Dies ist ein als exzellent ausgezeichneter Artikel.

Gabelbock

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. November 2004 um 10:26 Uhr durch Necrophorus (Diskussion | Beiträge) (Exzellent). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Gabelbock
Gabelböcke, zwei Weibchen
Gabelböcke, zwei Weibchen

Zwei Gabelbockweibchen (Antilocapra americana)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Superordo: Laurasiatheria
Vorlage:Ordo: Paarhufer (Artiodactyla)
Vorlage:Subordo: Wiederkäuer (Ruminantia)
Vorlage:Familia: Gabelhornträger (Antilocapridae)
Vorlage:Genus: Antilocapra
Vorlage:Species: Gabelbock (A. americana)

Der Gabelbock (Antilocapra americana), auch als Gabelhornantilope, Gabelhorntier oder Gabelhornträger bekannt, ist ein nordamerikanischer Paarhufer der Prärie. Trotz seiner antilopenartigen Gestalt ist er mit den Antilopen Afrikas und Asiens nicht verwandt, sondern bildet eine eigene Familie der Paarhufer, deren einziger Vertreter er heute ist.

Merkmale

In der Größe entspricht der Gabelbock einem Reh. Er hat eine Kopfrumpflänge von bis zu 150 Zentimetern, eine Körperhöhe von 90 Zentimeter und ein Gewicht von 50 bis 70 Kilogramm. Die Männchen sind etwas größer als die Weibchen. Das Fell ist oberseits gelb- bis rotbraun und unterseits bis zu den Flanken weiß gefärbt; weiße Bänder finden sich zudem auf der Vorderseite des Halses und um den Mund herum. Die Männchen haben außerdem eine schwarze Zeichnung im Gesicht und am Hals. Ein Gabelbock kann seine Körperhaare aufrichten. Durch das Aufstellen der weißen Rumpfhaare gibt er ein weithin sichtbares Signal, das in einer Herde als Warnung wahrgenommen wird.

Unterscheidbar sind die Geschlechter auch durch die Hörner. Beim Männchen wachsen die Hörner auf das Doppelte der Länge der Ohren heran und gabeln sich in ein kurzes nach vorne gerichtetes und ein langes nach oben gerichtetes und etwas zurückgebogenes Ende - von dieser Eigenschaft leitet sich ihr deutscher Name ab. Die knöcherne Grundlage des Horns unterliegt dieser Gabelung nicht. Weibchen haben oft gar keine Hörner; in manchen Fällen wachsen sie aber auch ihnen, sind dann aber niemals länger als die Ohren. Jedes Jahr werden die Hornscheiden nach der Brunft gewechselt. Nur die Knochenzapfen bleiben zeitlebens bestehen, während die Hornscheide sich ablöst und zu Boden fällt. Darunter hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits neue Hornmasse gebildet, die noch mit einem pelzigen Überzug bedeckt ist.

Unter den Sinnesorganen des Gabelbocks kommt dem Auge die größte Bedeutung zu. Durch die Lage der Augen an den Kopfseiten hat ein Gabelbock die Möglichkeit, ein Blickfeld von nahezu 360° zu beobachten. Gehör- und Geruchssinn sind von etwas geringerer Bedeutung, beide aber gut entwickelt. Die Ohren können aufgestellt und in verschiedene Richtungen gewendet werden. Die Nase spielt vor allem beim Erkennen von Reviergrenzen eine Rolle.

Gabelböcke zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Sprungkraft aus. So können sie mit einem einzigen Sprung bis zu sechs Meter vorwärts schnellen.

Verbreitung

Männlicher Gabelbock

Der Gabelbock war einst weit über die nordamerikanische Prärie und auch die Wüsten und Halbwüsten der südwestlichen USA sowie des nordwestlichen Mexiko verbreitet. In den Rocky Mountains steigen sie manchmal in Höhen bis zu 3500 Metern auf; hauptsächlich sind sie allerdings Tiere des Flachlands. Allein im Yellowstone-Nationalpark leben etwa 5.000 Gabelböcke, meist in den tiefergelegenen Tälern. (Siehe auch: Bedrohung und Schutz.)

Lebensweise

Gabelböcke können zu allen Tages- und Nachtzeiten aktiv sein, sind dies jedoch überwiegend während der Dämmerung. Wo die Umstände es erforderlich machen, führen sie jahreszeitliche Wanderungen durch, die über Strecken von 160 Kilometer führen können. Dies ist beispielsweise in Wüsten notwendig, um Wasserläufe zu suchen, oder in felsigen Gegenden, die im Winter kein ausreichendes Nahrungsangebot haben. Gabelböcke sind Grasfresser, die sich nebenher auch von Blättern und Kräutern ernähren.

Im Sommer werden ältere Männchen zu Einzelgängern und versuchen durch Kämpfe, ein Territorium zu erstreiten. In diesem sammeln sie einen Harem um sich. Ein Territorium kann 4 Quadratkilometer umfassen und wird durch Urin abgesteckt. Das Männchen ist fortan damit beschäftigt, andere Männchen am Betreten und Weibchen am Verlassen des Territoriums zu hindern. Bei einem Aufeinandertreffen zweier Männchen reichen meistens Drohgebärden mit lauten Schreien und Scheinattacken aus, um über Sieger und Verlierer zu entscheiden. Kommt es doch einmal zum Kampf, können die scharfkantigen Hörner ernsthafte Verletzungen und sogar den Tod verursachen.

Gabelbockherde

Jüngere Männchen, die noch nicht kämpfen können, finden sich zu kleinen Verbänden zusammen; alte Männchen, die zu schwach zum Kämpfen sind, bleiben einzelgängerisch und versuchen, den Revieren der Artgenossen auszuweichen. Die Weibchen leben in Gruppen von etwa zwanzig Tieren. Nach einer Tragzeit von achteinhalb Monaten bringen sie ein bis zwei, sehr selten drei Junge mit einem Geburtsgewicht von etwa 3 Kilogramm zur Welt. Diese haben zunächst ein graues Fell, das nach drei Monaten die typischen Farben der Alttiere annimmt. Etwa nach einer Woche können junge Gabelböcke selbst rennen. Bis dahin werden sie von der Mutter stark behütet, da sie noch ein sehr einfaches Opfer für die Feinde darstellen. Im Alter von 15 bis 16 Monaten tritt die Geschlechtsreife ein.

Im Herbst und im Winter tun sich all die kleinen Verbände mit einzelgängerischen Männchen zu großen Herden zusammen, die in historischen Zeiten mehrere zehntausend Tiere umfassen konnten, heute jedoch maximal aus wenig mehr als tausend Tieren bestehen.

Gabelböcke haben eine geringe Lebenserwartung und werden selbst unter günstigen Umständen selten älter als zehn Jahre.

Geschwindigkeit

Im Laufen können Gabelböcke Geschwindigkeiten von 60 bis 70 km/h erreichen; in einem Fall wurde sogar eine Geschwindigkeit von 86,5 km/h gemessen. Über eine Strecke von 5 Kilometern können hohe Geschwindigkeiten durchgehalten werden. Ihre körperliche Anpassung an solche Geschwindigkeiten besteht nicht nur in dem schlanken Körperbau und den kräftigen Beinen, sondern auch in einer Vergrößerung von Lungen und Herz - das Herz eines Gabelbocks ist etwa doppelt so groß wie das eines Schafs.

Oft stößt man auf die Behauptung, Gabelböcke seien nach Geparden die schnellsten Säugetiere der Welt. Hier ist es aber stets eine Frage, wie man Schnelligkeit definiert. Über sehr kurze Distanzen können manche afrikanisch-asiatische Antilopen, wie zum Beispiel die Hirschziegenantilope, die gleichen Geschwindigkeiten erreichen. Allerdings sind Gabelböcke die schnellsten Säugetiere des amerikanischen Doppelkontinents, und gemessen über eine Strecke von 5 Kilometern vielleicht sogar die schnellsten Säugetiere überhaupt.

Ihre Geschwindigkeit ist die Hauptwaffe gegen natürliche Feinde.

Feinde

Neben dem Menschen sind vor allem Wolf und Kojote Feinde der Gabelböcke. Wegen der hohen Geschwindigkeiten ihrer Beutetiere reißen erstere jedoch meistens nur junge, alte und kranke Individuen. Durch gezielte Tritte mit den Hinterhufen versuchen Gabelböcke, sich gegen die Angreifer zur Wehr zu setzen; bei Kojoten haben sie damit oft Erfolg.

Menschen und Gabelböcke

Bedeutung des Gabelbocks für die Indianer

Für die Indianer der Prärie waren Gabelböcke wertvolle Fleischlieferanten. Da sie ein überaus häufiges Wild waren - noch 1800 gab es etwa 40 Millionen Einzeltiere in der Prärie - spielten sie im indianischen Alltag oft eine große Rolle. Die Westlichen Shoshone kannten eine zeremonielle Gabelbockjagd, die von einem Schamanen eingeleitet wurde. Wie die Bisonjagd hatte die Jagd auf Gabelböcke eine religiöse Dimension. Die Jäger trieben die Tiere durch ein Feuer in die Hände der Jäger, in die Richtung eines Flusses oder in einen vorgängig erstellten Korral (ein Fanggehege für wilde Tiere). Die Nördlichen Shoshone hingegen streiften sich Felle von Gabelböcken über und pirschten sich so getarnt möglichst nah an die Herde heran. Auch nach der Verfügbarkeit des Pferdes war die Gabelbockjagd eine anspruchsvolle Herausforderung, da die Beutetiere schneller als Pferde zu rennen vermögen.

Die Lakota begehrten die Gabelböcke nicht nur wegen ihres Fleisches, sondern auch wegen ihrer Felle, die sie gerne für die Herstellung von Kleidung verwendeten.

Den Bestand des Gabelbocks konnten die Indianer mit ihren Jagdmethoden nicht in nennenswerter Weise beeinträchtigen.

Moderne Entwicklungen, Bedrohung und Schutz

Den Weißen war der Gabelbock lange Zeit unbekannt, bis die Art von Lewis und Clark auf ihrer Expedition (1804-06) beschrieben wurde. In jener Zeit waren die Grasländer des nordamerikanischen Westens überreich an Großwild wie Bisons und eben Gabelböcken.

Nach der großflächigen Besiedlung Nordamerikas durch weiße Siedler glich das Schicksal des Gabelbocks dem des Amerikanischen Bison. Sie wurden zunächst wegen ihrer Felle und ihres Fleisches geschossen, später nur noch zum Sport. Aus den fahrenden Zügen entlang der Eisenbahnstrecken schossen die Reisenden Tausende von Gabelböcken ab, deren Kadaver zu beiden Seiten der Bahnlinien verwesten. Bis 1920 war die Bestandszahl durch unkontrollierte Jagd auf 20.000 Tiere gesunken. Hiernach erst wurden Schutzmaßnahmen erlassen, weshalb es heute wieder 1 Million Gabelböcke in den USA und in Kanada gibt, so dass die Art als Ganzes nicht als gefährdet gilt.

In Mexiko hat sich der Bestand dagegen nie erholt. Dort gibt es auch heute nur wenig mehr als 1000 Tiere. Folgerichtig listet die IUCN die beiden mexikanischen Unterarten als bedroht. Dies sind der Sonora-Gabelbock (A. a. sonoriensis) und der Baja-California-Gabelbock (A. c. peninsularis). Letzterer ist nur auf der Halbinsel Baja California beheimatet und wird als stark bedroht geführt.

Gabelböcke sind für einige bedeutende Infektionskrankheiten der Paarhufer empfänglich. So bilden sie ein Erregerreservoir für das Bösartige Katarrhalfieber, BVD/MD und die Epizootic Hemorrhagic Disease (EHD). Daneben besteht eine hohe Empfindlichkeit für Milzbrand, Tollwut und diverse Parasitosen.

Gabelböcke im Zoo

Gabelböcke werden infolge ihrer Bedrohung in freier Natur als Beitrag zur Sicherung des Bestandes als Zootiere gehalten. Vor allem dominiert eine starke Schreckhaftigkeit mit Neigung zur Panik im Umgang mit Menschen. Bei Unterschreitung der Fluchtdistanz reagieren die Tiere daher nicht selten mit einem kompromisslosen Angriff, der infolge der wirkungsvoll eingesetzten Hörner durchaus gefährlich werden kann. Jegliche Anwendung von Zwangsmaßnahmen kann zu Selbsttraumatisierung oder Streßmyopathie führen. Körperliche Untersuchungen können daher nur unter Sedation oder Narkose erfolgen. Eine wirkungsvolle Narkose ist dabei nur durch hochpotente Betäubungsmittel vom Morphintyp erreichbar. Gabelböcke lassen sich im Zoo nur schwer mit anderen Huftierarten vergesellschaften; schon das Eingliedern handaufgezogener männlicher Tiere kann aufgrund deren Aggressivität zu Konflikten führen. Das natürliche Sprung- und Schwimmvermögen der Gabelböcke muss bei der Einrichtung des Geheges berücksichtigt werden. Anders als in freier Wildbahn beträgt die Lebenserwartung der Tiere in Gefangenschaft etwa 17 Jahre.

Systematik

Die nähere Verwandtschaft des Gabelbocks war lange Zeit vollkommen unklar. Obwohl er schon frühzeitig in eine eigene Familie gestellt wurde, gab es bis in die 1980er Jahre hinein Zoologen, die meinten, der Gabelbock sei nicht mehr als eine Unterfamilie der Hornträger. Durch DNA-Analysen scheint heute geklärt zu sein, dass die Gabelhornträger eine Schwestergruppe der Hirsche sind.

Blickt man in die Vergangenheit, war die Familie der Gabelhornträger einst artenreich in Nordamerika verbreitet. Der früheste bekannte Vertreter war Paracosoryx aus dem frühen Miozän mit einem sehr langen Gabelgehörn, gefolgt von Ramoceros, bei dem die Hörner zu kleinen Schaufeln umgebildet waren, und Meryceros und Cosoryx, die dem heutigen Gabelbock schon ähnlich sahen. Im Pliozän wurde die Reihe von Plioceros fortgesetzt, einem kurzhalsigen Tier mit sehr breiten und kurzen Hörnern. Zum Pleistozän hin erschienen gedrungene Tiere wie Tetrameryx und Capromeryx, die sich dem eiszeitlichen Klima anpassten und eine heute ausgestorbene Seitenlinie repräsentieren (Stockoceratini). Während am Ende der Eiszeit all diese Arten ausstarben, überlebte der Gabelbock, den es auch bereits im Pleistozän gegeben hatte, als Einziger.

Unterarten

Man unterscheidet je nach Lehrmeinung vier bis sechs Unterarten des Gabelbocks. Unumstritten ist dabei der Status der vier folgenden Unterarten:

  • Antilocapra americana americana in der Prärie der USA und Kanadas
  • Antilocapra americana mexicana in den Halbwüsten des Südwestens der USA und den angrenzenden Gegenden Mexikos
  • Antilocapra americana peninsularis in Baja California
  • Antilocapra americana sonoriensis in Süd-Arizona und Nordmexiko

Die manchmal ebenfalls als Unterarten geführten Antilocapra americana anteflexa und Antilocapra americana oregona sind dagegen wohl Synonyme der Unterart Antilocapra americana americana.

Literatur

  • Heinrich Weidinger: Pronghorn, die nordamerikanische Antilope. Weidinger, 1995 ISBN 3000055460
  • John A. Byers: Built for Speed: A Year in the Life of Pronghorn. Harvard University Press, 2003 ISBN 0674011422
  • Gary Turbak: Pronghorn: Portrait of the American Antelope. Northland Publishing, 1995 ISBN 087358595X