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(PDF) Gesprochene Sprache rhythmisch versilbt
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Gesprochene Sprache rhythmisch versilbt

Ein praktisches Verständnis von Silben im Deutschen zu entwickeln ist für Lerner japanischer Muttersprache kein leichtes Unterfangen. Die bekannten japanischen Gedichtformate Haiku und Tanka bieten jedoch interessante Möglichkeiten. Für japanische Lerner bietet die, teilweise auch problematische, Gleichsetzung, japanischer Moren mit Silben im Deutschen überraschendes Potenzial. Der Lerner entwickelt im DaF-Unterricht ein praktisch-kognitives Verständnis von Silben vermittels des Schreibens von Haiku und Tanka auf Deutsch. Mit ihren festen Strukturen von 5-7-5 Moren bzw. Ersatzweise Silben (Haiku) und 5-7-5-7-7 (Tanka) bieten diese Gedichte eine gute Ausgangsbasis für die spielerische Manipulation von Sprache – besonders kommunikativer Chunkstrukturen, die integraler Bestandteil des Lehrwerks sind – in einem fest begrenzten Rahmen. Sie ermöglichen somit auch die Annäherung an Silbenstrukturen und erleichtern das Realisieren von Silbengrenzen im Deutschen. Poetische Freiheiten bei der Verkürzung oder Verlängerung von Silben und gesprochensprachliches Einfügen von Modalpartikeln und Pronomina und Klitisierung sind auch und gerade für japanische Anfänger interessante Felder des praktischen Entdeckens und Kennenlernens rhythmischer Strukturen der Zielsprache Deutsch. Insbesondere ermöglichen sie das behutsame aber sukzessive Loslösen von der, besonders die extreme Limitierung des Vokalphoneminventars betreffenden folgenschweren, Repräsentation der phonetisch-phonologischen Realität des Deutschen mittels des japanischen Silbenalphabets katakana. Anhand von Beispielen aus der Unterrichtspraxis werden Grenzen und Möglichkeiten dieses Ansatzes und auch das Potenzial für den Einsatz in anderen ausgangssprachlichen Kontexten illustriert und erörtert.

PUBLIKATIONEN DER INTERNATIONALEN VEREINIGUNG FÜR GERMANISTIK (IVG) Herausgegeben von Franciszek Grucza und Jianhua Zhu AKTEN DES XIII. INTERNATIONALEN GERMANISTENKONGRESSES SHANGHAI 2015 Germanistik zwischen Tradition und Innovation Herausgegeben von Jianhua Zhu, Jin Zhao und Michael Szurawitzki Band 4 Unter Mitarbeit von: Nikolina Burneva, Hermann Funk, Klaus Geyer PETER LANG PUBLIKATIONEN DER INTERNATIONALEN VEREINIGUNG FÜR GERMANISTIK (IVG) Akten des XIII. Internationalen Germanistenkongresses Shanghai 2015 Der Band dokumentiert Sektionen aus dem Bereich Sprachdidaktik und Sprachvermittlung des Kongresses der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG) in Shanghai 2015. Er beginnt mit der Sektion ‚Qualifizierung von DaF-Lehrkräften weltweit‘, darauf folgt die Sektion ‚Germanistische Qualifikationen weltweit: Curricula und Berufsbilder von AuslandsgermanistInnen‘. Die Sektion ‚Phonetik und Phonologie Deutsch als Fremdsprache‘ beschließt den Band. www.peterlang.com Germanistik zwischen Tradition und Innovation PUBLIKATIONEN DER INTERNATIONALEN VEREINIGUNG FÜR GERMANISTIK (IVG) Herausgegeben von Franciszek Grucza und Jianhua Zhu Band 23 Akten des XIII. Internationalen Germanistenkongresses Shanghai 2015 Germanistik zwischen Tradition und Innovation Herausgegeben von Jianhua Zhu, Jin Zhao und Michael Szurawitzki Band 4 Unter Mitarbeit von: Nikolina Burneva, Hermann Funk, Klaus Geyer Qualifizierung von DaF-Lehrkräften weltweit Betreut und bearbeitet von Hermann Funk, Ayten Genc, Michael Schart und Imke Mohr Germanistische Qualifikationen weltweit: Curricula und Berufsbilder von AuslandsgermanistInnen Betreut und bearbeitet von Nikolina Burneva, Annegret Middeke, Almut Hille, Wuneng Yang und Han Guo Phonetik und Phonologie Deutsch als Fremdsprache Betreut und bearbeitet von Klaus Geyer, Ursula Hirschfeld, Cordula Hunold und Miki Ikoma Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Formale Redaktion: Agnieszka Bitner-Szurawitzki. Umschlaggestaltung: © Olaf Gloeckler, Atelier Platen, Friedberg Umschlagabbildung: Tongji-Universität Shanghai, mit freundlicher Genehmigung von Vanessa Müller. Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier. ISSN 2193-3952 ISBN 978-3-631-66866-5 (Print) E-ISBN 978-3-653-06218-2 (E-PDF) E-ISBN 978-3-631-70756-2 (EPUB) E-ISBN 978-3-631-70757-9 (MOBI) DOI 10.3726/b10391 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2016 Alle Rechte vorbehalten. Peter Lang Edition ist ein Imprint der Peter Lang GmbH. Peter Lang – Frankfurt am Main · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Diese Publikation wurde begutachtet. www.peterlang.com Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeber ....................................................................................... 11 Qualiizierung von DaF-Lehrkräten weltweit – betreut und bearbeitet von Hermann Funk, Michael Schart und Imke Mohr R. Ragip Başbaği Studienbegleitender Fremdsprachenunterricht im Kontext der Deutschlehrerausbildung – Bestandsaufnahme und Prognosen am Beispiel der Marmara-Universität ......................................................................... 15 Annelie Eberhardt, Manuela Heinz Irland forscht – Aktionsforschung mit Fremdsprachenlehrenden an irischen Sekundarschulen ...................................................................................... 23 Barbara Frankenberg Mehr als 1600 neue Deutschlehrer in der Türkei ................................................ 29 Mariola Jaworska Binnendiferenzierung, Individualisierung, Lernerautonomie – Große Herausforderungen für DaF-LehrerInnen ........................................................... 33 Aysin Kalayci Zum gegenwärtigen Stand der Vorbereitungsklassen in der Türkei ................ 39 Hans-Jürgen Krumm Welche Kompetenzen brauchen Sprachlehrende? .............................................. 45 Qiaoping Lü Förderung der Studierfähigkeit mit Texten aus „Studienweg Deutsch“ ........... 51 Katrin Niewalda Herausforderungen bei der Durchführung von Praxiserkundungsprojekten im Rahmen von Fortbildungen mit Deutsch Lehren Lernen (DLL) ............................................................................................... 57 Kazumi Sakai Der Deutschunterricht in Japan heute und der Deutschlehreraus- und Fortbildungskurs der JGG ...................................................................................... 63 6 Inhaltsverzeichnis Ekaterine Shaverdashvili Deutschlehreraus- und fortbildung in Georgien. Probleme und Perspektiven ............................................................................................................. 71 Hyung-Uk Shin Deutschlehrerausbildung in Korea: Realität und Perspektiven auf der Basis von DLL .......................................................................................................... 77 Paul Voerkel „Sind Sie denn als Deutsch-Lehrkrat kompetent?“ – Vorstellung eines funktionalen Kompetenzmodells zur Lehrerausbildung ................................... 83 Qi Xin Anwendung und Erweiterung des Europäischen Proilrasters für Sprachlehrende (EPR) mit Blick auf China ......................................................... 89 Germanistische Qualiikationen weltweit – Curricula und Berufsbilder von AuslandsgermanistInnen – betreut und bearbeitet von Annegret Middeke, Almut Hille und Nikolina Burneva Han Guo Vorwort ..................................................................................................................... 97 Anna de Berg Die (Auslands-)Germanistik im 21. Jahrhundert. Ein Fallbeispiel zur Anwendung digitaler Medien im Unterricht .................................................... 101 Nikolina Burneva Zum Basiswissen des Auslandsgermanisten ...................................................... 107 Olivera Durbaba Zur Rolle des Portfolios in der Deutschlehrerausbildung ............................... 113 Hebatallah Fathy Zukuntsmodelle für die interkulturelle ägyptische Germanistik. Zwischen Literaturkanon und Literaturdidaktik ............................................. 119 Albert Gouafo Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualiikation. Eine Herausforderung für die Germanistik als de-territorialisierte Literaturund Kulturwissenschat ....................................................................................... 125 Inhaltsverzeichnis 7 Frank homas Grub ‚Samverkan‘ als Instrument der Curriculumentwicklung – Zum Potenzial eines heorie und Praxis verzahnenden Konzepts ......................... 131 Marianne Hepp Quantitativer und qualitativer Wandel der DaF-Vermittlung ......................... 137 Almut Hille ‚Neue Literaturen‘ in Curricula? .......................................................................... 143 Gisela Holter Internationalisierung außerhalb der Double und Joint Degrees, oder: Germanistik mit Bindestrich ............................................................................... 149 Lyudmila Ivanova Bedarfsorientierte philologische Germanistik ................................................. 155 Jin Zhuo Lee Berufsperspektiven für Germanisten in Malaysia ........................................... 161 Karin Leich Auklärung ohne Ende? Soll man die großen Auklärungsautoren im DaF-Unterricht behandeln? ................................................................................ 167 Yue Liu Projektorientierte Kompetenzförderung in Seminaren zur interkulturellen Kommunikation im Studiengang „German Studies“ an der Zhejiang-Universität ...................................................................................... 173 Irena Samide Wer hat Angst vor Literatur? Literaturdidaktik und Literaturvermittlung in der internationalen Germanistik ................................................................... 181 Elke Sturm-Trigonakis Reformansätze der Germanistik in Griechenland ........................................... 187 Marianne Zappen-homson Mit Kapana und Oshikundu sowie Brezel und Bier. Zum Deutschstudium in Namibia ................................................................................ 193 Annegret Middeke, Ursula Paintner Nachwort: Zu den multinationalen Wechselwirkungen germanistischer Arbeit ...................................................................................................................... 199 8 Inhaltsverzeichnis Phonetik und Phonologie Deutsch als Fremdsprache – betreut und bearbeitet von Klaus Geyer, Ursula Hirschfeld, Cordula Hunold und Miki Ikoma Peter Colliander Aspekte der Aussprache von fremden und Fremdwörtern ............................. 211 Rogéria Costa Pereira Der Erwerb komplexer Silbenstruktur des Deutschen durch brasilianische Lernende ........................................................................................ 217 Klaus Geyer Phonologische Regeln und Deutsch als Fremdsprache: Zum Erklärungspotenzial von Silbe und Sonorität .................................................... 223 Beata Grzeszczakowska-Pawlikowska Phonetische Verständlichkeit in der universitären Lehr-LernKommunikation .................................................................................................... 229 Ursula Hirschfeld Normphonetische Transkriptionsregeln zur Beschreibung der deutschen Standardaussprache (in Deutschland) ................................................................ 235 Morten Hunke Gesprochene Sprache rhythmisch versilbt ......................................................... 241 Cordula Hunold Phonetik in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache ................................. 247 Miki Ikoma Produktion und Wahrnehmung der deutschen Modalpartikel schon durch japanische Deutschlernende ..................................................................... 253 Meiling Jin Übertragung muttersprachlicher „Logik“ in die Fremdsprache ..................... 261 Xuan Giao Le Wortakzentuierung vietnamesischer Deutschlernender – Störfaktoren und didaktische Überlegungen ........................................................................... 267 Xiang Li Empirische Untersuchungen zur Verbesserung der Ausspracheleistung chinesischer Germanistikstudierender im Bereich der Prosodie ................... 273 Inhaltsverzeichnis 9 Junko Nakagawa, Mutsumi Tachikawa Zur Ermittlung der phonetischen Kernmerkmale für japanische Deutschlernende ................................................................................................... 279 Markus Rude Die Wirkung „Prosodischer Schrit“ auf die Aussprache von japanischen Deutschlernenden: Handschritliche und computergenerierte Varianten .... 285 Aoussine Seddiki Das Hör- und Aussprachetraining in einer mehrsprachigen Umgebung: Die Ausspracheschulung in Algerien als Beispiel ............................................. 293 Anke Sennema, Jane Kühn, Christoph Schroeder Markiertheit als Erklärungsansatz zum Erwerb prosodischer Strukturen in DaF ..................................................................................................................... 299 Saadat Zeynalova Vokalische Variation im unbestimmten Artikel/ Numerale: aserbaidschanisch /bir/ und deutsch/aɪn/ .......................................................... 305 Saadat Zeynalova, Günel Mehdizade Typische Aussprachefehler beim Erlernen des Deutschen in einem aserbaidschanischen Auditorium ........................................................................ 311 Vorwort der Herausgeber Der vorliegende Band ist der vierte in der Dokumentation des XIII. Kongresses der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG), der vom 23. bis zum 30. August 2015 an der Tongji-Universität Shanghai stattfand. Mit diesem Band wird die Dokumentation der Sektionen im Bereich Sprachdidaktik und Sprachvermittlung begonnen. Es werden hier folgende Sektionen in der genannten Reihenfolge dokumentiert: Der Band beginnt mit der Sektion Qualiizierung von DaF-Lehrkräten weltweit. Daran schließt sich die Sektion Germanistische Qualiikationen weltweit – Curricula und Berufsbilder von AuslandsgermanistInnen an. Die Sektion Phonetik und Phonologie Deutsch als Fremdsprache beschließt den Band. Wir danken allen Sektionsleiterinnen und -leitern sowie ihren Stellvertreterinnen und Stellvertretern für die große geleistete Arbeit, sowohl während der Organisation und Durchführung der Sektionen sowie bei der Herausgabe der Sektionsbeiträge. Unser Dank gilt wiederum auch Dr. Agnieszka Bitner-Szurawitzki und Dr. Kerstin Salewski-Teßmann, die uns redaktionell bei der formalen Überprüfung und Vereinheitlichung der Beiträge sowie dem Korrekturlesen der Manuskripte tatkrätig unterstützt haben. Shanghai, im August 2016 Jianhua Zhu Jin Zhao Michael Szurawitzki Morten Hunke (Aichi, Japan) Gesprochene Sprache rhythmisch versilbt 1. Segmentalia und Suprasegmentalia Der Erwerb einer segmental und prosodisch stark andersartigen Sprache als der eigenen Muttersprache ist nie einfach. Muttersprachliche Interferenz ist ein zu erwartendes Phänomen. „Auf der suprasegmentalen Ebene kann sich phonologischer Transfer unter anderem durch die Übertragung der erstsprachlichen Silbenstruktur auf die L2 ausdrücken“.1 Dies kann für die Verstehbarkeit von Sprechakten beim muttersprachlichen Gesprächspartner weitreichende Konsequenzen haben: Deutsche Muttersprachler sind daran gewöhnt, dass nur lexikalische (sinntragende) Silben in Äußerungen hervorgehoben werden und orientieren sich beim Hören an diesen Silben. Deutschlernende, deren Muttersprache keine Silbenreduktion in unakzentuierten Positionen beinhaltet, tendieren dazu, unakzentuierte Silben unreduziert und mit Vollvokal auszusprechen, was eine negative Wirkung auf die Verständlichkeit für Muttersprachler hat.2 2. Japanische Lerner Beim Japanischen handelt es sich um eine solche Sprache, die keine oder kaum Silbenreduktion in nicht akzentuierten Umgebungen kennt. Für japanische Lernende des Deutschen gilt es deshalb, gleich eine Vielzahl von Schwierigkeiten zu meistern: Sprachliche Faktoren üben hinsichtlich des Ausspracheerwerbs einen außerordentlich großen Einluss aus: Das Japanische führt auf Grund von Systeminterferenzen zu voraussagbaren, erwartbaren Ausspracheschwierigkeiten im Deutschen. Da Japanisch und Deutsch aus phonologischer und phonetischer Sicht relativ weit auseinander liegen, sind diese Interferenzen größer und langlebiger als z. B. bei Deutschlernenden aus dem europäischen Sprachraum. Bei japanischen Deutschlernenden betrit das vor allem den Rhythmus (inklusive Wort- und Wortgruppenakzentuierung), die Länge (und Span- 1 2 Dahmen, Silvia: Prosodie oder Segmente? Phonetische Untersuchungen zu Trainingsefekten bei italienischen Deutschlernenden. (Dissertation) Universität zu Köln: Köln 2014, S. 52. Retrieved 17.12.2015, from d-nb.info/1045345741/34. Dahmen 2014, S. 47. Lizenziert für Morten Hunke 242 Morten Hunke nung), die Rundung und die Reduktion von Vokalen sowie einzelne Konsonanten und Konsonantenverbindungen.3 3. Prosodieerwerb Ein praktisches Verständnis von Silben im Deutschen zu entwickeln, ist für Lernende japanischer Muttersprache kein leichtes Unterfangen. Die bekannten japanischen Gedichtformate Haiku und Tanka eröfnen jedoch interessante Möglichkeiten. Für japanische Lernende bietet die, teilweise auch problematische, Übersetzung japanischer Moren mit Silben im Deutschen hier überraschendes Potenzial. Der Lernende entwickelt im DaF-Unterricht ein praktisch-kognitives Verständnis von Silben vermittels des Schreibens und Sprechens von Haiku und Tanka auf Deutsch. Mit ihren festen Strukturen von 5-7-5 Moren bzw. ersatzweise Silben (Haiku) und 5-7-5-7-7 (Tanka) bieten diese Gedichte eine gute Ausgangsbasis für die spielerische Manipulation von Sprache. Im vorliegenden Kontext im Rahmen des Anfängerunterrichts DaF an einer japanischen Universität – mit i. d. R. Germanistikstudierenden – ermöglichen diese besonders das Recyceln und Vertiefen kommunikativer Chunkstrukturen oder Phrasen, die integraler Bestandteil des verwendeten Lehrwerks Und du? sind.4 Die Gedichte erlauben eine langsame Annäherung an Silbenstrukturen und -grenzen im Deutschen. Poetische Freiheiten bei der Verkürzung oder Verlängerung von Silben und gesprochensprachliche Reduktion oder Einfügen von Modalpartikeln und Pronomina und Klitisierung sind auch und gerade für japanische Anfänger interessante Felder des praktischen Entdeckens und Kennenlernens rhythmischer Strukturen der Zielsprache Deutsch. Zudem stellen die Gedichtformate bekannte literarische Einheiten für japanische Studierende dar. In der Übersetzung aus dem Japanischen ermöglichen diese das behutsame, aber sukzessive Loslösen von der Repräsentation der phonetisch-phonologischen Realität des Deutschen mittels des japanischen Silbenalphabets Katakana. Eine solche Repräsentation hat eine extreme Limitierung des Vokalphoneminventars zur Folge.5 Anhand von Beispielen aus der Unterrichtspraxis werden Grenzen und Möglichkeiten dieses 3 4 5 Hirschfeld, Ursula: „Aspekte des Aussprachetrainings mit japanischen Deutschlernenden (DaFnE)“. In: Germanistische Forschungsbeiträge 64 2011, S. 42. Dokkyo Universität: Tokyo, retrieved 16.12.2015, from https://dokkyo.repo.nii.ac.jp/?action=repository_ uri&item_id=105&ile_id=22&ile_no=1. Vögel, Bertlinde / Hopf, Anja: Und du? Sprechsituationen im Unterricht – NEU. Osaka University Press: Osaka 2013. Albrecht, Irmtraud / Lausch, Barbara: „Japanisch“. In: Hirschfeld, U. / Kelz, H. P. / Müller, U. (Hrsg.): Phonetik international. Von Afrikaans bis Zulu. Kontrastive Studien für Lizenziert für Morten Hunke 243 Gesprochene Sprache rhythmisch versilbt Ansatzes und auch das Potenzial für den Einsatz in anderen ausgangssprachlichen Kontexten illustriert und erörtert. 4. Die Situation vor Ort DaF-Unterricht an Universitäten in Japan ist im Normalfall Unterricht mit Nullanfängern. Traditionell fokussiert (Sprachen-)Lernen in Japan stark auf Rezeption statt auf Produktion und auf Schritlichkeit anstelle von Mündlichkeit. Grammatische Regeln und Wortschatz dominieren den Fremdsprachenunterricht. Wo überhaupt Aussprache thematisiert wird, geschieht dies ot im reinen Aufreihen des deutschen Phoneminventars anhand von in Wörterbüchern gebräuchlichen Listen. In japanischen Lehrwerken und Wörterbüchern wird zudem statt phonetischer Umschrit ot das Silbenalphabet Katakana verwendet. Dies führt zum Verlust phonemischer Kontraste bei einer Reihe von Vokallauten, und auch einiger Konsonantlaute6, des Deutschen: Deutsch geht Goethe gut Güte Phonem /e:/ /ø:/ /u:/ /y:/ Katakana ゲート ゲーテ グーテ グーテ phonetisch [ge:tɔ] [ge:te] [gɯ:te] [gɯ:te] In unbetonten Silben indet keine Vokalreduktion statt. Laut Hirschfeld müssen bei japanischen Lernenden des Deutschen besonders das phonologische und phonetische Hören sowie Aspekte von Prosodie beim (Aus-)Sprechen speziell geschult werden.7 Bezogen auf Suprasegmentalia lassen sich Parallelen mit dem Englischen gelegentlich produktiv nutzen. Nicht übersehen werden darf jedoch die Schwierigkeit komplexer Phonem-Graphem Beziehungen zwischen dem Japanischen, dem Englischen als erster Fremdsprache und dem Deutschen.8 Gezielte Sensibilisierungen der Übertragung von Schrit in gesprochene Sprache, am Beispiel, sind dringend zu empfehlen. 6 7 8 Deutsch als Fremdsprache. Popp: Waldsteinberg 2004, S. 10–11. Retrieved 10.12.2015, from www.phonetik-international.de. Hier sind besonders labiale Frikative zu trainieren, aber auch der velare Nasal [ŋ]. Zu Übungszwecken Letzteren betrefend kann auch positiv-produktiv auf Katakana zurückgegrifen werden. Albrecht/Lausch 2004, S. 42–43 Albrecht/Lausch 2004, S. 44. Lizenziert für Morten Hunke 244 Morten Hunke 5. Methodenvielfalt Der vorliegende didaktisch-methodische Ansatz bemüht sich dabei um eine Kombination einer Reihe der oben skizzierten Aussprachephänomene zur Bewusstmachung und Einübung von rezeptiven und produktiven Fertigkeiten. Im vorliegenden Fall umfasst der Unterricht eine 90-minütige Doppelstunde pro Woche über zwei Semester – die aufgeführten Übungen nehmen in etwa ein Drittel bis die Hälte der Unterrichtseinheit in Anspruch. Es folgt eine tabellarische Übersicht9: Woche Aktivität Ziele heoretisches Wdh. Feedback Technik 2 Silbenstruk- vokalischer syllabisch adaptiertes tur und Silbennukleus11 Loop Writing10 Rhythmus kennenlernen gemeinsames keine mind. 3–4 Mal Erarbeiten im Plenum an der Tafel 3 Haikuschreib- praktisches hausaufgaben Auseinandersetzen mit Silben in der Zielsprache bei begrenztem Silbeninventar wöchent- • Selbst- und keine lich Partnerfeedback durch lautes Vorlesen und Silbenzählen (Klopfen/an den Fingern) • Markieren überlüssiger/ fehlender Silben • vokalischer Silbennukleus • GraphemPhonem Beziehungen ausprobieren durch lautes Vorlesen 9 Das sprachliche Ausgangsmaterial für alle Übungen entstammt ausschließlich dem behandelten kommunikativen Wortschatz des Lehrwerkes „Und du?“. 10 Stein, Kevin: Even a Native Speaker Stops Sometimes, retrieved 19.12.2015, from https://theotherthingsmatter.wordpress.com/even-a-native-speaker-stops-sometimesclesol-2012/. 11 Zu erwartende Interferenzen stellen hier die moraische Struktur und die Abwesenheit von Diphthongen im Japanischen dar. So besteht das aus dem deutschen entlehnte Wort ‚Arbeit’ im Japanischen aus fünf Moren: ア・ル・バ・イ・ト (a – ru – ba – i – to), statt aus zwei Silben wie im Deutschen. Lizenziert für Morten Hunke Gesprochene Sprache rhythmisch versilbt Woche Aktivität 7 Haikudarbietungen Ziele heoretisches • stark vervom geeinfachte schriebenen PhrasenbetoWort zur Performance nungs(Segmente regeln: Pause, und Prosodie Betonung, in WechselPause • steigende wirkung) Intonation bei Fragen Wdh. Feedback Sem. 1 • Lehrerfeed1–2 Mal back zu Rhythmus, Sem. 2 Betonung, mind. Intontation 4–5 Mal und Phone(gleicher men Text) • Feedbackbogen für Selbst- und Partnerfeedback 245 Technik AufNahme (Video) durch Studierende Anfänglich tun sich viele Studierende relativ schwer mit dem Erkennen syllabischer Strukturen im Deutschen. Das regelmäßige Erhören und eigene Verfassen von Gedichten nach deutschen Silbenregeln unterstützen den Lernprozess jedoch gezielt. Das enge Korsett der Gedichte nötigt die Studierenden beim Schreiben zudem, auch gesprochen sprachliche Einfügungen und Reduktionen vorzunehmen. Hier sind e.g. Pronomen und Modalpartikeln zu nennen: ‚Du, wie heißt denn du?’, oder ‚Ich hab ‚ne Schwester.’ Gleichzeitig lernen die Studierenden, dass es Wörter mit variabler Silbenzahl gibt: ‚Interesse’ – je nach Aussprache drei- oder viersilbig, ‚Studium’ – zwei- oder dreisilbig. Derartige Übungen schulen das genaue Zu- und Hinhören und das eigene absichtsvolle Verwenden von Silben und Wortschatz. Sie unterstützen desweiteren beim Erwerb eines fremdsprachlichen Sprachgefühls in Sachen Rhythmus, Betonung und Intonation. Das Ziel bei den Darbietungen der selbst verfassten Gedichte für die Videoaufnahme ist es, die Performance jedes Mal ein wenig natürlich gesprochen sprachlicher werden zu lassen. Dies bedeutet, Betonungen12 gezielt und adäquat einzusetzen, die Vokalphoneme in betonten Silben zielsprachsnah und in unbetonten Silben reduziert zu artikulieren. Ein lesendes Vortragen ist spätestens ab der dritten Aufnahme nicht mehr gestattet. Gestische und mimische Unterstützung, auch und besonders der Betonungen, sind ausdrücklich gewünscht. 12 Statt einer Begrenzung auf die Einteilung von Betonungen in Tonakzent (Grundfrequenzmodulation) und Druckakzent (Lautstärke), wie sie im Deutschen hauptsächlich gängig sind, werden die Studierenden noch mit der Möglichkeit vermittels Längung oder der Betonung durch Pausieren vor dem betonten Wort vertraut gemacht. Lizenziert für Morten Hunke 246 Morten Hunke 6. Zusammenfassung Im Einklang mit den Empfehlungen von Albrecht/Bausch (2004) wird mit dem Training suprasegmentaler Phänomene begonnen.13 Die von Hirschfeld nahegelegten Übungsbereiche (Wortakzent, Satzakzent, Rhythmus, phonetische Reduktionen – Assimilation, Elision – Labialisierung (Ö-, Ü-, O-, U-Laute), reduziertes [ə]) werden abgedeckt oder zumindest angeschnitten.14 Bibliographie Albrecht, Irmtraud / Lausch, Barbara: „Japanisch“. In: Hirschfeld, Ursula / Kelz, Heinrich P. / Müller, Ursula (Hrsg.): Phonetik international. Von Afrikaans bis Zulu. Kontrastive Studien für Deutsch als Fremdsprache. Popp: Waldsteinberg 2004, retrieved 10.12.2015 from www.phonetik-international.de. Dahmen, Silvia: Prosodie oder Segmente? Phonetische Untersuchungen zu Trainingsefekten bei italienischen Deutschlernenden. (Dissertation) Universität zu Köln: Köln 2014, retrieved 17.12.2015, from d-nb.info/1045345741/34. Hirschfeld, Ursula: „Aspekte des Aussprachetrainings mit japanischen Deutschlernenden (DaFnE)“. Germanistische Forschungsbeiträge 64, 2011, S. 41–52. Dokkyo Universität: Tokyo, retrieved 16.12.2015, from https://dokkyo.repo. nii.ac.jp/?action=repository_uri&item_id=105&ile_id=22&ile_no=1. Stein, Kevin: Even a Native Speaker Stops Sometimes, retrieved 19.12.2015, from https://theotherthingsmatter.wordpress.com/even-a-native-speaker-stopssometimes-clesol-2012/. Vögel, Bertlinde / Hopf, Anja: Und du? Sprechsituationen im Unterricht – NEU. Osaka University Press: Osaka 2013. 13 Albrecht/Lausch 2004, S. 12. 14 Albrecht/Lausch 2004, S. 49–51. Lizenziert für Morten Hunke








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