Dieser Beitrag behandelt die Stadt in Russland, zu Sankt Petersburg (Florida), siehe dort.
Sankt Petersburg (russisch Санкт-Петербург, Sankt-Peterburg), gegründet als Sankt-Piterburch, kurz darauf Sankt Petersburg, von 1914-1924 Petrograd, 1924-1991 Leningrad, ist mit 4,1 Millionen Einwohnern (2004) nach Moskau die zweitgrößte Stadt Russlands und die viertgrößte Stadt Europas. Sie liegt im Nordwesten des Landes, an der Mündung der Newa am Ostende des Finnischen Meerbusens.
Das auf 59,93° Nord, 30,32° Ost gelegene St. Petersburg ist die am weitesten nördlich gelegene Millionenstadt der Welt. Die Stadt war vom 18. bis ins 20. Jahrhundert die Hauptstadt des russischen Reiches, ist ein europaweit wichtiges Kulturzentrum und beherbergt einen wichtigen russischen Ostsee-Hafen. Die Innenstadt ist Welterbe der UNESCO; die Stadt die über 200 Jahre lang das politische und kulturelle Zentrum Russlands war, besitzt bis heute eine eindrucksvolle Kulturlandschaft.
Der Name der Stadt
Petersburg ist, anders als oft angenommen, nicht nach Peter I. benannt, sondern nach dessen Schutzheiligen, dem Apostel Simon Petrus. Nachdem die Festung kurzzeitig den holländischen Namen Sankt-Pieterburch trug, wurde sie schon früh in das deutsche Sankt-Peterburg umbenannt (das s in der Wortmitte entfiel bei der Umschrift ins Kyrillische). Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde der deutsche Name als Petrograd russifiziert. Nach Lenins Tod 1924 wurde sie in Leningrad umbenannt. Es geschah auf Antrag der damaligen Petrograder Parteiführung und nach deren Angaben auf Wunsch der Arbeiter, die Lenins Tod betrauerten.
Der erneute Namenswechsel der Stadt wurde vom Zentralkomittee damit begründet, dass in ihr die von Lenin geführte Oktoberrevolution stattgefunden hatte. Auf der Ebene der Symbolpolitik gab es aber tiefere Gründe: Sankt Petersburg stand für das zaristische Russland und war die Vorzeigestadt des Zarenreichs gewesen. Neben Moskau war es zudem die größte Stadt des Landes und damit diejenige, deren Namenswechsel das größte Prestige für den Namensgeber bedeutete. Die Umbenennung in Leningrad symbolisierte den Wechsel des sozialen wie politischen Systems an einer hervorgehobenen Stelle. Als solcher wurde er auch wahrgenommen. Die Dichterin Anna Achmatowa schrieb 1963 in ihrem "Gedicht ohne Held", offenbar an ihren guten Freund und von ihr als "Zwilling" bezeichneten Ossip Mandelstam gerichtet, der Opfer der stalinistischen Säuberungen wurde: In Petersburg werden wir uns wieder sehen..., Literatur-Nobelpreisträger Joseph Brodsky schrieb 1987 in Erinnerungen an Leningrad:
- Leningrad, so sehr ich diesen Namen für die Stadt verabscheue. ... Von der Nation wird diese Stadt entschieden als Leningrad erlebt; mit der zunehmenden Vulgarität dessen, was sie umfasst, wird sie mehr und mehr zu Leningrad. Außerdem klingt dem russischen Ohr "Leningrad" als Wort bereits so neutral wie "Bau" oder "Wurst". Und doch sage ich lieber "Pieter", denn ich erinnere mich an diese Stadt in einer Zeit, wo sie noch nicht wie "Leningrad" aussah.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war eine knappe (54%) Mehrheit der Bevölkerung dafür die Stadt wieder in Sankt Peterburg umzubenennen. Zusammen mit der Stadt wurden 39 Straßen, sechs Brücken, drei Metro-Stationen und sechs Parks wieder umbenannt. Bis heute allerdings benutzen besonders ältere Menschen die altbekannten Namen und beispielsweise auf Briefen die altbekannten Adressen. Positive Assoziationen löst der Name vor allem im Zusammenhang mit der Belagerung aus - so nennen selbst offizielle Stellen die Stadt an Feiertagen, die mit dem Zweiten Weltkrieg zusammenhängen "Heldenstadt Leningrad". Bei jüngeren scheint der Name Leningrad eher einen vagen Protest gegen die neue Gesellschaft auszudrücken. Eine der erfolgreichsten Bands Russland, eine Ska-Punk Band aus Sankt Petersburg, nennt sich ebenfalls Leningrad.
Das umliegende Verwaltungsgebiet behielt ebenfalls nach einer Volksabstimmung, den Namen Leningrader Oblast.
Geographie
Die ursprünglich in einem Sumpfgebiet gebaute Stadt liegt an der Mündung der Newa in den Finnischen Meerbusen. Das Stadtgebiet umfasst etwa 606 km² (einschließlich der administrativ zu Sankt Petersburg gehörenden Vororte (Peterhof, Kronstadt, Zarskoje Selo – etwa 2000 km²), davon 58 km² Wasser. Die Stadt besteht aus 42 Inseln. Ursprünglich waren es mehr, zahlreiche Kanäle zwischen ihnen sind jedoch mittlerweile zugeschüttet worden. Etwa 10 Prozent der Stadtfläche sind von Wasser bedeckt. Die Stadt selber musste zwei bis vier Meter hoch gebaut werden. Die Newa-Mündung befindet sich nämlich ungefähr auf Meereshöhe, und die ersten Bauarbeiter stießen in wenigen Zentimetern Tiefe auf Grundwasser. Die Ufer wurden schon früh mit Stein befestigt, was Sankt Petersburg nicht nur vor dem Wasser schützen soll, sondern auch viel zum spezifischen Stadtbild beiträgt. Alexander Puschkin beschrieb es als: Die Stadt kleidet sich in Granit.
Durch ihre Lage wenige Meter über dem Meeresspiegel ist die Stadt stets durch Hochwasser bedroht. Das in der Nähe gelegene Kronstadt ist ein Referenzpunkt für Normalnull – der Punkt liegt etwa 15cm tiefer als der in Deutschland gültige Amsterdamer Pegel und ist in großen Teilen Osteuropas und war in den neuen Bundesländern bis 1993 Referenzpunkt für Höhenmessungen. Die Stadt ist oft ein Opfer von Überschwemmungen geworden. Die offizielle Statistik zählt seit der Stadtgründung 295 Überschwemmungen (Stand: 2003), davon allein 44 seit 1980. Die schlimmsten Fluten waren 1824 (je nach Statistik 200 bis 500 Tote) und 1924.
Sankt Petersburg liegt auf dem selben Breitengrad wie der Südteil Alaskas und die Südspitze Grönlands. Es hat ein typisches Meeresklima - das Wetter ist wechselhaft und kann innerhalb kurzer Zeit umschlagen. Die Sommer sind vergleichsweise mild mit Durchschnittstemperaturen von 19 bis 22 Grad Celsius, im Winter sinken die Durchschnittstemperaturen allerdings auf minus 4 bis minus 8 Grad Celsius. Da die Stadt nur knapp südlich des Polarkreises liegt, steht die Sonne in den Sommermonaten fast 24 Stunden am Himmel, auch nachts reicht das Dämmerlicht, um die Stadt zu beleuchten. Die "Weißen Nächte" sind eine der wichtigsten Attraktionen der Stadt.
Die Newa ist mit 74 Kilometern zwar ein sehr kurzer, aber auch einer der wasserreichsten Flüsse Europas. Sie wird bis zu 600 Meter breit und hat eine starke Strömung. Der Fluss liegt über die Hälfte seiner Strecke im Stadtgebiet Sankt Petersburgs und dürfte damit auch der städtischste Fluss Europas sein. Bis in das 19. Jahrhundert hinein genügte die Biologie der relativ flachen Bucht der Newa allein, um das Abwasser aus St. Petersburg zu reinigen. Selbst heute machen die Abwässer der fast 5 Millionen Einwohner zählenden Industriestadt erst 2% der Gesamtwassermenge der Newa aus. Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch brachen erste wassergebundene Epidemien wie Cholera und Typhus aus. Allein während der Typhus-Epidemie von 1908 starben etwa 9000 Menschen. Durch eine Änderung der Einleitungsbedingungen konnte dem Problem ab 1910 vorerst abgeholfen werden. In den 1950ern und 1960ern sorgte der starke Anstieg der Bevölkerungszahlen endgültig für eine Eskalation des Abwasserproblems. Hinzu kam die stärkere Verschmutzung der Newa an ihrem Flusslauf – sie entwässert den Ladogasee, an dessen Ufer zahlreiche Fabriken liegen und der selbst über seine Zubringer das Schmutzwasser zahlreicher russischer Städte aufnimmt. Eine Kläranlage wurde gebaut, allerdings erreichen bis heute 25 bis 30 Prozent der städtischen Abwässer ungeklärt den Fluss und die Bucht. In der Bucht leben vor allem Süßwasserbewohner, aber auch einige Brackwasserbewohner. Das biologische System der Bucht, an der St. Petersburg liegt, ist hoch veränderlich und leidet unter menschlichen Eingriffen. Zusammen mit Moskau gilt Petersburg als eine der am stärksten verschmutzten Städte Russlands. Laut Greenpeace leben etwa 200.000 Einwohner der Stadt in den so genannten "Health-Protection Zones" in denen das Leben aus gesundheitlichen Gründen eigentlich verboten ist.
Seit 1978 ließ die sowjetische Regierung einen Damm quer durch die Newa-Bucht bauen, um die Stadt vor Überschwemmungen zu schützen. Im Gegensatz zu den meisten Überflutungen durch Flüsse rühren die Überschwemmungen an der Newa nicht daher, dass der Fluss von seinem Oberlauf mehr Wasser mitbringt, sondern daher dass Westwind in den finnischen Meerbusen drückt und den Abfluss des Wassers verhindert oder in extremen Fällen die Fließrichtung umkehrt. Die Konstruktion wurde Ende der Achtziger aus Gründen des Umweltschutzes abgebrochen: Der Damm störte die Zirkulation des Küstenwassers, große Teile des Wassers standen still, die Wasserqualität sank erheblich. Befürchtungen gehen dahin, dass die gesamte Bucht sich in einen Sumpf verwandeln könnte. Der Damm soll seit 1990 mit niederländischer Hilfe und Unterstützung der Europäischen Investitionsbank weiter gebaut werden - da die Umweltschutzgründe gegen den Damm aber weiterhin vorhanden sind, ist das Thema in der Stadt sehr umstritten.
Geschichte
Die Stadt im Sumpf
Am 16. Mai 1703 legte Peter der Große auf der "Haseninsel", zwei Kilometer westlich der im Nordischen Krieg eben den Schweden entrissenen Festungen Nyenschantz und Landskrona, den Grundstein zur Peter-und-Paul-Festung. Dieses Datum gilt als offizielle Gründung der Stadt. Die in ihrer Anlage ursprünglich an Amsterdam orientierte Stadt sollte als Bollwerk gegen schwedische Truppen dienen, aber auch dem fortschrittsfeindlichen Moskau eine moderne, westlich orientierte Stadt entgegen stellen. Darüber hinaus sollte der Hafen einen direkten Zugang zur Ostsee schaffen und die völlige Kontrolle der Newa gewährleisten, wegen der feindlichen Angriffe, die über den Fluss ins Landesinnere geführt werden könnten.
Die Stadt wurde auf dem Reißbrett geplant und in den Sümpfen der Newa-Mündung innerhalb kürzester Zeit aus dem Boden gestampft. Die Gegend war eigentlich denkbar ungeeignet für eine Stadtgründung. Das Newa-Delta war von zahlreichen Überschwemmungen heimgesucht worden, die ganze Gegend nicht einmal für die Landwirtschaft geeignet. Nur einige Fischer hielten sich hier in den Sommermonaten auf.
Später sollte es aufgrund der ungünstigen Lage immer wieder zu Überschwemmungen kommen, bei denen unzählige Bewohner ihr Leben ließen. Während die Stadt in ihren Grundmauern erstand, verbot Zar Peter die Errichtung von Steingebäuden in ganz Russland außerhalb Sankt Petersburgs – jeder verfügbare Steinmetz sollte an der Erbauung der neuen russischen Hauptstadt arbeiten. Die Flucht von Arbeitern aus der Stadt und vom oft tödlichen Bauprojekt wurde mit harten Strafen geahndet.
1706 wurden 30.000 Leibeigene im russischen Reich zwangsrekrutiert, 1707 waren es 40.000. Ungefähr die Hälfte von ihnen schaffte es, auf dem Weg nach Nordwesten zu fliehen. Schon während der Errichtung der Stadt kamen vermutlich Zehntausende Zwangsarbeiter und Leibeigene ums Leben. Sie starben an Sumpffieber, Skorbut, an der Ruhr oder einfach an Hunger und Entkräftung. Große Teile der Stadt sind auf Pfählen im Boden errichtet, aufgrund der großen Zahl von Toten beim Bau sprechen viele Leute davon, dass sie eigentlich auf Skeletten ruht.
Da auch der russische Adel nicht bereit war, in die Stadt zu ziehen, beorderte Peter sie ebenfalls nach Sankt Petersburg. Sie mussten mit ihrem gesamten Haushalt in die Stadt ziehen, in Häuser deren Stil und Größe genau festgeschrieben waren – selbstverständlich auf eigene Kosten. 1714 standen in Sankt Petersburg etwa 50 000 bewohnte Häuser, die Stadt war die erste in Russland, die eine offizielle Polizei sowie eine effektiv funktionierende Feuerwehr hatte. Die Innenstadt wurde abends und nachts künstlich beleuchtet, die Bewohner dazu angehalten, Bäume zu pflanzen. Peter war dabei, seinen Plan eines Neuen Jerusalem zu verwirklichen.
Die Blütezeit der Stadt
Peter, einer der Pioniere der Industriespionage, ließ Handwerker und Ingenieure aus ganz Europa, insbesondere aus den Niederlanden, kommen, die die Stadt von Anfang an zu einem Zentrum europäischer Technik und Wissenschaft machen sollten. 1712 wurde die Stadt offizielle Hauptstadt Russlands. Bis auf ein kleines Intermezzo in den Jahren 1728 bis 1732, als der Hof in Moskau weilte, sollte die Stadt bis 1918 Hauptstadt bleiben.
Nachdem Peter der Große 1725 verstarb, ging der Enthusiasmus der russischen Herrscher für das Fenster zum Westen erst einmal zurück. Moskau wurde wieder Hauptstadt. Erst Zarin Anna kehrte wieder nach Sankt Petersburg zurück. Die Stadt wurde wieder Hauptstadt, Annas stadtplanerische Entscheidungen prägen die Stadt noch heute. Sie verlegte sowohl das Stadtzentrum von der heute so genannten Petrograder Seite auf die Admiralitätsseite der Newa, zum anderen legte sie die bis heute wichtigsten Hauptstraßen, den Newski Prospekt, die Gorochowaja Uliza und den Wosnessenski Prospekt an. Trotzdem residierte sie weiterhin lieber und öfter in Moskau.
Zarin Elisabeth (1741–62) und vor allem Katharina die Große (1762-92) setzten wieder auf eine verstärkte Öffnung des Reichs nach Westen, indem sie Künstler und Architekten nach St. Petersburg holten. In der Zeit Elisabeths entstanden die meisten der Prunkbauten, die bis heute das Stadtbild bestimmen. Katharina ließ unter anderem den Winterpalast, das Smolny-Kloster und den Katharinenpalast (zu Ehren ihrer Mutter) bauen. Der Stil Francesco Rastrellis begann die Stadt zu prägen.
Die neben Peter wahrscheinlich wichtigste Gestalt in der Geschichte der Stadt ist Katharina II. ("die Große"), die 1762 den Thron bestieg. Sie sah sich – zumindest bis die Französische Revolution ausbrach – dem Geist der Aufklärung verpflichtet und setzte auf Bildung und Kunst. Katharina II. gründete in ihrer Zeit 25 akademische Einrichtungen sowie mit dem Smolni-Institut die erste staatliche russische Schule für Mädchen. Das Reiterstandbild Peter des Großen, ein Wahrzeichen der Stadt, stammt ebenfalls aus dieser Zeit.
Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt eine Blütezeit, vorerst vor allem auf kulturellem, später auch auf wissenschaftlich-technischem Gebiet. Die erste russische Ballettschule entstand 1738 in der Stadt. 1757 eröffnete die Akademie der Künste, in der bis heute Maler, Bildhauer und Architekten ausgebildet werden. Theater und Museen, höhere Schulen und Bibliotheken entstanden. 1783 eröffnete das Bolschoi-Theater, in dem später die großen Nationalopern Michail Iwanowitsch Glinkas aufgeführt werden sollten. 1819 entstand aus dem Pädagogischen Institut die Petersburger Universität.
Die Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland durch Zar Alexander II. sorgte ab 1861 dafür, dass zahlreiche Menschen in die Stadt einwanderten. Die Bevölkerungszahl schnellte innerhalb weniger Jahre empor.
Schriftsteller und Intellektuelle schlossen sich in literarischen Kreisen zusammen und gaben Wörterbücher und Zeitschriften heraus. Zu den wichtigsten Zeitschriften zählen etwa der Polarstern von Rylejew und Bestuschew oder Puschkins Sowremennik (Der Zeitgenosse).
Aufstände, Attentate, Revolutionen
In der Soldaten- und Regierungsstadt Sankt Petersburg fanden bis 1918 alle wichtigen Revolten und Revolutionen der russischen Geschichte statt, der Dekabristenaufstand 1825 ebenso wie die Ereignisse, die langfristig zur Gründung der Sowjetunion führten. In St. Petersburg nahmen Ende des 19. Jahrhunderts Unruhen und kleinere Aufstände zu. Die Stadt war Schauplatz zahlreicher Attentate gegen Mitglieder des Zarenhofs und der russischen Verwaltung; unter anderem wurde Alexander II. hier 1881 ermordet.
Revolutionäre Parteien und Vereinigungen gründeten sich, die von der Polizei blutig verfolgt wurden. In Sankt Petersburg begann mit dem Petersburger Blutsonntag die Revolution von 1905 bis 1907. Als Folge wurde die zweite Duma der russischen Geschichte in der Stadt eröffnet, sie blieb politisch allerdings einflusslos. Auch die Februarrevolution 1917 fand vor allem in St. Petersburg statt. Das Startsignal für die Oktoberrevolution 1917 gab ein Schuss des Panzerkreuzers Aurora im Petrograder Hafen. Der nahe gelegene Hafen von Kronstadt bildete das Zentrum eines anarchistisch inspirierten Aufstands gegen die Oktoberrevolution, der von Leo Trotzki blutig niedergeschlagen wurde. Lenin erklärte Moskau (wieder) zur sowjetischen und russischen Hauptstadt. Die Bevölkerung der Stadt sank innerhalb weniger Jahre durch Bürgerkrieg und die dadurch verursachte Hungersnot ebenso wie sekundär durch den Statusverlust und den Umzug der gesamten Regierung und Verwaltung nach Moskau erheblich.
Leningrad
Nach dem Tode Lenins wurde die ehemalige Stadt der Zaren in Leningrad umbenannt. Das Machtzentrum der UdSSR verschob sich dennoch immer mehr nach Moskau. Hatten die Funktionäre der KPdSU in Leningrad anfangs noch gesamtstaatlichen Einfluss, änderte sich das mit dem Ausbau der persönlichen Macht Stalins. 1934 wurde im Rahmen der Stalinschen Säuberungen der populäre Leningrader Parteichef Sergej Kirow in seinem Büro ermordet, der ehemalige Vorsitzende des Petrograder Sowjets Grigori Jewsejewitsch Sinowjew fiel einem Schauprozess zum Opfer, ein anderer ehemaliger Vorsitzender des Petrograder Sowjets Leo Trotzki wurde 1940 im mexikanischen Exil ermordet.
Während des 2. Weltkrieges wurde die Stadt 900 Tage lang von deutschen Truppen unter Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb belagert. In der Zeit der Blockade vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944, in der die Wehrmacht auf Befehl Hitlers keine Eroberung Leningrads versuchte, sondern stattdessen systematisch von jeglicher Versorgung abschnitt, starben über eine Million Zivilisten. Eine geheime Weisung des Oberkommandos der Wehrmacht vom 23. September 1941 lautete: Der Führer ist entschlossen, die Stadt Petersburg vom Erdboden verschwinden zu lassen. Es besteht nach der Niederwerfung Sowjetrusslands keinerlei Interesse am Fortbestand dieser Großsiedlung.
Nahrungsmittel zur Versorgung der Millionenstadt konnten nur unter großen Gefahren per Flugzeug oder im Winter über den vereisten Ladogasee nach Leningrad gebracht werden. Die Tour über den See lag im Schussfeld der Wehrmacht, im Schnitt kam von drei gestarteten LKW einer in Leningrad an. Besonders dramatisch war die Situation im Jahr 1941. Durch Luftangriffe wurde ein Großteil der Nahrungsmittelvorräte vernichtet, zudem brach der Winter ungewöhnlich früh ein. Die Rationen sanken im Oktober auf 400 Gramm Brot für Arbeiter, 200 Gramm für Kinder und Frauen. Am 20. November 1941 wurden sie auf 250 Gramm, respektive 125 Gramm reduziert. Zudem herrschten Temperaturen von bis zu –40 Grad Celsius in einer Stadt in der Heizmaterial äußerst knapp war. Allein im Dezember 1941 starben circa 53.000 Menschen, viele von ihnen fielen einfach vor Entkräftung auf der Straße um. Die Dichterin Anna Achmatowa beschrieb 1941 die Stimmung in der Stadt:
- Todesvögel stehen in der Luft
da Leningrad um Hilfe ruft
Lärmt nicht, noch kann es atmend sich erheben
hört noch alles ist am Leben
Auf der Ostsee tiefem Grund
stöhnen die Söhne im Schlaf sich wund
"Brot!" – aus innersten irdischen Qualen
dringt dieser Ruf zu den Himmelsschalen
Doch der Himmel hat kein Brot
Und aus den Fenstern blickt der Tod
- Todesvögel stehen in der Luft
Während der Belagerung wurden etwa 150.000 Artilleriegeschosse auf die gebeutelte Stadt abgeschossen, etwa 100.000 Fliegerbomben fielen auf die hungernde Stadt.
Bei Rückeroberungsversuchen der Roten Armee kamen dazu etwa 500.000 sowjetische Soldaten ums Leben. Versuche 1941 und 1942 scheiterten, erst mit der Einnahme von Schlüsselburg am 18. Januar 1943 gelang es, wieder eine Versorgungslinie in die Stadt zu etablieren. Die Offensive, die die Stadt befreien sollte, begann am 14. Januar 1944 und konnte am 27. Januar 1944 zum Abschluss gebracht werden.
Die Behandlung Leningrads Nach dem Großen Vaterländischen Krieg, wie der Zweite Weltkrieg in der Sowjetunion genannt wurde war widersprüchlich. Einerseits war die Stadt zu dem sowjetischen Symbol von Widerstandswillen und Leiden im Krieg geworden - andererseits tobten Machtkämpfe zwischen Leningradern und Moskauer Funktionären noch bis in die 1950er hinein. Der Wiederaufbau Leningrads zur Prestigeangelegenheit der Sowjetunion. Innerhalb kürzester Zeit wurden eine Million Arbeiter in die Stadt gezogen, die die Stadat wiederaufbauten - die Restaurierung der Kulturdenkmale besaß dabei eine besondere Wertigkeit. Bereits 1945 erhielt die Stadt zusätzlich die Auszeichnung als Heldenstadt. Ebenfalls in den Nachkriegsjahren wurden zahlreiche neue Stadtteile gebaut - 1963 war das Jahr in dem mehr neuer Wohnraum in der Stadt geschaffen wurde als je vorher oder nachher. Andererseits musste das 250-jährige Stadtjubiläum verschoben werden: 1953 war der Machtkampf noch im Gange und jede positive Erwähnung unerwünscht - zudem war gerade Stalin gestorben, eine Feierlichkeit egal was welchem Anlass erschien nicht angebracht. Die Feier musste 1957 unter Nikita Chruschtschow nachgeholt werden - natürlich ohne jede Erwähnung, dass es eigentlich der 254. Geburtstag war. In den Folgejahren hielt die Stadt ihren Ruf als große Industriestadt und eines der wissenschaftlichen Zentren der Sowjetunion. Das politisch-kulturelle Zentrum Russlands und der Sowjetunion lag zu dieser Zeit aber klar in Moskau. Die Bevölkerung war durch die Ereignisse der Kriegs- und Nachkriegszeit ebenfalls zu einem Großteil ausgetauscht wurden - die Verbunden mit Petersburg in der Stadt wurde zunehmend schwächer.
1988 jedoch wurden bei einem Brand in der Akademie der Wissenschaften ungefähr eine Million Bibliotheksbände ein Opfer des Feuers. 1989 wurde die Innenstadt unter Denkmalschutz gestellt.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion
Nach einer Volksabstimmung, in der sich 1991 54% der Bevölkerung für die Annahme des historischen Namens aussprachen, nahm die Stadt wieder ihren ursprünglichen Namen an. Die umgebende Verwaltungseinheit blieb aber weiterhin die Leningrader Oblast. Bei dem Putschversuch gegen Boris Jelzin sammelte der damalige Bürgermeister Anatoli Sobtschak die Anhänger der Demokratie um sich, es kam zu einer großen Demonstration vor dem Winterpalast gegen die Putschisten.
Am 27. Mai 2003 wurde das 300-jährige Jubiläum der Stadt begangen. Im Zuge dessen wurden im Vorfeld die Altstadt und verschiedene Paläste saniert, sowie das legendäre Bernsteinzimmer rekonstruiert. Der russische Staat gab dafür ein bis zwei Milliarden Euro aus. Am 31. Mai des Jahres weihten Wladimir Putin und Gerhard Schröder offiziell die Rekonstruktion des Bernsteinzimmers ein. Die Stadt stand das erste Mal seit langer Zeit wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit. Da sich ein Großteil der Renovierungen allerdings auf die Fassaden und die besonderen Prunkstücke konzentrierte, sprachen Kritiker davon, dass es sich hierbei um – geschichtlich ohnehin eng mit Petersburg verbundene – Potemkinsche Dörfer handele.
Politik
Innerhalb Russlands ist die Stadt ein eigenständiges Verwaltungssubjekt. Die Spitze der Exekutive bildet der für vier Jahre direkt gewählte Gouverneur der Stadt. Die Legislative, die Duma, besteht aus 50 hauptamtlichen Mitgliedern, die ebenfalls für vier Jahre gewählt werden. Der Vorsitzende der Kammer ist protokollarisch mit dem Gouverneur gleichgestellt.
Derzeitige Amtsträgerin ist seit Oktober 2003 Walentina Iwanowna Matwijenko, die Wladimir Jakowlew nachfolgte. Matwienko war die Favoritin der russischen Regierung. Während der hart umkämpften Wahl wurden mehrfach Vorwürfe laut, die russische Regierung würde direkt und indirekt in die Wahl eingreifen. Zum einen sei Matwienko die einzige, die regelmäßig in den Medien und besonders im Fernsehen vorgestellt werde, zum anderen würden die anderen Kandidaten und ihre Helfer massiv durch die Polizei belästigt und behindert.
1996 war es Wladimir Jakowlew, der Anatoli Sobtschak ablöste. Jakowlew trat 2003 nicht mehr zur Neuwahl an. Sobtschak war ein strikter Reformer der nach-kommunistischen Ära, der aufgrund seines radikal marktwirtschaftlichen Kurses viele Animositäten in der Stadt erzeugte. Sobtschak verweigerte mehrmals die Entlassung Wladimir Putins aufgrund von Korruptionsvorwürfen, als dieser noch in der Stadtregierung arbeitete. Putin organisierte den erfolglosen 1996er-Wahlkampf von Sobtschak.
Jakowlew, ehemaliger Kollege von Putin unter Sobtschak und Putin in gegenseitiger Abneigung verbunden, präsentierte sich als ideologisch ungebundener Pragmatiker. Ob sich das langfristige Ziel der St. Petersburger Politik, eine "Freie und Hansestadt" zu werden, angesichts des stets vorhandenen und unter Putin wieder forcierten Zentralismus Russlands verwirklichen lässt, ist allerdings zweifelhaft.
Sankt Petersburg ist außerdem Verwaltungssitz der Leningrader Oblast und des Föderationskreises Nordwestrussland.
Bevölkerung
Laut offizieller Statistik vom 1. Januar 2002 hat Sankt Petersburg 4,6 Millionen Einwohner. Das sind etwa 3 Prozent der gesamten Einwohnerzahl Russlands. Das durchschnittliche Monatseinkommen betrug 2003 nach offiziellen Angaben 6179 Rubel (etwa 176 Euro).
St. Petersburg war seit seiner Gründung eine Stadt großer sozialer Gegensätze. Seit der Perestroika und dem Untergang der Sowjetunion brechen diese wieder verschärft auf. Menschen, die betteln oder auf der Straße ihr letztes Hab und Gut verkaufen, sind zwar seit dem Stadtjubiläum aus der Innenstadt vertrieben, gehören etwas außerhalb aber zum alltäglichen Straßenbild. Etwa 15% der Bevölkerung leben in so genannten Kommunalkas, Gemeinschaftswohnungen, in denen sich viele Familien eine Wohnung, eine Küche und ein WC teilen müssen, meist besitzt jede Familie nur ein einziges Zimmer. In der Innenstadt selbst allerdings kosten Wohnungen zwischen 700 und 1500 US-Dollar im Monat, sogar unter diesen Bedingungen ist dort kaum etwas zu finden.
In St. Petersburg gilt eine Zuzugssperre – Wohnrecht in der Stadt erhält nur, wer Wohnung und Arbeit nachweisen kann oder mit einem Einwohner verheiratet ist. Die Internationale Arbeitsorganisation schätzt, dass in der Stadt im Jahr 2000 etwa 16.000 Straßenkinder lebten.
Die ehemals multikulturell geprägte Stadt ist heute überwiegend, laut offizieller Statistik zu 89,1 Prozent, von Russen bewohnt. Dazu kommen 2,1 Prozent Juden, 1,9 Prozent Ukrainer, 1,9 Prozent Weißrussen sowie kleinere Gruppen von Tartaren, Kaukasiern, Usbeken, Wepsen und Finnen.
Trotz der zu Sowjetzeiten staatlich verordneten Religionsfeindschaft sind 2004 nach Schätzungen nur noch 10 Prozent der Bevölkerung Atheisten. Der Großteil ist russisch-orthodox, wobei es in der Stadt aber heftige Auseinandersetzungen zwischen Traditionalisten und Reformern gibt. Die Kirchengebäude gehören überwiegend dem russischen Staat. Peter der Große untersagte den Bau von Zwiebeltürmen. Dies ist der Grund, dass sich in der ganzen Stadt nur ein einziger solcher Turm findet – er befindet sich an der Stelle, wo Zar Alexander II. ermordet und die Auferstehungskirche für ihn errichtet wurde.
Bevölkerungsentwicklung
Jahr | Einwohnerzahl |
---|---|
1725 | 75.000 |
1800 | 220.200 |
1830 | 435.500 |
1850 | 487.300 |
1881 | 928.000 |
1900 | 1.440.000 |
1915 | 2.348.000 |
1920 | 763.900 |
1925 | 1.379.000 |
2002 | 4.700.000 |
Kultur
Sankt Petersburg war eine Stadt, in der Literatur, Musik und Theater Weltgeltung hatten.
In der Stadt befinden sich immer noch 40 verschiedene Theater. Das Mariinski-Theater ist eines der bekanntesten Opernhäuser der Welt. Es ist die Heimat des Kirow-Balletts.
In der Stadt lebten und arbeiteten die Komponisten Michail Glinka, Modest Mussorgski, Nikolaj Andrejewitsch Rimski-Korsakow, Pjotr Iljitsch Tschajkowski, Igor Strawinsky und Dmitri Schostakowitsch. Besonders verbunden mit der Stadt ist unter anderem Schotakowitschs siebte oder Leningrader Symphonie; entstanden während der Belagerung durch die Deutschen, war sie ein Ausdruck des Durchhaltewillens und der russischen Kultur. Die Uraufführung fand in Moskau ebenfalls unter Lebensgefahr für Aufführende und Zuhörer statt, am 8. August 1942 wurden die Orchesterpartituren durch die deutsche Blockade hindurch in die Stadt geschafft, das Konzert im gesamten sowjetischen Rundfunk übertragen.
Die Stadt ist ebenfalls einer der wichtigsten Orte für die Entwicklung des Balletts. Sergej Pawlowitsch Diaghilew, Marius Petipa, Waslaw Nijinsky, Mathilda-Maria Kschessinskaja und Anna Pawlowa waren maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt.
Zu den Bewohnern von Sankt Petersburg zählten auch einige herausragende Schachspieler: Michail Botwinnik (langjähriger und mehrmaliger Weltmeister zwischen 1948 und 1963), Boris Spasski (Weltmeister von 1969 bis 1972 und bekannt durch das Match mit Robert J. Fischer (USA) 1972 in Reykjavik, das wegen des damals existierenden Ost-West-Konfliktes weltweites Interesse erregte), sowie Viktor Kortschnoi (heute Schweiz), langjähriger Vize-Weltmeister und Emigrant aus der UdSSR. Kortschnoi erlangte internationale Bekanntheit wegen der Duelle mit Anatoli Karpow um die Weltmeisterschaft 1978 in Baguijo und 1980 in Meran, welchen große politische Brisanz innewohnte. Karpow lebte lange Jahre in Leningrad, wo er auch studierte. Der Titel eines Schach-Großmeisters wurde erstmals von Zar Nikolaus II. nach einem Turnier in der Stadt erfunden und verliehen.
Literatur
Die Stadt besitzt mehrere eindrucksvolle Bibliotheken. Die 1795 gebaute Saltykow-Schtschedrin-Bibliothek wurde einst als russische Nationalbibliothek gegründet und ist heute mit einem Bestand von 30 Millionen Werken nach der Lenin-Bibliothek in Moskau die zweitgrößte Russlands. In ihrem Bestand sind Bücher in 85 Sprachen. Ein Teil der Sammlung ist auch das erste Buch in russisch überhaupt, eine Handschrift aus dem Jahr 1057. Die 1714 gebaute Bibliothek der Akademie der Wissenschaften besitzt ebenfalls einen Bestand von 17 Millionen Bänden. Die Puschkin-Bibliothek ist mit 5000 Werken zwar deutlich kleiner, besitzt dafür aber einen eindrucksvollen Bestand von Werken aus der privaten Bibliothek des Dichters.
Zahlreiche der bekanntesten russischen Künstler haben in Sankt Petersburg gelebt und gearbeitet, darunter Literaten wie Alexander Puschkin, Fjodor Dostojewski, Anna Achmatowa, Alexander Blok und Joseph Brodsky.
Der "Petersburger Text"
Petersburg, als Zarenstadt über Jahrhunderte kulturelles Zentrum Russlands, zog auch eine große Zahl von Schriftstellern an, welche die Stadt literarisch verewigten. Nachdem in den ersten Jahrzehnten nach dem Bau der Stadt den Zaren preisende Auftragslyrik das Bild bestimmte, begann 1833 mit Alexander Puschkins Gedicht Der eherne Reiter eine andere Art der Literatur dominant zu werden. Das Gedicht thematisiert den russischen Beamten Jewgeni, der am Reiterstandbild Peters des Großen, dem Wahrzeichen der Stadt, zur Zarenbeschimpfung ansetzt. Doch er erregt den Zorn der Statue.
- Und auf des Hengstes blankem Rücken
- Mit der emporgestreckten Hand
- Ihn vorwärts treibend mit den Blicken
- Braust funkensprühend der Gigant
- Der arme Irre hastet weiter
- Wohin auch immer er sich kehrt,
- Der eherne, erzürnte Reiter
- Folgt überall auf seinem Pferd
Diese späteren Texte haben eine verblüffende Ähnlichkeit, was Motive, Sprache, Atmosphäre, aber auch oft den Sinn anbelangt - soviel Ähnlichkeit, dass die Literaturwissenschaft dafür den Begriff Petersburger Text geprägt hat. Die Allgegenwart der Macht des Zaren wie des russischen Staatsapparates, die Beamten- und Soldatenstadt, sind ebenso ein stetig wiederkehrendes Thema, wie der Wahnsinn, Hochwasser und Überschwemmung, Zerstörung, Untergang, Fieberwahn und (Alp-)Traumstadt. Viele Literaten attestieren der Stadt eine gewisse Unwirklichkeit, eine Aura dessen, dass sie nicht ganz real ist. Das beginnt schon mit dem Mythos, die Stadt sei in der Luft gebaut worden und erst danach auf die Erde gesunken, weil man auf diesem Gelände eigentlich gar nicht bauen könne. Literatur-Nobelpreisträger Joseph Brodsky attestiert: Es gibt keinen Ort in Russland, wo die Imagination sich mit solcher Leichtigkeit von der Realität ablöst. Nikolai Gogol sagt bereits 1835 über den Newski-Prospekt: Hier ist alles Trug, alles Traum, alles nicht das, was es scheint.
Allein der Plan, eine Großstadt am Ende der Welt inmitten von Sümpfen zu bauen, gibt St. Petersburg diesen Gründungsmythos mit, der die literarische Stimmung bis zur Oktoberrevolution bestimmt. Selbst Giacomo Casanova ließ sich von der Stimmung der Stadt beeinflussen. 1764 schrieb er: Alles erschien mir, als hätte man es schon als Ruine gebaut. Man pflasterte die Straßen und wusste, dass man sie sechs Monate später erneut würde pflastern müssen.
Besonders bekannte Nachfolger Puschkins waren in dieser Tradition Nikolaj Gogol mit dessen Petersburger Erzählungen sowie der wahrscheinlich berühmteste Schriftsteller der Stadt, Fjodor Dostojewski, dessen Romane Weiße Nächte, Arme Leute, Der Doppelgänger. Ein Petersburger Poem, Der Idiot und Verbrechen und Strafe in der Stadt spielen. Dostojewskis Charakter Raskolnikow nahe der Stadt war: Es wehte ihn daraus immer eine rätselhafte Kälte an, dieses prächtige Panorama war für ihn mit einem stummen, dumpfen Geist erfüllt.
Mit der Oktoberrevolution und der Verlagerung der Hauptstadt entstanden weiterhin literarische Werke hoher Bedeutung, die allerdings nicht mehr den typischen Petersburger Text widerspiegelten. Alexander Bloks Erzählung Die Zwölf von 1918 schilderte den Marsch von zwölf Rotarmisten durch die Stadt. Schließlich erscheint Jesus an der Spitze der Gruppe. Daniil Charms, einer der letzten Vertreter der frühen russischen Avantgarde, verfasste neben Die Komödie der Stadt Petersburg auch zahlreiche kurze Stücke. Eines, An der Quaimauer, greift wiederum die klassischen Motive des Petersburger Textes auf:
- Am der Kaimauer unseres Flusses hatte sich
- eine sehr große Menschenmenge versammelt
- In den Fluß gefallen war der Regimentskom-
- mandeur Sepunow. Er verschluckte sich in
- einem fort, sprang bis zum Bauch aus dem Wasser.
...
- "Er geht unter", sagte Kusma
- "Klar geht er unter", bestätigte ein Mann mit
- einer Schirmmütze.
- Und tatsächlich, der Regimentskommandeur
- ging unter
- Die Menge begann sich zu verlaufen.
Der gebürtige Petersburger Vladimir Nabokov kehrt in seinen Büchern immer wieder an den Ort seiner Kindheit zurück. Anna Achmatowa, Marina Zwetajewa, Ossip Mandelstam, Welimir Chlebnikow, Sergei Jessenin und Joseph Brodsky verewigten die Stadt durch ihre Lyrik. Ebenso wie als Stadt der Literatur erschien die Stadt immer als eine der verfolgten Literatur. Bereits Dostojewski und Puschkin wurden vom Zar verfolgt, nach der Oktoberrevolution wurden zahlreiche Literaten ermordet, bekamen Berufsverbot oder, sofern es ihnen möglich war, wanderten sie aus. Ossip Mandelstam bemerkte: Kein anderes Land nimmt Poesie so wichtig wie Russland, nirgendwo sonst werden ihretwegen so viele Menschen umgebracht.
Die Eremitage
Von den ungefähr 250 Museen der Stadt ist die Eremitage mit 3 bis 4 Millionen Besuchern im Jahr das bestbesuchte und wohl auch international bedeutendste. Die Eremitage ist eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Welt. Sie beherbergt eine immens große Sammlung der europäischen bildenden Kunst bis 1917.
Der Winterpalast, in dem sie untergebracht ist, ist dabei eine eigene Sehenswürdigkeit. In ihrem Archiv beherbergt sie mehr als 2,7 Millionen Ausstellungsstücke. In den 350 Ausstellungsräumen sind davon 65.000 organisiert in sechs Sammlungen ausgestellt. Es sind Sammlungen über Prähistorische Kultur, Kunst und Kultur der Antike, Kunst und Kultur der Völker des Ostens, Westeuropäische Kunst und Russische Kunst zu sehen. Da der größte Teil der russischen Kunst mittlerweile in das russische Museum ausgelagert wurde, ist die westeuropäische Kunst und Kultur der bedeutsamste Teil der Sammlung.
In ihr befinden sich unter anderem Werke von Leonardo da Vinci (2 der weltweit bekannten zwölf Original), Raffael, Tizian, Paolo Veronese, El Greco, Goya, Lucas Cranach dem Älteren, mehr als 40 Bilder von Rubens, 25 Werke von Rembrandt und diverse seiner Schüler, Vincent van Gogh, 37 Bilder von Henri Émile Benoît Matisse, Pierre-Auguste Renoir, Paul Gauguin, 31 Bilder von Pablo Picasso, sowie Bilder von Édouard Manet und Wassily Kandinsky.
Das Museum entstand als Privatsammlung der Zaren, seit 1852 war es öffentlich zugänglich. Nach der Oktoberrevolution wurden zahlreiche Privatsammlungen enteigneter russischer Adliger in die Eremitage überführt. Die Belagerung der Stadt überstanden die Bestände weitgehend unbeschadet im Keller des Museums, die wertvollsten Stücke waren ausgelagert worden. 1948 wurden die Kunstbestände aufgestockt durch einen großen Teil der Sammlung des Museums für neue westliche Kultur in Moskau. Von den vielen Touristenzielen der Stadt ist die Eremitage wahrscheinlich das bedeutendste. Es besteht eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Guggenheim-Museum.
Architektur
Bauzustand und Denkmalschutz
Sankt Petersburg war lange Zeit der Sitz der russischen Zaren. In der Stadt entfalteten sie die ganze Pracht ihres immensen Reichtums, von der bis heute zahlreiche Zeugnisse zu sehen sind. Im Rahmen der 300-Jahr-Feier im Jahr 2003 wurden zahlreiche der Sehenswürdigkeiten aufwändig restauriert. Die Stadt besitzt neben den 250 Museen auch ungefähr 4 000 geschützte Kultur-, Geschichts- oder Baudenkmäler. 15% der Gebäude in Sankt Petersburg – 2400 Gebäude – wurden von der UNESCO zu Denkmälern der Architekturgeschichte eingestuft. Damit wird Petersburg in dieser Hinsicht nur noch von Venedig übertroffen. Die Stadt hat allerdings Probleme, die Kosten für die Erhaltung dieser Baudenkmäler aufzubringen. Neben der schieren Menge gibt es auch andere Probleme: Teilweise sind die Häuser nach der Sowjetzeit in einem desaströsen Bauzustand und müssten dementsprechend aufwändig restauriert werden. Zum anderen sorgt die Industrie und der starke innerstädtische Verkehr für eine starke Luftverschmutzung, die insbesondere den Fassaden zusetzt. Obwohl seit 2004 Anstrengungen unternommen werden, zumindest einige Baudenkmäler zu privatisieren, gehören immer noch etwa 80% aller Petersburger Immobilien dem russischen Staat.
Vorherrschende Stilrichtungen
Die Stadt ist vergleichsweise jung und architektonisch stark von westeuropäischen Einflüssen geprägt. Besonders finden sich im Stadtbild Bauten eines relativ schmucklosen Frühbarocks, eines voll ausgeprägten Barocks, des Klassizismus und des Jugendstils. Die Bauten zu Zar Peters Zeiten (beispielsweise die Peter-Pauls-Festung oder die Zwölf Kollegien) sind vom Europäischen Barock beeinflusst, haben jedoch meist einfachere Grundrisse und verzichten weitgehend auf Außenschmuck. Einzig die Farbgebung setzt hier einen Kontrapunkt. Später bildete sich der Russische Barock zu voller Blüte aus. Die Gebäude wurden dreifarbig, auch an den Fassaden reich geschmückt, die Grundrisse wurden komplizierter. Baumeister dieser Zeit sind vor allem Bartolomeo Francesco Rastrelli, aber auch Savva I. Tschewakinski. Typische Gebäude dieser Zeit sind der Winterpalast, der Katharinenpalast, der endgültige Ausbau von Peterhof. Die klassizistischen Bauten sind wieder dezenter und weniger verspielt. Die Formen gehen von einfachen geometrischen Grundformen aus. Als Paradebeispiel gilt die Rossi-Straße: Sie ist 220 Meter lang, 22 Meter breit, die sie säumenden Gebäude sind 22 Meter hoch, ihre Fenster je 2,20 Meter groß. In dieser Zeit entstehen ganze Ensembles wie der Schlossplatz oder das gesamte Viertel um das Alexandratheater. Bedeutendster Architekt dieser Zeit ist der Italiener Carlo Rossi. Eine eher russische Variante des Stils wird vor allem von Wassili P. Stassow geprägt. Im Jugendstil schließlich und der Petersburger Moderne – einer späteren Variante des Klassizismus – werden weniger Prunkbauten errichtet, aber ein Großteil der Wohnbebauung in der Innenstadt lässt sich diesen Stilperioden zurechnen. Nach der Oktoberrevolution und speziell beim Wiederaufbau nach 1945 wurden zwar die alten Gebäude restauriert, die Neubauten allerdings unterscheiden sich außer in Größe und Menge nicht mehr von dem, was sonst in der Sowjetunion gebaut wurde.
Stadtrundgang
Der Newski Prospekt, die Hauptstraße der Stadt, erstreckt sich von der Admiralität beziehungsweise der Eremitage nebst "Dvorzovaja Ploshtshad" – dem Parade- und Schlossplatz – bis zum Alexander-Newski-Kloster, der sogenannten Lavra. Benannt sind beide nach dem russischen Volkshelden Alexander Jaroslawitsch Newski. Zu den am Newskij Prospekt gelegenen Sehenswürdigkeiten zählen unter anderem auf der linken Straßenseite das Dom Knigi (Haus der Bücher), rechts die Kasaner Kathedrale und das Kaufhaus Gostini Dwor. Etwas weiter stößt der Prospekt dann auf den "Ploschtschad Wosstania", den Ort des Dekabristenaufstands von 1825. Der Newski-Prospekt wird von folgenden Kanälen geschnitten:
- Der Kanal "Moika" in Höhe der Kasaner Kathedrale. Auf der linken Seite, also gegenüber der Kathedrale, sieht man am Ufer der Moika in geringer Entfernung die Christi-Auferstehungskirche, die der Kathedrale am Roten Platz in Moskau äußerlich sehr ähnelt.
Am Ufer der Moika befindet sich ebenfalls das Haus, in dem der russische Nationaldichter Puschkin lebte und nach einer schweren Verwundung in einem Duell mit dem Franzosen Dantes auch verstarb.
- Der Kanal "Gribojedowa". Links (östlich) davon erstreckt sich das Marsfeld, der Sommergarten mit dem Sommerpalast und der Wladimir-Palast.
- Der Kanal "Fontanka", den die Anitschkow-Brücke überspannt. Hier befindet sich auch der gleichnamige Palast, in dem der bekannte Schachtrainer Zak unter anderem mit dem späteren Weltmeister Spasski arbeitete.
Unweit des Newski-Prospekts liegen weitere Sehenswürdigkeiten. Dies sind das Russische Museum, das sich neben der Auferstehungskirche befindet, die Isaakskathedrale die sich unmittelbar an die Admiralität und die Eremitage anreiht, die Peter-und-Pauls-Festung – eine befestigte Insel, auch Haseninsel genannt, auf der dem Prospekt gegenüberliegenden Seite der Newa, mit zugehöriger Kathedrale, in der Zaren und Großfürsten beerdigt wurden. In einer Kapelle der Kathedrale wurde auch der letzte Zar Nikolaus II. mit seiner Familie und seiner Dienerschaft beigesetzt. In der Festung wurden schließlich auch zahlreiche Prominente der russischen Geschichte (zum Beispiel die Dekabristen, Michail Bakunin und Peter Kropotkin) festgehalten. Der Panzerkreuzer Aurora kann auf derselben Newa-Seite nordwestlich der Festung besichtigt werden.
Der eherne Reiter, der Smolnyj, die Rossistraße, der Sommergarten und die Christi-Auferstehungskirche befinden sich alle auf der südlichen Newa-Seite. Besonders lohnend ist ein Spaziergang durch die Stadt während der Weißen Nächte im Sommer.
In der südlichen beziehungsweise süd-westlichen Umgebung Sankt Petersburgs sind der Peterhof, Pawlowsk und Zarskoje Selo (Puschkin) beliebte Ausflugsziele. Im Letzteren kann man im Katharinenpalast das legendäre Bernsteinzimmer bewundern. Der Peterhof ist eine direkt am Meer gelegene weite Schlossanlage mit Palast, Schlosskirche, Orangerie, kleinen Lustschlössern wie "Mont Plaisir", "Marly" und einer besonders schönen Fontänen-Anlage in Hanglage, der sogenannten Kaskade, mit herrlichen vergoldeten wasserspeienden Bronzeskulpturen. Der Peterhof, das Schloss Pawlowsk, sowie der Katharinenpalast wurden im Verlauf des Zweiten Weltkrieges von den deutschen Besatzern zu großen Teilen verwüstet, und nach dem Krieg in mühevoller Kleinarbeit wieder aufgebaut und restauriert. Vom Witebsker Bahnhof aus lassen sich Pawlowsk und Puschkin leicht mit dem Zug, der "Elektritshka" erreichen. An dieser Bahnstrecke befindet sich der Halt "21 km", der an der südlichen Belagerungslinie der Stadt im Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Neben den Gleisen erinnern gegen Süden gerichtete damalige Kanonen an die deutsche Belagerung.
Petersburg im Film
Das Ende der kulturellen Blütezeit Sankt Petersburgs fiel zeitlich mit dem Aufkommen der Filmindustrie zusammen. Während das sowjetische Kino kaum Filme von internationaler Bedeutung hervorbrachte, war es Produktionen aus anderen Ländern nicht möglich, in die Stadt zu gelangen. Bei bemerkenswerten Filmen bis 1990 handelt es sich zu einem Großteil um Verfilmungen klassischer russischer Literatur. Es gibt dutzende Verfilmungen von Anna Karenina (die ersten eine russische und eine französische je von 1911, die erste westliche, die vor Ort gedreht wurde von 1997) oder einige Versionen von Dostojewskis Der Idiot (die erste ist Russland, 1910).
Einige Filme beziehen sich auf die Stadtgeschichte. Neben einer großen Anzahl sowjetischer Propagandafilme gibt es bisher aber erst wenige Werke: In seiner Art Eigenständig ist der Film Noi Vivi (Italien, 1942), eine Verfilmung des in der Stadt spielenden Buches von Ayn Rand Wir leben, der vor dem Hintergrund der sowjetischen Oktoberrevolution eine Kritik des faschistischen Italiens versucht. Die Geschichte um die Tochter des letzten Zaren Anastasia wurde mehrfach verfilmt. Besonders bekannt sind die Versionen von 1956 mit Ingrid Bergman und das Disney-Musical (USA, 1997). Besonders das Disney-Musical bezieht sich zwar sowohl auf die Stadtgeschichte als er auch deren optische Opulenz, verfremdet beides aber so stark, dass es kaum wiederzuerkennen ist. Der italienische Spezialist für Filme über die russische Geschichte Giuseppe Tornatore plant für 2005 einen Film über die Belagerung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Für die meiste internationale Resonanz sorgte bisher von allen Petersburger Filmen Russian Ark der in der Eremitage gedreht 300 Jahre russische Geschichte in einem einzigen Schnitt revue passieren lässt.
Die Stadt ist nur selten Handlung vollkommen fiktiver Filme ohne literarischen Bezug. Diese benutzen Petersburg vor allem als eindrucksvollen optischen Hintergrund. Der James Bond-Film Golden Eye (1995) zeigt die Stadt in einem schon fast postapokalyptisch zu nennenden Zustand. Ein anderer Action-Film Film, Midnight in St. Petersburg (UK, 1996) hingegen versucht seine filmischen Defizite mit opulenten Aufnahmen der Petersburger Sehenswürdigkeiten auszugleichen. Der Film Onegin (1999 unter anderem mit Liv Tyler) nimmt die Existenz des Puschkin-Gedichtes als Ausgangspunkt, neigt aber auch dazu die Handlung gegenüber opulenten Aufnahmen der Stadt in den Hintergrund treten zu lassen.
Bildung
Sankt Petersburg war historisch das Zentrum der russischen Wissenschaft und ist neben Moskau immer noch der wichtigste Bildungs- und Wissenschaftsstandort. In der Stadt sind über 120 Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen ansässig. Davon sind 43 staatlich-zivil, 22 militärisch und etwa 50 werden privat betrieben, sind aber staatlich lizenziert. Zu den bekannteren Universitäten gehören die Staatliche Universität St. Petersburg, die Technische Universität, die Elektrotechnische Universität und die Seefahrts-Technische Universität.
In der Stadt sind etwa 600.000 Einwohner in Bildung und Wissenschaft beschäftigt, darunter sind ungefähr 340.000 Studierende.
Näheres siehe Liste weiterführender Bildungseinrichtungen in St. Petersburg.
Die Stadt beherbergte zahlreiche Nobelpreisträger, darunter als letzten Schores Iwanowitsch Alfjorow, den Nobelpreisträger für Physik der Jahres 2000.
Wirtschaft und Verkehr
Wirtschaft
Sankt Petersburg ist ein Verkehrsknotenpunkt und ein Zentrum russischer Forschung und Entwicklung und beherbergt dementsprechend ein großes Potenzial an Betrieben aus diesem Bereich. Auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der russischen Rubelkrise von 1998 konnte die Stadt große Teile ihres Potenzials retten.
In Sankt Petersburg finden sich Betriebe fast aller Zweige der verarbeitenden Industrie, ein besonderer Schwerpunkt liegt aber auf dem Schiff- und Maschinenbau. Unter anderem werden alle russischen atomgetriebenen Eisbrecher in der Stadt gefertigt. Weitere Schwerpunkte des industriellen Sektors in der Stadt sind Radioelektronik (vor allem in der Luft- und Raumfahrt), Neue Baustoffe (eine der vorrangigen Wachstumsbranchen), Energiemaschinenbau (Branchenbetriebe sind weltweit wettbewerbsfähig), Medizinischer Gerätebau, Vorbeugungsmedizin und Gesundheitswesen sowie Ökologisches Engineering. Außerdem besitzt die Stadt Möbelindustrie, Nahrungsmittelindustrie (zum Beispiel die bekannte Brauerei Baltika) und erdölverarbeitende Industrie. In den letzten Jahren beginnt die Informationstechnologie eine größere Rolle einzunehmen.
In der Stadt haben an ausländischen Unternehmen unter anderem Wrigley, Gillette, Rothmans, Unilever, Japan Tobacco, Coca-Cola und Ford nennenswerte Investitionen getätigt. Der Ford Focus wird hier gefertigt. Wichtigster Außenhandelspartner der Stadt ist Deutschland.
An Rohstoffen finden sich Kies, Sandstein, Ton und Torf. Die Landwirtschaft spielt keine Rolle in der lokalen Wirtschaft.
In der Sowjetunion war St. Petersburg der Hauptflottenstützpunkt, noch heute befindet sich der Großteil der ehemaligen Schlachtschiffe und U-Boote in den Petersburger Militärhäfen. Das erste Dieselmotorschiff der Welt, die Vandal, lief von Rybinsk kommend ab 1903 planmäßig St. Petersburg an. Vor der Perestroika bildete der rüstungsindustrielle Komplex 80 Prozent der Leningrader Wirtschaft.
Tourismus wird ein zunehmend wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Stadt. Laut der UNESCO gehört die Stadt zu den zehn für Touristen attraktivsten Reisezielen weltweit.
Das Optik-Kombinat begründete mit der Produktion der LOMO Compact Automat eine eigene Stilrichtung der Fotografie, die Lomographie.
Verkehr
Sankt Petersburg ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Hierbei stellt die Stadt einen wichtigen Verknüpfungspunkt zwischen Seeschifffahrt und der Eisenbahn dar. Der Hafen Sankt Petersburgs ist der größte Hafen Russlands und hat Bedeutung für den ganzen osteuropäischen und nordasiatischen Raum. Von Sankt Petersburg aus fahren Fähren nach Kaliningrad, wofür kürzlich ein großes Fährterminal eingeweiht wurde. Weitere Fährverbindungen bestehen nach Stockholm, Helsinki, Kiel und anderen Hafenstädten an der Ostsee. Die wichtigen Vorhäfen von Sankt Petersburg befinden sich an der Ostsee in Ust-Luga und in Wyssozk. Über die Newa und verschiedene Kanäle bestehen schiffbare Verbindungen zum Ladogasee, zur Wolga und zum Weißen Meer. Dabei fahren die Schiffe nachts durch das Stadtgebiet, wofür Klappbrücken hochgeklappt werden.
Die erste russische Eisenbahn überhaupt führte von Sankt Petersburg nach Zarskoje Selo. Vor dem ersten Weltkrieg fuhr der Nord-Express direkt von St. Petersburg bis nach Paris. Heute bestehen Eisenbahnlinien nach Murmansk (Ladogabahnhof), Kirow, Moskau (Moskauer Bahnhof), Tallinn (Baltischer Bahnhof), Berlin (Witebsker Bahnhof)und Helsinki (Finnischer Bahnhof).
Sankt Petersburg besitzt zwölf Autobahnen. Zur Zeit wird eine weitere um die Stadt herum gebaut. Das russische Kfz-Kennzeichen lautet "78".
Etwa zwölf Kilometer südlich von der Innenstadt liegen die Flughäfen Pulkowo I (Inlandsflüge) und Pulkowo II (Auslandsflüge). Von ihnen aus fliegt Pulkovo Airlines, von Pulkowo II auch zahlreiche ausländische Airlines.
Aufgrund der Lage im Sumpf und der Notwendigkeit die Tunnel im festen Gestein graben zu müssen ist die – 1955 gegründete – Metro die tiefste U-Bahn der Welt. Die bis zu 90 Meter tief gebaute Petersburger Metro hat 4 Linien, eine verbindet St. Petersburg mit einem Dorf in der Leningrader Oblast. Außerdem gibt es zahlreiche Bus- und Trolleybuslinien sowie eines der größten Straßenbahnnetze der Welt. Der größte Anteil des bodengebundenen Reisendenstroms gehört aber den Linientaxis ("Marschrutna"). Sankt Petersburg besitzt ein S-Bahnnetz (Elektritschka).
Partnerstädte
St. Petersburg unterhält Städtepartnerschaften mit folgenden Städten:
- Hamburg, seit 1957 (erste deutsch-sowjetische und erste deutsch-russische Städtepartnerschaft)
- Dresden, seit 1961
- Zagreb (Kroatien), seit 1968
- Los Angeles (USA), seit Dezember 1989
- Prag (Tschechien), seit 1991
- Warschau (Polen), seit 1997
- Bombay (Indien)
- Nizza (Frankreich)
- Mailand (Italien)
- Danzig (Polen)
Persönlichkeiten
Sankt Petersburg war Geburts- und Wohnort zahlreicher russischer und internationaler Adliger, Politiker, Künstler und Wissenschaftler. Zu den bekanntesten von ihnen gehören Wladimir Putin, Fjodor Dostojewski, Alexander Puschkin, alle russischen Zaren seit 1718, Leonhard Euler, Alfred Nobel oder Iwan Pawlow. Siehe auch Liste bekannter Sankt Petersburger.
Literatur
- Creutzberger, Stefan u.a. 2000. St. Petersburg, Leningrad, St. Petersburg Hamburg, Deutsche Verlags-Anstalt. ISBN 3421053588. (Aufsatzsammlung über die Stadt. Thematisch reicht der Bogen über die "klassischen" Petersburger Themen bis zum Judentum in der Stadt oder die Underground-Musikszene.
- Figes, Orlando. 2003. Nataschas Tanz – eine Kulturgeschichte Russlands. Berlin; Berlin Verlag. ISBN 382700487X Exzellente Kulturgeschichte Russlands, die seit dem 18. Jahrhundert untrennbar mit der Entwicklung Sankt Petersburgs verbunden ist.
- Jahn, Peter (Hrsg.). 2004. Blockade Leningrads 1941-1944 Berlin, Ch. Links Verlag. ISBN 3861533243 (Begleitband zu einer Ausstellung des deutsch-russischen Museums. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der deutschen Ziele und des Alltags in der belagerten Stadt)
Darüber hinaus bieten alle großen und auch viele kleinere Anbieter von Reiseführern Ausgaben zum Thema Sankt Petersburg an. Welcher empfehlenswert ist, dürfte in hohem Maße von den Ansprüchen und Bedürfnissen des Lesers abhängen.
Englisch
- Clark, Katerina. 1998. Petersburg: Crucible of Cultural Revolution Harvard University Press ISBN 0674663365 (Konzentriert sich auf die künstlerischen Avantgarde-Strömungen, die kurzzeitig zur Zeit der Oktoberrevolution aufblühten)
- Volkov, Solomon. 1995. St. Petersburg: A Cultural History. Free Press ISBN 0684832968 (Ausführlicher und leicht exzentrischer Überblick über die gesamte Kulturgeschichte der Stadt - englisch)
Sankt Petersburg literarisch
- Brodsky, Joseph: Erinnerungen an Leningrad. Frankfurt/Main. Fischer Taschenbuch ISBN 3596295394 (Erinnerungen des Literatur-Nobelpreisträgers an seine Kindheit im Nachkriegs-Leningrad)
- Dostojewski, Fjodor: Schuld und Sühne oder in neueren Übersetzungen Verbrechen und Strafe. Klassiker der Weltliteratur, der vor allem mit den dunklen Seiten der Stadt im 19. Jahrhundert spielt. Zahlreiche Ausgaben.
- Gogol, Nikolai: Petersburger Novellen. Vier Novellen von einem der Begründer der russischen Prosaliteratur. Insbesondere "Die Nase" und "Der Mantel" gehören zu den Klassikern der russischen Literatur. Verschiedene Ausgaben.
- Keller, Christoph (Hrsg). 1999. Petersburg erzählt. Frankfurt/Main, Fischer Taschenbuch Verlag. Sammlung von Kurzgeschichten über und aus St. Petersburg mit einem Nachwort zur Stadt und Literatur allgemein. Enthält u.a. Beiträge von Iwan Bunin, Ossip Mandelstam, Vladimir Nabokov und zeitgenössischer Autoren ISBN 3596132363
- Puschkin, Alexander: Der eherne Reiter. Gedicht, das zu den Klassikern der russischen Literatur zählt. Zahlreiche Literaturwissenschaftler sehen in dem Gedicht den Beginn der modernen russischen Literatur. In zahlreichen Anthologien enthalten.
Weblinks
- Stadtgeschichte von Sankt Petersburg
- Johannes Voswinkel: Des Jammers goldene Kulisse. In: Die Zeit 21/2003
- deutschsprachige Internetzeitung mit speziellem Teil über Sankt Petersburg.
- St. Petersburg Times, englischsprachige Zeitung aus der Stadt
- Virtuelle Ausstellung über die Deutschen in Sankt Petersburg (Auf der Seite des deutschen Generalkonsulats)
- Site der Hamburger Handelskammer über die wirtschaftliche Entwicklung
- Goethe-Institut Sankt Petersburg
- The Newa-Project – mehrere Seiten über das Verhältnis von Stadt und Fluss (engl.)
- Karten von Sankt Petersburg (engl.)