaltenen Werks ein. Einige Sammlungen erschienen in mehreren Auflagen, was ein Indikator für seine Popularität ist.[19] In seinen Liedern verknüpft Scandello das traditionelle deutsche Tenorlied mit dem neu etablierten Canzonettenstil.[20]

Antonio Scandello war der Erste italienische Musiker, der im Heiligen Römischen Reich des 16. Jahrhunderts das Amt eines Kapellmeisters bekleidete.[21] Der 1566 in Nürnberg erschienene Canzonendruck ist die erste in Deutschland publizierte Sammlung, die ausschließlich italienischsprachige Musik enthält. Scandellos Werk zeichnet sich durch seine Doppelfunktion aus: Er stand als Vertreter der lutherischen Kirchenmusik in der Tradition eines Johann Walters und war zugleich Repräsentant der italienischen Musik.

  • Balsano, Maria Antonella, „Et a Dresda Martin diventò Ianni. Le canzoni napolitane di Antonio Scandello“, in: Von Isaac bis Bach. Studien zur älteren deutschen Musikgeschichte. Festschrift Martin Just zum 60. Geburtstag, hrsg. von Frank Heidlberger u. a., Kassel 1991, S. 139–153.
  • Blume, Friedrich, Geschichte der evangelischen Kirchenmusik, Zweite, neubearbeitete Auflage, Kassel 21965.
  • Albrecht Classen, Lukas Richter: Lied und Liederbuch in der Frühen Neuzeit (= Volksliedstudien. Band 10). Waxmann Verlag, Münster 2010, ISBN 978-3-8309-7257-0, S. 185 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Eitner, Robert: Scandello, Antonio. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 475 f.
  • Härtwig, Dieter, „Scandello, Antonio“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Friedrich Blume, Bd. 11, Kassel u. a. 1989, Sp. 1472–1480.
  • Heuchemer, Dane Owen, Italian musicians in Dresden in the second half of the sixteenth century. with an emphasis on the lives and works of Antonio Scandello and Giovanni Battista Pinello di Ghirardi (Mikrofiche-Ausg.) 1997.
  • Ders., „Scandello, Antonio“, in: The New Grove Dicotionary of Music and Musicians, Second Edition, hrsg. von Stanley Sadie und John Tyrrell, Bd. 22, New York u. a. 2001, S. 369–370.
  • Kade, Reinhard, „Antonio Scandellus, 1517–1580. ein Beitrag zur Geschichte der Dresdener Hofkantorei“, SIMG, xv (1913–1914), S. 535–565.
  • Pezzi, Francesco: Scandello, Antonio. In: Raffaele Romanelli (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 91: Savoia–Semeria. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2018.
  • Schmitz, Peter, „Überlegungen zu Antonio Scandellos Gedenkmesse für Kurfürst Moritz von Sachsen“, in: Polyphone Messen im 15. und 16. Jahrhundert. Funktion, Kontext, Symbol, hrsg. von Ammendola, Andrea; Glowotz, Daniel; Heidrich, Jürgen, Göttingen 2012, S. 251–265 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Smallman, Basil, „Scandello, Antonio“, in: The Oxford Companion to Music, Oxford 2011. https://login.emedia1.bsb-muenchen.de/login/login
  • Steindorf, Eberhard, Die Sächsische Staatskapelle Dresden, Berlin 1997.
  • Waczkat, Andreas, „Scandello, Antonio“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite, neubearbeitete Ausgabe, Personenteil 14, hrsg. von Ludwig Finscher, Kassel u. a. 2005, Sp. 1064–1066.

Einzelnachweise

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  1. a b Albrecht Classen und Lukas Richter: Lied und Liederbuch in der Frühen Neuzeit. Verlag Waxman, 2009, ISBN 3-8309-2257-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Vgl. Waczkat, „Scandello“, in: MGG2, Personenteil 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 1064. Heuchemer, „Scandello“, in: New Grove2, Bd. 22, New York u. a. 2001, S. 369.
  3. Vgl. Härtwig, „Scandello“, in: MGG, Bd. 11, Kassel u. a. 1989, Sp. 1472. Diesen Adelstitel legte Scandello in Deutschland ab.
  4. Die anderen Musiker waren Cerbonio Besozzi, Matthias Besozzi (Neffe), Benedikt und Gabriel Tola sowie Quirin Tola. Vgl. Härtwig, „Scandello“, in: MGG, Bd. 11, Kassel u. a. 1989, Sp. 1472. Steindorf, Sächsische Staatskapelle Dresden, Berlin 1997, S. 15.
  5. Angelo Scandello folgte seinem Bruder Antonio zwei Jahre später, indem er ebenfalls in die Kapelle eintrat.
  6. Härtwig, „Scandello“, in: MGG, Bd. 11, Kassel u. a. 1989, Sp. 1473. Robert Eitner: Scandello, Antonio. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 475 f.
  7. Vgl. Waczkat, „Scandello“, in: MGG2, Personenteil 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 1064. Heuchemer, „Scandello“, in: New Grove2, Bd. 22, New York u. a. 2001, S. 369. Sein Amt als Kapellmeister war mit 400 Gulden hoch dotiert.
  8. Vgl. Härtwig, „Scandello“, in: MGG, Bd. 11, Kassel u. a. 1989, Sp. 1472. Scandello ehelichte Agnes Tola in zweiter Ehe.
  9. Johann Gottfried Michaelis: Dreßdnische Inscriptiones und Epitaphia. Selbstverlag des Autors, Dresden 1714, S. 169 (Online in der Google-Buchsuche).
  10. Vgl. Waczkat, „Scandello“, in: MGG2, Personenteil 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 1064. Heuchemer, „Scandello“, in: New Grove2, Bd. 22, New York u. a. 2001, S. 369. Ursprünglich sollte entweder Orlando di Lasso oder Jacob Regnart neuer Kapellmeister werden, doch sind die Gespräche diesbezüglich gescheitert.
  11. Nach Waczkat, „Scandello“, in: MGG2, Personenteil 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 1064.
  12. Referenz für gesamten Abschnitt „Werkverzeichnis“: Nach Heuchemer, „Scandello“, in: New Grove2, Bd. 22, New York u. a. 2001, S. 369. Waczkat, „Scandello“, in: MGG2, Personenteil 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 1064. Für eine umfassende Übersicht des Werkverzeichnisses siehe Heuchemer, Dane Owen, Italian musicians in Dresden in the second half of the sixteenth century. with an emphasis on the lives and works of Antonio Scandello and Giovanni Battista Pinello di Ghirardi (Mikrofiche-Ausg.) 1997.
  13. Vgl. Scandello, Antonio, Missa super Epitaphium Mauritii. Zu 6 Stimmen, hrsg. von Lothar Hoffmann-Erbrecht (Das Chorwerk 65), Wolfenbüttel: Möseler 1958, S. II. Waczkat, „Scandello“, in: MGG2, Personenteil 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 1065.
  14. Vgl. Scandello, Antonio, Missa super Epitaphium Mauritii. Zu 6 Stimmen, hrsg. von Lothar Hoffmann-Erbrecht (Das Chorwerk 65), Wolfenbüttel: Möseler 1958, S. II. Härtwig, „Scandello“, in: MGG, Bd. 11, Kassel u. a. 1989, Sp. 1473. Waczkat, „Scandello“, in: MGG2, Personenteil 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 1064.
  15. Friedrich Blume: Geschichte der evangelischen Kirchenmusik, Kassel 1965, S. 118
  16. Waczkat, „Scandello“, in: MGG2, Personenteil 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 1065. Den Worten Jesu im vollstimmigen Satz stehen fünfstimmig gesetzte Turbae-Abschnitte gegenüber. Zudem findet sich in der Johannespassion die Verbindung herkömmlicher Kompositionsweisen mit dem Canzonettenstil. Der Canzonettenstil mit großer Wahrscheinlichkeit durch de Albertis beeinflusst.
  17. Friedrich Blume: Geschichte der evangelischen Kirchenmusik, Kassel 1965, S. 119
  18. Waczkat, „Scandello“, in: MGG2, Personenteil 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 1065. Robert Eitner: Scandello, Antonio. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 475 f.
  19. Magnificat, motets, individual lieder 15642, 156821, 15691, 157117, 157212, 157517, 15781, 158322, 158537, 15905, Corollarium cantionum sacrarum, Nürnberg 1591, 15977, 160712a, 160928, 161916 El primo libro delle canzone napolitane, 4v, Nürnberg 21572, 31583.
  20. Waczkat, „Scandello“, in: MGG2, Personenteil 14, Kassel u. a. 2005, Sp. 1065. Robert Eitner: Scandello, Antonio. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 475 f.
  21. Vgl. Robert Eitner: Scandello, Antonio. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 475 f.
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