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Leonhard Christoph Sturm

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Leonhard Christoph Sturm

Leonhard Christoph Sturm (* 5. November 1669 in Altdorf bei Nürnberg; † 6. Juni 1719 in Blankenburg) war ein deutscher Schriftsteller, Architekturtheoretiker und Baumeister.

Seine Eltern waren Johann Christoph Sturm, Professor für Mathematik und Physik an der Universität Altdorf, und dessen Frau Barbara Johanna geb. Kessler. Bis 1683 besuchte er das Gymnasium Kloster Heilsbronn. Danach studierte er Evangelische Theologie an der Universität Altdorf und wurde 1688 Magister in Artibus. Am 7. Februar 1689 erhielt er ein Lehramt in Jena, 1689/90 an der Universität Leipzig. Danach war er bis 1702 Professor der Mathematik an der Rudolph-Antoniana zu Wolfenbüttel, wo er die Nachfolge Johann Balthasar Lauterbachs als Lehrer für Geometrie, Mathematik, Zivil- und Militärbaukunst antrat. 1702 erhielt er eine Professur an der Brandenburgischen Universität Frankfurt und wurde auswärtiges Mitglied der Königlich Preußischen Sozietät der Wissenschaften.

Während seiner Zeit in Wolfenbüttel wurde er mit einigen Bauprojekten betraut, u. a. mit der Neuplanung der 1700 durch einen Brand stark zerstörten Stadt Calvörde. Dort wurden die barocke St. Georgskirche (fertiggestellt 1729), das Pfarrhaus, das Rathaus und eine Schule weitgehend nach Plänen Leonhard Christoph Sturms wiedererrichtet. Am 27. März 1711 stellte ihn Herzog Friedrich Wilhelm I. von Mecklenburg-Schwerin als Baudirektor ein. In dieser Tätigkeit war er mit dem Umbau des (Schlosses Neustadt an der Elde, unvollendet), dem Bau des Palais am Universitätsplatz in Rostock (1714), dem Ballhaus des Herzogs in Hamburg (1711–1712, 1892 abgetragen) und der Fertigstellung der von Jacob Reutz 1708 begonnenen Kirche St. Nikolai auf der Schelfe (Schelfkirche) in Schwerin betraut. Sturm blieb bis 1719 in Mecklenburg, bis ihn Fürst Ludwig Rudolph von Blankenburg, späterer Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, im Mai jenes Jahres zum Rat und Baudirektor ernannte, doch starb er bereits am 6. Juni 1719. Sein Sohn Georg Christoph Sturm (1698–1763) war erster Braunschweiger Hofbaumeister.

Sturm erlangte vor allem mit seinem systematisch aufgebauten architekturtheoretischen Werk große Bedeutung, weniger durch seine Tätigkeit als Baumeister. Er veröffentlichte neben Schriften zu theologischen und mathematischen Fragen etwa 40 Werke zu Themen der Architektur und des Ingenieurbaus. Damit beeinflusste Sturm die deutsche Baukunst des 18. Jahrhunderts nachhaltig. Seine Systematik basiert auf der Lehre seines Vorbildes Nicolaus Goldmann, dessen Manuskript einer „Civil-Baukunst“ er in einer kommentierten Version ab 1696 erstmals publizierte und anschließend durch eigene Erweiterungen umfangreich ergänzte und auffächerte. In der auf Goldmanns Manuskript beruhenden „Vollständigen Anweisung zu der Civil Bau-Kunst“ (1696), Kapitel 3, „von denen Bücher schreiben, welche von der Baukunst gehandelt haben“ zitiert Goldmann/Sturm u. a. die Werke von Vitruv, Leon Battista Alberti, Sebastiano Serlio, Andrea Palladio und Vincenzo Scamozzi. Erwähnenswert sind auch seine Übertragungen von Augustin Charles Daviliers Civilbaukunst (1699) und (1737 posthum erschienen) sowie mehrere Schriften zum Festungs-, Mühlen- und Wasserbau, in denen er Erfahrungen von zwei Studienreisen nach Frankreich (1699) und in die Niederlande (1697) verarbeitete. Posthum erschien auch seine freie Übertragung von „Der Wahre Vauban, oder der von den Teutschen und Holländern verbesserte Französische Ingenieur“ (1737) mit Erläuterungen.[1]

Abbildung einer idealen Querkirche aus der Anweisung über den Kirchenbau von 1718

Sturms architekturtheoretisches Werk umfasst etwa 40 Schriften, die teilweise in mehreren Auflagen und in mehreren Sprachen übersetzt bis weit in das 18. Jahrhundert hinein erschienen.

  • Sein Hauptwerk: Nikolaus Goldmann Vollständige Anweisung zu der Civil Bau-Kunst herausgegeben von L.C. Sturm. Heinrich Keßler, Braunschweig 1699 (uni-heidelberg.de).
  • Architectonisches Bedencken Von Protestantischer Kleinen Kirchen Figur und Einrichtung, Hamburg 1712 urn:nbn:de:bvb:12-bsb10913306-9.
  • Gründlicher Unterricht von Häng- und Sprengwerken. Schwerin 1713 (books.google.de)
  • Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste. Augsburg 1718 (digitale-sammlungen.de).
  • Vollständige Anweisung, alle Arten von regularen Prachtgebäuden nach gewissen Regeln zu erfinden. Augsburg 1716 (uni-heidelberg.de).
  • Vollständige Anweisung, alle Arten von Kirchen wohl anzugeben…. Augsburg 1718 (uni-heidelberg.de).
  • Vollständige Mühlen Baukunst…. Augsburg 1718 (digitale-sammlungen.de), (Digitalisat)
  • Leonhard Christoph Sturms Vollständige Anweisung Die Bogen-Stellungen nach der Civil Bau-Kunst in allen Fällen recht einzutheilen, Augspurg 1718, (uni-heidelberg.de).
  • Leonhard Christoph Sturms durch einen großen Theil von Teutschland und den Niederlanden bis nach Paris gemachete Architectonische Reise-Anmerckungen…. Augsburg 1719 (books.google.de).
  • Sturm (Leonhard Christoph). In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 40, Leipzig 1744, Sp. 1424–1427.
  • Paul ZimmermannSturm, Leonhard Christoph. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 42–45.
  • Curt Habicht: Die deutschen Architekturtheoretiker des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen. N.F. 22 (1917), kol.209-244.
  • Nikolaus Pevsner, 'Leonhard Christoph Sturms Tätigkeit und Einfluß in Leipzig', in: ders., Leipziger Barock. Die Baukunst der Barockzeit in Leipzig (Dresden 1928), S. 25–33.
  • Theodor Wotschke, 'Leonhard Christian Sturms religiöse und kirchliche Stellung', Mecklenburgische Jahrbücher. Band 95, 1931, S. 103–142.
  • Isolde Küster: Sturm, Leonhard Christoph. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 32: Stephens–Theodotos. E. A. Seemann, Leipzig 1938, S. 254–257 (biblos.pk.edu.pl).
  • Isolde Küster: Leonhard Christoph Sturm. Leben und Leistung auf dem Gebiet der Zivilbaukunst in Theorie und Praxis. Dissertation Berlin 1942.
  • Christian Schädlich: Die Grundzüge der klassischen Architekturtheorie, Versuch einer Wertung an Hand der Schriften des Leonhard Christoph Sturm (1669–1719). Dissertation Weimar 1957.
  • Paul Zubek, 'Leonhard Christoph Sturms deutsche Säulenordnung", Nordelbingen. Band 40, 1971, S. 43–53.
  • Erika Bosl: Sturm, Leonhard Christoph, Architekt, Architekturtheoretiker, Mathematiker und ev. Theologe. In: Karl Bosl (Hrsg.): Bosls bayerische Biographie. Pustet, Regensburg 1983, ISBN 3-7917-0792-2, S. 766 (Digitalisat).
  • Werner Ennenbach: Leonhard Christoph Sturm – Professor für Mathematik und Architektur an der Universität Frankfurt (Oder) 1702–1711 – als Museologe. In: Günther Haase (Hrsg.): Die Oder-Universität Frankfurt. Beiträge zu ihrer Geschichte. Weimar 1983, S. 257–260.
  • Christian Schädlich: Leonhard Christoph Sturm. In: Große Baumeister. Band 2, Berlin 1990, S. 92–139.
  • Helmut Lorenz, 'Leonhard Christoph Sturms "Prodomus Architecturae Goldman-nianae"', Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte. Band 34, 1995, S. 119–144.
  • Hermann Heckmann: Baumeister des Barock und Rokoko in Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Lübeck, Hamburg. Verlag Bauwesen Berlin 2000, ISBN 3-345-00692-8, S. 31–49.
  • Thomas von der Dunk: Der Turm und die Theorie. Ein erster Versuch über die extreme Vertikale im Klassizismus. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, XXXIX (2000) S. 124–128.
  • Claus BernetLeonhard Christoph Sturm. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 19, Bautz, Nordhausen 2001, ISBN 3-88309-089-1, Sp. 1349–1369.
  • Museum im Schloss Wolfenbüttel und dem Fachgebiet Baugeschichte der TU Braunschweig (Hrsg.): Hermann Korb (1656–1735) und seine Zeit, Barockes Bauen im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Braunschweig 2006.
  • Edzard Rust, 'Theorie und Praxis. Leonhard Christoph Sturms Schriften zur Zivilbaukunst und ihr Einfluss auf gebaute Architektur', Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, 55/56 (2006/2007), S. 507–527.
  • Matthias Franke: Leonhard Christoph Sturm. Zwischen pietistischer Überzeugung und Repräsentation am Berliner Hof. In: Werner Oechslin (Hrsg.): Architekt und/versus Baumeister. Die Frage nach dem Metier. Zürich 2009, ISBN 978-3-85676-259-9, S. 142–151.
  • Simon Paulus: Deutsche Architektenreisen. Zwischen Renaissance und Moderne. Petersberg 2010, ISBN 978-3-86568-652-7, S. 53–59.
  • Kathrin Ellwardt: Sturm, Leonhard Christoph. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 652–654 (Digitalisat). (mit teilweise veralteten Angaben)
  • Thomas von der Dunk: Sturm über Holland. Ergebnisse einer Studienreise eines deutschen Architekturtheoretikers in der niederländischen Republik um 1700. In: Insitu. Zeitschrift für Architekturgeschichte, VIII (2016), S. 191–204.
  • Tobias Büchi: Freundlicher Wettstreit der französischen, holländischen und deutschen Kriegsbaukunst: Leonhard Christoph Sturm als Fortifikationstheoretiker. In: Deutsche Gesellschaft für Festungsforschung (Hrsg.): Die Festung der Neuzeit in historischen Quellen. Schnell und Steiner, Regensburg 2018 (Festungsforschung; 9), ISBN 978-3-7954-3266-9, S. 145–160.
  • Paul Zalewski, Meinrad v. Engelberg (Hrsg.): Leonhard Christoph Sturm: Theorie und Praxis der Architektur im frühen 18. Jahrhundert. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2024, ISBN 978-3-7319-1327-6.
Commons: Leonhard Christoph Sturm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Der Wahre Vauban, oder der von den Teutschen und Holländern verbesserte Französische Ingenieur. Peter Conrad Monath, Nurnberg 1737 (digital.blb-karlsruhe.de).