Volker Mall Mein Leben

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Volker Mall

Bin auf meinem Weg schon so lang


Stuttgart-Haguenau-Ellwangen-Cannstatt-Maichingen-
Herrenberg

Für Nike (11.12.2023) und Adelheid (18.12.2023)


Foto Schmidt
Inhalt
Vorwort
Ahnenforschung
Die Schwendier Mall
Opa Franz Xaver
Anton Mall
Tante Fränze
Oma Löffler
Die Eltern: Karl Mall, Helene Mall, geb. Löffler
Mein Leben
Stuttgart
Haguenau
Ellwangen
Der HJ-Landdienst
Der Landdienstlehrhof Schloss Ellwangen
Richard Forstbauer
Kriegsende
Cannstatt
Maichingen
Herrenberg 2
Tübingen
AV Lichtenstein
Studium – Examen – Johannesweg
Musikhochschule Stuttgart
Musikhochschule vor und nach 1945
Thesen und Forderungen zum Musikunterricht und die Folgen
PH Esslingen
Haslach
Ziemlich beste Freunde
Radtouren
Die ersten eigenen Autos
Music was my first love
d´Zeit gaht vorbei – As Time Goes Bye
Zsammaschtanda en dr Gwerkschaft? Die GEW – Versuch einer Bilanz
JUSOS im Kreis Böblingen eine Chronologie (Ausschnitte)
Pferde und Reiten – die zweite Liebe
Ehrungen
KZ-Gedenkstätte Jubiläum 2022
Projekte am AGH
Politisches
Nebentätigkeiten und Hobbys
Veröffentlichungen
Vergeblich versuchen wir, durch unsere Worte, unser Schreiben, zu bewahren, was
verschwindet. (Maurice Blanchot)

Vorwort
Auf die Idee, so etwas wie Lebenserinnerungen aufzuschreiben, kam ich, als unsere Tochter
irgendwann nach der Familie fragte, aus der sie stammt. Ich merkte, dass das lang Vergangene
sich langsam aus meinem Gedächtnis verabschiedete, nachdem ich beim Kurzzeitgedächtnis
schon länger Ähnliches beobachtet hatte. Ich fing also an, erst einmal nach den Wurzeln der
Familie Mall zu suchen. Da hatte ich vor Jahren schon einiges zusammengetragen (s.u.).
Dann ging ich an meinen Lebenslauf.
Erinnerung ist ja immer selektiv und sehr individuell. Tatsächlich Erlebtes mischt sich mit
dem, was andere erzählen. Erinnerungen tauchen auf beim Durchsehen von Fotoalben,
Zeugnissen und anderen Dokumenten: und manches kommt plötzlich beim Schreiben wieder
hoch. Dabei ist es oft vorrangig Anekdotisches, was hängengeblieben ist und jetzt
aufgeschrieben wurde. Und natürlich ist die Auswahl eher zufällig und lückenhaft, besonders
lückenhaft ab 1977 (Hochzeit) und dem Umzug nach Herrenberg. Die Kapitel Henrike und
Adelheid fehlen noch.

3
Ahnenforschung
Um die Wende zum 20. Jahrhundert begann die eigentliche Entwicklung der
Genealogie in Breite und Tiefe. ...
In den zwanziger Jahren begann der Anthropologe Walter Scheidt mit seinen
Mitarbeitern, Kirchenbücher populationsgenetisch auszuwerten, wozu er die Mitarbeit
von Genealogen suchte. Von mehreren Pfarrern angeregt, begann parallel dazu unter
dem Stichwort „Volksgenealogie“ eine Arbeitsrichtung zu entstehen, die nicht mehr
nur die Genealogie der begüterten Schichten im Auge hatte, sondern der gesamten
Bevölkerung. …
Vor 1933 gab es im deutschen Sprachraum bereits eine große Zahl regionaler
genealogischer Vereine und Zeitschriften. In ihren Vorträgen und Publikationen waren
Schlagworte wie Vererbung, Rasse und Heimat verbreitet.
Ab 1933 versuchte die nationalsozialistische Politik zielstrebig, die genealogischen
Vereine gleichzuschalten, und die Genealogie wurde in den Dienst der Blut-und-
Boden-Ideologie und des Antisemitismus gestellt. Das Berufsbeamtengesetz verlangte
den Nachweis der so genannten arischen Abstammung (zum Beispiel durch
den Ahnenpass), und die Genealogie wurde zur Sippenforschung. … 1939 lief in
3000 Gemeinden Deutschlands die Arbeit an Dorfsippenbüchern. (Wikipedia)

Soweit ich weiß, hatte in der Familie Mall nur mein Großonkel (und Schwager) Anton
Familienforschung betrieben. Er hatte schon in den 1920er Jahren Material gesammelt und
eine Art Stammbaum zusammengestellt. Das hatte ich in seinem Nachlass gefunden. Dort
fanden sich auch diese Veröffentlichungen zum Thema:
4
Das Geschlecht der Mall. Denkschrift zur dreihundertjährigen Wiederkehr des Geburtstages
von Hans Wendel Mall 1625 bis 1925. Bearbeitet von Daniel Mall, 1925, Selbstverlag,
gedruckt bei Hugo Kretschmer, Görlitz.
In einer „zweiten Lieferung“ zu diesem Buch steht:
„Herr Oberwachtmeister Anton Mall in Stuttgart hat in dem Ursprungsort der Schwendier,
Tübinger, Stuttgarter und Transvaal-Mall, in Griesingen Nachforschungen angestellt, die
zunächst Ergebnisse bis 1750 gezeitigt haben. Durch Herrn Pfarrer Prelisauer in Griesingen
ist er in seinen Forschungen wesentlich unterstützt worden.“ (S. 52). In der Einleitung steht:
„Das Geschlecht der Mall ist in Deutschland, in der Schweiz, in Österreich, Italien,
Frankreich, Belgien und Amerika, selbst in Afrika ansäßig.“ (S. 5) Dann werden mehr als 20
Städte in Deutschland aufgeführt, in denen „die Mall vorkommen.“
„Ausgangsorte (von Bedeutung) seien „Donnstetten im Oberamt Urach“ und „Söllingen im
Amt Durlach in Baden. Außerdem gäbe es Mall in Südtirol und Salzburg.
Die „ältesten bekannten Mall in Griesingen“ seien Georg Mall, geb. 4.4.1758, Pelagius Mall,
geb. 28.8.1769, Magnus Mall, geb. 9.4.1769 und Anton Mall, geb. 9.4.1772. (S. 71)
Daniel Mall veröffentlicht dann 1935 im Selbstverlag „Beitrag zur Stammbaumforschung der
Mall, Mahl. Mallin, Mally etc,“ Darin versucht der Verfasser den Namen Mall zu erklären. Es
folgen dann einzelne Artikel über verschiedene Mall, die in allen Berufen tätig waren.
„1935 haben in Donnstetten 13 Familien Mall gewohnt.“ (S. 14). Die „Urheimat der
katholischen Mall in Baden“ sei Stein am Kocher (S. 18).
Die Familie
Die Schwendier Mall
Insgesamt ist Ahnenforschung eher müßig. Wie bei den meisten Familien in Württemberg
lässt sich der Stammbaum der Griesinger/Schwendier Malls bis zum 30jährigen Krieg
5
zurückverfolgen.
Michael Mall (1626-1689) zog 1655 nach Griesingen.
Weitere Griesinger Malls:
Joseph * um 1735, Magnus *1769, Jakob *1814, I. Johann Georg *1842, Eugen *1895
(ausgewandert nach Amerika), Wilhelm 1876 (ausgewandert nach Kanada), (...) Thadäus
*1844.
Unser Urgroßvater Franz Xaver (Schneider), geboren 1850 in Griesingen, zog um 1870 nach
Schwendi; er hatte 9 Kinder, von denen drei bei oder kurz nach der Geburt starben. Die 3
Mädchen gingen in „Dienst“, Maria zu Weishaupt; die 3 Buben machten eine Lehre
(Buchbinder, Frisör, Gärtner).
Aus erster Ehe:
Franz Xaver *7.11.1876 in Leutkirch, + 13.8.1968 in Stuttgart. Buchbinder. Mein Großvater.
Kinder: Karl und Rosa.
Aus zweiter Ehe (1880) mit der Schwendierin Marie Brehm (1856-1920):
Hermann *7.4.1881 Gärtner in Limburger Hof/Mutterstadt (Pfalz).
Maximilian *27.9.1883 (Hausmeister) zog nach Tübingen. Vater von Maria (Malla),
verheiratete Flaadt. Und Erhard, Vater von Christa und Hansjörg.
Franziska *27.1.1886 zog ebenfalls nach Tübingen (in zweiter Ehe verheiratet mit Karl Josef
Zimmer, Lehrer aus dem Elsaß, geb.?, gestorben April 1974.
Maria *29.9.1891, +20.11.1929. Verheiratet 1920 mit Hermann Weishaupt. Starb wohl in
Schwendi.
Anton *12.4.1898, +1.12.1981. Verheiratet mit Rosa (geb. 23.2.1924), seiner Stiefnichte.
Frisör, ging nach Stuttgart und zur Kripo (s. u.).
Opa Franz Xaver
Franz Xaver Mall wurde am 13.8.1876 in
Neufra/Leutkirch geboren als ältester der großen
Kinderschar. Er machte nach der Volksschule
eine Buchbinder-Lehre, ging auf die Walz (bis
nach Südtirol), wurde bereits 1897 Mitglied der
Druckergewerkschaft (Vorläufer der IG Druck
und Papier) und Sozialdemokrat (?). Im August
1902 heiratete er in Nürnberg Karoline Wagner,
die 1880 in Amberg geboren wurde, Tochter von
Karl Johann Michael Wagner,
Maschinenmeister, Gießen. Sie zogen wohl nach
Stuttgart in die Senefelder Straße. wo sie
ausgebombt und vermutlich nach Oberkochen
evakuiert wurden. In Stuttgart wurde 1902 Rosa
und 1914 mein Vater geboren Die Namen der
Kinder hat er vermutlich sehr bewusst gewählt:
Rosa (Luxemburg), Karl (Liebknecht). Franz
Xaver war nach 1933 vielleicht arbeitslos. Er
machte Kurse in den Stuttgarter Waldheimen als
„Kunstmaler“. Wir haben ihn als Kinder noch
erlebt, wie er mit Baskenmütze und Staffelei 6
loszog. Nach dem Krieg wohnten das Ehepaar
in
einer Dachstockwohnung in Oberkochen, wo wir
sie auch einmal besuchten. Im Juli 1955 starb
seine Frau. Als Witwer nahm ihn seine Tochter
Rosa in den Kaltentaler Bittingerweg auf. Da
wohnte er in einem Zimmer im Souterrain, das
nur ein Oberlicht hatte. Die in diesem Haus
vorhandene zweite Wohnung war seiner Tochter
wohl zu gut für ihren Vater. Er starb am
13.8.1968 nach einer kurzen Lungenentzündung
im Stuttgarter Bürgerhospital (heute
Behandlungszentrum Mitte). Leider haben
Gudrun und ich nie nach seiner Geschichte
gefragt.
Vielleicht war „Kunstmaler“ sein Traumberuf?
Hin und wieder hat er noch Bücher eingebunden.
Wir haben ihm immer mal wieder etwas gebastelt
und relativ häufig in Kaltental besucht. So zum
Beispiel an seinem 88. Geburtstag 1964.
Anton Mall
Er wurde 1898 in Schwendi geboren, war der Jüngste der Kinder von Urgroßvater Franz
Xaver. Nach der Volksschule machte er eine Frisörlehre, wurde 1917 (19-jährig) eingezogen,
ging danach irgendwann zur Fremdenlegion, später in Stuttgart zur Kripo. Dort wurde er am
1.10.1923 vom Ministerium des Innern zum Kriminalwachtmeister beim Polizeipräsidium
Stuttgart befördert und war dort wohl Spezialist für
Fingerabdrücke u.ä..
Schließlich war er 1941/42 als Kriminalsekretär in
Berlin beim Aufbau der NS-Reichszentrale zur
Bekämpfung des Zigeunerunwesens und danach
dafür in der „Dienstelle für Zigeunerfragen“ bei der
Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart tätig. (Bei der
Deportation war er wohl zu seinem Glück gerade
nicht in Stuttgart).
Am 15. März 1943 verließ ein erster
Deportationszug mit 211 Sinti aus Württemberg und
22 Sinti aus Baden den Stuttgarter Nordbahnhof.
Insgesamt wurden bei den März-Deportationen 456
Sinti aus 52 Orten in Baden-Württemberg und
deutschlandweit 12.000 Sinti und Roma in das
Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau
deportiert.
Im Mai 1943 war Adolf Scheufele mit anderen 7
dafür zuständig, die Deportation zu organisieren. Im
Mai 1944 arrangierte seine Abteilung die
Deportation von 39 Kindern aus dem Kinderheim
St. Josephspflege in Mulfingen. Nach Ende der NS-
Diktatur wurde Adolf Scheufele wegen seiner
Mitgliedschaft in der NSDAP aus dem Polizeidienst
entlassen. Im Jahr 1946 wurde er von ehemals
Verfolgten beschuldigt, bei der Deportation von
Sinti und Roma beteiligt gewesen zu sein.
Zeugenaussagen wurden beigebracht. Darunter waren Aussagen, nach denen Adolf
Scheufele Sinti und Roma als asoziale, arbeitsscheue und charakterlich minderwertige
Menschen bezeichnete.
Was Anton Mall bei der SiPo Berlin im „Generalgouvernement“ getan hat, bleibt im Dunkeln.
(Er hat erzählt, dass er in Polen war). Er trägt auf keinem Foto eine Uniform, scheint also nie
„eingezogen“ worden zu sein. Sein Dienstausweis wurde am 2.1.1942 von der
Sicherheitspolizei Berlin ausgestellt.
Mit einer Krankenschwester (NS-Schwester Erna Hopmeier) zeugte er in seiner Berliner Zeit
ein außereheliches Kind, das als Rosemarie Erna Hopmeier am 8.5.1942 im SS-Mütterheim
"Kurmark"- Klosterheide, Reg. Bez. Potsdam geboren wurde und dessen Vormundschaft der
Lebensborn übernahm.
Der Lebensborn e. V. war in der Zeit des Nationalsozialismus ein von der SS getragener,
staatlich geförderter Verein, dessen Ziel es war, auf der Grundlage der nationalsozialistischen
Rassenhygiene und Gesundheitsideologie die Erhöhung der Geburtenziffer „arischer“ Kinder
herbeizuführen. Dies sollte durch das Abhalten unverheirateter Frauen und Mädchen von
einem Schwangerschaftsabbruch[1] , durch das Anbieten anonymer Entbindungen und die
anschließende Vermittlung der
unehelichen Kinder zur Adoption –
bevorzugt an Familien von SS-
Angehörigen – erreicht werden.

Rosa/Rosl bestätigte am 10.2.1942


aus Davos, dass das Kind den Namen
Mall annehmen könne, was aber
offensichtlich nie geschah. Rosl sollte
aufgrund der engen Verwandtschaft
wohl keine Kinder bekommen. Ob
das Kind bewusst gezeugt wurde oder
ob das Zufall war, und ob eine
Adoption geplant war, ist unklar.
Die bündische Jugend bestand aus zwei unterschiedlichen Richtungen, von denen die
eine an den Wandervogel anknüpfte, der v.a. in Österreich und den Sudetengebieten
Anhänger hatte und schon vor dem Krieg neben lebensreformerischen antisemitische,
nationalistische und völkische Tendenzen hatte. Auf der anderen Seite die
Freideutschen, wie etwa der Wyneken-Kreis, die Akademische Freischar und der
Jungwandervogel, die der Weimarer Republik eher positiv gegenüberstanden, sich für
die Reform der Sozialarbeit und Pädagogik einsetzten und sich teilweise in
sozialistischen Parteien und in der Arbeiterbewegung engagierten.
Die erste Richtung gilt, dass völkisch-nationalistische oder nationalsozialistische 8
Vorstellungen hier einen günstigen Boden vorfanden, auch wenn viele Bündische
aufgrund einer anderen Mentalität und andrer persönlicher Verhaltensweisen, als sie in
der NSDAP vorherrschten, der NSDAP als Organisation skeptisch gegenüberstanden.
(Arno Klönne: Jugend im Dritten Reich, München 1995, Köln 1982, S.101)
Eine Massenbewegung als Vorbereitung des faschistischen Staates ist aber nicht
denkbar ohne längerfristige
Herkünfte, ohne Traditionen,
ohne tiefverwurzelte
Kontinuitäten
gesellschaftlichen
Bewusstseins und politischer
Leitvorstellungen. ... ohne
Zweifel gehörte die
Jugendbewegung zu jenen
Strömungen in der deutschen
Sozial- und Geistesgeschichte,
die Dispositionen
bereitstellten,
also Denkweisen, Leitbilder
und Lebensformen, an die der
Faschismus anknüpfen, die er
zum Teil integrieren konnte
und die einen erheblichen Teil
seiner ‚idealistischen’ Seite
ausmachten. Kongruenzen deuten schon in den „jeweiligen Schlüsselwortern“ an:
„Führer und Gefolgschaft, Volk und Reich, Ehre und Treue1, Blut und Boden, Nation
und Sozialismus, Volksgemeinschaft. (Klönne S.109)
Rosl und Anton sind ein Beispiel dafür, dass man auch beide Richtungen in sich vereinigen
konnte.
Rosl war emanzipiert, empfand sich als Kameradin, man trieb gemeinsam Sport, ging zum
Schifahren, war Mitglied bei den Stuttgarter Lichtfreunden, die FFK betrieben. Allerdings
war Rosl durch ihre TB-Erkrankung bald sehr eingeschränkt und musste oft zur Kur. Und sie
genoss es, von ihrem Tonl umsorgt zu werden.
Bis an sein Lebensende waren beide mit Ludwig Ankenbrand befreundet und Anton besuchte
ihn im Sindelfinger Altersheim.
Ludwig Ankenbrand (1888 bis 1971 )
deutscher freireligiöser Geistlicher, Schriftsteller und Journalist.
Tierschützer, Vegetarier,Presseleiter des Deutschen Auslandsinstituts,
Chefredakteur der Stuttgarter Illustrierten und nach 1945 im Stadtarchiv Stuttgart.
1947 gründete er zusammen mit Georg Krauskopf die „Buddhistische Gemeinde“, die
der Theravada-Tradition anhing und sich dem Textstudium widmete. Die Gruppe trat
der Deutschen Buddhistischen Union bei, löste sich jedoch 1960 auf. Er erteilte fast 50
Jahre lang den Religionsunterricht und den Jugendweiheunterricht für
die Freireligiöse Gemeinde Stuttgart und gab von 1949 bis 1950 die freireligiöse
Zeitschrift Licht und Weg heraus.
In den 20er Jahren sprossen dann die unterschiedlichsten Nackt- und
Freikörperkulturgruppen wie Pilze aus dem Boden. Besonders die Lebensreformer
sahen die Nacktheit als Teil einer umfassenden Erneuerung der Gesellschaft an.
Daneben gab es die "völkische" Richtung, die in strenger asexueller "Leibeszucht" die
9
Kämpfer für ein "neues germanisches Reich" stählen wollte.
Rosl und Anton gingen also wohl eher nicht in die Kirche. Man sang die Lieder der
Jugendbewegung (Mit uns zieht die neue Zeit, handschriftlich) begleitet von den beiden
Gitarren, die sie besaßn. Eine davon ein Wandervogelgitarre in Lautenform.
Sie waren war mit Fritz Jöde befreundet, sangen seine Lieder, wie z.B. Rosemarie, sieben
Jahre mein Herz nach dir schrie …
Aber in Rosls Liederbuch war auch ein Blatt mit „Ein junges Volk steht auf“, dem
Propagandalied der HJ und dem Nazilied „Auf, hebt unsere Fahnen in den frischen
Morgenwind“.

1
Ehre - Anfang und Ende unseres ganzen Denkens und Handelns (Rosenberg) - gehörte in der gesamten NS-
Literatur zu den am meisten geschätzten Begriffen. Unsre Ehre die heißt Treue war die Losung der SS, die heute
von Neonazis wieder „benützt“ wird.
Auch wenn wir zu Besuch waren, wurde
später gesungen, und ich bekam beide
Gitarren geschenkt. Kein schöner Land
in dieser Zeit Dass wir uns hier in
Kaltental noch treffen so viel tausend
Mal. Und wir hörten neben Loewe
Balladen wie Die Uhr, Archibald
Douglas und Tom der Reimer (beides
Fontane) auch die Platten von Weiß
Ferdl (Ein Wagen von der Linie 8, weiß-

blau fährt ratternd durch die Stadt) und Willy Reichert.


Weiß Ferdl hat sich zwar über das System lustig
gemacht, ist aber doch auch „mitgelaufen“, auch Willy
Reichert war nur „rückblickend“ ein Antinazi.
Eingekauft wurde im Konsum und im Reformhaus.

10
Tante Fränze
Franziska Zimmer,
geborene Mall ist
meine Großtante,
geboren am
27.1.1886 in
Schwendi.
Irgendwann zog sie
nach Tübingen. Sie
war in zweiter Ehe
verheiratet mit Karl Josef Zimmer, einem Lehrer aus dem
Elsaß, vermutlich aus Schiltigheim. Sie ließ sich als
dessen Witwe etwas hochstapelnd mit Frau Professor
anreden, was ihr nachträglich verziehen sei. Die
Witwenrente, die sie bezog, hat sie in Teilen großzügig
weitergegeben. So hat sie für Gudrun und mich
Ausbildungsversicherungen abgeschlossen In der
Tübinger Mall-Familie hat sie für den Zusammenhalt
gesorgt, bei sich in der Christophstraße und später im
Johannesweg Familienfeiern veranstaltet, zu denen alle
kommen mussten. So z.B. zu ihrem Geburtstag am 27.1.1962. Sie hat darauf geachtet, dass
alle sonntags zum Gottesdienst gingen und ging selbst fast täglich zum Rosenkranz in die
Eberhardskirche. Sie mochte meinen Vater, der wohl öfters zu ihr und ihrem Mann zu Besuch
war. Und sie übertrug diese Liebe auf mich.
Als Kinder waren
wir oft in den
Ferien bei ihr in
der großen
Wohnung in der
Christophstraße.
Sie machte
Ausflüge mit uns
(Lichtenstein,
Bärenhöhle?) und
ging mit uns ins
Kino an der
Hechinger Straße
(Die Wüste lebt
1953, in die gerade
aufkommenden
Heimatfilme

Schwarzwaldmädel 1950 oder Der Förster vom


Silberwald 1955). Als ich im letzten Semester im
Johannesweg wohnte, rief sie, wenn ich abends kam:
Volker, komm no rei! Dann tranken wir einen
Oberrotweiler Spätburgunder oder einen 11
Sasbachwaldener Alden Gott, den sie in der Standuhr
verwahrte (ihr Neffe Erhard Mall – der Vetter meines
Vaters - hatte in seinem Haus in der Tübinger Hermann
Kurz-Straße eine Weinhandlung) und hörten Gustav
Mahlers 5. oder eine Bruckner-Sinfonie.

Sie war sehr tierlieb, versorgte die Nachbarkatzen mit

Lunge, die sie beim Metzger am Eck


kaufte. Eine Dohle kam regelmäßig,
klopfte mit dem Schnabel ans
Fenster, dann sprang sie unter den
Wasserhahn am Schüttstein und
wartete , dass man das Wasser
anmachte, unter dem sie dann
duschen konnte.

Wie uns Zwillinge unterstützte sie


auch die Verwandtschaft ihres
verstorbenen Mannes im Elsaß. Sie
sprach oft von Dodolphe Lecomte, ihrem Enkel. Er war im Zweiten Weltkrieg bei der
französischen Luftwaffe und hatte ihr versprochen, er werde über Tübingen keine Bomben
abwerfen. Monique war Dodolphes Frau. Sie lebten in Nieul sur Mer/La Rochelle und hatten
einen Sohn Patou/Patrick?. Dodolphe ist wohl n den 1970er Jahren gestorben. Im September
1973 schrieb Monique Christa Reimer/Mall. Monique war sehr besorgt, weil sie lange nichts
von der Oma gehört hatte.
Am 16.6.1968 fuhr ich mit ihr und meiner Mutter nach Schiltigheim zu einer Beerdigung:
Tante Fränze starb im April 1974 und wurde auf dem Tübinger Bergfriedhof beerdigt.

Oma Löffler
Anna Löffler geborene Lohrmann ist
am 28.9.1984 als Tochter des
Schlossermeisters Lohrmann
(Geislingen-Altenstadt) in Geislingen
geboren. Sie war verheiratet mit Johann
Löffler, katholisch, geboren am
5.9.1892 in Stetten am kalten Markt.
Das Paar trennte sich, und Johann
Löffler heiratete Elsa Maria geb. Vogt.
Johann Löffler lebte zuletzt in Musberg
und starb am 6.2.1972. Meine
Schwester hatte Kontakt zu ihm und zu 12
den Stettener Löfflers
Schließlich war Anna Löffler – wie
später ihre Tochter – Alleinerziehende.
Sie arbeitete im Haushalt der Geislinger jüdischen
Familie Max und Weil, die ein Warenhaus in der
Geislinger Hauptstraße besaß und 1925 nach
Barcelona auswanderte.2
Anna Löffler war Schriftführerin der Frauengruppe
der Geislinger DDP, für die sie auch einmal für den
Gemeinderat kandidierte
Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) war
eine linksliberale Partei in der Weimarer Republik.
Neben der Deutschen Volkspartei (DVP)
repräsentierte sie den politischen Liberalismus
zwischen 1918 und 1933. …
Keine andere Partei identifizierte sich so
uneingeschränkt mit der parlamentarischen
Demokratie der Weimarer Republik wie die DDP;
keine andere Partei bekannte sich so eindeutig zu
individueller Freiheit und sozialer Verantwortung. …
Das Programm der DDP war eine Synthese aus
liberalem und sozialem Gedankengut…..Prominente
Mitglieder der DDP waren … der Außenminister Walther Rathenau, …, der spätere
2
Erwähnt in Renate Kümmel: Erfahrungen des NS in einer Kleinstadt vom Umgang mit der Stadtgeschichte in
Geislingen/Steige.
erste Bundespräsident Theodor Heuss. …. Die DDP bot politisch aktiven Frauen der
Weimarer Republik eine Heimat. (Wikipedia gekürzt)
Das von ihr geführte Protokollbuch habe ich irgendwann dem Stadtarchiv Geislingen
übergeben. Darin fanden sich auch Hinweise auf pazifistische Bemühungen der Geislinger
Frauen.
Sie erzählte immer stolz, dass sie (natürlich vor 1933) bei einer Tagung neben Heuss gesessen
sei.

An unserer Sozialisation war sie maßgeblich beteiligt, sie erzählte, las und vor, manchmal
sang sie auch. Wenn wir nicht „parierten“, schlug sie mit ihrem Stock auf den Boden.
Sie starb am 31.1.1955.

Die Eltern
Karl Mall,
Karl Mall, unser Vater wurde 1914 geboren. Er
konnte, wie unsere Mutter aus Geldmangel
(Arbeitslosigkeit der Väter) nur die Mittlere Reife
machen. Danach machten beide eine
kaufmännische Lehre. Sie erhofften sich mit den
Nazis eine Arbeit und eine Karriere, traten der HJ
bzw. dem BdM bei.
Karl war wohl musikalisch, sang im Kinderchor 13
der Stuttgarter Oper und spielte Klavier.
Er wurde wohl gleich zu Kriegsbeginn
eingezogen, war beim Frankreichfeldzug dabei
und
dann in

Russland. Im Herbst 1942 meldete er sich von den


Funkern zur Infanterie, wollte Offizier werden und
war dann bei Rshew an der vordersten Front. Am
25.11.1942 (seinem 28. Geburtstag) ist er „durch
einen Granatsplitter in der Herzgegend bei
Arestowo, 20 km nordostwärts von Ssytschenko
gefallen“, Grablage unbekannt

Nach ihrer Hochzeit wohnten unsere Eltern in


Zuffenhausen in der Hohenloher Straße 62.
14
15
16
Helene Mall
Infos weitgehend aus den Dokumenten des Spruchkammerverfahrens.
Helene Mall, geb. Löffler wurde am 29.3.1914 in Geislingen geboren. Sie ging bis zur
mittleren Reife auf das Reformrealprogymnasium Geislingen; weiter (Abitur) reichte aber das
Geld nicht, da der Vater arbeitslos geworden war. Eigentlich wollte sie Fürsorgerin oder
Auslandskorrespondentin werden. Sie wollte deshalb erst einmal Spanisch lernen und deshalb
zur Familie Weil nach Barcelona, was die politische Entwicklung verhinderte. Also machte
sie eine dreijährige kaufmännische Lehre bei der WMF und legte 1931 die Lehrlingsprüfung
ab. Da sie dadurch eine Karrieremöglichkeit sah, trat sie 1934 in den BdM ein und bekam
einen Verwaltungsjob beim BdM bzw. beim Landdienst, der der HJ unterstand. Schließlich
wurde sie im November 1939 Mädelringführerin. Mit dem Ausscheiden aus dem BdM im
Februar 1942 erlosch auch ihr Dienstrang. Vermutlich wurde sie 1939 automatisch in die
Partei aufgenommen.
Ab September 1938 war sie
Landdienstreferentin beim
Obergau Württemberg in
Stuttgart, später Verwalterin der
Landdienstlager in
Württemberg. 1939 heiratete sie.
Nach unserer Geburt war sie 17
kurze Zeit nicht mehr
berufstätig. Im April 1943
wurde das Haus in Zuffenhausen
ausgebombt. Durch einen
Verwandten vermittelt, konnten
wir in ein Haus im Elsaß
(Hagenau) ziehen. Nach der
Invasion der Alliierten
(6.6.1944) mussten wir zurück
ins Reich und zogen auf das
Schloss ob Ellwangen, das die
HJ gekauft und zu einem
Landdienstlehrhof gemacht
hatte. Dort war Helene von
April 1944 bis April 1945
Verwaltungschefin.
Am 22. April 1945
marschierten US-Truppen von
Crailsheim kommend vom
Mittelhof die Schlosssteige
herab und nahmen die Stadt ein.
Am Montag, den 23.04.1945 war die Besetzung von Ellwangen von den Amerikanern
nach der Übergabe der Stadt durch deren Vertreter und das Absetzen der Verteidiger
vollzogen.
Ohne, daß es zu besonderen Kämpfen gekommen wäre, zogen die Amerikaner
gleichfalls am 23.4. in der Nachbarstadt Aalen ein, nachdem die Stadt bereits am
17.4.45 bombardiert worden war.

Kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner treckten wir am 16. oder 17. April, vermutlich mit
noch auf dem Schloss gebliebenen Landdienstlehrhof-Leuten von Ellwangen mit
Pferdegespannen (durch das brennende Aalen) nach Neenstetten auf der Schwäbischen Alb,
mussten dann im Mai zurück nach Ellwangen in eine kleine Wohnung in der Stadt. Danach
ging´s wieder aufs Schloss, wo unsere Mutter als Hilfsarbeiterin beschäftigt wurde und auf ihr
Spruchkammerverfahren warten musste.
Unklar bleibt, inwieweit unsere Mutter überzeugte Nationalsozialistin oder nur naive
Mitläuferin war, wie sie sich – wie so viele andere - bei der Entnazifizierung darstellte.
Auch Helene spielte Klavier.
Jahrelang musste sie nicht nur für den Lebensunterhalt der Familie sorgen, sondern sich
außerdem ihre pflegebedürftige Mutter kümmern

18
Mein Leben
Stuttgart
Ich wurde am 27. Mai 1942 in der Städtischen Frauenklinik Stuttgart in der Bismarckstraße 3
(heute Gesundheitsamt) geboren. Kurz nach mir kam meine Zwillingsschwester Gudrun auf
die Welt. Wir waren „Frühchen“, Gudrun wog 2 ½, ich 3 ½ Pfund, und wir kamen in den sog.
Brutkasten. Der Freund unserer Eltern, Dr. Erich Bauer, hat wohl beim Überleben geholfen.
Unsere Eltern Helene und Karl Mall wohnten in Zuffenhausen in der Hohenloher Straße 62.
Dort wurde die Wohnung beim
Luftangriff der Alliierten am 15.
April 1943 zerstört
(„ausgebombt bzw. schwer
fliegergeschädigt“). Es war mit
462 Bombern, von denen 393
die Stadt erreichten, und mit
619 Toten und 703
Verwundeten einer der größten
Luftangriffe auf Stuttgart.
19
Anstatt einer christlichen Taufe
wurde am 7.11. 1942 eine
Geburtsfeier inszeniert, deren
Ablauf dann nach dem Tod des
Vaters dokumentiert wurde: „Den Gedächtnis des Vaters, gefallen vor Rshew am 25.
November 1942.“
Die darin enthaltenen Reden unseres Vaters und des Freundes Erich Bauer sind unerträglich
voll von Nazi-Ideologie u.a. Zitate von Adolf Hitler und Baldur von Schirach.
20
21
22
Haguenau
Da unsere Mutter mit der vorgesehenen Evakuierung nicht einverstanden war, konnte sie mit
uns und ihrer pflegebedürftigen Mutter schließlich im Oktober 1943 zu Verwandten nach
Haguenau im Elsaß. Einer Familienlegende nach soll ich mein ersten „Schritte“ im Wartesaal
das Straßburger Bahnhofes gemacht haben, als ich zu meiner Oma auf der anderen Seite
wollte.

23

Ellwangen
Da unsere Großmutter auf eine Rückkehr drängte und die Invasion der Allliierten erwartet
wurde (D-Day am 6.6.1944), zog die Familie auf den Landdienstlehrhof auf dem Schloss
Ellwangen, wo unserer Mutter von der HJ die Verwaltung angeboten worden war. Unsere
Mutter Helene geb. Löffler (*1914) war als BdM-Mitglied (ab 1938 Landdienstreferentin
Württemberg, Mädelringführerin ab 1939) von diesem Zeitpunkt an so etwas wie die
Verwaltungsleiterin des Landdienstlehrhofes.

Der HJ-Landdienst3
3
Vgl. auch: Landdienst der Hitler-Jugend; Hrsg. Reichsjugendführung der NSDAP. Berlin 1942.
„Die Einrichtung des Landdienstes in Deutschland gründete tief im nationalsoziali-
stischen Denken. Es war einer der tragenden Grundsätze dieser Ideologie, dass der
Bauernstand das "Fundament der gesamten Nation" sei, und zwar nicht nur als Garant
der Ernährung des Volkes, sondern ebenso als "Lebensquell der nordischen Rasse". …
Es lag auf der Linie dieser Auffassung, dass 1934 für alle Jugendlichen, die nach Ablauf
ihrer Schulpflicht die Schule verließen, also für die Vierzehnjährigen, die
"Landjahrpflicht" eingeführt wurde, und zwar, wie es im "Preußischen Gesetz über das
Landjahr" hieß, um ihre "seelische Verbundenheit ... mit Heimat und Volkstum und das
Verständnis für den völkischen Wert gesunden Bauerntums zu vertiefen". Auch sollte
durch die Heranziehung der Jugendlichen zu "Landhilfe" und "Erntehilfe" der Landwirt-
schaft geholfen und die Beziehung zu ihr gestärkt werden. War das "Landjahr" eine
staatliche Einrichtung, die dem Reichserziehungsministerium unterstand, so handelte es
sich beim "Landdienst" um einen "Sonderdienst" der Hitlerjugend (HJ) … Der Land-
dienst war 1934 aus dem "Bund der Artamanen" hervorgegangen. Die Artamanen-
Bewegung war 1923 mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, den Einsatz polnischer
Landarbeiter auf den Gütern in den Ostprovinzen des Reiches zurückzudrängen. …
Ideen und Ziele der Artamanen hat der Landdienst der HJ aufgegriffen und fortgeführt
…. Doch wirkte sich die Integration der Artamanenbewegung bei der Hitlerjugend so
aus, dass diese sich nun mit größerem Interesse dem Bauerntum zuwandte und auf das
Problem der Landflucht aufmerksam wurde. … Die erheblichen Ernährungsschwierig-
keiten, die die Blockade der Alliierten im Ersten Weltkrieg für die deutsche Bevölke-
rung mit sich gebracht hatte, waren noch in Erinnerung. Sie sollten in Zukunft keine
Bedrohung mehr für Deutschland werden. So war man darauf aus, das Reich landwirt- 24
schaftlich autark zu machen. … der Landdienst setzte sich drei Ziele. Er wollte:
1. durch sein Beispiel die gesamte deutsche Jugend auf die Kräfte des Landes, auf das
Bauerntum ausrichten,
2. einen Teil der in den Städten lebenden Jugend für den praktischen Einsatz in der
Landwirtschaft gewinnen. …
3. eine möglichst hohe Anzahl seiner Angehörigen beruflich mit der Arbeit auf dem
Lande verbinden. Sie sollten später einmal einen eigenen Hof bearbeiten und besitzen.
Diese Ziele waren am 8. Januar 1940 in einer Vereinbarung zwischen der Reichsjugend-
führung, der obersten Reichsbehörde der Hitlerjugend in Berlin, und dem Reichsnähr-
stand, der Organisation des deutschen Bauerntums, festgelegt worden. "Die HJ ist
alleinige Trägerin des Landdienstes. Sie hat die politische und weltanschauliche
Erziehung. Aufgabe des Reichsnährstandes ist es, im Bauerntum Verständnis und Auf-
geschlossenheit im vollsten Maße zu erreichen, die wirtschaftliche und soziale
Betreuung und die berufliche Förderung zu übernehmen."4

Der Landdienstlehrhof Schloss Ellwangen


Schloss Ellwangen (Domäne und Ackerbauschule) wurde 1943 vom Württembergischen
Staat als Landdienstlehrhof an die NSDAP verkauft. Die Verkaufsverhandlungen führte
Regierungsamtmann Hugo Beck, Ellwangen, als Vertreter der Württembergischen
Staatsfinanzverwaltung.5

4
Christophorus Hildebrandt: Landwirtschaftliche Berufsbildung und ideologische Schulung für die Ostsiedlung.
Die Einrichtung eines Landdienstlehrhofes der Hitlerjugend in der beschlagnahmten Benediktinerabtei Gerleve
von April 1942 bis März 1945 in: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/wz-9032.pdf.
2 BArch, NS 1/2470. Aktenzeichen: KV-20-4 HJ, KV-20-11 bis 20-13 HJ, KV-20-20 bis 21 HJ. BA HJ-Gebiet
20 Württemberg Enthält u.a.: Landdienstlehrhof Ellwangen, 1943-1944.
Im Ellwanger Gemeinderatsprotokoll vom 20. Oktober 1942 heißt es:
"Der Landdienstlehrhof benötigt die bis jetzt im Schloss an Privatpersonen vermieteten
Wohnungen und die vom Geschichts- und Altertumsverein zur Unterbringung seiner
Sammlungen benützten Räume für betriebseigene Zwecke. Die Gebietsführung
Württemberg der Hitler-Jugend bittet die Stadt, die Familien Schumm, Weiss und
Wolber, die bis jetzt Wohnung im Schloss haben, anderweitig unterzubringen und die
Sammlungen des Geschichts- und Altertumsvereins aus dem Schloss herauszunehmen.
Angeregt wird die Verlegung der Sammlungen nach dem Schloss Neresheim.
Ausserdem wird die Frage aufgeworfen, ob ein Bedürfnis für die Beibehaltung der
Schlosswirtschaft besteht."
Es heißt im Protokoll weiter, dass man den Lehrhof zwar "in jeder Hinsicht"
unterstützen wolle, die Verlagerung der ortsgeschichtlichen Sammlung des Geschichts-
und Altertumsvereins nach außerhalb Ellwangens könne aber ebenso wenig eine Option
sein, wie die Schließung der touristisch wichtigen Schlossgaststätte.“6
Die Suche ergab neben der Quelle im Bundesarchiv nur ein weiteres Ergebnis. In
Gerhard Rempels Hitler's Children: The Hitler Youth and the SS wird der Ellwanger
Landdienstlehrhof in der Fußnote 88 auf S. 304 erwähnt: „Landdienst-
Vierteljahresschulung in Landdienstlehrhof Ellwangen, 4.–8.7.1944“
https://www.abebooks.com/first-edition/M%C3%A4del-Sport-Kameradschaft-
Fr%C3%B6hlichkeit-ernstes-Wissen/30615013424/bd
Richard Forstbauer
Leiter des Landdienstlehrhofes wurde Dr. Richard Ferdinand Forstbauer, geboren am
13.12.1913 in Tübingen, gestorben in Cranbrook, British Columbia (Kanada) am 25
25.11.2006. Er studierte in Hohenheim Landwirtschaft, wo er seine spätere Frau Welly
Krügel kennenlernte. Das Paar heiratete am 5.4.1939. Forstbauer wurde 1943 als Dr. der
Agrarwissenschaften promoviert (“Untersuchung über den Lebensstandard in 36
Betrieben von Bauern, Kleinlandwirten und Arbeiterbauern im Raum zwischen
Schwarzwald und Neckartal“).
Bei Kriegsende war Forstbauer Leiter des Ellwanger Volkssturms und rief zum
Widerstand auf, machte sich aber dann heimlich aus dem Staub.
“Die Kompanie Dipl. Ing. Breitenröder war nachmittags entlassen worden. Ein direkter
Befehl des ehemaligen Volkssturm-Bataillonsführers, Schulführer und Leiter des

6
Gemeinderatsprotokoll Ellwangen Bd. 73 S. 545 f.
Landdienstlehrhofes Dr. Forstbauer, am 22.4.
zwischen 21 und 22 Uhr an die Befehlsstelle
(Blauhorn-Keller), ein Zug solle zur
Unterstützung und Abschirmung der
Absetzbewegung der SS-Kampfeinheit in die
Stellungen beim Sandberg und beim Spitalhof
einrücken, konnte nicht durchgeführt werden,
da die Volkssturm-Männer nicht mehr
zusammengebracht werden konnten.“7
„Um die Mittagszeit hatte Major Pochert vom
Wolpertschen Keller aus die Auflösung des
Volkssturms in die Wege geleitet und später
Melder mit entsprechenden Weisungen zur
Entlassung des Volkssturms losgeschickt. Da
erschein nachmittags der eigentliche
Volkssturm-Führer, Dr. Forstbauer, auf der
Befehlsstelle, machte dem Major wütende
Vorwürfe und setzte sich in gereizter Stimmung
heftig für die Fortsetzung des Widerstandes ein,
wenn nötig, unter Aufbietung des Volkssturm
allein. Tatsächlich wollte er mit dem 1. und 2.
Aufgebot des Volkssturms zunächst den
Rückzug der SS decken und dann die 26
Verteidigung der Stadt übernehmen. Er begab
sich auch selbst zu den Kompanieführern in die
Stadt, aber nach auswegloser Lage verschwand
er nach kurzem Verweilen auf dem Schloß abends aus der Stadt.“8
Forstbauers Spruchkammerverfahren wurde 1949 eingestellt.9
1952 emigrierte er nach Kanada; seine Frau und sechs Kinder folgten ein Jahr darauf.
15 Jahre lang wohnten sie in Abbotsford, British Columbia. 1967 zog das Paar mit dem
Sohn Henry und dessen späterer Frau nach Fort Steele und begann dort mit biologisch-
dynamischen Landwirtschaft. Forstbauer war u.a. aktiv im Cranbrook German Canadian
Club. Sein Sohn Henry übernahm die Farm und züchtet Pferde.

Kriegsende
Gewohnt haben wir nach unserer Ankunft 1944 rechts oberhalb des Tores zum Schloss-
Innenhof. Mitte April 1945 sind wir mit einem Pferdefuhrwerk (Planwagen) durch das
brennende Aalen (Luftangriff am 17.4.1945) auf die Schwäbische Alb getreckt. Ziel waren
Verwandte oder das HJ-Heim in Neenstetten (heute Alb-Donau-Kreis).
Offensichtlich musste man nach dem 8.5.1945 zurück an seinen letzten Wohnort. (Die
amerikanische Besatzung auf dem Schloss hatte in der Zwischenzeit unsere ganze
Wohnungseinrichtung, darunter ein Klavier mutwillig zerstört).

7
Wolfgang Högg: Ellwangen wird Kriegsschauplatz, in: Ellwanger Jahrbuch Bd. 13, Ellwangen 1948, S. 40 f.
8
Ebda. S.50 f.
9
LA Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Sigmaringen, Wü 14 T 1 Nr. 20. II-11.
Bis zur
"Entnazifizierung"
unserer Mutter wohnten
wir in einem Zimmer in
der Stadt; danach zogen
wir ins Vorschlössle, in
die drei Räume, in denen
seit 2009 eine
Außenstelle des
Staatlichen Seminars für
Didaktik und
Lehrerbildung Stuttgart
untergebracht ist. Im
rechten Turm, wo jetzt
die Treppe ist, war einer
der drei Wohnräume. Um
das Ganze angesichts der
sieben Meter hohen
Räume beheizen zu
können, wurde ein
Holzkasten in das
mittlere Zimmer
eingebaut.

Das Schloss war nach dem Krieg eine Art 27


Biotop und für uns Kinder ein Paradies; die
Familien kamen von überall her, aus allen
Schichten und waren z.T. sehr kinderreich. Die
auf welche Weise auch immer ins Schloss
gelangte Prinzessin von Preußen (Marie
Therese Hug 1911-2009)10 hatte allein 11
Kinder. Mit ihr hat sich unsere Großmutter
angefreundet. Ein Geschenk von ihr, ein „kgl.“
Serviceteil ist heute noch im Besitz unserer
Familie. Ihre Tochter Sigilde, geboren 1941 in
Tübingen, seit 1971 verheiratet mit Alessandro
Gatta (*1946) war unsere Spielkameradin.
Marie Therese Hug-Prinzessin von Preußen (*
2. Mai 1911 im Prinz-Albrecht-Palais in Berlin;
† 3. Januar 2005 in Weinheim) … Marie
Therese, Prinzessin von Preußen stammte aus
der Albrecht-Linie des Hauses Hohenzollern.
Sie war die Urenkelin des Prinzen Albrecht von
Preußen, des jüngsten Sohnes König Friedrich
Wilhelm III. und Königin Luise. 1932 heiratete
sie den Oberst a. D. Rudolf Hug. Aus dieser
Ehe gingen elf Kinder hervor. Sie war das letzte lebende Mitglied der Albrecht-Linie. …
Marie Therese Hug veröffentlichte Anfang der 1990er die Bücher Deutschland, Deutschland
über alles und Von der Maas bis an die Memel.“ (wikipedia). Sie heiratete 1932 den Oberst

10

a.D. Aloys Rudolf Hug, geboren 21.10.1885 in der Hammerschmiede (Abtsgemünd),
gestorben 1972 in Lützelsachsen, der im I. WK der Waffenstillstandskommission in
Frankreich angehörte. (Wikipedia)
Im Torbau wohnte die Familie des Melkers Mieslinger, im Brauhaus, damals Schmiede,
Familie Wolf mit vielen Kindern, im Vorschlössle im ersten Stock eine Familie aus
Dinkelsbühl. Im zweiten Stock zog nach uns der Landrat des Kreises Aalen (vermutlich Max
Freiherr von Lütgendorff ein.
Freiherr Max von Lütgendorff (*17.07.1889), Landrat des Landkreises Aalen bis 20.06.1946
Max von Lütgendorff wurde von der amerikanischen Militärregierung 1945 als Landrat
bestimmt. In Folge des Anschlusses
von Österreich wurde er an das
Innenministerium Stuttgart versetzt und
von dort 1939 zum Landratsamt Aalen
abgeordnet. Nach seiner Entlassung aus
dem Staatsdienst 1941 war er bei den
AlfingWerken in Wasseralfingen
beschäftigt. (Quelle: Kreisratsprotokoll
vom 14.05.1946)
Im Nordflügel wohnte eine Familie
Kimmerle, im Westflügel Forstmeister
Nast mit den Kindern Eberhard und
Hannelore, im Ostflügel, in den wir
später zogen, eine Familie von
Zitzewitz und eine Familie Tietze. Zum
Singen versammelte sich die
28
Kinderschar um das Klavier von Frau
Leyer. Leyers hatten einen schönen
Setter
Frau Nast führte uns beim Fliegeralarm in den Luftschutzheller. Wir plapperten; ´rene, rene
(Sirene), ´larm (Alarm), Mändele, Nastfrau“.
Wenn ihre Tochter „heim“ musste, schallte ihr „Hannelore“ laut durch den Schlosshof.
Auf der Treppe hing ein Hitlerbild. Ich hatte Nagst vor dem „bösen Mann auf der Bepp“
(Treppe) gesprochen. Ein andrer „böser Mann“ war Forstbauer, der sich einen Spaß daraus
machte, mich oben auf einen
Schrank zu setzen und dort
eine Weile sitzen zu lassen.
Mit Ellwangen „unten“ gab
es fast keinen Kontakt.
Umgangssprache unter der
großen Kinderschar war
schriftdeutsch. Ende 1946
kam dann der evangelische
Pfarrer Glatzle aufs Schloss
und hat uns getauft bzw. „in
die evangelische Kirche
wieder aufgenommen“., die
wir vorher ja nur
„gottgläubig“ waren.
1948 kamen
wir in die 29
Ellwanger
(Buchenbergschule). In Erinnerung bleiben der Klassenlehrer Reiß, der junge Lehrer, der eine
Art Relief (Geoplastik) der Gegend gebaut hatte und die Religionslehrerin, die uns beide (und
Sigilde) mit „Tatzen“ bestrafte, weil wir nach dem Morgengebet das Kreuz nicht schlagen
konnten. Und natürlich der Schulweg über den Lumpenbuckel (Lombabuggel). Und das oft
nachgemalte Stadtwappen: rotes Andreaskreuz auf blauem Grund, goldene Lilien in den 4
Feldern
Wenn unsere Mutter uns ins Bett brachte, sang sie uns Lieder vor, natürlich auch Nazilieder
wie Und die Morgenfrühe, Von allen blauen Hügeln, Die blauen Dragoner, Es klappert der
Huf am Stege, In den Krieg will ich reiten, Hohe Nacht der klaren Sterne. Und ein bisschen
geht es mir wie Tomi Ungerer (*1931). Er sagte ja in einem Interview mit J. Prieberg-
Mohrmann, das der Hessische Rundfunk nicht sendete, da er es „zu entblösend“ fand: „Weil
diese Lieder in mich hineingespritzt worden sind wie eine Droge. Sie wissen, wenn man
Heroin nimmt, das bleibt noch ein ganzes Jahr im Blut. Und wenn man unter den Nazis
aufgebracht worden ist, dann bleiben diese Nazilieder noch für zwanzig, dreißig Jahre im
Hirn.“ (Prieberg S.242)
Ich kann die Lieder alle heute noch auswendig.
Eingeprägt hat sich einmal die große Landwirtschaft der Domäne. Wir durften uns überall
ohne Aufsicht bewegen, spielten auf dem Hof und in den riesigen Heuschobern, durften in die
Ställe, gingen mit auf die Felder und hüteten Kühe auf der Weide. Ein wenig Angst hatten wir
vor der Gänseherde, die immer frei herumlief. An den Geruch der Schlepper (dass der damals
gebräuchliche Name Bulldog eigentlich englisch ist, kam uns nicht in den Sinn) Hanomag
und Magirus-Deutz? erinnere ich mich noch heute, und an die Wagenschmiere, die mit Butter
beseitigt wurde, außer von der neu erworbenen Lederhose, die zu groß war und in die man
noch hineinwachsen konnte. Die landwirtschaftlichen Geräte standen in der Remise. Einmal
gab es Feueralarm, weil sich das Heu beim Häckseln entzündet hatte. Als wir einmal beide in 30
eines der im Hof liegenden Häckselrohre gekrochen waren, hatten wir Probleme wieder
rauszukommen. Wir durften dem Schmied beim Beschlagen zusehen. Auf einer der Wiesen
außerhalb des Schlosses hatten wir einen großen Garten mit einem Gartenhaus und einer
riesigen Brombeerhecke. Von dort war es nicht weit zum Schlossweiher unten, aus denen wir
Kaulquappen und anderes fischten und in Weckgläser steckten.
Zum anderen die Architektur der Stadt und des Schlosses, in der Stadt die stattlichen
Renaissance- und Barockhäuser, das Ensemble um den Marktplatz mit der Reihe der
Kastanienbäume, die beiden gotischen Kirchen St. Wolfgang und Marienkirche und nicht
zuletzt die romanische Basilika St. Vitus, deren barockisiertes Inneres uns eher abstieß., die
wir aber – etwas idealisiert – in Sperrholz nachbauten. Vielleicht der Anfang meiner Liebe zu
romanischen Kirchen.
Am Schloss beeindruckte der Innenhof mit seinen Balustraden, die leider bei der 1997
Renovierung verglast wurden. Leider wurde bei der Renovierung auch der Kalkputz durch
einen Silikatputz ersetzt. Zwar ist denkmalgerecht die „ursprüngliche Farbgebung wieder
hergestellt“, aber der morbide Charm ging verloren. Das gilt auch für den Außenputz des
Schlosses. Leider wurde auch die von 1776 stammende doppelläufige Natursteintreppe, mit
niedrigen, zum Hinaufreiten geeigneten Stufen durch eine scheußliche normgerechte
Kunststeintreppe ersetzt.
Schwimmen lernten wir im Freibad an der Jagst. Schwimmhilfen bestanden damals aus Kork,
der immer etwas schmuddelig war.
Cannstatt
Arbeits- und Wohnungssuche führten uns 1951 nach Stuttgart-Bad Cannstatt. Vermittelt
durch Onkel Anton, der mit Herrn Schaaf (Polizeioberkommissar), einem Polizeikollegen und
Vorstandmitglied der Cannstatter Baugenossenschaft befreundet war, bekamen wir eine Art
Notwohnung im schnell ausgebautes Dach- bzw. Speichergeschoss im sog. Vatikan,
Ihmlingstraße 50.

Der „Bau- und Sparverein der


Eisenbahn- und
Dampfschifffahrtsbeamten“ hatte
den Wohnkomplex im Stadtteil
Winterhalde im Bezirk Bad
Cannstatt ab 1905 im Jugendstil
durch die Architekten Brude und
Gruber erbauen lassen. Der
Nordwestteil wurde 1930 bis
1932 weitergebaut und ist ein
frühes Beispiel für
genossenschaftlichen Wohnbau.
Der Name rührt von der
damaligen Lage "weit vor der Stadt" und vielleicht den früher überwiegend katholischen
Bewohnern her. Eine kleine Welt für sich: Im großen Innenhof alte Durchgänge,
Wäschetrockenplätze, auf denen wir Ringtennis spielten. Es gab eine Metzgerei, eine
Bäckerei und einen Konsum.
Aus dem nördlichen Dachfenster konnten wir zum Killesberg und ein wenig zum
Neckarstadion sehen. Auf der Südseite saßen wir bei Veranstaltungen im Innenhof auf das 31
Dach und hörten dem Tenor zu, der das Rattenfängerlied sang („Ein fahrender Sänger, von
niemand gekannt …“) oder „Freunde, vernehmet die Geschichte“ aus Adolphe Adams
Postillon von Lonjumeau. Die Wohnung war für vier Personen – Mutter, Großmutter,
Dienstmädchen und wir Zwillinge - sehr beengt. Sanitäre Anlagen und Heizung waren
bescheiden. Da die Oma gehbehindert war, kam sie praktisch nie aus der Wohnung hinaus, da
sie ja die 81 Stufen getragen werden musste, ab- bzw. aufwärts ging
Mitten im Schuljahr umgezogen, mussten wir noch kurz in die Martin-Luther-Volksschule.
Meine Schwester ging 1951 auf die Cannstatter Mädchenoberschule, ich ans Kepler-
Oberschule.
Statt in einer Kirche, die erst 1956 fertig wurde, fanden Gottesdienst und Jungschar in einer
Baracke statt. Konfirmiert wurden wir in der Martin Luther-Kirche.
Bei der Jungschar ging es eher locker zu. Es gab keine Gebete und ähnliches. Die Jungs
kamen ja aus der Gegend und eher aus ärmeren oder proletarischen Familien. Es wurde viel
gesungen. Wir hatten keine Liederbücher und kannten die Lieder auswendig. Einer der zwei
Jungscharleiter war Hans Felten, der Bruder meines Klassenkameraden Klaus. Höhepunkte
waren die. Pfingstfreizeiten 1956 (oder Herbstferien im November 1957 ?) in Groß-Erlach mit
nächtlichem Geländespiel und 1957 (8. Juni) in Wiesensteig. Wir fuhren mit dem Rad über
den Filsursprung und den Reußenstein dorthin und übernachteten in selber aufgebauten
schwarzen Koten, ohne Schlafsack und Luftmatratze. Trotz der um das Zelt gebauten
Regenrinne lief das Wasser durch die Kote. In der Mitte brannte ein Feuer und der Rauch
füllte am Ende die ganze Kote,

Klaus Felten, mein Klassenkamerad und Freund – er wohnte im neueren Tail des Vatikans –
schreibt zu den ersten JKG-Klassen:
Klasse 1a (1952/53)
In der ersten Klasse hatten wir Herrn Rauscher als Klassenlehrer. Dem Klassenfoto nach zu
schließen waren wir 38 Schüler. Herrn Rauscher habe ich als konsequenten, strengen, aber

32

gerechten Lehrer in Erinnerung. Er führte ein Hausaufgabenheft ein, das regelmäßig von den
Eltern zu unterschreiben war. Die Unterschrift kontrollierte er regelmäßig. Wenn es jemand
wagte, sich während des Unterrichts mit dem Nachbarn zu unterhalten, kam sofort seine
Standardermahnung: „Halt Deinen Rand!“
Klasse 1a (Schuljahr 1952/53), ich: zweite Reihe ganz rechts
Ein beliebtes Pausenspiel war das „Fuchsen“. Man rollte einzelne Münzen aus einer
bestimmten Entfernung gegen eine Kante (Wand, Bordstein oder Treppenstufe). Derjenige,
dessen Münze der Stufe am nächsten liegen blieb, durfte das ganze Geld behalten. Herr
Rauscher kündigte in einer Unterrichtsstunde an, das Fuchsen generell auf dem Schulgelände
zu verbieten. Als einer aus unserer Klasse äußerte, seine Eltern hätten nichts gegen das
„Fuchsen“, diktierte er sofort ein Schreiben an die Eltern, das sinngemäß den Inhalt hatte:
„Sind Sie damit einverstanden, dass ich das „Fuchsen“ auf dem Schulgelände verbiete?“
Das Schreiben mussten wir am nächsten Tag unterschrieben vorlegen. Natürlich haben alle
Eltern unterschrieben.
Klasse 2a (1953/54)
In der zweiten Klasse hieß der Klassenlehrer zunächst natürlich wieder Rauscher. Kurz nach
dem Beginn des Schuljahres ist er leider bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Er
hatte auf seinem Motorrad eine Kollision mit einer Straßenbahn. Ich sang damals im
Schulchor mit. Wir haben an der
Beerdigung unter der Leitung des
Musiklehrers, Herrn Krakow
gesungen
Im Chor sangen wir Lieder
wie „Der Frühling naht mit
Brausen“ (Bartholdy) und
„Integer Vitae“ von
Friedrich Ferdinand
33
Flemmimg
. Bei der Aufführung von
Eberhard Werdins

Schuloper „Es muss nicht immer


Bremen sein - Die Bremer
Stadtmusikanten“ wirkte die
ganze Schule mit. An den
Anfang erinnere ich mich noch
heute: „Drei Groschen Eintritt,
allerhand, die Leute sind nicht
bei Verstand. Sollten sich freuen,
dass wir gekommen, nun wird
uns noch was abgenommen.“
In Zeichnen hatten wir einen
Herrn Wohlgemuth, der immer
sagte „Mall, mai pas mal“. Ein
bei ihm von mir gemaltes Bild
mit einem Indianer kam in eine
Ausstellung mit
Schüler“gemälden“.
Schwimmen hatten wir im
Mineralhallenbad. Nach dem
Fahrtenschwimmer (April 1954 - mindestens 15 Minuten Dauerschwimmen).war mir
kotzübel.
Turnen (Sportunterricht) war in einem Provisorium. Beim Hochsprung habe ich mir am
18.6.1957einen doppelten Bänderriss am Knie zugezogen. Der Lehrer Kohfink fragte,
ob ich einen zweiten Versuch machen möchte. Ich bin dann „einbeinig“ mit dem Rad
heimgefahren. Die Behandlung dauerte ewig.
Bei einem Ausflug hat die ganze Klasse „Reben“ geraucht. Danach gab es ein Tribunal,
zu dem alle Eltern eingeladen wurden. Alle außer einem bekannten ihre „Schuld“ und
wurden bestraft
Sauerbrunnen
Als Klassenlehrer bekamen wir für den Rest des Schuljahres Herrn Konrath (Spitzname:
„Konni“).

34

Bild 2: Klasse 2a (Schuljahr 1953/54), Klaus Felten. Vierter in der 1. Reihe von links, ich rechts daneben

Dem Klassenfoto nach waren wir 39 Schüler. Es sind allerdings einige Gesichter gegenüber
der ersten Klasse zusätzlich aufgetaucht, dafür einige andere nicht vertreten. Man kann
natürlich auch nicht ausschließen, dass beim offiziellen Fototermin der eine oder andere
gefehlt hat.
Herr Konrath hatte mit uns erhebliche Schwierigkeiten. Wir haben ihn gegenüber seinem
Vorgänger als Qualitätsverlust empfunden. Seine körperliche Behinderung und sein Dialekt
(er war Banater Schwabe) taten ein Übriges. Er hat oft versucht, uns „im Guten“ zu
disziplinieren und konnte dadurch keine Autorität aufbauen. Es war damals üblich, dass alle
Schüler aufstehen, wenn der Lehrer das Klassenzimmer betritt. Einmal haben wir „Konnis“
Eintreten einfach übergangen und so getan, als ob er nicht da wäre. Da stand er dann einige
Zeit schweigend vor dem geräuschvollen Chaos, bevor er äußerte: „Ist das meine zweite A-
Klasse? Nein, das ist nicht meine zweite A-Klasse!“
In diesem Jahr gab es einen Schulausflug. Ich weiß nicht mehr wohin, aber wir sind ein Stück
mit dem Zug gefahren. Einige Schüler hatten irgendwo her ein paar Zigaretten, die mehr oder
weniger versteckt gemeinsam geraucht wurden. Der oder die Lehrer haben es wohl bemerkt,
aber zunächst nichts dagegen unternommen. Am nächsten Morgen kam das böse Erwachen.
Unser „Konni“ betrat zusammen mit dem damaligen Rektor, Herrn Dr. Rein, das
Klassenzimmer. Es gab vor versammelter Mannschaft Einzelverhöre und nach erfolgter
Schuldfeststellung blaue Briefe an die Eltern. Sehr peinlich!
Klasse 3a (1954/55)
In der dritten Klasse wurden die Klassen neu geordnet. In der 3a sammelten sich diejenigen,
die neben Englisch als erster Fremdsprache (ab Klasse 1) nun Latein als zweite
Fremdsprache gewählt hatten. Als Klassenlehrer bekamen wir Herrn Jung, der uns in Latein
und Geschichte unterrichtete. Von der Klasse habe ich kein Foto, wohl aber eines von Herrn
Jung in einer typischen Haltung. Es stammt nicht aus unserer Klasse, sondern aus der Klasse
meines Bruders, der vier Jahre vor mir das Kepler-Gymnasium durchlaufen hat.
Herrn Jung habe ich als strengen und
konsequenten Lehrer in Erinnerung.
Unvergesslich sind seine Ausbrüche beim
Abhören lateinischer Vokabeln, wenn er
wieder bei einem Schüler Lücken entdeckt 35
hatte: „Warum hast Du Deine Wörter nicht
gelernt?“ Dabei trommelte er mit voller Kraft
mit seinen Fingerknöcheln auf den Tisch des
jeweiligen Schülers, so dass es einem
manchmal selber wehtat.
Im Fach Geschichte hat Herr Jung schnell
festgestellt, dass der Stoff des Vorjahres nicht
vollständig abgehandelt war. Mit der
Bemerkung: „Es kann nicht sein, dass ihr
noch nie etwas vom trojanischen Krieg gehört
habt!“ setzte er sich wie auf dem Foto auf die
vorderste Bank und erzählte uns über Wochen
in Fortsetzungen alles über Troja und die
nachfolgende Odyssee. Nie haben wir so
gespannt auf die nächste Geschichtsstunde
gewartet wie in dieser Zeit. Ich glaube, dass
es Herr Jung war, der mein bis heute
andauerndes Interesse an Geschichte und
Archäologie geweckt hat.
36
Aus Geldmangel wurden die
Sommerferien häufig bei
Verwandten und Bekannten
verbracht, z.B. bei Tante Fränze
in Tübingen in der
Christophstraße
oder 1956 in Groß-Felda, bei Ilse
und Werner Rau, die das dortige
Jugendhilfe Land-Heim leiteten,
beide Alt-Nazis mit dem
entsprechenden Erziehungsstil.
Dort gab es gemeinsames Singen
und Volkstanz (Bandltanz mit
Akkordeonbegleitung). Getanzt
wurde mit Kommando:
„Und nach links und zusammen
und nach rechts und zusammen.
Umeinander gehen, umeinander
gehen und einen Knicks. 1,2,3,
übersetzen und 1,2,3 übersetzen
und drehen und drehen und einen
Knicks.“
Die etwa gleichaltrigen Kinder hießen Gisela und Dieter; Onkel Werner hatte eine Isetta bis
Groß-Felda. Gebadet wurde im Dautzenröder Teich. Ich habe Akkordeon gespielt. Wir
machten einen Ausflug zum Evangelischen Kirchentag in Frankfurt.
Der 7. Deutsche Evangelische Kirchentag
1956 fand vom 8. bis 12. August 1956 in Frankfurt
am Main statt. Als Motto diente
die Jahreslosung für 1956, „Lasset Euch versöhnen
mit Gott“ (2. Kor. 5,20 LUT).
Den Eröffnungsgottesdienst mit 100.000
Teilnehmern feierten
Kirchentagspräsident Reinhold von Thadden-
Trieglaff, Kirchenpräsident Martin Niemöller und
der Frankfurter Propst Karl Goebels in
Anwesenheit des Bundespräsidenten Theodor
Heuss am Mittwoch, den 8. August 1956 auf
dem Römerberg. Große Teile des Römerbergs und
des Dom-Römer-Areals waren noch eine
Trümmerbrache.
Beherrschendes Thema des Kirchentages war die
politische Debatte um die Wiederbewaffnung und die Einführung der Wehrpflicht in
der Bundesrepublik Deutschland. Die Kirchentagslosung nahm auf diesen Konflikt
Bezug, ebenso wie auf die wachsende Distanz zwischen Ost und West. Niemöller
sprach in seinem Grußwort ausdrücklich die „Gäste aus dem Gebiet der Deutschen
Demokratischen Republik“ an und forderte in der Eröffnungspredigt: „Wir können
nicht einfach unseren Willen durchsetzen; wir müssen Rücksicht auf die anderen
nehmen; wir müssen so oder so zur Verständigung kommen. Und das gilt im Großen
wie im Kleinen … daß wir den Sprung wagen, daß wir die Sorge um die eigene 37
Sicherheit lassen, daß wir darauf verzichten, andere zu opfern, um uns selber zu
erhalten“.
Auf der Rückfahrt
waren wir wohl bei
unserer Gießener
Verwandtschaft
Großer Steinweg,
Irgendwann
bekamen wir
gebrauchte
Fahrräder aus
einem Laden neben
dem Breuninger.
Gudrun ein Express
Damenrad mit
Rücktrittbremse
und
Kettenschaltung,
ich ein Express mit
Schmalspurreifen,
einer Sturmey
Archer Dreigangnabenschaltung und hinten einer Felgenbremse, die nie funktionierte. Wir
übten das Fahren im Vatikan-Innenhof. Radtouren gab es dann 1956
Ich hab versucht, mich an meine ersten Ami-Eindrücke zu erinnern. Reeducation fand in den
1950ern in der Schule eher nicht statt, aus verständlichen Gründen. Als die Mecki-Frisur aus
den USA bzw. von den GIs rüber-
schwappte, wurde das an meiner
damaligen Schule in Cannstatt
verboten. Ebenso die Amihosen Blue
Jeans. Und wir kauften sie eben darum,
Marken waren Lewis, Roebucks und
Wrangler. American way of life
faszinierte uns (teilweise). An der Coca
Cola Begeisterung war ich nicht
beteiligt, und am Chewing Gum noch
weniger.
Ich ging als 15-jähriger ins Stuttgarter
Amerika-Haus und habe ein großes
Album USA angelegt. Dann ab 1959
natürlich die Anfänge des Rock&Roll.
Meine ersten 17cm Platten waren Bill
Haley (R-O-C-K Rock) und eine
Dixieland-Platte. Wir hörten den
Stuttgarter AFN und gingen zu
Satchmo und dem Modern Jazz
Quartett in die Liederhalle oder ins
Gustav-Siegle-Haus. Dass der
schwarze Jazz mit dem offiziellen 38
Amerika nichts zu tun hatte, habe ich
erst später gemerkt. Erste Erfahrungen
mit Gis aus den Böblinger Kasernen
waren dann eher ernüchternd. Nicht
nur, weil sie teuren Rotwein mit Cola verdünnten …
Wichtig waren dann v.a. Kino und Theater, weniger die amerikanischen, eher die
französischen (Kinder des Olymp) und später die italienischen Filme. Um 1960 herum
wurden wir „Existenzialisten“, lasen Sartre und Camus, aßen französische Zwiebelsuppe,
hörten Sidney Bechet (Si tu vois ma mère), den wir fälschlicherweise für einen Franzosen
hielten, und kauften uns Baskenmützen, die wir nie aufsetzten, weil wir uns genierten. Es gab
mehrere Theaterbesuche in Stuttgart; Sartre war damals in. An Les séquestrés d`Altona
erinnere ich mich dunkel. Dass das eine Vorwegnahme meiner Holocaustbeschäftigung war
und dass der Existenzialismus ein erster Schritt zum Anarchismus und Marxismus war, ist mir
erst jetzt klar geworden. Traumziel war für uns damals übrigens nicht Italien und schon gar
nicht USA, sondern Südfrankreich.

Der Liebe folgend, wollte ich nach dem Examen eigentlich an ein College in Columbus/Ohio.
Das hat sich zerschlagen. Eine vierwöchige (einzige) USA-Reise 1968 trug zur Entzauberung
bei.
Maichingen
Am 30.7.1957 zogen wir nach Maichingen, in eine Dreizimmer-Neubauwohnung in der die
Zeppelinstr.62, später Buckenhaldeweg.
Vermittelt hatte sie Erwin Lamparter (SPD MdL und Bürgermeister von Maichingen), den
unsere Mutter kannte, da er im Vorstand der Jugendhilfe Land war, in der sie arbeitete. Die
Jugendhilfe Land betrieb auch ein Mädchenheim in Maichingen. Seine Familie wohnte in
einer Villa direkt über uns.
Der Umzug bedeutete einen herben Abschied von Cannstatt. Die Tanzstunde machte ich noch
zu Ende, beim Abschlussball in der Liederhalle spielte Horst Jankowski.
Die neue Schule war das Goldberggymnasium in Sindelfingen, bis 1961 die einzige Schule im
Kreis Böblingen, an der man Abitur machen konnte. Insgesamt ein Kontrast zum eher
musischen und heiteren JKG.
In der SMV war ich „Kulturreferent“, dessen Aufgabe es u.a. war, Fahrten nach Stuttgart zu
Konzerten, in die Oper (Großes Haus) und ins Theater (Kleines Haus) zu organisieren.
Manchmal schrieb ich etwas in der Schülerzeitung Sprachrohr, die Heino Meier aus unserer
Klasse betreute. Gern wurde Schulleiter Schischi/Schiller mit seinem Spruch zitiert:
Zentnerschwere Weiber stemmen aber keine Ahnung von Physik
Klassenlehrer war Heinz Hummel. In seinem Englischunterricht lasen wir Hamlet. Der
Unterricht war so, dass durch die Klasse jeder einen Satz lesen musste. Trotzdem begeisterte
mich der Text so, dass ich die beiden Monologe auswendig lernte.
To be, or not to be: that is the question: Whether 'tis nobler in the mind to suffer.
O God! God! How weary, stale, flat and unprofitable, Seem to me all the uses of this world!
Im Herbst 1961 sah ich dann Hamlet in Stratford-upon-Avon mit Laurence Olivier.
Zusammen mit Jack Leibfried (Joachim
Leibfried 1942 bis 2014) las ich J.E. 39
Berendts Bluesbuch und wir referierten
darüber im Unterricht. Auf meinem
Philips-Tonbandgeräte nahmen wir
Sidney Bechet Titel auf und Jack sprach
Bluestexte darüber:
„Blues from my head to my shoes.
I′m blue today. I've got a mean evil
feeling. And I′m full of gin. On my way
to the West End …“
Oder St. James Infirmary: „When I die I
want you to dress me with straight laced
shoes/ put a twenty Dollar gold piece on
my watchchain/ so the boys will know I
died standing pad.“
Um englische Konversation zu üben,
ließ er eine kleine Schülergruppe zu sich
herauskommen, und die versuchten
dann, auf Englisch miteinander zu
reden. In Erinnerung bleibt auch ein
Schulausflug mit ihm nach Herrenberg,
wo gerade die spektakuläre Renovierung
der Stiftskirche begonnen hatte. Später
war er Schulleiter am Sindelfinger
Stiftsgymnasium, und ich traf ihn
wieder, als ich mit Irmtraut Ebert/Lyon einen Besuch von Otterbein-College Studenten aus
Columbus/Ohio an seiner Schule organisierte.
Eher gehasst wurde der Chemielehrer Alfred Kemper, dessen Spezialität es war, Schüler oder
noch lieber Schülerinnen am Anfang der Stunde herauszuholen und zur letzten Stunde
abzufragen. Sein Zynismus war abschreckend. Meist ging es um Stöchiometrische
Gleichungen. „Bei den stöchiometrischen Rechnungen geht es darum, die Menge an
Ausgangsstoff(en) (Reaktanten) zu
berechnen, die bei einer chemischen
Reaktion eingesetzt werden muss.
Die Berechnung lässt sich umkehren,
so dass man bei Kenntnis der Menge
an Reaktant(en) die Menge an
Produkt(en) bestimmen kann.“ Seine
Unterrichtserkenntnisse flossen in
das Buch Chemie B ein, das er 1968
zusammen mit Rüdiger Fladt im
Klett-Verlag
Veröffentlichte.
Geschichte und Latein hatten wir bei
Werner Schachner. Er war einer der
jüngsten Rekruten im Zweiten
Weltkrieg (*1928) und traumatisiert.
Dass er SPD-Mitglied in Sindelfingen war, wussten
wir damals nicht. 1971 trat er der GEW bei. Schwer
beeindruckt war ich, als er uns in einer
40
Vertretungsstunde im Musiksaal die Mozart A-Dur
Klaviersonate KV 488 auswendig vorspielte. Leider
haben wir seinen Unterricht nicht sehr ernst
genommen, und ich frage mich heute noch, wie wir
durch das Latein-Abitur gekommen sind. Wir
mussten Ausschnitte aus der Cicero-Rede Pro P.
Sestio übersetzen.
Unser Klassenzimmer war im Untergeschoss des
Neubaus. Man konnte durch die Fenster unbemerkt
nach draußen. Es wurde jeweils ausgemacht, wer
raus darf, und die „Jeweiligen“ gingen meist ins
Goldbergcafe, tranken ein gerade unheimlich in
Mode gekommenes Coca Cola und drückten eine
der zum Teil farbigen 17cm-Platte der Musicbox,
meist Louis Armstrong, Pat Boone oder Bill Haley.
(Nachdem es auch zu Hause einen Braun-
Plattenspieler gab, kaufte ich mir die ersten 17cm-
LPs: R-O-C-K von Bill Haley und eine
Dixielandplatte).
Der Physiklehrer hieß Uhde.
In Mathe wurde die Ableitung trigonometrischer
Figuren geübt, deren Sinn wir – wie so manches –
nicht verstanden.
An den Deutschunterricht habe ich eher blasse Erinnerung. Das Trakl-Gedicht Verklärter
Herbst blieb im Gedächtnis, v.a. die Verszeile „im Kahn den blauen Fluss hinunter“.
Der Lehrer Griese mochte meine Aufsätze nicht und wollte mir im Abi eine 3 geben. Das ging
dann nicht, weil ich den besten Abiaufsatz des Jahrgangs (und damit des damaligen Kreises
Böblingen) geschrieben habe.

41

Unsere Klasse verhielt sich in der Oberstufe in Teilen eher spätpubertär. Mein Freund Jack
Leibfried und ich auch; wir bekamen Einträge, Strafarbeiten und „Nachsitzen“. Da uns mit
unseren guten Leistungen nichts passieren konnte, waren wir besonders frech. Ich hatte ja
bisher in jeder Klasse einen „Preis“ bekommen, jetzt wurde das auf eine Belobung
heruntergestuft, weil ich in Betragen eine 3 bekam.
Nach dem Schriftlichen leisteten wir uns einen „Abischerz“, vermutlich der erste weit und
breit. Er zielte wohl v.a. auf unseren Turnlehrer Wondratscheck ? und seine
Kommissmethoden. Wir zogen Turnkleidung der 1920er Jahre an und „exerzierten“ auf dem
Schulhof in der Großen Pause, du zwar so, dass es von den meisten Klassenzimmern gesehen
werden konnte. Die Strafe folgte auf dem Fuß. Es wurde gedroht, dass wir keine Abizeugnisse
bekommen und im Sportunterricht mussten wir bei Turnlehrer Oberhauser zur Strafe im Kreis
herumlaufen. Das beendete Gerhard Henkies durch einen simulierten Infarkt.
Wir machten das erste Zentralabitur in Baden-Württemberg. Es wurde zweigeteilt: am
21.12.1960 Deutsch-Aufsatz. Von den 8 Themen wählte ich das Jean Cocteau-Zitat Die
Fotografie hat die Malerei befreit. Im Januar 1961 ging es dann weiter mit den anderen
Fächern
Auch in Sport gab es jetzt eine „zentrale“ zweiteilige Prüfung, an der teilweise auch der
Schulleiter teilnahm. In Leichtathletik war ich ganz gut im 1000 Meter Lauf. Da wurde ich
mit 3´ 10´´ Dritter. Ansonsten eher mittelmäßig bis schlecht. Im Geräteturnen war ich eine
Niete. Da fragte ich den Rektor, ob ich statt der vorgeschriebenen Übungen am Heck einen
Salto machen dürfe. Und ich durfte.
Ich machte dann das zweitbeste Abi meiner Klasse.
(Jackye Dengler war etwas besser). Und das mit
einem Schnitt 2,1, mit dem man heute im unteren
Mittelfeld landen würde.
Trotz des besten Aufsatzes durfte ein Schüler der
9a die Abi-Rede halten und bekam den
Scheffelpreis.
Auch zur Studienstiftung wollte mich die Schule
nicht empfehlen.

Jacky Dengler am 20.1.2020


… Was den Scheffelpreis angeht, glaube ich, dass
den jemand aus der Parallelklasse bekommen hat.
... Die sog. Abiturientenrede bei der
Schlußfeier hielt ja damals auch ein Schüler der
Parallelklasse, dessen Namen ich leider nicht mehr
parat habe. Mir wurde damals verkündet, ich hätte
zwar den besten Durchschnitt des Jahrgangs, damit
habe man aber nicht gerechnet und deshalb schon
im Vorfeld festgelegt, wer die Abschlußrede halten
sollte. Ich habe es gerne gesehen, da mir so die
Teilnahme an unserer kurzen Wiederholung des
Auftritts vom Sport-Abi möglich war, den mir übrigens Oberhauser noch Jahrzehnte
später vorwarf, als er schon Schulleiter in Brackenheim war!
42
Mit Jack Leibfried fuhr ich oft zu Jazzkonzerten nach Stuttgart, wie am 11.12.1959 zum MJQ
oder am 3.1.1960 zum dixieland jubilee mit den Stuttgarter Royal Garden Ramblers und der
Darktown Jazzband im Gustav-Siegle-Haus, wo meist Jazz stattfand, obwohl es die 1956
von Rolf Gutbrod und Adolf Abel erbaute Liederhalle ja schon gab. Meist kehrten wir danach
im Hofbräueck oder in einem Bierkeller an der Königsstraße ein.
Da es v.a. abends schwierig war, mit dem ÖPNV nach Maichingen zu kommen, konnte ich
bei Leibfrieds übernachten. Sie hatten ein Gästezimmer. Auch wenn wir nachmittags Schule
hatten, konnte ich bei der Familie Henkies oder Leibfried zu Mittag essen.
Kino: 1960 Sein oder Nichtsein (Lubitsch), Fahrraddiebe, Mein Kampf, Kinder des Olymp,
Faust, 1984, Die Brücke, Mon Oncle, Some Like It Hot, Porgy And Bess
1961 Psycho,
1962 Im Westen nichts Neues

Konzerte
1959 11.12. MJQ im Gustav-Siegle-Haus

1960 Tosca
1.11. Verdi-Requiem in S, 3.1. dixieland jubilee im Gustav.Sieglehaus, Royal Garden
Ramblers, Darktown Jazzband,
12.11. Jazzkonzert in Maichingen (Windy City Seven: High Society, Tin Roof, New Orleans
Function, Alexanders Ragtime Band, Mood Indigo, Maichingen-Blues in Bb, danach Tanz.
18.11. Dutch Swing College Band in Tü (Milord, Mood Indigo, Basin Street
1961 22.1. in Schorndorf: Binkowski, Messias

Theater
1960 Zwei Herren aus Verona (Shakespeare)
Ungefähr als 14-/15-Jähriger habe ich diesen Text verfasst, wohl nach unserer
Deutschlandradtour, wo wir am Möhnesee vorbeigekommen waren. Ich kannte damals die
Zusammenhänge überhaupt nicht (Zerstörung durch die Royal Airforce 1943).

43
44

Ich machte zwei „Abifahrten“: An Ostern 1961 mit Helge Karlitzky nach Wien, über
Kelheim, die Walhalla, Passau, Linz, Melk, Wachau, Dürnstein. Unterwegs übernachteten wir
einmal in einem Heuschober. Heimwärts über Hallstatt und Gmunden. In Linz waren wir
Gäste beim Stiftungsfest der „pen. Sängerschaft Kuernberg“, einer erzkonservativen
schlagenden und Farben tragenden Mittelschulverbindung mit Heldengedenken und Wiener
Walzer.
Mit Jack Leibfried und Gerhard Henkies (Curly) machten wir eine Abifahrt in die Camargue.
In Les Saintes Maries wagten wir uns ins kalte Mittelmeer (links Jack, rechts Curley).
Tübingen
Was sollte ich nach dem Abi tun? Ich konnte mir vorstellen, Architekt zu werden. Ich
zeichnete sehr gerne und hatte ein Faible für Tuscheschriften; auch Journalismus hätte mich
gereizt, aber da gab es keine speziellen Studiermöglichkeiten, und Volontariate u.ä. gab es
wohl noch nicht. Ein Bekannter unserer Mutter war Berufsberater beim Stuttgarter 45
Arbeitsamt. Er testete mich im Juli 1960. Er riet mir, Lehrer zu werden (es gab wohl auch
eine Direktive, das wegen des damaligen Lehrermangels zu puschen): „Aufnahmefähiger und
insbesondere auf dem sprachlichen Gebiet gut formulierender Proband. Eine gute Verbindung
von Feinfühligkeit, Frische und jungenhafter Festigkeit, die gut zu verwenden wäre in
pädagogischen Fächern. Kein ausgesprochener Techniker, denn dazu ist er zu wenig
mathematisch trocken und zu wenig konstruktiv nüchtern, Deshalb ist auch Architektur nicht
ratsam.“
Karl Marx lehrte von 1946–1966 Marx Tonsatz und Komposition an der Staatlichen
Hochschule für Musik in Stuttgart und war ab 1955 Leiter der Abteilung Schulmusik.
Er schrieb 1963 an Fred K. Prieberg: „[…] meine Werke – vor allem die größeren –
verschwanden nach der ‚Machtübernahme‘ fast völlig aus den Konzertprogrammen,
woran vermutlich weniger der Stil der Werke als mein ‚aggressiver‘ Name schuld
gewesen sein dürfte“. Die Behauptungen, die Michael H. Kater in seinem Buch Die
mißbrauchte Muse aus dem Jahr 2000 über die angebliche NS-Vergangenheit von Karl
Marx aufstellt, hielten Prieberg zufolge keiner Überprüfung stand. Zugleich
konstatierte Prieberg bei Marx „ungenaue Erinnerung“. So habe der Komponist dem
Autor gegenüber zahlreiche Werke, die in den Liederblättern der NS-
Organisation Kraft durch Freude oder in den Liederblättern der Hitler-
Jugend erschienen sind, verschwiegen.
An der Akademie der Tonkunst hatte er, da er nicht der NSDAP angehörte, keine
weitere berufliche Zukunft zu erwarten. Um so erstaunlicher ist, dass Karl Marx einen
Ruf an die nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten in Österreich
neugegründete Hochschule für Musikerziehung in Graz erhielt und diesen auch
annahm (von 1940 bis 1945 unterrichtete er Tonsatz, Formenlehre und Komposition),
zumal die Auswahl der Lehrenden und Studierenden an dieser Hochschule
hauptsächlich nach parteipolitischen Gesichtspunkten erfolgte.
Nachdem mir Marx geraten hatte, erst einmal Germanistik zu studieren, schrieb ich mich in
46
Tübingen ein. Im Herbst 1961 habe ich naiv völlig unvorbereitet einfach mal eine
Aufnahmeprüfung probiert und vermasselt. Meine Klavierfähigkeiten und das Gehör
entsprachen nicht den Ansprüchen, - ich hatte zu spät mit dem Klavier angefangen und ich
hatte kein absolutes Gehör - woraus sich ein kleines Trauma entwickelte.
Ganze 700 DM reichten für das ganze erste Semester, einschließlich Studiengebühren. Es war
finanziert durch 34 DM Honnef (Vorläufer von Bafög) pro Monat, von dem ich später
monatlich 17 DM zurückzahlen musste. Außerdem durch Klavierunterricht, Orgeln und später
Kirchenchor. Einmal hab ich in der Tübinger Blauen Brücke Honig abgeladen.
In den ersten Semesterferien war ich „Werkstudent“ bei Solo-Kleinmotoren in Maichingen
mit 2,40 pro Stde, später dann bei der IBM im Büromaschinenlager mit 2,55 pro Stde. Da
nahm ich dann (mit Zustimmung der „Mitarbeiter“) Papier im US-Format mit, das Jahre lang
reichte.
Da von den Studentenverbindungen Klavierspieler für die „Bierorgel“ bei den „Kneipen“ sehr
gesucht waren, bei denen aus dem Kommersbuch „Cantica“ wie Gaudeamus igitur, O
Tübingen du wunderschönes Nest, begleitet werden mussten, gab es Keilversuche z.B. von
der Sängerschaft Hohentübingen, in die mein Klassenkamerad Helge Karlitzky eingetreten
war. und bei der Normannia, der Verbindung, in die Jack Leibfried a schon eingetreten war.
Die Normannia wollte mich dann eher nicht haben und so trat ich im Juni 1961 bei der AV
Lichtenstein ein.

Warum ich da den Spitznamen Bimbo bekam, ist mir unerklärlich.


Der Lichtenstein war eine sog. Stiftsverbindung, nichtfarbentragend und nichtschlagend.
Mein Beitritt hatte eher pragmatische Gründe. Eigentlich wollte ich ins Stift. Das ging mit
meiner Fächerkombination damals nicht.
Das Tübinger Stift ist ein Studienhaus der
evangelischen Landeskirche in Württemberg. Evangelische Studierende, die ein
Pfarramt in Württemberg oder das Lehramt an Gymnasien in Baden-Württemberg
anstreben, erhalten hier für 9 Semester ein Stipendium in Gestalt von Verpflegung,
Wohnmöglichkeit und wissenschaftlicher Begleitung. Es wurde 1536 von
Herzog Ulrich in Tübingen im mittelalterlichen Gebäude des aufgehobenen
Augustinerklosters (erbaut nach dem Beschluss von 1262) gegründet, um nach
der Reformation die theologische Ausbildung begabter Landeskinder zu
evangelischen Pfarrern sicherzustellen. Darüber hinaus sollte das Stift auf dem Boden
des lutherischen Glaubens in Verbindung mit der Universität eine geistliche und
geistige Elite heranziehen. Traditionell wird sehr großen Wert auf eine
gründliche philosophische, sprachliche und kirchenmusikalische Ausbildung gelegt.
(wikipedia)

AV Lichtenstein
Das Verbindungshaus (Schwabstraße 6, auf dem Österberg) bot nicht nur billige
Mahlzeiten, sondern man auch relativ billig in Zweierzimmern wohnen. (Ich zog im
zweiten Semester ins August-Lämmle-Zimmer. August Lämmle war „Ehrenaltherr“,
wobei man seine NS-Vergangenheit fein verschwieg.) Im ersten Semester wohnte ich
in der Christophstraße, zum Studentenzimmer musste man durch das Wohnzimmer

47
48

der Familie, und es wurde selbstverständlich erwartet, dass ich die Filia Hospitalis im Julis
1961 zum Ball an ihrer Schule, dem Wildermuth-Gymnasium begleitete.
Und: Im Haus stand ein Flügel, auf dem ich üben konnte. (Übemöglichkeiten gab es im
Schlatterhaus und im Clubhaus; aber das war streng kontingentiert).
Insgesamt war die Verbindung eine ambivalente Sache.
Einerseits war kulturell einiges los. Es gab einen eigenen kleinen Chor. Er sang v.a.
ausländische Lieder wie Arrivati alla stazione oder Carry me ackee go a Linstead Market. Not
a quattie worth sell. Lieder, die Diedrich Dannheim bei Sepp Gregor im Institut für
Auslandsbeziehungen Stuttgart kennen gelernt hatte, zu dem ich dann später ebenfalls hin
pilgerte und manches in meine Schulchöre übernahm.
Gregors Werk „Europäische Lieder in den Ursprachen“ (Gregor et al. 1956; s. u.) war
im deutschsprachigen Bereich hinsichtlich der Rezeption von Liedern in
Originalsprachen wegweisend für viele weitere ähnlich angelegte Liedsammlungen
wie die von Jane Peterer, Helmut König oder Klaus Buhé (s. u.). Ende der 1970er und
in den 1980er Jahren kamen solche Liederbücher geradezu in Mode. In dieser Zeit
nahmen auch die Schulliederbücher nach und nach Lieder in den Originalsprachen auf.
Viele Leute ließen sich im Lauf der Jahre von Sepp Gregors Idee mitnehmen und
wirkten mit. An vielen Orten in Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden
und Österreich bildeten sich Kreise der Klingenden Brücke. Diese Liedstudios betreute
Sepp Gregor bis zu seinem Tod im Jahr 1987 weitgehend selbst. Menschen aller
Bildungsgrade, Berufe, Altersstufen und Nationalitäten nehmen bis heute an den
Liedtreffen der Klingenden Brücke teil, um das Liederbuch Europas mit Leben zu
füllen. (wikipedia)

Es gab szenische Lesungen, die bei einem russischen Abend im Lämmle-Zimmer stattfanden,
vorbereitet von Diedrich Dannheim, der mit seiner Schwester auch Menuett-Tänze vorführte.
Und es gab Musikalische Abende; Im Wintersemester 1961/62 spielte ich beim
Altherrenfrauennachmittag, auch das gab es, Bachs As-Präludium aus dem WTK II; .am 49
21.2.1962 spielte ich mit Dieter Claus Schubert Märsche vierhändig, und ich spielte das
Schubert Impromptu (aus dem Nachlass)

Auf dem Weg von der Uni hinauf zum Österberg wurde über die gerade gehörten Vorlesungen
diskutiert, z.B. über Brinkmanns Kleist und das „Dreifache Ach der Alkmene“ in Amphytrion,
oder warum im Zerbrochnen Krug Adam so heißt und warum er einen Klumpfuß hat. Die
Diskussionen gingen vor dem gemeinsamen Essen weiter im Clubzimmer.
Das Essen bereitete Hausmeister Bicheler zu, der gelernter Koch war und mit seiner Familie
auf dem Verbindungshaus wohnte. Er war eigentlich gleichzeitig auch Wirt bei den
Veranstaltungen und Festen der Verbindung. Beliebt waren seine „Russischen Eier“. Das Bier
bezog er von der Haigerlocher Schloßbräu.
Bei den Kneipen wurde der Comment leicht parodiert „komme dir übers Kreuz
zuvor“ „ziehe nach“ Bierorgel einen halben Cantus voraus Eins-X war
Beispiel ein Spruch beim Zuprosten; und es gab es meist geistreiche und
witzige Kneipreden und sogenannte Leistungen der Füxe. Die Reden hießen
Pauke. Es gab begabte Kneipredner wie Hansa Schmidt aus Wilsbach, Frieder
Rückle oder Wolfgang Nachtmann (Nächtle, 1943 bis 2021, 1977 bis 1996
stellvertretender Schulleiter in Leonberg), der auch sehr gut Cello spielte.
Andererseits hatte die Tatsache, dass das Bier kostenlos in Strömen floss
unausweichliche Folgen.
Auf Kneipen werden – dem Comment folgend und üblicherweise mit dem Konsum
von Bier verbunden – Studentenlieder gesungen und verbindungsrelevante Riten
abgehalten, oft ergänzt durch Reden. Die Mitglieder farbentragender
Studentenverbindungen tragen dazu ihr Couleur. Bei offiziellen Kneipen sind neben
den aktiven Mitgliedern auch Alte Herren (ehemalige Studenten der Verbindungen)
der ausrichtenden Korporation anwesend. Meist werden zudem Mitglieder
befreundeter Verbindungen und gegebenenfalls nichtkorporierte Gäste eingeladen, um
gemeinsam zu feiern.
Der studentische Ausdruck Kneipe ist um die Mitte des 19. Jahrhunderts in die
deutsche Allgemeinsprache als Ausdruck für eine Gaststätte übernommen worden, in
der hauptsächlich alkoholische Getränke ausgeschenkt werden. Heute ist praktisch
jede offiziell veranstaltete Kneipe einer Studentenverbindung eine vergleichsweise
förmliche Abendveranstaltung, die meistens in einem Korporationshaus in einem dafür
vorgesehenen Raum oder Saal abgehalten wird. Wenn die Teilnehmer keine speziell
studentische Traditionskleidung („Vollwichs“, „Kneipjacke“, „Pekesche“, „Bergkittel“
etc.) tragen, wird ein dunkler Anzug mit Krawatte als dem Anlass angemessen
betrachtet. Die Teilnehmer sitzen an zusammengestellten Tischen und trinken Bier
Kneipen werden „geleitet“, das heißt, es gibt ein Präsidium, das in der Regel aus den
drei Chargierten der veranstaltenden Verbindung besteht. Die eigentliche
Leitungsfunktion wird aber nur vom ersten Chargierten ausgeübt. Er steht von Zeit zu
Zeit auf und gebietet „Silentium“ (lat. „Ruhe“), woraufhin alle Beteiligten ihr
Gespräch („Colloquium“) unterbrechen. Diese Gesprächspause nutzt der Leitende,
um Studentenlieder singen, Gäste zu begrüßen und Reden halten zu lassen.
Im Juni 1962 kam der Brackenheimer Männergesangverein, den der Bundesbruder Dieter
Claus leitete, und lud darauf die ganze Aktivitas nach Brackenheim zum Gegenbesuch ein. Im
Januar 1963 gab es eine Bürgerkneipe, zu der Tübinger Bürger/innen eingeladen wurden, wie
z.B. Bedienungen Tübinger Gaststätten wie der Post. Beim traditionellen Roßbergspuz ging
es im Januar 1962 zu Fuß von Tübingen zum Roßberg, übernachtet wurde im Turm, von dem
man einen sagenhaften Blick über die schneebedeckte Landschaft hatte.
(Dass ich da 18 Jahre wieder übernachten würde, 1970 mit der Fachgruppe Gymnasien der
50
GEW, konnte ich nicht ahnen).
Es gab eine Fuxeneinführung, den traditionellen Fuxenausflug nach Hohenentringen und
schließlich eine Burschungskneipe. Man hatte einen Leibfux. Meiner hieß Hardy ?. Er
studierte Kunsterziehung, machte die grafische Gestaltung für die Verbindung. Er hatte in
Nordfrankreich einen schweren Motorradunfall, und ich besuchte ich in Lille im
Krankenhaus. Mit einem Confux, Diedrich Wilms freundet ich mich an. Mit ihm machte ich
einen Ausflug nach München, wo wir in der Bundeswehrkaserne der Luftwaffe übernachteten,
wo er zuletzt Dienst getan hatte. (Die meisten der Confüxe mussten ja vor dem Studium zum
Bund. Ich nicht, da ich ja Kriegswaise war)
Man trug Freundschaftszipfel in den Verbindungsfarben blau-weiß und manchmal – wie beim
Stiftungsfest - das blauweise Band. Das Verbindungswappen, ein silberner Adlerflug auf
blauen Grund war von den Rittern von Lichtenstein übernommen.
Noch bis weit in das 19. Jahrhundert hinein bezeichnete Fuchs in der
allgemeinen Studentensprache einen Studenten in den ersten Semestern, vollkommen
unabhängig von der Zugehörigkeit zu studentischen Zusammenschlüssen. Später
wurden die alten, aus dem 18. Jahrhundert überlieferten studentischen Traditionen nur
noch in den Studentenverbindungen weitergeführt, und der Ausdruck Fuchs wurde auf
die Bedeutung „junges Nachwuchsmitglied von Studentenverbindungen“ eingeengt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bürgerte sich bei einigen spät gegründeten
Verbindungen die Schreibweise „Fux“ ein. (Wikipedia)

Als Fux musste man bei den Abendveranstaltungen eine „Leistung“ bringen, einen Sketch, ein
Gedicht oder ähnliches. Ich trug eine Moritat vor, begleitet von einer Drehorgel, die ich auf
mein Philips-Tonbandgerät eingespielt
hatte. Der Text stammte von einem
Mitschüler, stand in der
Schülerzeitung Sprachrohr und ging
so:

Ein Jüngling, wie´s das häufig gibt,


war einst in eine Maid verliebt …
Die Maid will ihn aber nicht.
Und weil die Maid so spröde war,
ließ er sich wachsen Bart und Haar
und wusch ein Jahr lang nicht
vor Kummer sich das Angesicht.

Er lebt als Einsiedler im Wald

Nach einem Jahr, ein Jahr ist lang,


der Maid ward´s um den Jüngling
bang.
Sie schlich sich in den Wald hinaus,
ach Gott, wie sah der Jüngling aus,
der ohne Waschung,
ohne Schur 51
getreulich hielt der Liebe
Schwur

Das traurige Ende:


Verzeih, wenn ich dir
sag,
dass ich dich jetzt erst
nicht mag.

Die Melodie vom


Wildschütz Jennerwein
hatte ich im
Parodieverfahren auf den
Text übertragen. Dazu
kam eine Bildtafel, auf
der die einzelnen
Stationen abgebildet
waren. Confux
Nollenberger (?, später
Lehrer am FEG
Stuttgart) hatte die
anspruchsvolle Aufgabe,
darauf mit einem Stock
hinzuweisen.
Natürlich war der Name der Verbindung inspiriert von Wilhelm Hauffs Roman, wie ja auch
das Schloss Lichtenstein. das Graf Wilhelm von Württemberg 1840–1842 an der Stelle der
mittelalterlichen Burg hatte erbauen lassen.
Und so war es kein Wunder, dass auch das Bundeslied aus diesem Roman stammt:
Vom Turme, wo ich oft gesehen
hernieder auf ein schönes Land,
vom Turme fremde Fahnen wehen
wo meiner Ahnen Banner stand. …
Berühmt war der Lichtensteinerfasching, der erstmals 1954 stattgefunden hat. 1963 (?) stand
er unter dem Motto Minnesangs Spätherbst; das ganze Haus mit ins Riesige übertragenen
Kopien der Manessischen Handschrift Ede Rückle
Natürlich nahm ich Banjo-spielend am Stocherkahnrennen teil, das 1956 vom Lichtenstein
erfunden worden war. New Orleans Function spielend wurden wir vom am Schimpfeck auf
dem Podest stehenden verkehrsregelnden Polizisten durchgewunken, den restlichen Verkehr
aufhaltend.

Studium
Von den späteren Studentenunruhen war wenig zu spüren. Es gab zwar Proseminare, in denen
manchmal diskutiert, beherrscht wurde alles von den traditionellen Vorlesungen, in denen die
Professoren meist ihre neuesten Forschungsergebnisse vorlasen. Elitär und autoritär
Demos habe ich keine erlebt, zur Spiegelaffäre im Oktober 1962 gab es, initiiert von der
Verbindung Nicaria eine Kundgebung auf dem Marktplatz, zum Attentat auf John F. K
ennedy am 22. November 1963 veranstalte die Universität einen Fackelzug. 52
53
54

Vorlesungen belegte ich einige.


Bei Bernhardus Meier im musikwissenschaftlichen Institut im Pfleghof hörte ich u.a.
Colloquium Gregorianum, Kontrapunkt I und II. Zum antiphonalen Singen musste man schon
früh da sein. Den Anfang von Psalm 109 (im 5. Modus bzw. Kirchenton) kann ich bis heute:
Dixit Dominus Domino meo sede a dextris meis …
Und am Schluss die Doxologie: Sicut erat in principio et nunc et semper et in saecula
saeculorum. Amen.
Meier war äußerst fleißig. Seine Texte kopierte er mit Blaumatrize oder diktierte sie.
Fotokopieren ging ja noch nicht. Auch bei den Noten. Sie wurden mit dem riesigen
Epidiaskop an die Wand geworfen. Bei seiner Übung Langsame Einleitungen in Beethovens
Klaviersonaten musste jeder eine Sonate übernehmen. Ich spielte die C-Dur Sonate op. 2,3
und war ziemlich aufgeregt. Seine Harmonielehre legte die Grundlagen für alles Kommende,
auch wenn er der Stufentheorie anhing.
Gerstenberg hielt eine Vorlesung zu Mozart. Bei ihm sollte ich dann später einige Zeit
verbringen. Dass er an der Ausstellung Entartete Musik 1938 beteiligt war und im Dritten
Reich Karriere gemacht hatte, fand ich erst sehr viel später heraus. Nach dem Examen ging
ich nochmal ans Musikwissenschaftliche Institut, und Gerstenberg bot mir eine Dissertation
an zum Thema „Das Melodram bei Georg Benda“, die in Anfängen steckenblieb. Später
erfuhr ich, dass er das Thema auch schon Erhard Karkoschka (1922 bis 2009) angeboten
hatte, der stattdessen 1959 mit Studien zur Entwicklung der Kompositionstechnik im
Frühwerk Anton Weberns promoviert wurde. den ich in der MuHo antraf. Er war in der
Redaktion des MGG und verteilte
Übersetzungsaufträge für den
Supplementband an seine Studenten.;
Ich übernahm die Buchstaben A bis C.
Beißner hielt 1962 eine Heine- 55
Vorlesung, Walter Schulz die
Philosophievorlesung Von Hegel bis
Nietzsche.
Belegt hatte ich außerdem Heinz Löwe:
Das Zeitalter der Staufer und Wolfgang
Mohr (1907-1991): Walter von der
Vogelweide.
In der Vorlesung Plastik des 20.
Jahrhunderts hörte ich das erste Mal von
Henry Moore. Philosophisches bei Otto
Friedrich Bollnow. Auch da wussten wir
nicht, dass er ein Nazi war und z.B. am
11.11.1933 er das Bekenntnis der
deutschen Professoren zu Adolf Hitler
unterzeichnet und in einem
Artikel Politische Wissenschaft und
politische Universität für eine „totale
Universität“ im nationalsozialistischen
Sinne. plädierte hatte. Donnerstag
abends musste man in den meist
proppenvollen Festsaal zu Walter Jens:
Probleme der zeitgenössischen
Literatur. „Nicht selten war eine
vierstellige Zahl von Zuhörern im
"Zirkus Jens", wie diese Veranstaltung
spöttisch genannt wurde.“ (Wiener Zeitung 4.3.2023)

56
Aufschriebe habe ich sehr lange aufgehoben. Dass wir in der Schule von neuerer Literatur
nichts mitbekommen hatten, merkte ich in Catholys Vorlesung Drama des 20.Jahrhunderts,
wo er u.a. über Osbornes Blick zurück im Zorn, Claudels Der seidene Schuh Tennessee
Williams´ Endstation Sehnsucht sprach. Er ging leider im nächsten Semester nach Berlin.
Eckehard Catholy trat 1933 in die SS ein, beantragte am 24. November 1937 die
Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres
aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.319.318). Nach einigen Theaterengaments und
Kriegsdienst setzte er 1946 in Göttingen sein Studium fort. Dort reichte er 1950 seine
Dissertationsschrift über Karl Philipp Moritz ein, die von Klaus Ziegler betreut wurde.
Es folgte 1956 die Habilitation in Tübingen zum Fastnachtspiel des Spätmittelalters.
1961 wechselte er von Tübingen zur Freien Universität, zunächst als Extraordinarius,
ab 1964 als ordentlicher Professor. Einem Ruf an die Universität Toronto folgte
Catholy im Jahre 1970, wo er bis zur Emeritierung 1985 für deutsche Literatur bis
zum 20. Jahrhundert zuständig war.

Scheine
Hanna Weischedels (1921 bis 2010) Proseminar Einführung in die Germanistik war Pflicht.
Sie war wissenschaftliche Rätin und Assistentin von Brinkmann. Bei ihr machte ich außerdem
in Proseminaren mehrere Referate:
Im Sommersemester 1962 Lyrik des 20. Jahrhunderts machte ich ein Referat über Wilhelm
Lehmanns: „Auf sommerlichem Friedhof (1944) In memoriam Oskar Loerke“
Der Fliegenschnäpper steinauf, steinab.
Der Rosenduft begräbt dein Grab.
Es könnte nirgend stiller sein. …
Im Proseminar Novelle im Wintersemester 1962/63 ein Referat „Musikalische Elemente in
Mörikes Mozart auf der Reise nach Prag.“

Pflicht waren Althochdeutsch und Mittelhochdeutsch, , jeweils mit Klausuren ebenso das
Stilistikum bei Schumacher, da musste ich die Schlussklausur wiederholen.
Zur Vorbereitung unserer geplanten Nordlandfahrt belegten Jack Leibfried und ich bei Frau
Lundquist einen Schwedisch-Kurs. Das Klett-Lehrbuch begann Lundal har plats på en bank i
stockholm. han har mycket att göra

Bei Wolfgang Mohr war ich mehrfach, auch im Oberseminar Oswald von Wolkenstein im
Wintersemester 1963/64, wo ich Wolkensteinlieder zur Gitarre sang. Er regte an, ich soll doch
über Oswald promovieren, was ich damals garnicht realisierte. Als ich dann eine
Zulassungsarbeit in Musik machen musste, erinnerte ich mich daran. Ich ging zu ihm in die
Sprechstunde und fragte ihn, ob ich Oswald als Thema nehmen solle. Er riet mir ab und sagte,
ich soll über Schuberts Goethe-Lieder schreiben, was ich dann auch tat – bei Peter
Rummenhöller (1936 bis 2023). Als Ausgangspunkt sein Artikel ”Goethes Verskunst” in
Wirkendes Wort 4/53-54, dort zu Schuberts Auf dem See als Minikantate. Mit ihm machten
wir 1963 eine Bahnfahrt mit Wanderung zum Hohenneuffen.
Die Mitschriebe seiner Vorlesungen Versgeschichte u.a. habe ich jahrelang aufgehoben.
Auch zu Ernst Bloch „musste man“, auch wenn man von seinem Prinzip Hoffnung wenig
verstand. „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Deshalb werden wir erst.“

Im ersten Semester waren wir oft beim Mammele, der Nachfolgerin der Tante Emilie.
Theresia Albus war die als Mammele bekannte Wirtin am Zwingel in
der Neckargasse 20. Dies ist das kleine Haus direkt gegenüber vom Eingang der 57
heutigen Pizzeria La Torre. Die Wirtin führte das Lokal von 1959 bis 1973. Seitdem
ist hier keine Gastronomie mehr.
Theresia Albus sorgte sich so mütterlich und uneigennützig um ihre studentischen
Gäste wie ihre als Tante Emilie bekannt gewordene Vorgängerin Emilie Sauer.
Korporierte und Nicht-Korporierte saßen hier am Zwingel noch einträchtig zusammen.
Am Heiligen Abend kamen bis zu 40 Gäste aus 20 bis 30 Nationen in ihre kleine
Kneipe, spielten Gitarre, sangen Studentenlieder. Französische Soldaten sollen sogar
auf ihren Heimaturlaub verzichtet haben, um bei Mammele unterm Weihnachtsbaum
zu sitzen.
Tante Emilie
Am 1. Oktober 1942 erhielt die 68-Jährige „mit Rücksicht auf die Kriegsverhältnisse“
die Pachterlaubnis für die ehemals Wagner’sche Weinstube in der Tübinger
Hirschgasse. Diese hatte nur niedrige Schankräume, eine enge und primitiv
eingerichtete Küche und war bekannt für den „üblen Geruch aus der Abortgrube“.
Daher war es schwierig, einen neuen Pächter zu finden, seit der vorherige Wirt
Wilhelm Schnaith mit seinen Stammgästen in den „Bären“ umgezogen war.
Außerdem ging „man“ ins Rebstöckle, in die Post und in die (1971 abgerissene)
Neckarmüllerei.
Ab Sommer 1961 hatte ich Gesangsunterricht bei Traugott Schmohl, den mir Christa Reimer-
Mall vermittelt hatte. Ihre Gesangslehrerin war Herrad Wehrung, mit Schmohl befreundet.
An Pfingsten 1961 machte ich einen Kurs Chor- und Orchesterleitung und Yoga der Jeunesse
Musicale im Kloster Frauenthal bei Weikersheim, geleitet von Eberhard Werdin, bei dem ich
mich ein wenig in Hedda Rothweiler verliebte. Sie war damals noch Schülerin und spielte

später bei der der Gechinger Kantorei unter Helmuth Rilling den Oboenpart. Ich bin von
Tübingen aus mit dem Moped im Juli 1961 nach Tieringen gefahren, um sie dort im
Schullandheim zu besuchen Sie hat mich bei der Prüfung bei einer Bach-Arie begleitet. Als 58
ich 2005 zu Tante Mädi ins Augustinum fuhr, ging ich bei ihr vorbei, weil sie dort um die
Ecke wohnte. Ihre Erinnerungen an mich waren sehr verblasst.
Im März 1963 fuhr ich nach Karlsruhe zur Aufnahmeprüfung an der dortigen
Musikhochschule, die in einer sehr netten Atmosphäre stattfand und die ich problemlos
bestand. Karlsruhe war dann zu weit und ich verzichtete auf diese Möglichkeit, weil ich ja bei
einem Studium in Stuttgart zu Hause wohnen konnte.
Jack Leibfried
Obwohl ich nicht zur Normannia gegangen
war und er von der Germanistik zum
Jurastudium gewechselt hatte, blieb die
Freundschaft mit Jack Leibfried erst einmal
bestehen, und wir machten in den
Semesterferien mehrere Reisen:
Im April 1962 über den Bieler und
Neuchateler See, Genf, Grenoble wo wir
uns verfuhren und versehentlich auf 1600
Metern im Skigebiet Chamrousse landeten.
Auf der Route Napoleon ging es weiter
nach Gap, dann Cassis, Marseilles, Arles,
Montmajour, Moulin de Daudet, Les Baux,
St.Remy, Tarascon, Avignon, Pont du Gard,
Camargue, Les Saintes Maries de la Mer,
wo wir uns Pantalon de Gardien kauften, La
Ciotat, Toulon, St.Tropez, C annes,
Vallauris (Picasso), Monaco, Menton,

Nordlandfahrt ab 1.8.1962
HH-Lübeck-Großenbrode-Gedser-
Kopenhagen-Göteborg-Oslo-Mjösasee-
Lillehammer/Gudbrandsdalen- Sognefjord-
Lom-Otta-Trondheim-Narvik-Kiruna-Kaaresuvanto-Kautokeinu-Alta-Hammerfest-
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Honnigsvag-Nordkap-Karasjok-Karigasniemi- Inari-Ivalo-Rovaniemi-Kemi-Oulu-Kuopio-
Joensuu-Lappenenranta-Helsinki-Turku-Norrtälje-Uppsala-Stockholm-Norköping-Malmö-
Helsingborg
Die zehnwöchige Nordlandfahrt wurde sehr gut vorbereitet. Wir wollten teilweise mit der
Bahn - mit einer Vorform von Interrail- unterwegs sein, sonst per Anhalter. Wir hatten damit
keine Erfahrung und waren beide eher zu introvertiert dazu. Wir wollten, wenn möglich im
Zelt übernachten, sonst in Jugendherbergen (in Schweden wandrarhem, in Finnland
retkeilymaja). Gepäck musste für die ganzen 10 Wochen mitgenommen werden. Unterwegs
wollten wir und frische Wäsche per poste restante schicken lassen und die schmutzige
heimsenden. Bezahlen wollten wir mit amerikanischen Traveller Checks, die jeweils bei den
Banken in Landeswährung umgetauscht wurden. Um uns vor Erkältungen zu schützen, hatte
uns Jacks Mutter große Mengen Esberitox mitgegeben. Da für Essen in Gaststätten das
Budget nicht ausreichte, wollten wir uns
selbst versorgen. Dafür nahm ich mein
„Baby“, einen kleinen Benzinkocher mit
Topf und Pfanne mit. Unsere Rucksäcke
wurden entsprechend schwer. Dazu kam
das Banjo, das auch mitmusste.
Zu uns stießen zwei Bundesbrüder von
Jack, Uli und Nobbe. Sie stiegen aber
irgendwann aus und fuhren wohl mit der
Bahn heim. Onkel Hans, dessen Büro in
Hamburg war, brachte uns mit seinem
220er von Karlsruhe bis Hamburg. Von dort versuchten wir, nach Lübeck zu trampen. Dabei
vergaß ich schon mal das Banjo am Zufahrtsring zur Autobahn (A 1). Um es zu holen,
trampte ich zurück. Dann ging es auf die Eisenbahnfähre Großenbrode–Gedser. Sie bestand
zwischen 1951 und 1963. Bei jugendlichen Reisenden war das dort angebotene Smörgasbord
bekannt und beliebt, ein Buffet, bei dem man für wenig Geld so viel essen konnte, wie man
wollte. Nach einem Aufenthalt in Kopenhagen ging es über Göteborg in Richtung Oslo.
Unterwegs versuchten wir in einem Bahnwartesaal in Mellerud zu schlafen, mussten aber
raus, als er geschlossen wurde. In Oslo übernachteten wir in der Jugendherberge und gingen
u.a. ins Vigelandmuseum. Von Oslo trampten wir nach Hamar am Mjösasee, wo wir die Zelte
aufbauten. Dem Rat eines Bundesbruders folgend, warfen wir eine Konservendose ins
Lagerfeuer, um das Gulasch zu erhitzen. Warm wurde es, aber es ergoss sich über meine
Cordsamthose …Von dort ging es auf einem Klolaster nach Fagernes.Ein riesiger Volvo-
Sattelschlepper nahm uns mit (Sowas gab es damals bei uns noch nicht) weiter durchs
Gudbrandsdal. Traumhaft die Aussicht. Irgendeine Erinnerung an einen Familienroman kam,
Trygves Gulbranssens Erbe vom Björndal, der im Gudbrandsdal spielen könnte. In Laerdal
erreichten wir den Sognefjord,ostwärts mit einem Postschiff

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61
(nicht zu verwechseln mit der heutigen Hurtigruten) fuhren wir bis Skjolden, wo wir im
Vanderhjem übernachteten. Etwas landeinwärts liegt das Dorf Fortun. Dort standen wir
gegenüber dem Fortuna Kafé og Pensjonat und warteten, dass uns jemand in Richtung Lom
mitnimmt. 3 Tage. Die erste Nacht wollten wir auf einer Wiese Zelten. Als wir mit Aufbauen
fertig waren, verjagte uns der Besitzer mit „ingen tentplats“. Da mussten wir eben zurück
nach Skjolden in die Jugendherberge. Schließlich ging es hochhinauf nach Jotunheimen bzw.
Lom und von dort zur Stabkirche Otta. Von Trondheim bis Narvik fuhren wir mit der
Nordlandsbahn, mit herrlichen Aussichten auf Fjorde und Meer. Unterwegs konnte es
passieren, dass Norweger ihre Angel ins Wasser warfen und Lachse herauszogen. Von Narvik
nach Kiruna mit der „Erz“-Bahn und weiter über die finnische Grenze nach Karesuvanto.
Jetzt sind wir in Lappland. Palojoensuu, Enontekiö. Die Straße nach Alta wird gerade gebaut.
Es geht aus dem Finnischen Zipfel wieder nach Norwegen. Bei Kautokeinu lässt uns ein
Rentierzüchter auf der Ladefläche seines Kleinlasters mitfahren. Und wir sehen die ersten
Rentiere in unserem Leben. Von Alta dann nach Hammerfest und Honnigsvag. Um zum
Nordkap zu kommen fuhren wir in einem Fischtransporter. Wie wir den Gestank aus uns und
unseren Kleidern rauskriegten, weiß ich nicht. Über Karasjok ging es dann wieder nach
Finnland: Karigasniemi. Mit Holzfällern kamen wir zum Inarisee. Sie luden uns zum kahvija
ein, den sie auf ihre Art tranken: Man nahm ein Stück Zucker und schlürfte den
pechschwarzen Kaffee darüber. An der Straße nach

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Rovaniemi waren ganze Dörfer immer noch zerstört, nur Kamine ragten einsam in die Höhe.
„Verbrannte Erde“ der Wehrmacht im „Lapplandkrieg“ 1944. Finnland kämpfte nach der
Niederlage im Winterkrieg (1939/40) seit Juni 1941 im Fortsetzungskrieg zusammen mit dem Deutschen
Reich gegen die Sowjetunion. angesichts der sich abzeichnenden Niederlage der Deutschen wollte
Finnland rechtzeitig separat aus dem Krieg ausscheiden. Am 19. September 1944 beendete
der Waffenstillstand von Moskau den Fortsetzungskrieg zwischen Finnland und der Sowjetunion. Um seine
Unabhängigkeit zu retten, trat Finnland einige Gebiete ab und wurde dazu verpflichtet, die bisher faktisch
verbündeten deutschen Truppen mit militärischen Mitteln innerhalb von 14 Tagen zu vertreiben . Im Raum
Tornio folgten vom 2. Oktober an die schwersten Kämpfe des Lapplandkrieges mit mehreren
hundert Toten auf beiden Seiten. Die Deutschen wendeten in der Folge im gesamten von
ihnen noch kontrollierten Gebiet verstärkt die Taktik der verbrannten Erde an. Dabei wurden
ganze Dörfer, einzelne Häuser, Straßen und Brücken zerstört oder vermint, was den
Vormarsch der finnischen Verfolger verlangsamte und die Zivilbevölkerung großen Härten
aussetzte. In diesem Rahmen brannte die Stadt Rovaniemi restlos nieder. Die Finnen blieben
in Tornio siegreich und gingen von dort aus nach Norden entlang der Grenzstraße mit
Schweden (heute Valtatie 21) und nach Nordosten in Richtung Rovaniemi und weiter
nach Ivalo vor. Mitte Oktober befanden sich die Ruinen von Rovaniemi, zugleich ein
wichtiger Verkehrsknoten, unter finnischer Kontrolle. Die Deutschen hatten Ivalo
und Kilpisjärvi im äußersten Nordwesten Finnlands zu Festungen ausgebaut. Entlastung

63
erhielten die Finnen durch einen Anfang Oktober einsetzenden sowjetischen Vorstoß von
Murmansk aus in Richtung des norwegischen Kirkenes, der für die Deutschen eine größere
Bedrohung darstellte als die finnische Armee. Den Rückzug aus Finnland und Ostnorwegen
führten die Deutschen von Ende Oktober 1944 an unter der Bezeichnung Unternehmen
Nordlicht. Der letzte Ort Finnlands, der nach den am 25. April 1945 stattgefundenen
Kämpfen mit finnischen Truppen von den Deutschen geräumt wurde, war am 27. April 1945
Kilpisjärvi. Am folgenden Tag teilte Generalleutnant Hjalmar Siilasvuo Feldmarschall
Mannerheim mit, dass Finnland von deutschen Truppen befreit sei.

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In einem Dorf bei Kuopio klopften wir an einem großen Bauernhaus und fragten mit
Zeichensprache, dass wir eine Übernachtungsplatz suchen. Die Familie lud uns freundlich ein.
Im großen Zimmer wurden zwei Schlafplätze gerichtet. Danach gab es radebrechende
Verständigungsbemühungen. Auf einem Atlas zeigten wir, wo wir herkommen usw. Ständig
sollten wir essen und Kaffee trinken. Am nächsten Morgen wurde schon gewartet, wann wir
die Augen öffnen, und sofort gab es Kaffee. Zum Abschied winkten sie uns mit großen
Leintüchern.
Eine Frau, die uns in ihrem PKW
mitnahm, lud uns zum Essen ein.
Eines der Beispiele finnischer
Gastfreundschaft.
Da wir die 1000 Seen von oben
sehen wollten, wollten wir ein
Stück fliegen, und zwar von
Joensuu nach Lappeenranta. Der
Flug war spottbillig. Die
Abfertigung eher wie an einer
Bushaltestelle. Man ging dann
einfach zu Fuß zum Flugzeug. Mit
unseren Rucksäcken hatten die
Angestellten etwas Probleme. Die
Sicht war umwerfend. Die DC 6
flog sehr niedrig. Wir konnten

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nicht nur die Seen, sondern sogar
die Burg von Savonlinna sehen.
In Helsinki machten wir Quartier
bei einer Bekannten meiner
Mutter. Da erlebten wir endlich
auch die finnische Sauna mit den
Birkenzweigen. Von Turku aus
ging es dann mit der Fähre durch
die Schären nach Nortälje und von
dort wieder per Anhalter nach
Stockholm. Auf dem
Jugendherbergsschff Af Chapman
hatte wir uns schon vor Monaten
angemeldet. Ein zweimaliger
Versuch, beim Arbeitsamt einen
Studentenjob zu bekommen, scheiterte.
Nach einem Besuch von Gamla Uppsala und Sight-Seeing in Stockholm ging es mit der Bahn
südwärts: Norköping-Malmö-Helsingborg. In Kopenhagen musste Tivoli sein und die kleine
Meerjungfrau. Und das Widerstandsmuseum. Im Reiterhof Brandner besuchten wir Gudrun
und halfen drei Tage als „Pferdepfleger“.
In Mönchen-Gladbach besuchten wir Jacks Freundin. Generalüberholt und gereinigt ging es
mit ihr dann nach Tübingen.
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Spanienfahrt
Im September 1963 ging es mit Jack und seinem Käfer nach Spanien:
.Basel, Clermont, Bordeaux, Bayonne, Biarritz, Bilbao, Santander, Ebrotal, Burgos, Palencia,
Valladolid, Segovia, El Escorial, (Campinghäuschen), Valle de los Caidos, Madrid,
Campingplatz Osuna, Aranjuez, Toledo (Campingplatz), Andalusien, Cordoba, Sevilla
(Geralda), Jerez, Puerto Real (Campingplatz mit Schwimmbad), Cadiz, Tarifa, Algeciras
(Camping), zu Fuß nach Ceuta, Tetuan, Kasbah, Gibraltar, Costa del Sol, Marbella (Camping
direkt am Meer mit Blick nach Afrika, abends Guardia Civil am Strand) Stierkampf in
Fuengerola, Malaga, Granada, Alhambra, Generalife, Guadix-Höhlen, Murcia, Alicante,
Valencia, Tarragona, Barcelona (Barro gotico, Kolumbussäule, Sagrada familia) Montserrat,
Nimes, Valence, Genf (6400 km, 68 Liter Wein).

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Vom Franco-Spanien hatten wir so 79
gut wie keine Ahnung und wunderten
uns, dass wir mit der Guardia Civil in
Konflikt kamen, weil auf dem Heck
des Autos unsere Route auf einer
Spanienkarte eingezeichnet hatten, auf
der wie Spanien als Stier mit zwei
Hörnern „verziert“ hatten. Am Strand
in Marbella liefen sie bis spät in die
Nacht Doppelstreife mit ihren
seltsamen Dreispitz-Hüten (tricornio).
In Spanien gab es damals eigentlich
nur Touristen an der Costa Brava. In
Marbella war die Costa del Sol noch
fast unbebaut und wir konnten direkt
am Meer zelten. Selbst in den
heutigen Highlights wie Sevilla,
Granada, Alhambra oder Barcelona
waren wir oft die einzigen
Touristen. Auf der Reise trafen wir
mehrfach die gleichen Mannheimer
Studenten
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Examen Deutsch als wissenschaftliches Beifach
Im Januar und Februar 1964 habe ich dann sehr systematisch auf Examen gelernt. Um dem
Haustrubel zu entgehen, war ich im Wintersemester 1963/64 zu Fräulein Merz in den
Johannesweg 11 gezogen. Vermittelt hatte die Bude im ersten Stock Tante Fränze, die aus
ihrer großbürgerlichen Wohnung in der Christophstraße in den Johannesweg gezogen war.
Fräulein Merz ist die Tochter von Karl
Merz (1869 bis 1950 in Tübingen), einem in
Tübingen tätigen deutschen Bildhauer.
Karl Merz ließ sich nach der Ausbildung an
der Kunstgewerbeschule Stuttgart und
der Akademie der Bildenden Künste
München sowie einem Studienaufenthalt in
Italien in Tübingen nieder, wo er von der Stadt
eine Stelle als Zeichenlehrer an der
Oberrealschule (heute Wildermuth-
Gymnasium) erhielt und ein eigenes
Kunstatelier in der Tübinger Karlstraße betrieb.
Sein wohl bekanntestes Werk ist die Figur der
Nymphe aus weißem toskanischem Marmor
aus dem Jahr 1910 im Park am Anlagensee in
Tübingen, die heute ein wenig versteckt, weil
in dicht bewachsener Umgebung, romantisch

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an einer Schleife des Mühlbachs steht. Sie war
ursprünglich auf einem höheren Sockel Teil
des steinernen Brunnens, der sein Wasser vom
nahegelegenen Lützelbrunnen erhielt.
Eines seiner Werke ist die Plastik „Die Reue“
(vielfach ausgezeichnet, auch auf
der Weltausstellung in St. Louis, Missouri,
1904), heute im Lenbachhaus in München.
Tante Fränze bekam die Wohnung wohl auch,
weil sie bereit war, diese riesige Plastik, die sie
„die Heulere (die Weinende)“ mit einem
weißen Tuch bedeckt in ihrem Schlafzimmer
stehen zu lassen.
In Fräulein Merz´ Haus war eine lustige Studentenmannschaft versammelt, die über eine
Telefonanlage miteinander kommunizierte und häufig bei Tante Fränze zum Essen eingeladen
war. Einer der eher „ewigen“ Studenten war
Ulrich Fahrenbruch, der 1967 - 1987 OB in
Öhringen war, ein anderer war der Fagottist
Wartmann, traumatisiert, weil bei der
Bombardierung Dresdens verschüttet wurde. Er
hatte die Telefonanlage installiert und legte für
mich Renaissancemusik auf. Da hörte ich zum
ersten Mal Palestrinas Missa Papae Marcelli und
war fasziniert.
Ich ging jeden Tag ins deutsche Seminar im
Hegelbau und las mich durch die deutsche Literaturgeschichte. Im März war dann die
schriftliche Klausur und im Mai die mündliche Prüfung. Angemeldet war ich mit den Themen
Parzival, Wagner und Künstlerroman bei Wolfgang Mohr und Klaus Ziegler. Da Ziegler dann
ein Auswärtssemester hatte, wurde ich zu Brinkmann verschoben, der damals bei Flaadts
(meiner Großtante Maja, geb. Mall) 11in der Neckarhalde wohnte. Er war mit meinen
Leistungen nicht einverstanden. Mohr hat mich wohl gerettet. Wie damals üblich bekam ich
eine 2/3.
Klaus Ziegler studierte 1933 in Göttingen und war Vorsitzender der „Sozialistischen
Studentenschaft“ und aktives SPD-Mitglied. Nach der Machtergreifung vom 30.
Januar 1933 wurde er von der Hochschule relegiert. Ziegler trat 1933 in die SA und
1937 in die NSDAP ein.[1] Am 8. Februar 1938 wurde Ziegler mit der
Dissertation Mensch und Welt in der Tragödie Friedrich
Hebbels promoviert.[2] Ziegler war ab 1942 Assistent und ab 1944 Dozent für
Deutsche Sprache und Literatur an der Reichsuniversität Straßburg. Über den mit ihm
seit seiner Studentenzeit befreundeten Adam von Trott zu Solz stand Ziegler im
Kontakt mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus. In der Endphase des
Krieges wurde er in Straßburg wegen regimekritischer Äußerungen denunziert. [3]
Nach der Befreiung des Elsaß 1944 ging er 1945 als Dozent zur Georg-August-
Universität Göttingen. Dort wurde er 1950 zum außerplanmäßigen Professor ernannt.
Von 1955 bis 1974 war er Ordinarius für Deutsche Sprache und Literatur an
der Eberhard Karls Universität Tübingen in Tübingen.
Richard Brinkmann (1921 bis 2002) gebürtig aus Elberfeld, widmete sich nach
dem Abitur den Studien der Kunstgeschichte, der Klassischen
Philologie, Philosophie sowie Theologie, bis er 1940 als Soldat zum Kriegsdienst
im Zweiten Weltkrieg eingezogen wurde, wobei er an der russischen Front schwer
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verwundet wurde – er erlitt einen Schädelbruch und verlor seinen rechten Arm. Nach
seiner Genesung nahm er seine Studien wieder auf, sattelte aber bald zum Studium der
Germanistik um.
1948 promovierte Brinkmann zum Dr. phil., 1955 habilitierte er sich an
der Universität Tübingen. Dort übernahm er 1958 die Professur für Neuere deutsche
Literaturwissenschaft, die er bis zu seiner Emeritierung 1986 innehatte. … 1956 bis zu
seinem Tod war er Mitherausgeber der Deutschen Vierteljahrsschrift für
Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte.

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Franz Flaadt (1900 –1973) war Redakteur der "Rottenburger Post“.
Musikhochschule Stuttgart
Der Abschied von Tübingen 1964 fiel sehr schwer. Ich zog also wieder zu meiner Mutter nach
Maichingen, kaufte mir eine Dauerkarte im Sindelfinger Freibad und schwamm täglich 20 bis
24 Bahnen. Das Freibad war in zweijähriger Bauzeit für 10 Mio. DM als „Waldfreibad“
gebautt und am 27. Juni 1964 eröffnet worden. Ich war fit und wog 68 kg.
Ab 12.5. machte ich ein sog.
Vorsemester an der Staatlichen
Hochschule für Musik und
darstellende Kunst in Stuttgart.
Am 1.10.1964 war
Aufnahmeprüfung. Die Noten:
Klavier ¾, Gehör 3, Gesang 2.
Am 17.10. kam der Steinway-
Flügel. Onkel Hans (Koch) war
als Vertreter von Scheer
(Holzbearbeitungsmaschinen) mit
dem Chef von Steinway Hamburg
befreundet und bat ihn, mir einen
gebrauchten Flügel zu verkaufen.
Ich war gerade in Groß-Felda und
trampte von dort nach Hamburg.
Ich kaufte einen Flügel Baujahr
1928, der vollständig überarbeitet
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nach Maichingen geliefert wurde,
für 7100 DM.
Klavier bei Gerd Lohmeyer,
Musikwissenschaft bei Karl
Komma, Tonsatz bei Peter
Rummenhöller, Gesang bei
Sihler, Dirigieren bei Hans
Grischkat, nebenbei Orgel bei
Victoria Renz.
1966 machte ich in den
Semesterferien ein vierwöchiges
Volksschulpraktikum in
Sindelfingen.
Vor einiger Zeit besuchte mich Norbert Locher. Er erzählte von einem Klavier-
Preisträgerkonzert 1968 an der Muho, bei dem der Pianist dem Großen Senat einen
Trauermarsch widmete im Gedenken an den Skandal meiner Gesangsprüfung. Davon wusste
ich nichts.
Ich hatte ja als AStA-Vorsitzender im WS 1967 bei der Immatrikulationsfeier nach Erfurth
geredet und u.a. sein „Sie sollen sich an der Hochschule wohlfühlen“ (relativ harmlos)
aufgegriffen und gesagt, dass das bei der derzeitigen Raumsituation nicht ganz einfach sei und
der 2. Bauabschnitt dringend gebraucht würde.
Außerdem mahnte ich einen größeren Praxisbezug der Studiengänge an.
94

Erfrurth forderte danach „Genugtuung“ von mir, und Komma griff mich öffentlich in seiner
Vorlesung an. Eine Exmatrikulation blieb aus, dafür ließen sie mich kurz darauf im Examen in
Gesang durchfallen. Unterstützung kam damals sehr deutlich von Muff-Stenz und etwas von
Grischkat.

Dieter Reininghaus schrieb mir 2020:


Die Vollversammlung des MuHo-AStA beschloss am 16. Juni 1971, das Prüfungsfach
Volkslied, bzw. Volksliedkunde zu boykottieren. Im Aufruf heißt es:

Das Volkslied, das Lebenssinn und Bindung an die Gemeinschaft stiften soll, baut eine
Scheinwelt auf, die die Wirklichkeit harmonisiert anstatt sie zu analysieren. Die Kritik am
Fach, die Gemeinschaftsideologie, das mit Nationalismus befrachtete Kulturgut, diese Kritik,
die von fast allen Kräften hier geäußert wurde, ist bis jetzt noch ohne Konsequenzen
geblieben. Die Volksliedkunde, deren ideologischer Charakter seit der Jugendmusikbewegung
jedermann offenkundig ist, wird als erstrebenswerter Bildungsinhalt hier im Hause weiterhin
am Leben erhalten.
Kommilitonen, wenden wir uns endlich gegen die unreflektierte Aufrechterhaltung dieser
überlebten Praxis! [...] Boykottieren wir das Prüfungsfach Volksliedkunde. Handeln wir
gemeinsam und solidarisch, damit die Verweigerung dieser anachronistischen
Prüfungsinhalte nicht auf dem Rücken einzelner ausgetragen wird!
2. Ball: Der unmittelbare Vorgänger als AStA-Vorsitzender war Christian Ball. Er hat um
1970 das Schulmusikexamen abgelegt und für dieses eine brauchbare Wissenschaftliche
Hausarbeit zur Musikalischen Jugendbewegung vorgelegt (ich müsste sie im Keller-Archiv
suchen). Er ging dann mit Marianne Havran (Schulmusik, Hauptfach Geige) nach Berlin (dort
geigt sie heute noch in einem Liebhaberorchester). Ball studierte (wie meine damalige
Lebenspartnerin und heutige Ehefrau) am Psychologischen Institut der FU bei Holzkamp.
M.W. war Ball zeitweise als Funktionär des KBW unterwegs. Er hat mich 1977 in dieser
Funktion einmal auf dem Trottoir angepöbelt, als ich zum Büro der Sozialistischen Zeitschrift 95
für Kunst und Gesellschaft (K&G) in der Muskauer Straße ging, wo ich gerade das Bloch-
Heft redigierte: „Na, du Parasit!“ – ich solle an der Seite der Arbeiterklasse kämpfen und
nicht unnötig Papier verschwenden (da hatte er ja nicht ganz unrecht☺– habe nach der
Einstellung der Zeitschrift zwei Paletten unverkäufliche Exemplare zur Deponie gefahren).
4. Gerstenberg und Bernhard Benedikt Meier – habe auch bei beiden mehrere Seminare
absolviert, mich 1971 aber von Ulrich Siegele prüfen lassen. Dass Gerstenberg aktiver Nazi
war, wurde 1967 am Institut jedem Novizen hinter kaum vorgehaltener Hand kommuniziert –
aber man solle das Maul halten, wenn man überleben wolle. Dass in den Sammelbänden
allemal die Heine- und Mendelssohn-Lieder mit der Rasierklinge entfernt worden waren und
die Bibliothek durchgestempelt war (Judensterne hinter oder über den einschlägigen Namen)
ist mir nicht entgangen. Habe den Umstand allemal erwähnt, wenn ich über ein
entsprechendes Thema schrieb oder später als „Zeitzeuge“ befragt wurde (siehe u.a.:
Statements und Diskussionsbeiträge in Wolfgang Auhagen u.a. (Hg.) Musikwissenschaft –
Nachkriegskultur – Vergangenheitspolitik, Olms 2017; S. 67f., 136, 139, 283-286, 294, 298,
304, 306, 313f.)
5. KPD/AO. Ich gehörte – zusammen u.a. mit dem (stramm kommunistisch organisierten)
Filmwissenschaftler Klaus Kreimeier, dem schon leise am KSV zweifelnden
Leitungsgenossen und Germanisten Rüdiger Safranski sowie Volkmar (von) Braunbehrens
(dem Erben eines großen Rüstungsbetriebs mit schlechtem Gewissen) 1973 zu den Urhebern
der Initiative Sozialistischer Kulturschaffender (ISK; später VSK), die auch formeller
Herausgeber von K&G wurde. Jürgen Flimm und andere Jusos waren eine zeitlang Mitglied
des Kölner Ortsvereins, in Essen Leute von der KPD/ML um den Komponisten Gerhard
Stäbler, in Gießen und Frankfurt KBW-Sympathisanten, in München Schwabinger Schickeria
mit bajuwarisch-radikalem Wortschatz. Und in Stuttgart der Saxophonist Büdi und dessen
Kumpel auf dem schwäbischen Weg zu einem Maultaschen-Sozialismus.
Diese ISK sollte ein „Sammelbecken“ gerade auch für „heimatlose Linke“ werden und
entstand auf Anregung von Bruno Salzmann, der als Peter Neitzke (neben Christian Semler
und Jürgen Horlemann) 1970 der dritte Gründer der KPD/AO war und für diesen guten
Zweck sein großbürgerliches Wohnzimmer zu Verfügung gestellt hatte (1974 aber wurde er
als Rechtsabweichler und bürgerliches Element ausgeschlossen). Ich war mit Neitzke bis zu
seinem Tod am 15.3.2015 befreundet (komponierte/realisierte auch die Musik zu drei seiner
Filme). Habe einst seine Anregung ernsthaft berücksichtigt, dass „linksbürgerliche Elemente“
(wie ich) mit denen, die da fortdauernd eine kommunistische Partei aufbauen wollten,
zusammenarbeiten sollten (darin übrigens auch von Karola Bloch bestärkt, die nach dem Ende
von VSK und K&G Herausgeberin der Nachfolge-Zeitschrift Spuren wurde).
Daher bin ich „Bündnispartner“, Autor der ARD-Anstalten bzw. des DLF und Fahrer einer
schweren Limousine geblieben – und weder der KPD/AO bzw. KPD noch Vereinen wie der
Liga gegen den Imperialismus beigetreten. Allerdings habe ich nicht nur zusammen mit
meiner Lebensgefährtin/Ehefrau das Rote Signal als Arbeiterkapelle gegründet (es gab ein
oder zwei KPD-Mitglieder in dieser Truppe), sondern auch auf dem Höhepunkt der
Auseinandersetzungen um das Kinderkrankenhaus bzw. Künstlerzentrum Bethanien (in
falscher Einschätzung der politischen Kräfteverhältnisse) zusammen mit dem längst an der
Burg spielenden Schauspieler Michael König auf einer „Bündnisliste“ der KPD 1975 für die
Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus kandidiert – direkt gegen den Regierenden
Bürgermeister Klaus Schütz; konnte aber nur knapp 2 % der Stimmen in „meinem“ 96
Neuköllner Wahlkreis „einfahren“ (trotz der Wahlkampfhelferin Antje Vollmer); also
begriffen, dass ich zum Politiker wenig tauge und tunlichst die journalistische Tätigkeit
forciere.

Musikhochschule Stuttgart vor und nach 1945


Zwei Rektoren waren PGs der ersten Stunde:
Hermann Erpf (Rektor 1942 bis 1945 und 1952 bis 1956; NSDAP 1.5.1933),
Hermann Reutter (Rektor 1956 bis 1966; 1937 Mitglied der Preußischen Akademie der
Künste, NSDAP 1.5.33)
Arno Erfurth (Rektor 1956 bis 1973; ab 1942 Lehrer, ab 1943 Prof an der Stuttgarter MuHo),
war vermutlich kein PG.
Über Hermann Keller ist bei Prieberg nur zu finden, dass er in einem Referat César Francks
deutsche Abstammung nachzuweisen versuchte.
Zitate aus Fred K. Prieberg, Handbuch Deutsche Musiker 1933-1945

Erpf, Hermann
Pforzheim, 23. April 1891 - Stuttgart, 17. Oktober 1969. Dr. phil. Leipzig 1914 (Der
Begriff der musikalischen Form), Schüler von H.Riemann; Musikpädagoge, zunächst
ab 1927 Direktor der Musikabteilung der Folkwang-Schule Essen, 1935-43 deren
Direktor; 1943-45 Direktor der Musikhochschule Stuttgart. Nach 1945 hier 1952-56 in
gleicher Funktion, dann i. R.
W e r k e: u. a. Betrachtungen und Studien über zeitgenöss. Musik; Klavierstücke;
Festliche Fantasie nach Samuel Scheidt für Orchester; "Lieder der Treue" für MCh
und Bläser; zwei Streichquartette; Capriccio für Violine solo und Handharmonika-
Orchester (Trossingen, 1944).
NSDAP seit 1/V/33, Nr. 2.914.988.
2. Juni 1938: "(...) Gestern sprach der Leiter der Folkwangschulen Essen Dr. Erpf bei
mir vor und teilte mir mit, dass er in der Ausstellung >Entartete Musik< aufgeführt sei.
Da Dr. Erpf als Leiter der Folkwangschulen Essen in einer sehr exponierten Stellung
steht, ist es für ihn und vor allem auch für die Schule von grossem Schaden, wenn
seine Aufnahme in die Ausstellung zu Recht besteht.
Gegen die Kompositionen von Erpf ist der Vorwurf der Entartung nicht erhoben
worden. (...)" (RMVP, Abt. M, an RPA Essen, 20/VI/38. Quelle: BA R 55/ 20592. Blatt
65 RS). Erinnerung, zurechtgebogen, 1963:
"(...) Auf der Ausstellung >Entartete Musik<, Düsseldorf 1937 (?), befand sich ein
besonderer Glaskasten mit drei Büchern, säuberlich chronologisch angeordnet:
Schoenberg: >Harmonielehre< 1911
Erpf: >Studien zur Harmonie-und Klangtechnik der neueren Musik< 1927
Hindemith: >Unterweisung im Tonsatz< 1937.
Da die ganze Ausstellung von der NS-Presse ausführlich unter Nennung aller Namen
besprochen wurde, war ich von diesem Zeitpunkt ab als Komponist abgemeldet. In
meiner Stellung als damaliger Direktor der Folkwangschulen Essen konnte ich mich
nur halten, weil der Oberbürgermeister Dr. Reismann-Grone, sich nicht dreinreden
ließ" (Erpf an Fred K. Prieberg, 14/IX/63).
Pg. Erpf wurde auch nach der Ausstellung von 1938 ungehindert aufgeführt, da der
zuständige Minister Dr. Goebbels die Motive der Ausstellungsgestalter durchschaute
97
und die Presse bremste; im übrigen ging es nur um das Buch, nicht um Musik.

Reutter, Hermann
Stuttgart, 17. Juni 1900 - Stuttgart, 1. Januar 1985. Sohn eines Fabrikanten; Schüler
von W. Courvoisier, Musikpädagoge, 1933 Kompositionslehrer an der
Musikhochschule Stuttgart, 1936-45 Direktor des 1938 enteigneten und zur
Musikhochschule hochgestuften Hochschen
Konservatoriums in Frankfurt. 1936 Professor. Er erhielt 1942 den Schwäb.
Komponistenpreis.
Ab 1945 freischaffender Komponist in Stuttgart, 1956 Direktor der dortigen
Hochschule für Musik,
NSDAP seit 1/V/33, Nr. 3.321.546. 1934 Mitglied des Großen Rats des Berufsstandes
der dt. Komponisten (RMK). 16. Juli 1937: Im Zuge der Umbildung der Preuß.
Akademie der Künste ernennt Reichsminister Rust u. a. H. Reutter zum ordentl.
Mitglied der Akademie.

19. Januar 1938, Minister-Kritik:


"Ich höre auf Schallplatten Musik von Reuter. Scheußlich und unerträglich. Den hat
Rust zum Direktor der Frankfurter Hochschule (Prieberg S. 5722)>
berufen. Ich werde das beseitigen" (Goebbels Tagebuch III, Eintrag vom 20/I/38. S.
408. Fehler im Original).
Wegen höherer Interessen blieb jedoch alles beim alten. Der Verlag registrierte z. B.
Abschlüsse für die bislang an mehr als zwanzig Bühnen aufgeführte Oper "Dr.
Johannes Faust" im Herbst 1939 noch in Magdeburg und Graz.
Mai 1938:
In der Ausstellung "Entartete Musik" in Düsseldorf ist Reutters Lehrstück "Der neue
Hiob" angeprangert.
Es handelte sich um Op. 37, Text von Robert Seitz, für 6 Männerstimmen und
2stimmigen Chor, 2 Klaviere, Violinen und Violoncelli, das bei der "Neuen Musik
Berlin 1930" als Experiment der - dann als "kulturbolschewistisch" verurteilten -
Rundfunkversuchsstelle unter Leitung von Paul Hindemith im Juni 1930 an der
Musikhochschule Berlin uraufgeführt worden war. Seitz hatte auch die Texte zum
Funkhörspiel "Orpheus 1930-31" und zum "Eisenbahnspiel", beide mit Musik von P.
Dessau, sowie zum Hörspiel "Sabinchen" und zum Kindersingspiel "Wir bauen eine
Stadt", beide mit Musik von P. Hindemith, verfaßt, die ebenfalls in der "Neuen Musik
Berlin 1930" erklangen. Der Zusammenhang von Experiment und jüdischen oder
"jüdisch versippten" Künstlern machte alle Beteiligten politisch verdächtig.

Schlechte Erinnerung, 1963:


"Inzwischen war Dr. Drewes (...) nach Beseitigung Raabes Präsident der
Reichsmusikkammer geworden und trieb als solcher, ein >echter Dunkelmann< jener
Zeit, hinter den Kulissen ein beträchtliches Unwesen, indem er Listen
>unerwünschter< Komponisten aufstellte, die den
Rundfunkanstalten, Konzertinstitutionen und Theatern zugeleitet wurden. Auf diesen
Listen war auch verständlicherweise mein Name vertreten. Mit der Verschlechterung
der deutschen Kriegslage traten natürlich allmählich diese geringeren Sorgen in den
Hintergrund, wenn ich auch durch meine GEMA-Einkünfte immer wieder schmerzlich
darauf aufmerksam gemacht
wurde, wie willkürlich dort die einzelnen Komponisten von den maßgeblichen
Parteibonzen eingeschätzt und behandelt worden sind, was nach Untergang des Dritten 98
Reiches sich sofort behob, als ich in die Reihe der führenden Komponisten
Deutschlands einbezogen wurde" (Hermann Reutter an Fred K. Prieberg, 20/II/63).
Dr. Drewes war Chef der Abt. M im RMVP, nie jedoch Präsident der RMK. Von ihm
existierten auch keine Listen unerwünschter Komponisten. Die STAGMA-Bewertung
von Werken - die GEMA existierte nicht mehr - R Handbuch Deutsche Musiker 1933-
1945 5724
folgte den Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan, also Punktzahlen für E und
U, und nicht der Willkür von Parteibonzen.
Geschichtsfälschung, 1985:
"1932 wurde er Kompositionslehrer an der Württembergischen Hochschule für Musik,
reiste dann als Pianist mit namhaften Sängern durch Europa und nach Übersee und
kehrte 1945 wieder als Professor für Komposition und Liedgestaltung nach Stuttgart
zurück" (Hermann Reutter gestorben. "Frankfurter Rundschau", 7/I/85. Nachdruck
einer Meldung der
Deutschen Presse-Agentur).
Die dpa-Meldung spiegelt dem Leser vor, Reutter sei nicht Hochschuldirektor in
Frankfurt, sondern emigriert gewesen; ausgerechnet die Redaktion der "Frankfurter
Rundschau" war so schamlos, dies ohne Richtigstellung nachzudrucken.

Erfurth, Arno
Pianist und Musikpädagoge, 1935-42 a. o. Klavierlehrer an der Musikhochschule
Berlin und freischaffend als Konzertpianist, ab 1/V/42 planmäßiger Hauptlehrer der
Musikhochschule Stuttgart, 1943 Professor. 1967-1973 Direktor der Musikhochschule
Stuttgart, dann i. R.
Kein Eintrag in ZKNSDAP. NS-Dozentenbund (im NSLB).
Komma, Karl Michael
Asch/ Böhmen, 24. Dezember 1913 - ?
Dr. phil. Heidelberg 1936 (Johann Zach und die tschechischen Musiker im deutschen
Umbruch des 18. Jahrhunderts); Musikwissenschaftler, Musikpädagoge, Komponist,
1936-39 an der Universität Heidelberg Assistent am mw. Seminar, 1940-45 Direktor
der Franz-Schubert-Musikschule (1943 Gaumusikschule) in Reichenberg, 1942 mit
dem von
Gauleiter Henlein gestifteten Ditters-von-Dittersdorf-Preis ausgezeichnet.
1945 Komponist und Archivar in Wallerstein über Nördlingen. Das Spruchkammer-
Urteil in Nördlingen vom 20/I/47 erklärte ihn als "vom Gesetz nicht betroffen". 1954
Dozent an der Musikhochschule Stuttgart, hier 1957 auch an der Technischen
Hochschule, ansässig in Reutlingen.
Er erhielt den Förderpreis des Sudetendt. Kulturpreises 1956, 1958 den Auftrag des
Kulturkreises im Bundesverband der Dt. Industrie zur Komposition einer
Psalmenkantate für die Uraufführung in der Kathedrale zu Reims und 1968 den
Johann-Wenzel-Stamitz-Preis aus Mitteln des Bundesvertriebenen-Ministeriums.
Wohnsitz (1990): Reutlingen, Ernst-
Reuter-Str. 6.
Kein Eintrag in ZKNSDAP oder NSLB. 1940 Städt. Musikbeauftragter i. V. für
Reichenberg. Leiter des Reichsverbandes für Volksmusik, Gau Sudetenland.
Komma arbeitete am Aufbau des sudetendt. Musikschulwesens führend mit und leitete
auch Musikschulungslager.
Keine Erinnerung, 1963:
"(...) meine gesamte Korrespondenz der Zeit vor 1945 ging am Kriegsende verloren.
So könnte ich Ihnen nur Anekdotisches (...) beisteuern, womit Ihnen nicht gedient 99
wäre. (...)" (K. M. Komma an Fred K. Prieberg, 28/VII/63).
Bescheid vom Bundespräsidialamt, 1989:
"Herr Professor Dr. Michael Komma aus Reutlingen ist für seine Verdienste im
kulturell-künstlerischen Bereich, die er nach Gründung der Bundesrepublik erbracht
hat, mit dem Verdienstorden ausgezeichnet worden. Das Staatsministerium Baden-
Württemberg hat aufgrund Ihrer kritischen Äußerung zu dieser Ordensverleihung die
Angelegenheit nochmals geprüft. Das Prüfungsergebnis bestätigt, daß Professor Dr.
Komma nach dem Bescheid der Spruchkammer Nördlingen vom 20. Januar 1947,
Nr.822, >vom Gesetz nicht betroffen< ist und daß beim Document-Center K Handbuch
Deutsche Musiker 1933-1945 3867
Berlin über ihn keine Unterlagen vorhanden sind. Mithin sind keine nachweisbaren
Punkte festgestellt worden, die gegen die Auszeichnungswürdigkeit von Herrn
Professor Dr. Komma sprechen"
(Bundespräsidialamt, Ordenskanzlei, an Max de Metz, Amsterdam, 17/VII/89. Quelle:
AP).
Mit dieser bequemen Argumentation ist jeder der vielen Förderer des NS-Regimes
ordenswürdig, wenn 1945 nur alles Belastende rechtzeitig zerstört war. Der
Ordensregen der BRD ging in der Tat wahllos über Täter und Opfer nieder.
Information: FA, KDMK (Komma unterschlug dem Herausgeber fast alle oben
genannten Titel), RML, LdCh, MGG (in dem von Komma selbstverfaßten
Namensartikel fehlen unter den "Gedr. Kompositionen" sein "Gesang zur Heimkehr"
und "Dem Führer").
Selbst das Grove Dictionary of Music and Musicians, Artikel Komma von Hans
Heinrich Eggebrecht, verschweigt das politische Engagement im Oeuvre des
Komponisten. und konzentriert sich auf Nachkriegswerke.
Grischkat, Hans
Hamburg, 29. August 1903 - Kemnat/ Esslingen, 10. Januar 1977. Musikpädagoge und
Chorleiter in Reutlingen, Organist der Nikolai-Kirche Reutlingen; Dirigent des von
ihm 1924 gegründeten Reutlinger Singkreises nebst Orchester, der Concordia
Reutlingen und Eintracht Pfullingen, 1931 Gründer und Leiter des Schwäbischen
Singkreises, dann auch des Grischkat-
Singkreises, in Stuttgart 1938 Leiter des gemCh und des Sinfonieorchesters der Firma
Robert Bosch; dann Kantor der Stuttgarter Erlöserkirche, 1942 KMD. Im Kriege
Gefreiter und Singegruppenleiter der Wehrmacht.
1945 Gründer des Schwäb. Sinfonieorchesters Reutlingen und dessen Leiter bis 1950;
1946 Lehrauftrag für Chorleitung an der Musikhochschule Stuttgart, 1950 Professor.
Er wurde 1965 ins Präsidium der Europäischen Föderation Junger Chöre gewählt.
Kein Eintrag in ZKNSDAP. 1936 Chorgauführer des Chorgaus 13 des RVgemChe
Deutschlands (RMK).

Klaus Peter Leitner (Hans Grischkat (1903–1977), Ein Bachinterpret der


Jugendmusikbewegung in Württemberg – eine Biographie. Dissertation. Hamburg 2000)
wusste, dass Grischkat im Kollegium keinen leichten Stand hatte und nicht nur wegen seines
jugendbewegten Schillerkragens und dem dazugehörigen Westle von manchen belächelt
wurde.
„Seinen »geschützten Status« bezog Grischkat aus der Tatsache, dass er am 12. September
1950 (anlässlich des Bachfestes 1950 in Stuttgart mit der Uraufführung der Kantate »Vom
Reiche Gottes«) vom württembergischen Kultusminister zum Professor ernannt wurde. Wohl
im Umfeld dieser Ernennung entdeckte die Verwaltung, dass Grischkat den Diensteid auf die 100
Verfassung Württemberg-Badens von 1946 noch nicht geleistet hatte. Ein von Grischkat
Anfang 1959 gestellter Antrag auf Verbeamtung wurde von der Hochschule allerdings
abgelehnt. Er blieb Angestellter und als solcher Vertrauensmann der angestellten Lehrkräfte
der Hochschule.“

Jürgen Uhde (* 1913 in Hamburg; † 1991 in Bad Soden am Taunus) Pianist,


Klavierpädagoge und Musikschriftsteller, war Professor für das Fach Klavier an der
Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart.
Er unterrichtete ab 1938 an der „NS-Kaderschmiede“ Musisches Gymnasium in
Frankfurt. An dieser Napola-Schule waren als Schüler u.a. Clytus Gottwald (später
SDR und ab 1960 Schola cantorum Stuttgart), Hans Clarin (Schauspieler v.a. in
München und Synchron-Sprecher, u.a. Pumuckl), Dieter Loskant
(Musikwissenschaftler in Saarbrücken und Rektor der dortigen MuHo), Hans Drewanz
(ab 1957 1. Kapellmeister in Wuppertal; 1963–1994 GMD in Darmstadt und zugleich
ab 1984 Prof. an der MuHo Saarbrücken), Paul Kuhn (Bandleader und Pianist, v.a.
auch beim SFB), Gerd Lohmeyer (nach eigener Auskunft), Heinz-Klaus Metzger (!),
Hans-Joachim Rotzsch (Thomaskantor, Stadtverordneter und Stasi-Mitarbeiter), Horst
Stein (größere Dirigentenkarriere
im deutschsprachigen Raum),
Klaus Storck (Cellist), Wolfgang
Trommer (Nachfolger von Karajan
und Sawallisch als GMD in
Aachen). Ob
und wieweit diese Schüler
zusammen mit ihren Lehrern nach
1945 ein Netzwerk gebildet haben,
bleibt offen, auch ob Gerd
Lohmeyer seine Professur an der
MuHo durch die Vermittlung von
Uhde bekommen hat.

Von 1968 bis 1970 studierte ich


„nebenher“ wieder
Musikwissenschaft in Tübingen
und begann bei Gerstenberg mit
einer Dissertation, Thema „Das
Melodram bei Georg Benda“. Ich
habe das aber bald aufgegeben,
nicht nur weil die Quellenlage sehr bescheiden war.
Gleichzeitig war ich 9 Monate Lehrer an der neuen Jugendmusikschule in Herrenberg

101
(Klavier, Gitarre, Elementarlehre). Das Angebot von OB Schroth, dort die Leitung zu
übernehmen, habe ich ausgeschlagen, u.a. weil ich mich für 5 Jahre hätte festlegen müssen.
Auf den letzten Drücker habe
ich mich dann doch für das
Referendariat angemeldet,
nachdem Anneliese Aldinger
mich darauf hingewiesen
hatte, das schnell zu tun. Im
Schuljahr 1968/69 ging ich
dann an das Seminar I in
Stuttgart, Leiter Beilhardt,
ehemaliger Napola-Schüler,
Fachleiter Seez (Mu) Sedding
(D), Ausbildungsschule
Gymnasium Korntal, Mentor
Dangel, den ich an der MuHo
schon als Partiturspiel-Lehrer
genossen hatte. Er fragte
kritisierend: „Kommen Sie
jetzt immer mit der Gitarre?“
Eine meiner
Unterrichtstunden
wiederholte er, um der Klasse
zu und mir zu zeigen, wie es
richtig geht. Deutsch-Mentor
war Graf.
Danach Übernahme eines Musik-
Lehrauftrags am Schiller-Gymnasium
in Ludwigsburg. Der Unterricht fand
teilweise in der Volkshochschule statt,
ohne Tafel, ohne Klavier oder
Plattenspieler. Danach war ich am
Albert-Einstein-Gymnasium in
Böblingen. Dort drückten sie mir alle
5er-Klassen aufs Auge. Der Unterricht
fand teilweise in der Aula statt;
natürlich auch ohne Tafel usw. Nach
Fertigstellung des Otto-Hahn-
Gymnasium Böblingen kam ich mit
einem Teil des AEG-Kollegiums
dorthin. Da gab es erhebliche
Auseinandersetzungen mit dem
Schulleiter Hanig. Er ging z.B. zu
GEW-Veranstaltungen und
protokollierte, was ich dort sagte.
Wenn ich krank gemeldet war, rief er
bei mir an, um zu kontrollieren, ob ich
auch tatsächlich krank zu Hause wäre.

102
Im Sommersemester 1973 übernahm ich einen Lehrauftrag an der PH Esslingen, ab WS 1973
war ich 12 Semester dort als Assistent „Musik“.

Thesen und Forderungen zum Musikunterricht – Ein Flugblatt


und die Folgen
Bei einer Fortbildung des Verbands für Schulmusiker im November 1970 an der Stuttgarter
Musikhochschule verteilten Helmut Vogel und ich für die Fachgruppe Gymnasien in der
GEW ein „paper“ Thesen und Forderungen zum Musikunterricht, das erhebliche Folgen hatte.
Anregungen hatten wir von Eisler und Adorno.
Nachdem die Süddeutsche Schulzeitung schon einen Artikel von Gerd Schäfer abgedruckt
hatte, ging dort die Diskussion weiter. Im Juni 1971 hatte außerdem das bundesweit
erscheinende Elternblatt in einem kurzen Artikel „Musikunterricht soll kritisch werden“ die
SSZ zitiert hatte, die die Thesen abgedruckt hatte.
Thesen und Forderungen zum Musikunterricht. In: Süddeutsche Schulzeitung 1971. Heft 8.
S.149-151.
Thesen und Forderungen zum Musikunterricht III. In: Süddeutsche Schulzeitung 1971. Heft
13. S.247f.
Damals war die “Schulmusik” fest in der Hand des VDS, es gab personelle Verknüpfungen 103
mit der Musikhochschule Stuttgart, dem Kultusministerium und dem Verlag, der
Metzlerschen Verlagsbuchhandlung Stuttgart, bei der alle baden-württembergischen Musik-
bzw. Liederbücher verlegt wurden. Noch 1962 hieß es im u lb “Die Grundlage akller Musik
ist das (gesperrt) V o l k s l I e d.
Musiklehrer um sog. UII Bereich, als GHRS-Leher hatten ja nur eine PH-Ausbildung aund
waren eigentlich keine Schulmusiker. Sie organisierten sich im Arbeitskreis für Schulmusik
und allgemeine Musikpädagogik e. V. (AfS, gegründet 1953).
Erst 2015 fusionierten die beiden, vorher z.T. „verfeindeten“ Verbände im Bundesverband
Musikunterricht BVM.
Die beiden Schulbücher Sequenzen (Klettverlag, ab 1972) und Musik Aktuell (Bärenreiter)
kamen nicht von VDS-Mitgliedern. Sie wurden in Baden-Württemberg bpykottiert (s. u.).
In Baden-Württemberg allerdings hatte ich mir Feinde gemacht. Meine Verlängerung an die
PHE wurde vom KM nicht erlaubt, und ich kam gegen meinen Willen nach Herrenberg.
Für mich bedeutete die Auseinandersetzung, dass ich außerhalb der VDS-Klientel
wahrgenommen wurde. Das Oberstufenkolleg Bielefeld bot mir eine Stelle an und vielleicht
war mein „Ruf“ an die PH Esslingen auch eine Folge. Prof. Fuchs (PH Karlsruhe) fragte
mich, ob ich mich an der PH KA bewerben wolle.
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Besonders heftig war die Reaktion des Vorsitzenden der LAG Musikerziehung und
Musikpflege BaWü Paul Wehrle, der in seiner Polemik gar nicht merkte, dass ich zwar an der
PH arbeitete, aber ein „normaler, Vollakademischer“ Schulmusiker war.
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PH Esslingen
Reinhard Samesch, mit dem ich zusammen Tanzmusik machte (bis 2011 Rektor der
Rappenbaumschule Dagersheim), fragte mich im Herbst 1972, ob ich an die PH Esslingen
kommen wolle. Er war da im AStA. Die Musik-Professorin gehe vorzeitig in Ruhestand.
Ich wurde dann zu einer „Fragestunde mit Studenten“ am 29.11.1972 eingeladen. Sie wollten
jemanden, der den Bereich Pop/U-Musik/Jazz und Musiksoziologie abdecken sollte.
Im Sommersemester 1973 hatte ich dann neben der Schule einen Lehrauftrag in Esslingen.
Ich besuchte den zweiten Musik-Prof. Wiemer in Aichschieß und stellte mich vor. Von Peter
Rummenhöller ließ ich mich beraten.
Ab Wintersemester 1973/74 war ich dann in der Schule beurlaubt und als Assistent an die
PHE „ausgeliehen“, von A 14 auf A 13 zurückgestuft. Aus dem ehemaligen PI in der Altstadt
zogen wir auf die neue PH auf dem Berg (Flandernstraße). Die Fachschaft Musik war im
Untergeschoss. Ich hatte ein eigenes Zimmer mit Telefon. Mein Lehrauftrag waren 16
Wochenstunden. Neben den „basics“ (Musiktheorie, Harmonielehre usw.), konnte ich mir
mein Angebot selbst regeln, meist VÜ>Vorlesungsübingen. Beim Hochschultag am 30.9.1973
machte ich mit Reinhard Samesch am Marktplatz Esslingen eine elektronische Live-Session,
die bei Teilen der Zuhörer Missfallen hervorrief.
Ab WS 73/74 war ich in verschiedenen Prüfungskommissionen, gab F-Scheine aus und
betreute Zulassungsarbeiten. Donnerstags gab es das fachdidaktische Seminar, bei dem die
Studenten in umliegende Grund- und Hauptschulen gingen

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Es war gerade die „heiße Zeit“ an den pädagogischen Hochschulen. Eine GEW-
Hochschulgruppe wurde gegründet (1.7.1974). Das Zweite Gesetz zur Vereinheitlichung und
Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (2. BesVNG, 23.5.1975) brachte
einschneidende Änderungen. PH-Stilllegungen waren geplant, Lehrernichteinstellungen
standen an. Es gab Vollversammlungen, Streikversuche, Veranstaltungen zum Berufsverbot.
Trotzdem ging es lustig zu. Vorlesungen fanden manchmal in der Kneipe Vier Peh statt, so
z,B, die mit Zupfgeigenhansel und Terry Wynne.
Schließlich verhinderte das KM meine weitere Verlängerung. Ich wurde nach Herrenberg
versetzt. Zuerst machte ich noch 4 Stunden an der PHE und 12 Stunden am AGH. Das
Angebot, einen Lehrauftrag an der PHE zu übernehmen, lehnte ich ab.
Die PHE wurde im März 1984 geschlossen.

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Radtouren

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Auch bei den Radtouren musste bei den
Übernachtungen gespart werden. Meist gingen wir
in Jugendherbergen, in die man damals übrigens
noch nicht mit dem PKW durfte.
Vom 8.4. bis 15.4. 1957 ging es mit Herbert
Dickmann
und Gudrun
mit dem
Rad an den
Bodensee,
in
Geislingen
besuchten
wir Tante
Gudrun
(Ärztin)
und Tante
Emilie, die
Frau von
Kurt
Löffler, in
Dornstadt
übernachteten wir in der Raststätte. Dort war Tante …
so was wie die technische Leiterin. Über Ulm,
Ravensburg und Weingartenging es nach
Friedrichshafen, wo wir in der Jugendherberge
übernachteten. Bei Müllers in Fischbach (dem Jugendhilfe Land-Heimleiter in Bermatingen)
machten wir Station. Bei der Rückfahrt besuchten wir in Stockach Tante Friedel (Papier-Fritz,
Hauptstr.36.) Weitere Übernachtungen gab es in den Jugendherbergen Balingen und
Tübingen.
1958 mit Gudrun durch Deutschland, drei Wochen 2000 km

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1958 ging die Osterfahrt der


Maichinger Jungschar nach
Aalen. In der Jugendherberge
Aalen, lernten wir eine britischen
Mädchengruppe kennen, die
besonders unser Lied „Unterm
Dach juhe“ immer wieder hören
wollten. Mir hatte es die hübsche Janette Measores angetan. Als die Gruppe nach Stuttgart
kam, begleiteten wir sie zur Besichtigung des im Februar 1956 eingeweihten Fernsehturms.
Im Herbst 1961 besuchten wir, Gudrun, ihre Freundin Nesse und unsere Mutter bei einer
Englandreise Janette in ihrem elterlichen Cottage in Arnesby bei Leicester. (s.u.)

1959 fuhr ich in den Osterferien mit Gerry (Gerhard Heinz) bis Düren, wo er Verwandte
hatte.
In Airlenbach übernachteten im Heim, der Jugendhilfe Land (Heimleiter Uhl). Über Erbach
und Mittelsatdt (Rathaus) ging es nach Kilianstädten, heute ein Ortsteil der Gemeinde
Schöneck im osthessischen Main-Kinzig-Kreis, zu Verwandten von Gerry. Von dort nach
Frankfurt-Eschersheim, wo Bekannte von Gerry wohnten; dann den Rhein abwärts und
schließlich nach Düren zu Gerrys Bäsle,
wo ich zum ersten Mal Fritten aß. Durch
die Eifel, über die Mosel, Saar, Lothringen
und Straßburg schließlich zurück.

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Ziemlich beste Freunde
In der Ellwanger Volksschule war ich mit Rainer Behrend befreundet. Sein Vater war
Zahnarzt; die Familie wohnte in einem Einfamilienhaus bei der St. Wolfgangskirche. Nach
unserem Umzug nach Cannstatt haben wir uns aus den Augen verloren. Irgendwann suchte
ich bei einer Fahrt nach Ellwangen den Kontakt. Er war inzwischen auch Zahnarzt geworden.
Auch die Freundschaften in Cannstatt waren wegen unseres Wegzuges nach Maichingen nicht
von Dauer. Schulfreunde waren Klaus Felten und
Eberhard Schaaf, die in der Nähe wohnten und
Herbert Dickmann, dessen Familie aus Franken
hergezogen war und in der Zuckerfabrik wohnte.
Herbert Dickmann wurde Architekt. Er hat u.a. an der
Renovierung der Herrenberger Stiftskirche
mitgewirkt und uns bei der Renovierung unseres
Bauernhauses beraten.
Mein Nebensitzer am JKG, Stephan Heinrich
(Röntgenarzt in Stuttgart) hat mich 2016 in Haslach
besucht. Er war mit Gudruns Freundin und
Klassenkameradin Sabine de Werth im Cannstatter
Mädchengymnasium befreundet, die da gerade ihre
Memoiren geschrieben hatte. (Sie war in der Schule
eine begnadete Sängerin und Schauspielerin u.a. in
Mozarts Bastien und Bastienne und Das Bandel,
Telemanns Schulmeisterkantate, die im Cannstatter
Kursaal aufgeführt wurden).
!956 lernte ich bei einer Jungscharfreizeit Janette 122
Measores (s. o.) kennen. Die entstehende
Brieffreundschaft hat wohl meine Englischkenntnisse verbessert.
In Maichingen war ich mit Siegfried Schaal befreundet. Wir gingen zusammen in die
Jungschar und waren dort wohl auch Leiter. Sein
Vater war der Maichinger Pfarrer.
Mit ihm war ich im Allgäu und am Ruhestein
und anderswo zum Skifahren und 1970 in
Florenz.
Musik machte ich in Maichingen mit Gerry
(Gerhard Heinz).
In den Sommerferien 1959 fuhr ich mit Gerry
(Gerhard Heinz) mit dem Rad zum Bodensee. Im
Jugendhilfe-Land Heim in Bermatingen
(Heimleiter Müller) lente ich die zwei Jahre
ältere Bärbel Arand aus Berlin kennen, die mit
ihrem Bruder dort zu Besuch war. Ich verliebte
mich in sie und besuchte sie im Rahmen einer
Berlinfahrt der VHS Böblingen im Sommer
1960. Wir gingen ins Riverboat und in die
Eierschale am Breitenbachplatz. Bei ihr zu
Hause in der Brentanostraße habe ich u.a.
Gitarre gespielt. Es wurde eine
Brieffreundschaft, die irgendwann zu Ende ging.
Die Erinnerungen, v.a. an das damalige West-
Berlin blieben.
Schulfreunde waren dann am Goldberg-Gymnasium v.a. Jack Leibfried (s. o.) und Gerhard
Henkies.
Helga und Heidi waren Freundinnen, die ganz in der Nähe von Leibfrieds wohnten. Helga
war Jacks Freundin und Heidi meine. Das war ganz praktisch.

Mit Bernhard Binkowski, ab 1963 Professor und Dekan der Abteilung Schulmusik der
Musikhochschule Stuttgart und später Prorektor der Hochschule machten wir
Schulmusikstudenten am 12.11.1964 einen Ausflug, bei dem ich Frauke Schneider begegnet
bin. Frauke wirkte dann u.a. als Sängerin am 18.12.1965 bei einer Betriebs-Weihnachtsfeier
im Holzwurm in Holzgerlingen mit. (Sh. Füße im Feuer). Wir waren mal zum Skifahren am
Ruhestein und in Schuls-Tarasp.

Meine Gesangsprofessorin
an der MuHo Sihler fragte
mich, ob ich ihre Schülerin
Irmtraut Ebert bei der
Gesangsprüfung begleiten
könnte. Ich sagte zu und
übte mit ihr zum ersten Mal
am 30.6. 1966 (Da unten im
Tale, Wie mit innigtsem Behagen, Schemelli: Der lieben Sonne Licht und Pracht). Am 14.7.
war dann ihre Gesangs- und am 18.7. ihre Sprecherziehungsprüfung.
1968 trafen wir uns ) am Plattensee. Sie war auf
der Rückreise einer Tour in den Osten mit ihrer
Freundin Bärbel.
123
Gäubote 05.09.2018
"Hätten nicht gedacht, dass sie so brutal
vorgehen"
Geschichten aus der Geschichte: Der
Haslacher Volker Mall wird zufällig Zeuge,
wie dem Prager Frühling ein Ende bereitet
wird
Vor 50 Jahren ging der "Prager Frühling zu
Ende". In der Nacht vom 20. auf den 21.
August 1968 marschierten sowjetische
Truppen in die tschechoslowakische
Hauptstadt ein. Der Herrenberger Volker
Mall war damals zufällig mit dabei. Der
Zeitzeuge erinnert sich ein halbes
Jahrhundert zurück. An seinen Urlaub am
Balaton, den Aufenthalt in Prag und die
überstürzte Abreise.
Anke Kumbier
Im Januar 1968 hielt Volker Mall sein
Examen der Musikhochschule Stuttgart in den Händen und trat zunächst eine Stelle
an der Jugendmusikschule in Herrenberg an. Ebenfalls Anfang dieses
ereignisreichen Jahres löste Alexander Dubcek seinen Vorgänger Novotný als Erster
Sekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei ab. Dubcek wollte einen
"Sozialismus mit menschlichem Antlitz" in seinem Land einführen. Er setzte sich für
eine Aufhebung der Pressezensur und das Gewähren von bürgerlichen
Grundrechten, wie Versammlungs- und Redefreiheit ein. Kultur und Wissenschaft
sollten autonom sein. Zuvor verbotene Parteien und Vereinigungen wurden wieder
erlaubt. Auch die Wirtschaft sollte offener und der Einfluss der Partei
zurückgenommen werden.
Eine offene Stadt
Für den damals 26-jährigen Volker Mall, der sich für ein Referendariat an einer
Schule entschieden hatte, standen die Sommerferien vor der Tür. Den jungen Lehrer
zog es zum Plattensee nach Ungarn und dann gemeinsam mit einer Freundin über
Budapest und Wien bis nach Prag. "Eine offene und heitere Stadt", entsinnt sich
Mall. Seine Freundin und er erreichten sie am 19. August 1968. Eine Unterkunft
hatten sie noch nicht, die wurde ihnen auf der Straße vermittelt. So lernten sie
Vladimir kennen, der in der Leninova eine Wohnung hatte und ihnen anbot, bei ihm
unterzukommen. "Heute heißt die Straße anders", merkt Mall an. An der Wand neben
seinem Bücherregal ist das charakteristische Konterfei Che Guevaras abgebildet.
"Es war für uns ein großer Traum, dass es den Sozialismus mit menschlichem
Gesicht wirklich gibt", sagt er. In Prag schien sich dieser Traum vor einem halben
Jahrhundert zu verwirklichen. Die jungen Reisenden genossen die Stadt, lernten den
Studenten Jirí "mit langen Haaren, was ja eigentlich verboten war", kennen,
besuchten am 20. August das Café Schwejk und den Sekty-Pavillon, ein Tanzlokal.
"Es war ein irres Leben." Pflastermaler waren in der Stadt unterwegs, Ausreisen
möglich. Abends ging es zurück in die Wohnung von Vladimir. Mall spielte Klavier.
Alles schien gut, bis Vladimir mitten in der Nacht auf den Prager Flugplatz gerufen
wurde und ganz aufgelöst zurückgekommen sei. "Jetzt ist alles aus" habe er gesagt
und berichtet, dass Personen in Zivil mit Pistolen die Macht auf dem Flugplatz
übernommen hätten. 300 000 Soldaten des Warschauer Paktes gelangten in jener 124
Nacht nach Prag. Im Minutentakt seien Iljuschins mit Panzern und
Transportfahrzeugen gelandet, erzählt Mall und erinnert sich, dass sie sich bereits
über den hohen Flugverkehr gewundert hätten. Vladimir riet ihnen, die Stadt so
schnell wie möglich zu verlassen. "Über Schleichwege haben wir versucht
herauszukommen und irgendwo noch zu tanken." Überall seien Panzer und leere
Wodkaflaschen gewesen, die die sowjetischen Soldaten auf die Straße geworfen
hätten.
Langsam gelang es dem jungen Referendar in seinem alten Citroën 2CV an der
Spitze eines großen Pulks von Leuten, die Prag ebenfalls verlassen wollten,
Richtung Westen zu fahren. Wann genau sie aufgebrochen sind und wie lange sie
unterwegs waren, weiß Mall nicht mehr genau. Auf dem Weg habe ein junger
tschechoslowakischer Student am Straßenrand gestanden und Mall nahm ihn mit. Im
Auto habe ihm der junge Mann seine Pistole gezeigt und ihm erklärt, er gehe jetzt in
den Widerstand. Nach einiger Zeit stieg er wieder aus. "Auf den
entgegenkommenden sowjetischen Panzern hatten Tschechoslowaken Swoboda-
Freiheit und Dubcek geschrieben", berichtet Mall. Mittags habe für kurze Zeit alles
stillgestanden. Glocken läuteten und Autohupen erklangen als Zeichen des
Aufbegehrens.
Kurz hinter Pilsen traf der Referendar auf eine militärische Kontrolle, die ihm
bedeutete, wieder umzudrehen. "Ich war jung und frech und habe nach dem
Vorgesetzten gefragt. Wir wollten heim." Das Vorgehen zeigte Wirkung, sie durften
weiterfahren und gelangten über die Grenzen nach Bayern. Dort habe die Presse
gewartet, die selbst noch nicht so richtig wusste, was eigentlich los war.
Volker Mall weiß noch, wie ihn das Entsetzen packte, als er aus Prag herausfuhr. "Es
war irrational und unglaublich." Die sowjetischen Soldaten seien betrunken gewesen.
Panzer rollten über Autos. "Wir wussten, was Stalinismus bedeutet, aber wir hätten
nicht gedacht, dass sie so brutal vorgehen." Die Konterrevolution in Prag geht später
als größte Militäraktion nach dem Zweiten Weltkrieg in die Geschichte ein. Dubcek
wurde aus der Stadt entfernt, nach einigen Tagen aber wieder eingesetzt, um
weiteres Blutvergießen zu verhindern. Über 70 Menschen starben in den Wochen
nach der Invasion. Im Frühjahr 1969 wird Dubcek schließlich abgesetzt und die
Tschechoslowakei zu einem partei- und linientreuen Staat. Doch die erste
Jahreshälfte 1968 bleibt als Prager Frühling in Erinnerung.
Seit dem 21. August 1968 war Volker Mall nicht mehr in Prag. Regelmäßig zum
Jahrestag denkt er an die Ereignisse, von denen er unfreiwillig Zeuge wurde.

Am 22.7.1970 machte das OHG Böblingen


einen Lehrerausflug nach Klingenmünster; da
hab ich Gudrun Bielmann kennen gelernt. Sie
war damals Referendarin am OHG.
Irgendwann im Lauf des Jahres 1971 war sie
verschwunden. Ich bekam einen seltsam
verklausulierten Brief aus Mexiko. Sie war
wohl in die Vorläuferorganisation der Partido
Revolucionario de los Trabajadores (PRT) de
México eingetreten und lebte mit Rafael,
einem mexikanischen Revolutionär
zusammen.
1972 flog ich nach Mexiko und besuchte sie.
Im Januar 1973 traf ich sie wieder. Die GIM
begann damals mit dem Aufbau von
125
Betriebsarbeit. Gudrun hat auf ihren
Beamtenstatus verzichtet, eine Ausbildung zum
Fernmeldeelektroniker gemacht, ging zu m
Daimler in Untertürkheim und wurde als
Mitglied der, Plakatgruppe als Betriebsrätin
freigestellt. Am Ende war sie Frauenbeauftragte
der Stadt Fellbach.
1980 und 1985 besuchte sie uns in Haslach,
1994 hatte sie eine Totaloperation, 1998
besuchte sie uns ein letztes Mal.
126
Am 10.10.1974 zog
Adelheid Mehnert geb,
Schwarz zu mir in das
Hochhaus Sindelfinger
Straße 118 in
Maichingen. Wir blieben
zusammen und heirateten
am 5.8.1977. Am
11.12.1979 kam unsere 127
Tochter Henrike, genannt
Nike zur Welt.
Im Schuljahr 1978/79
Zurückversetzung vom KM ans Oberschulamt Stuttgart, an das Andreae-Gymnasium in
Herrenberg. Ab da bis Juli 2005 (Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand) am AGH mit
Deutsch und Musik, ab 1981 mit reduziertem Deputat.
Die ersten eigenen Autos
Die Familie Leibfried schenkte mir 1961 ein Moped NSU Quickly, das später durch Onkel
Antons Express Radexi ersetzt wurde. Mit dem Moped fuhr ich u.a. von Maichingen nach
Tübingen.
Kurz nachdem wir
Führerscheine hatten,
kauften Gudrun und
ich einen Lloyd
Alexander, später eine
Kastenente Baujahr
1960, die ich meinem
Schulkameraden Fritz
Ackermann für 800
DM abkauft (Foto),
dann einen normalen 2
CV, in den 1969 in
Maichingen ein
Milchauto (von links
kommend) fuhr; dann 1970 zuerst für 4200 DM einen gebrauchten orangen NSU TT 1200 (65
PS, Doppelvergaser, 2 Auspuffe, Höchstgeschwindigkeit 153 kmh), an dem gerissene
Ölleitungen Probleme machten. Danach 1971 den selben neu in Rot, usw.

128
Music was my first love
Meine Schwester und ich bekamen zuerst Blockflötenunterricht und dann etwa ab 1952
Klavierunterricht, zuerst bei einem Lehrer in Cannstatt, dann bei Waltraut Hagner vermittelt
durch Johannes Schaaf, den Bruder meines Klassenkameraden Eberhard Schaaf, die in der
Ihmlingstraße 10 wohnten.
Der Unterricht fand in ihrem Elternhaus statt in der Gustav-Siegle-Straße im Kräherwald. Ihr
Vater war Präsident der Bundesbahndirektion Stuttgart, Kurt Hagner. Man musste mit
der Straßenbahn Linie 7 bis zur Doggenburg, den Rest zu Fuß. Der Flügel stand im Salon,
zum Lesen lagen dort u.a. O.E. Plauen Vater und Sohn-Comics. Ihr Unterricht war sehr
modern, neben dem üblichen älteren Klassischen gab es z.B. Mátyás Seibers jazzige Tänze,
die Tanztypen von Siegfried Merath, Khachaturyan und Bartok. Und ich versuchte mich
schon früh an Count Basie.
1956 habe ich bereits bei
ihrem späteren Mann Rainer
Eichholz (Geige)
umgeblättert. Mit ihm und
Gerhard Meyer (Cello)
waren sie das Stuttgarter
Trio. U.a. spielten sie mit
dem

Bundesbahnsinfonieorchester im November
129
1963 in der Liederhalle.
Sie haben 1961 geheiratet, zogen nach
Leinfelden oder Filderstadt und später nach
Graz, wo er eine Stelle bekam.
Mein erstes und einziges Klaviersolo waren
Schumann Papillons op.2 beim Konzert des
Maichinger Harmonika-Clubs
Akkordeonorchesters am 27. Mai 1962.
Das Akkordeonorchester begleitete ich ein
paar Mal auf dem Hohner-Clavinet, ebenso
ab 1964 mit Klavier den Maichinger GSV-
Männerchor
Im Maichinger Café Hermann begleitete ich
den Geige spielenden Bäckersohn mit
sonntäglicher Salonmusik, Starstück war
die Toselli-Sonate. Einen Maichinger
Hobby-Bariton begleitete ich zu Hause mit
Schumann- und Schubert-Liedern;
manchmal ergänzte ich ein
Amateurstreichquartett mit dem Klavier.
Nach Akkordeonunterricht im Heim der
Jugendhilfe Land hatte ich in Maichingen
und Magstadt einige Klavierschüler.
Ich spielte Orgel im Gottesdienst relativ regelmäßig in Maichingen (auf einer pneumatischen
Orgel) und in Magstadt, wo zum Jahresbeginn mit Pfarrer Honold die Termine besprochen
wurden und aushilfsweise in der Leonhardskirche in Stuttgart, an der Kreß Organist war..

Chor
Im JKG und wohl auch im GGS hatte ich im Schulchor gesungen (s.o.). In der MuHo gehörte
es dazu, dass man im Grischkats Chor mitsang. !964 sang ich in Stiftskirche mit in der h-
Moll-Messe, dem Weihnachtsoratorium, mehrfach in Bach-Kantaten in der Stunde der
Kirchenmusik
Ab 1961 sang ich im 1958 gegründeten Sindelfinger Distler-Singkreis mit. Zweimal gab es da
Singfreizeiten im evangelischen Jugendhaus in Schmie bei Maulbronn (1961 und 1965), 1965
fuhr der Chor nach Corbeil Essonnes, der Partnerstadt von Sindelfingen. Da waren wir in
freundlichen Gastfamilien untergebracht. Der Chor sang natürlich Kompositionen von Distler
wie z.B. Lieder aus dem Mörike-Chorliederbuch, wo der Tritonus am Anfang des Feuerreiters
(„Sehet ihr am Fensterlein dort …“) etwas Probleme machte. Auch seine Fassung von Lob
den Herren, das ich später im AGH-Chor singen ließ (bei der Beerdigung von ). !969 war
Mozarts Requiem im Programm; ich sollte da in der Probe für den Pianisten einspringen und
aus dem Klavierauszug vom Blatt begleiten, was ich nicht konnte und worüber sich Chorleiter
Klaus Roller (Kantor an der Sindelfinger Martinskirche) lustig machte. Roller war der
Prototyp des autoritären Dirigenten. OHG Kollege Fritz Groß und seine Frau Marianne Groß-
Donner, die ein kleines Orchester leitete, waren die Stützen des Chores.

Der Magstadter Pfarrer 130


Honold bot mir 1965 an,
den dortigen Kirchenchor
zu leiten und ich habe da
wohl ein paar
Malausgeholfen..
Im Mai 1966 sangen wir in
Böblingen beim Gustav
Adolf-Fest
Ich übernahm aber 1965
den Maichinger
Kirchenchor, den ich dann
bis mindestens 1971 leitete.
Ein kleines Häuflein, bei
dem v.a. die Männer rar
waren. Deshalb sangen wir z.B. an Weihnachten das dreistimmige „Das neugeborne
Kindelein“ von Buxtehude. Mein Ehrgeiz war, vierstimmig a capella zu singen, was meist
nicht gut gelang; außerdem spröde Sätze aus Richard Gölz´ Chorgesangbuch. Durch
Grischkat dann beeinflusst Lieder aus Gesellige Zeit und Geselliges Chorbuch; aus Zu guter
Stund Hans Hermann Scheins Karl Marx´ Satz von Was noch frisch und jung an Jahren, Die
Nacht ist kommen und v.a. bei Konzerten Gerhard Schwarz´ Wieder einmal ausgezogen.
Einmal gab es in Anlehnung an Helmuts Rillings Praxis ein Konzert mit Bach-Chorälen, die
jeweils ergänzt wurden durch die dazugehörenden Orgelchoralvorspiele aus dem
Orgelbüchlein, gespielt von Anneliese Aldinger.
Höhepunkt war am 10. Mai 1970 die doppelchörige Schütz-Motette Singet dem Herrn ein
neues Lied zur Einweihung der neuen Österle-Orgel. Den zweiten Chor sangen solistisch
meine Base Christa Reimer-Mall, Sopran, Ulrike Hilscher, Alt, Herbert Möhlich, Tenor
(beides MuHo-Kommilitonen) und Hams-Jörg Hund (später Lund). Auch da begleitete
Anneliese Aldinger.
Geprobt wurde in der Baracke am Bahndamm, unser Klavier kam leihweise da hinein,
nachdem ich meinen Steinway bekommen hatte.

131

Schon vor dem Kirchenchor hatte ich 1964 den Maichinger Posaunenchor übernommen, ein
hartes Brot. Ich leitete ihn bis 1968. Wir spielten v.a. in den Gottesdiensten, es gab aber auch
Kurrende- und Turmblasen. Gespielt wurde (und wird) in der Kuhlo-schen Griffweise (nicht
0, sondern 1.3). Wir versuchten neben den vierstimmigen Chorälen auch mehrstimmige
barocke Bläsermusik von Schein und Pezelius. Ich übte damals im Wald auf einem alten
Flügelhorn und hab ein paarmal bescheiden mitgespielt. Einer der Höhepunkte war Helmut
Walchas Kantate Lobe den Herren für Chor und Posaunenchor.
Im Otto Hahn-Gymnasium gründete ich einen Chor. Nach einer Chorfreizeit 1972 in
Ehningen sangen wir zum Abschluss in der dortigen Kirche ein Weihnachtskonzert (mit dem
damaligen Kantor Helmut Wolf, der von 1972 bis 1987 die Böblinger Kantorei leitete.)
Eine zweite Chorfreizeit gab es auf dem Raichberg im Juli 1972, wo uns die Bundeswehr mit
ihrem Equipment beim Singen am Aussichtsturm unterstützte
Der Schulchor sang 1971 bei der Weihnachtsfeier der Behinderten in der Gemeindehalle in
Weil im Schönbuch
Im Programm Songs wie Blowin in the wind, Donna, Rock my soul, El condor pasa mit
Degenhardts etwas missverständlichem Text „Zerhackt die Yankee-Gier nach Gold und Blut/
Diese Gier wird nie satt!/ Erst dann kann Frieden sein in jedem Land/ Wenn man sie getötet
hat!“ Außerdem Kunbaya My Lord, Carry Me Ackee Go A Linstead Market (Noten von
Gregor), Guantanamera, Nobody Knows The Trouble I´ve Seen und We Shall Overcome.
Begleitet wurde der Chor von einer kleinen Rockgruppe (Schüler des OHG), der ich das
Bluesschema beigebracht und mit der ich Jimi Hendrix-Songs zu covern versucht hatte.

132
133
134

Auch an der PHE gab es einen Chor. Er führte zweimal – zusammen mit dem Feuerbacher
Kirchenchor - Mozarts Requiem auf. Dabei musste ich. weil ein gekaufter Pauker zu teuer
gewesen wäre – die Pauke spielen. Ich hatte mir dazu die Pauke in den Klavierauszug
eingetragen; beim Stimmen halfen mir die Solotrompeter.
Auch am AGH gründete ich einen Unterstufenchor, den ich zeitweilig mit Gerhard Bauer
leitete, der hervorragend Gitarre, Charango und Kena spielte. Wir machten Liederabende
„Lieder mit Geschichte(n)“, zweimal wurde Valerie, ein Kindermusical nach Mira Lobe und
Erich Meixner aufgeführt. Singfreizeiten gab es in der Weiler Hütte und im Herrenberger
Naturfreundehaus. Valerie, ein Kindermusical nach Mira Lobe und Erich Meixner (2x)
Tanzmusik, Rock, Jazz, Pop
1960 Versuchten wir ein Tanzmusiktrio Trio mit Otto (Klarinette) und Gerry/Gerhard Heinz
(Gitarre). Gerry (Gerhard Heinz) war Vollwaise und wohnte in Maichingen bei seiner Oma,
oben im Haus des Bäckers Frank, Ecke Sindelfinger - Brühlstraße. Wir hatten uns wohl bei
der Jungschar kennengelernt und machten in Konkurrenz einer Ingrid den Hof, die das zwar
gern sah aber eine „engere“ Bindung ablehnte, da wir ihr zu jung waren.
Ich spielte Banjo und Akkordeon. Ich hatte 1959 ein in der DDR gebautes Banjo gekauft,
auch, weil es mich ärgerte, wenn wir irgendwo spielten oder sangen, kam bestimmt einer, der
geschwind meine Gitarre
„ausleihen“ wollte. Da das Banjo
anders besaitet ist, fiel das weg.
Auf dem Akkordeon hatte ich mir
Grundkenntnisse selber beigebracht.
Damals gab es noch keine
Synthesizer oder E-Pianos, und in
den Kneipen, in denen wir spielten,
standen immer weniger Klaviere,
die aber meist unspielbar verstimmt
waren. Manchmal kam der
Schlagzeuger der Maichinger
Blaskapelle dazu. Wir probten bei
uns zu Hause, und es gab die zu
erwartenden Proteste des darüber

135
wohnenden Ehepaars
Kaschubowsky und den darunter
wohnenden Staudts. Wir nannten
uns Young Yells. Da es praktisch
keine Noten, sondern oft nur
Texthefte gab, versuchten wir es
mit Abhören und eigenen
Arrangements. Wir spielten v.a.
amerikanische (Tin Pan Alley) und
deutsche Schlager, die dann z.T.
auch bei späteren Formationen
verwendet wurden. Titel waren u.a.
La Paloma,
Catch A Falling Star (Perry Como
1957), Kleines Haus auf der Sierra
Nevada (Peter Alexander 1956),
Hang Down Your Head Tom
Dooley. Die deutsche Fassung
hatten gerade die Nilson Brothers
herausgebracht.
Connie Francis´ My Happiness
(1958) und Die Liebe ist ein
grausames Spiel,
Tammy (Debbie Reynolds 1957)
To Know Him Is To Love Him (The Teddy Bears 1958)
Steig in das Traumboot der Liebe (Caterina Valente 1955) Spiel noch einmal für mich
Habanero 1958
Wir wollen niemals auseinander gehen (Heidi Brühl 1959)
Buona sera signorina Louis Prima
Fats Domino Blueberry Hill 1956
Komm zurück zu mir Smoky und Oklahoma Tom der Sieben Raben.
Lolita: Seemann, lass das Träumen 1960Und es gab erste Jazzversuche mit Careless Love, St.
James Infirmary St. Louis- und Westendblues.
Mit meinem Umzug nach Tübingen kam bald das Ende dieser „Formation.“
Während meines Studiums in Tübingen gab es wohl keine Combo, erst an der
Musikhochschule gründeten dann Rainer Wehinger, Reinmar Wipper und ich 1964 eine neue
„Kapelle“. Zuerst nannte sie sich „La Mouche d´Or“, und wir trugen „goldene“ Fliegen.
Rainer Wehinger spielte Klavier und Klarinette, Reinmar Wipper E-Bass und ich E-Gitarre.
Die E-Gitarre hatte ich gebraucht gekauft.
Wir waren wohl unter den Schulmusikern die einzigen, die Ausflüge aus der hehren Klassik
in Richtung Pop und Jazz versuchten.
Wir spielten bei Festen, (z.B. 1965 bei einer Firmenweihnachtsfeier in Holzgerlingen, bei
dem unsere Sängerin Lieder aus der Westside Story sang und der Firmenchef C.F. Meyers
„Die Füße im Feuer“ vortrug); bei Faschingsbällen (z.B. im Rupert-Mayer-Heim, in dem
Rainer und Reinmar wohnten). Da stießen die ersten Versuche mit abgehörten Beatles-Titel
wie z.B. Girl und Yesterday eher auf Unverständnis. Meist war die Gage nicht besonders
üppig. An Silvester 1965 speiste uns der Wirt im Talblick in Magstadt mit 20 DM pro Mann
und einem belegten Brot ab, und einmal wurden wir einfach heimgeschickt, weil zu wenige
Gäste gekommen waren. Die beste Gage gab es bei einer Hochzeit im Saal der
Liederhallengaststätte; und die Belegschaft des Nobelhotels Im Schatten in Büsnau
(Bedienung, Küche usw.) trug uns armen Studenten nach einer edlen Hochzeit kollegial um 3

136
Uhr nachts Essens- und Getränkereste in meinen VW-Bully.
Einige Male holte uns Paul Bischoff (in Sindelfingen und Böblingen) zu sogenannten
Jazzgottesdiensten, die eigentlich mit Jazz wenig zu tun hatten und z.B, von Jazzpapst J.E.
Behrendt heftig als Versuche der Anbiederung kritisiert wurden. Wir begleiteten die damals
aufkommenden „neuen geistlichen“ Lieder wie Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, Komm
sag es allen weiter, Gib uns Frieden jeden Tag, oder das unsägliche Danke für jeden neuen
Morgen, bei dem wie oft bei den damaligen Schlagern jede Strophe einen Halbton steigt.
Paul Bischoff (* 23. Juni 1935 in Fellbach bei Stuttgart; † 11. Oktober 2019) studierte
Maschinenbau und fand eine Anstellung als Diplom-Ingenieur beim
damaligen Süddeutschen Rundfunk. Nebenamtlich baute er an der Evangelischen
Johanneskirche Sindelfingen eine große Kantorei mit Kinderchor, Jugendchor und
großem Kantatenchor auf.
Für sogenannte „Kinogottesdienste“ in Stuttgart schuf Paul Bischoff 1963 zusammen
mit Pfarrer Kurt Rommel eigens eine Jazzformation. Erstmals erklangen – außerhalb der
Kirchenmauern – synkopisierte und rhythmisch komplexe neue Kirchenlieder, die etwas
vom Neuen der Nachkriegsjahre in der Kirchenmusik widerspiegelten: Bischoffs Herr,
gib mir Mut zum Brückenbauen fand 1996 Eingang ins Evangelische Gesangbuch von
Württemberg (unter der Nummer 649).
Einmal kündiget der Pfarrer eine Musik zur Besinnung an, und Rainer Wehinger spielte mit
uns den Wildcat Blues.
Als dann Drummer Ulrich Naroska als Drummer und ? dazu kamen, nannten wir uns „The 5
Senators“. Wir spielten da z.B, im Juli n1966 beim Ball meiner Verbindung AV Lichtenstein
in Tübingen, Gage 240 DM.
Reinmar Wipper wollte Profi werden. Weil die anderen da nicht mitmachen wollten, kam
irgendwann das Ende.
Irgendwie lernte ich den Drummer Gerhard Wünsch, genannt Oskar und den damals
Trompete spielenden Pit Bäuerle kennen. Mit Willi Lasslop (Klarinette) bildeten wir eine Art
Dixielandband. Ich spielte Banjo, das da stilistisch ganz gut passte. Meist kam man mit 3 Akkorden
aus, wie z.B. in Icecream und Bei mir bistu scheen und Spirituals wie Swing Low, Sweet
Chariot, Down By The Riverside oder Nobody Knows. Später machten wir dann Tanzmusik,
Reinhard Samesch, der Schwager von Oskar, spielte Gitarre. Ich spielte auf einer Dr. Böhm-
Orgel, die Rainer Wehinger gebaut hatte, mit analoger Klangerzeugung; die Oszillatoren
verstimmten sich, wenn sie warm wurden, weil es keine Ventilatoren gab.

137
1970 habe ich schließlich erfahren, dass Norbert Füssinger jazzt. So entstand die Jazz-Rock-Gruppe
Murx, alle Jusos oder GEW-Kollegen: Norbert Füssinger Altsax, Willi Lasslop Tenorsax, Gerd
Glombik, genannt Eddie E-Dur, Gitarre, André Schnisa, der eigentlich bei Schwoißfuß spielte, Bass,
später durch Mac Eichele ersetzt, Chris Haas, Schlagzeug. Geübt wurde in Rohrau, wo eine
Junglehrer-WG hauste.

138
139
Murx spielte bei vielen Festen, bei Demos und Kundgebungen. Gespielt wurde Rock und
Jazz, und natürlich „Lieder der Arbeiterklasse“ wie z.B. Brecht-Eislers Solidaritätslied und
Einheitsfrontlied. Hits waren die beiden von Gerd Glombik verfassten Titel Mein Gott Walter
und der Paukerblues.

140

Mein Gott Walter


Walter1 kam als Lehrer an die Schule,
ein Greenhorn jung an Jahren,
Pickel im Gesicht, die Jeans abgeschabt
und mit langen Haaren.
Das Kollegium bestand zur Hälfte aus Greisen
in jedem Alter, doch er begrüßte es freudig „Hallo Leute“,
sie gähnten müde: Mein Gott, Walter!

Für sie war Walter bald ein rotes Tuch, denn es begann sie zu kränken:
Die Schüler, die vorher saudumm waren,
begannen durch Walter zu denken.
da machten die Alten Radau,
denn ihr Toleranzreservoir war bald leer.
Und sie gaben Walter was auf ´n Deckel
und meinten dabei: Mein Gott, Walter!

Aber zu viele Flausen waren in Walters Kopf


vom Projektunterricht bis Einheitsnoten.
Und die Kollegen grinsten:
„Daran verbrennst du dir die Pfoten.“
Aber Walter flatterte aufwärts,
gen Himmel strebend wie ein Apollofalter,
dann fiel er in die Suppe,
die er sich mal eingebrockt hatte
und japste: Mein Gott, Walter!

Nämlich: Der Verfassungsschutz fand


ein Foto in seinen Akten.
Total blau war Walter mal auf ´ne Demo geraten
von irgendwelchen Beknackten.
Walter flog aus dem Schuldienst,
mit Pauken, Trompeten, Harfe und Psalter,
und die Kollegen sangen zum Abschied
im Chor: Mein Gott, Walter!

Walter hatte immer so vor sich hingewurschtelt,


die Organisierten hielt er für Stinker,
doch das war zu viele des „Rechten“ gewesen,
er wurde ein „Linker“.
Heute kann Walter wieder gestärkt
mit aufrechtem Gang herumlaufen,
in der Tasche, die Faust, die ballt er.

141
Und Karl Marx rotiert vor Freude im Grabe
und jubelt: Mein Gott, Walter!

Parodie auf Mike Krüger Mein Gott, Walter 1975


Das Lied wurde dann in GEW-Kreisen fälschlicherweise auf Walter Schwenninger bezogen,
auf den es natürlich gut passte. Wir haben es deshalb auch bei seiner Hochzeit gesungen
Walter Schwenninger (* 4. August 1942 in München; † 24. September 2010 in Tübingen)
Schwenninger studierte evangelische Theologie und Sport und wurde Lehrer am
Gymnasium, zuletzt (am Andreae-Gymnasium) in Herrenberg. Ein Freiwilligendienst
in der Entwicklungshilfe prägte seine politischen Interessen und sein politisches
Engagement. Gemeinsam mit seiner aus Lima stammenden Frau Nani Mosquera
leistete er in Deutschland Aufklärungsarbeit über das Verhältnis von Erster und Dritter
Welt und über Unrechtsregime wie das Apartheidregime in Südafrika oder das
des peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori und förderte die Entwicklung des
fairen Handels im deutschen Sprachraum.
In Tübingen war Schwenninger Gründungsmitglied des Club Voltaire, Mitinitiator
des Cine Latino und des Weltladens. Schwenninger wurde 1983 als Kandidat der
Grünen Partei in den 10. Deutschen Bundestag gewählt und hielt dort seine
Jungfernrede über die Dritte-Welt-Politik. Ein Bild, auf welchem Schwenninger
im Alpaka-Grobstrick mit Bart und langhaariger Prinz Eisenherz-Frisur neben dem in
Anzug und Krawatte gekleideten Kanzler Helmut Kohl stand, wurde von der
Weltpresse abgedruckt.[1] Aufgrund des seinerzeit ereinbarten Rotationsprinzips wurde
er zur Halbzeit der Legislaturperiode am 16. April 1985 abgelöst, blieb aber als
„Vorrücker“ durch eine Beschäftigung bei der Fraktion bis 1987 in der Bundespolitik
tätig. 1994 kandidierte er im Bundestagswahlkreis Tübingen erneut für den Bundestag,
hatte aber keinen aussichtsreichen Listenplatz. Schwenninger hielt sich aus dem
damaligen innerparteilichem Gezänk der Grünen Partei heraus. [1]
Schwenninger war von 1989 bis 1994 und 1999 bis 2004 Gemeinderatsmitglied in
Tübingen der „Alternativen und Grünen Liste“. In Tübingen sorgte er für einen Peru-
Arbeitskreis und 2006 für die Städtepartnerschaft mit Villa El Salvador, einem
Stadtbezirk Limas mit 350.000 Einwohnern. Er war bei Daimler-Benz-
Hauptversammlungen als kritischer Aktionär bekannt.[1]
Schwenninger erlag am 24. September 2010 einer Krebserkrankung. Er ist auf
dem Stadtfriedhof Tübingen begraben. (wiki)

142

Paukerblues
Murx/Gerd Glombik 1976, Johnny B Goode nachempfunden

Immer wenn ich mittags von der Schule komm,


geht mir soviel Krims und Krams im Kopf herum.
Beim Essen denk ich nach: Was hast du falsch gemacht?
Soviel Mühe!...Und´s hat doch nichts gebracht!
Nachmittags hau ich mich dann todmüde hin
und vergesse schnell, dass ich ein Pauker bin.
Oh, Pauker bin ich oh, oh, oh,...

Abends wach ich auf und denk: Mich trifft der Schlag!
Morgen früh, da wartet schon ein neuer Tag!
Und ich knipse meine Schreibtischlampe an,
beim Korrigieren steh ich meinen Mann:
Schülerhefte tonnenweis´..., das macht dich tot.
Los, hau rein, denn das ist dein Brot!
Oh, Pauker...
Nachts um zwei kipp ich dann wie ein Sack vom Stuhl,
und ich fall ins Bett und mach die Augen zu.
Doch die Frau, die bei mir ist, die schreit mich an:
„Für´n siebten Himmel brauch ich kein´ toten Mann!“
Und mit einer Träne schlaf ich endlich ein,
oh, wie ist es schwer, kein Pauker zu sein.
Oh, Pauker...

Brr, tut der Wecker morgen fürchterlich!


´Unterricht schlecht vorbereitet´, denke ich.
Doch ich rase los in meinem Pflichtenzwang.
Da hör ich schon von ferne den gewohnten Klang:
Die Schulglocke schrillt und ich komm zu spät,
zeigt mir, dass es wieder mal zur Hölle geht.
Oh, Pauker...

Oder auch Oscar Pettifords Blues In The Closet, Herbie Hancocks Watermelone Man oder
den Eb-Moll-Blues, den ein Schüler von Norbert geschrieben hatte. Natürlich Take Five und
Worksong. Auch da wurden die meisten Titel mühsam abgehört und transkribiert.
Gerd Glombik sang z.B. Udo Lindenbergs Eric Burdon-Adaption. Verdammt wir müssen raus
aus dem Dreck, oder Sunshine Of Your Love der Cream, die wir mochten, und auch ihr
Crossroads coverten

143
Im Juli 1975 spielten wir erstmals bei einem Fest in der Maichinger Turn- und Festhalle, in
der wir schon mit der Dixielandgruppe aufgetreten waren, 1976 im Stuttgarter DGB-Haus, am
1. Mai beim DGB Kreis Calw in der Gemeindehalle in Emmingen, im August 1976 wieder in
der Halle Maichingen bei einem Fest mit Fritz Lamm, im September im Dätzinger Schloss,
wo wir auch öfters feierten.
Italien
Im September 1977 waren wir bei einer Aktion der DGB-Jugend in Schwäbisch Hall, und im März
1979 spielten wir dort im Club Alpha, im April 1979 bei der GEW-Kundgebung auf dem Schillerplatz
in Stuttgart mit 20000 Teilnehmern. Gesungen wurde der Paukerblues und Zsammastanda en dr
Gwerkschaft, ein von mir ins Schäbische übersetztes Soldiarity Forever (for the union makes us
strong), das ja selbst schon eine Parodie auf John Brown´s Body ist.
Es war eigentlich entstanden für eine Solidaritätskundgebung in Hechingen für einen entlassene
Betriebsrätin.
1. Bei ons em Ländle isch dr Ärger groß
Schulklassa sen voll ond Lehrer arbeitslos
für viele Junge gibts kein Arbeitsplatz
ond´s Studium war für d'Katz
Zsammastanda en dr Gwerkschaft,
denn bloß zsamma semmer stark

Spektakulär war der Auftritt bei der DGB-Kundgebung zum 1. Mai 1978 vor dem Stuttgarter
Rathaus mit Bundeskanzler Helmut Schmidt als Gastredner. Die Tribüne war durch schusssichere
Westen geschützt; als der Strom ausfiel, musste Helmut Schmidt über unsere Anlage
sprechen. Demonstrierende Maoisten pfiffen uns aus, wohl wir jazzige Fassungen der
Arbeiterlieder spielten wie z.B. beim Einheitsfrontlied.
Es gab dann noch einen Gig bei der DGB-Jugend, im August 1979 in Obersteinbach bei
Öhringen. Dabei trafen wir den Liedermacher Colin Wilkie (1934 bis 2020) wieder, den
Harald Schwaderer und ich 1967 in die Musikhochschule eingeladen hatten. Unvergesslich
für mich sein ironischer Spruch beim Stimmen der Gitarre: „It´s good enough for folk.“
Im Sutton Folk Club lernte er 1960 die englische Folksängerin Shirley Hart kennen.
Gemeinsam machten sie in Frankreich Straßenmusik und spielten in den Niederlanden,
Belgien, Schweden und in der Schweiz. Schließlich blieben sie ab 1966 in Deutschland,
als Colin für Franz Josef Degenhardt für das Stück Leben und leben lassen Melodien zu
einigen Texten komponieren sollte. Der Produzent Peter Palitzsch schlug vor, dass
Shirley und Colin auf der Bühne selbst einige Lieder singen sollten. Das Stück
(mit Hannelore Hoger) lief anderthalb Jahre lang im Staatstheater Stuttgart, und so
wurden die beiden in Deutschland sesshaft. (wiki)

Am 27.8.1979 spielte Murx bei der Rappenberg-Demo: Demonstriert wurde gegen die IBM-
Ansiedlung, dabei wurde wohl zum ersten Mal,mein Wiesadal-Lied gesungen, das dann eine
Art Protesthymne beim Kampf gegen die A 81 wurde.
Durch´s Wiesadal gang i jetzt na
Brech lauter Badenka durna
Badenka muss i brecha
Schön´s Sträußele draus macha
Aus lauter Badenka ond Klee
I han ja koi Schätzele meh.

Doch s´gibt bald koi Wiesadal meh


Neue Straßa machet´s voll he
S´kommt a neue Autobah
Direkt an onsern Flecka na
Ond nirgends meh Badenka ond Klee
Mir hen bald koi Wiesadal meh. 144
Ond zu derra Autobah
Soll no a zwoite dra na
SÁrgument isch schnell gfonda
d´Índustrie wird besser abonda
Ond nirgends...

Durch´s Wiesadal gang i jetzt na


Brech die letzte Badenka durna
Denn uf mei klois Stückle
Soll a Multimarkt ond a Fabrikle
Ond nirgend...

s ´isch höchste Zeit, dass ma sich wehrt


ällas andre wär sicher verkehrt
A bissle Hoimat muss ons bleiba
Drom müss´mer die Sach weiter betreiba
Scho wega de badenka ond em Klee /em Wiesadal wird´s wieder schee.
1981 spielten wir beim DGB-Jugend-Camp in Allensbach am Bodensee. Da war André Schnisa noch

145

dabei. Einmal waren wir die Vorgruppe des Gitarrenduos Kolbe und Illenberger. Das 1977
gegründete Duo bestritt rund 1.000 Konzerte in etwa 40 Ländern und veröffentlichte sieben Alben.
Einmal spielten wir (in Ulm?) vor Thomas Felder. Der letzte Auftritt war dann wohl bei der
Friedensanzeige 1983.
146

100 LehrerInnen hatten auf Initiative des GEW-Kreises Böblingen im Juni 1982 eine Anzeige
unterschrieben und finanziert, in der es u.a. hieß:
"Wir verpflichten uns,
-die heranwachsende Generation im Geiste der Toleranz, der Völkerverständigung und des
Friedens zu erziehen
-der Verharmlosung des Krieges, der Diffamierung des Pazifismus und der wachsenden
Militarisierung der Gesellschaft pädagogisch entgegenzutreten
-in Schule und Unterricht konkrete Beiträge zur Friedenserziehung zu leisten..."
Diese KollegInnen erhielten von ihrem Vorgesetzten, dem Präsidenten des Oberschulamts
Stuttgart einen Brief, in dem dieser schrieb:
"Ihre Erklärung ist ... eine schwere moralische Verunglimpfung der betroffenen
Kultusminister und ihres obersten Dienstvorgesetzten... Damit haben Sie Ihre Dienstpflichten
als Beamter nach den §§ 72 und 73,3 Landesbeamtengesetz verletzt... ich weise Sie ent-
sprechend einem Beschluß der Landesregierung darauf hin, dass Sie sich eines
Dienstvergehens schuldig gemacht haben und mache Sie darauf aufmerksam, dass im
Wiederholungsfalle Disziplinarmaßnahmen gegen Sie ergriffen werden..."
Als "Antwort" entstand dieses Lied nach der Vorlage von Boris Vians "le Deserteur", einer
scharfen, in einem Brief an den französischen Präsidenten gerichteten Kritik am
Algerienkrieg.

Dazu hatte ich zwei Lieder gemacht.


Das zweite Lied begann so:
Zehn Pädagogen für
den Frieden wollten
sein
Nicht nur am
Biertisch- öffentlich.
Da waren´s nur noch
9.

Meist fuhren wir mit 147


meinem VW-Bus.
Weil Übernachten
zu teuer gewesen
wäre, fuhren wir
nach den Gigs noch
nachts zurück, so
auch von Ulm oder
München.

Ohne die restlichen


Murxer hatten Norbert
Füssinger (Flöte und
Sax) und ich (Gesang,
Gitarre, Klavier)
unzählige Auftritte bei
Kundgebungen,
Gewerkschafts- und
SPD-Veranstaltungen.
Inspiriert wurden wir
– zugegeben – durch
Zupfgeigenhansel und
kopierten auch einige
ihrer Arrangements
(O König von
Preußen, Ich bin
Soldat)
Die Songgruppe
Das und auch Murx überschnitt sich mit der GEW-Songgruppe.
Am 1.Mai 1974 veranstaltete der DGB Kreis Böblingen in Stadthalle Sindelfingen seine
Kundgebung. (Es hat dann Jahre gedauert, bis aus der Kundgebung eine Demo wurde)
Das Akkordeonorchester spielte passenderweise Stars And Stripes. Am Ende stand das
Grüppchen der etwa zwölf Böblinger Jusos auf und sang zu Entsetzen der DGB-Funktionäre
Brüder zur Sonne zur Freiheit, sich auf die ersten drei Strophen beschränkend. V.a. Maoisten
sangen.ja gerne eine vierte und fünfte Strophe, wie das im KABD-Liederbuch abgedruckt war
(„schwenket die blutrote Fahne“ und „dem Kommunismus die Ehre“.) Falls sie da gerade in
der Nähe des am Mikros standen, wurde halt der Saft abgedreht.
Dieser „Auftritt“ war der Beginn der Songgruppe, die sich DGB-, GEW- oder Juso-
Songgruppe nannte.Ihren ersten Auftritt hatte sie kurz darauf beim Stadtteilfest der SPD
Böblingen.
Gesungen wurden Lieder der Arbeiterbewegung und Ähnliches:
Bet und arbeit, Arbeiter von Wien, Dem Morgenrot entgegen, Einheitsfrontlied,
Moorsoldaten, Mein Vater wird gesucht, Ich bin Soldat, O König von Preußen.
Die internationale Solidarität wurde hochgehalten mit
Grandola villa morena (Portugal /April 1974), Los campos heridos, Spaniens Himmel breitet
seine Sterne, Viva la 5 brigada, Theodorakis` Mit Flammenblättern
Chile Demo Nagold 1974 Che Guevara Gm
Avanti Popolo, Bella Ciao, La lega
Wolf Biermann kam im Herbst 1976 nach Fellbach. Wir studierten ein:
Drei Kugeln auf Rudi Dutschke, Ermutigung (s.u.)
Die GEW-Songs Zsammastanda en dr Gwerkschaft, Mein Gott Walter, Paukerblues, Verehrter
Präsident.und Wut em Bauch (ein Lied zum sog. Ferienbetrug 1989, bei dem es als 148
Arbeitszeitverkürzung statt Reduzierung des Deputats drei Tage mehr Ferien gab, auf die
Melodie des Basin Street Blues):
Ihr kennet ja die Gschicht scho,
was soll da mei Gedicht no,
von wega kürzrer Arbeitszeit
„drei Tag me Ferien“ I bens leid
Bschissa worda semmer, …
Sich wehra des isch richtig
Gwenna net so wichtig …
Die letzte Wocha hen ons zeigt
Wer sich net wehrt, der lebt verkehrt.
Zom Leba ghört a bissle Schneid
Und Wut em Bauch, die au.
Im Juni 1975 sang die Songgruppe beim GEW/Juso- Fest in der Turn- und Festhalle
Maichingen.
Am 1.5.1977 griff Otto Gotschlich (damals Erster Bevollmächtigter der IG-Metall-
Verwaltungsstelle Stuttgart und damit Chef des größten Ortsverbandes der Gewerkschaft in
der Bundesrepublik im brechend vollen Schönbuchsaal Böblingen in seiner Rede die DGB-
Jugend und ihre Forderung nach der 35-Stundenwoche scharf an. Für die DGB-Jugend sprach
Hartwick Oswald. Nachmittags war ein Maifest der Kreis-SPD im Dätzinger Schloss.
Weil die Songgruppe wieder gesungen hatte, sammelten Betriebsräte beim Daimler danach
Unterschriften für ein Statement, in dem es u.a. hieß:
„Vertrauensleute und Betriebsräte der Daimler-Benz AG, Werk Sindelfingen, stellen mit
Befremden fest, dass die Maifeier in Böblingen in vielen Dingen den Eindruck einer
kommunistischen Kundgebung erweckte.
Die Songgruppe entsprach in ihren Darbietungen nicht den Vorstellungen der Mehrheit der
Anwesenden. Insbesondere halten wir es für geschmacklos, bei einer DGB-Veranstaltung
Biermann-Lieder vorzutragen.“
Die Songgruppe reagierte mit einem Brief an den DGB-Kreisvorstand:
„Liebe Kollegen,
die Böblinger Songgruppe, die sich aus lauter aktiven Gewerkschaftskollegen zusammensetzt,
- die übrigens alle Mitglieder des SPD sind – sang in diesem Jahr zum dritten Mal bei der
Böblinger Maikundgebung des DGB. Das Programm … enthielt im Einzelnen folgende
Lieder:
Einheitsfrontlied und Solidaritätslied von Brecht/Eisler, ... Lieder gegen den Faschismus …,
Das Sevesolied von Walter Mossmann und DIE ERMUTIGUNG von Wolf Biermann. ….
Die IG-Metall hat Wolf Biermann eingeladen (in der BRD) aufzutreten. ... Nach seinem
Auftritt bei der IG-Metall-Veranstaltung in Köln bürgerten ihn die DDR-Behörden aus.
Sein Lied DIE ERMUTIGUNG hat Biermann einem Schriftsteller gewidmet, dem es ähnlich
erging, nämlich Peter Huchel …von 1949 bis 1962 Chefredakteur der DDR-Literatur-
zeitschrift Sinn und Form. Weil er der DDR-Führung ´missliebig´ war, musste er … seine
Chefredaktion aufgeben, erhielt eine Art Berufsverbot und ging in den Westen.“
Am 22.8.1977 trat die Songgruppe JUSY-Camp auf dem Cannstatter Wasen auf bei einer
Veranstaltung mit Willi Bleicher und Michael Pape: Arbeiterbewegung in der BRD.

Musikkritiken
Ab 1969 schrieb ich regelmäßig für die Kreiszeitung/Böblinger Bote Musikkritiken. 149
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d´Zeit gaht vorbei – As Time Goes Bye
Fünfzig Jahre schwäbische Programme
Vertonungen und Parodien
Sebastian Blau alias Josef Eberle12
De alt´ Tann 121 294
Am Nebetisch eme´ Stuagerter Cafe 16 f. 213
En alder Grapp 171
Frau Hurlebaus 221
Mei´ Schätzle 135 330
Mir selber zom Geburtstag 128 300
Morom so pressant? 131 357
Stondeleut 111 185
S´Taschespiagele 201
So isch halt 85
St Nepomuk 82 78
„Ufrichtig ond gradraus …“ 200
Vo´ de Lehrer 133 340
Übermüetig 58
160
Übersetzungen
Realbook
As Time Goes By
Basin Street Blues
The Days Of Wine And Roses
Misty
The Shadow Of Your Smile
Varia
Durchs Wiesadal gang I jetzt na
Menueboogie

12
Texte aus Eckart Ram, Rolf Schorp (Hg) Sebastian Blau: Die Gedichte. Tübingen 2010 (Seitenzahlern
schwarz). Rechte: Stadt Rottenburg.
Die ersten Parodien (Kontrafakturen) schwäbischer Lieder machte ich in den 1970er Jahren.
Im Bundestagwahlkampf 1972 –
Norbert Füssinger und ich kandidierten
auf der SPD-Landesliste Baden-
Württemberg – versuchte ich einen Text
zu Otto Kellers „I wenn I Geld gnuag
hätt“, mit dem die CDU-Wahlwerbung
auf´s Korn genommen wurde.
Ein Hit wurde dann die Fassung
„Durch´s Wiesadal gang I jetzt na“, ein
Text der für die Bürgerinitiative gegen
die geplante A 81 von Leonberg nach
Herrenberg, aber dann die „Hymne“ der
Aktion „Rappenberg muss bleiben“
1977/78 wurde.
Daneben entstanden für GEW-
Kundgebungen und Demos
verschiedene Lieder mit aktuellen
Themen, darunter schwäbische wie
„Zsammastanda en der Gwerkschaft“
oder „Wut em Bauch“.
Irgendwann hatte ich dann die Idee, Sebastian Blau-Gedichte zu vertonen. Ich hab nach
161
Texten gesucht, zu denen mir für eine Vertonung etwas einfiel.
Da ich in meiner Combo und auch sonst gerne Jazz-Standards singen wollte, aber wusste,
dass das für Schwaben nicht so einfach ist, dachte ich, ich probier mal, ob das auf Schwäbisch
funktioniert. Ich suchte nun nach Titel mit englischen Texten, die nicht ganz belanglos waren.
Ich machte dann ab 2003 schwäbische Programme mit Mundart-Pfarrer Manfred Mergel,
Hanno Kluge und Wolfgang Wulz (GGS Februar 2004) und Gerhard Raff (Februar 2014 StN
im Kupferstüble/Hotel Zeppelin).
Ein Glücksgriff war die Kombination Rolf Welz – Volker Mall. Wir machten von 2005 bis
2015 mehr als 20 Gigs, Sketche, die Rolf Welz mit einem Freund gedichtet hatte und die im
SWF gesendet worden waren: Mauz und Pfeifle Philosoviehcherien, sog. Doppelconférencen.
Eine Doppelconférence ist ein Dialog zwischen einem G’scheiten und einem Blöden, wobei
der G’scheite dem Blöden etwas Gescheites möglichst gescheit zu erklären versucht, damit der
Blöde möglichst blöde Antworten darauf zu geben imstande ist – mit dem Resultat, dass zum
Schluss der Blöde zwar nicht gescheiter, aber dem Gescheiten die Sache zu blöd wird. Beide
haben daher am Ende nichts zu lachen. Dafür desto mehr das Publikum.
Dazu dann „meine“ Kompositionen/Übersetzungen.
Am Anfang begleitete ich mich Solo am Klavier, später wurde daraus eine Combo, die
regelmäßige Gigs hatte (bis Corona).
Rolf Welz 4.1.1929 bis 1.6.2021
Kindheit in Waiblingen, Johannes Kepler-
Gymnasium Bad Cannstatt. Als 15-Jähriger
wurden ihm als „Stenz“ (Swingheini) als Strafe
die Haare geschnitten, und er musste in der
Landwirtschaft arbeiten. Am Ende seines Vortrags
bei einer Veranstaltung „Swingkids“ in der
Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen 2012 stellte er
klar: „Ich möchte gar nicht in Anspruch nehmen,
ein Widerstandkämpfer gewesen zu sein. Uns hat
das halt gefallen, das war mehr die
Gruppenzugehörigkeit. Dass wir das auf der
Straße gemacht haben, war irgendwie
jugendlicher Leichtsinn, wir ließen uns dazu
hinreißen.”
Rolf Welz wirkte schon während seines Germanistik-Studiums in Tübingen an
Hörspielproduktionen des Südwestfunks mit. Er war Mitverfasser und Interpret von Dialogen
in der Tradition Karl Valentins (Mauz und Pfeifle). Von 1956 bis 1992 unterrichtete er Deutsch
und Englisch an verschiedenen Gymnasien; als Studienassessor am Leibniz-Gymnasium
Stuttgart-Feuerbach, am Schickhardt-
Gymnasium und zuletzt am Andreae-
Gymnasium Herrenberg. Noch einmal 162
sprach er beim Südwestfunk von 1982 an
in über fünfzig Folgen den Professor
Haberschlacht in Professor
Haberschlachts kleine Geschichte Baden-
Württembergs.
Unter Hansgünter Heymes Regie stellte er
1982 den Harry in Gerettet von Edward
Bond in einer Produktion des JKT
am Staatstheater Stuttgart dar.
Seit 1985 spielte er zahlreiche Rollen im
Theaterkeller Sindelfingen (Mundart und
Klassik). 1994 trat er in Becketts
Einpersonenstück Das letzte Band auf
und wurde von Jochen Schönleber für
eine Sprechrolle der Opernproduktion Die
Himmlische Hochzeit bei den Rossini-Festspielen in Wildbad engagiert.
Filmerfahrungen als Darsteller sammelte er an der Filmakademie Ludwigsburg, u.a. in dem
Diplomfilm Auf den Spuren der Operation Mondsturm (Regie: Cornelius Meckseper, 2002).
Bei den Theatertagen 2003 der Städte Böblingen/Sindelfingen wurde sein eigenes Stück Wie
weit bist du von mir, eine Episode aus dem Leben der Dichterin Else Lasker-Schüler,
uraufgeführt.
In Herrenberg leitete er die Theatergruppe der Volkshochschule, aus der 1990 die
Herrenberger Bühne hervorging. Am Andreae-Gymnasium wirkte er in vielen Produktionen
mit:
Das Gold der 20erJahre (1983)
Stephen Kumalo in „Cry The Beloved Country/Lost in the Stars“ Musical von Kurt Weill
(1986),
Mr. Peachum in der Dreigroschenoper (1988, mit der VHS Herrenberg),
„Der Schoß ist fruchtbar noch“, 60 Jahre Bücherverbrennung (1993)
Swingtanzen verboten (SDR 1995)
Ab 2005 reaktivierte er (jetzt mit Volker Mall) sein schwäbisches Programm mit Mauz und
Pfeifle.
Bei einem Jubiläumskonzert der HerrenbergBigband sang er Ende 2018 den Morgenchoral
und „Der Mensch lebt durch den Kopf“ aus der Dreigroschenoper.

163
164
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Älls ist do; dr Frabfernseher, s´Auto ond a Spüalmaschee/ s´Pelzcape ond dr Rasemäher

Ond e´ Wochenend am See. Ebbes fehlt noh: äll dia Dame´, mo se kennt vom Kino her,/ Häbe, sait se,
schöne Name´- ´Frieda´ sei so ordinär,/ Darom suocht se für ihr Kloane

au en schicke ´Name´ raus, ond r paß et übel, moan, e: ´Carmencita Hurlebaus´.


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Für den Sebastian-Blau-Text benützte ich den B-Teil des Beatles-Titels „When I´m 64“
(transponiert und etwas variiert). Besonders hübsch ist der Reim „sechzge-ächzge“.
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Leicht zu erraten: Geklaut ist die Melodie vom Kriminaltango, ein Schlager aus dem Jahr 1959,
der am erfolgreichsten vom Hazy-Osterwald-Sextett interpretiert wurde.
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.
171

Melodie und Harmonik sind ein wenig angeregt von Wolf Biermanns „Es senkt das deutsche
Dunkel“ in Wolf Biermann, Mit Marx- und Engelszungen. Berlin 1972. S. 76.
Verlechnen=versiegen
Buff=Schläge
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Eine Tonsatzübung vierstimmiger Choral. Zu spielen im Orgelsound.


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Gregorianischer Choral im 5. Modus. Begleitung leere Quinte b-f, Orgelsound.


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Der Text wird gesprochen, unterlegt mit einer erweiterten Kadenz im Orgelsound, F-G-A-
Dur. Am Ende ein sog. Organistenzwirn.
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Hier stand Another Brick In The Wall Pate, eines der bekanntesten Lieder der britischen
Rockband Pink Floyd. Es wurde auf dem Album The Wall am 30. November 1979
erstveröffentlicht. Das funktioniert nur mit E-Gitarre und E-Bass.
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So isch´s scho emmer gwea, You must remember this/ A kiss is just a kiss/ A
kaum dass se sich hen gsea, sigh is just a sigh/ The fundamental things
scho meget sich die zwoi apply/As time goes bye.
ond koiner denkt dabei: And when two lovers who/ They still say I love
Zeit gaht vorbei. you/ On that you can rely/ No matter what the
Frühling ond Mondschei future brings/ As time goes bye.
Gibt´s älleweil Moonlight and love songs/ Never out of date/
Ond mit dr Treu Heartsfull of passion/ Jealousy and hate
Isch´s dann schnell vorbei. Woman needs man/ and man must have his
Er braucht a Sie ond sie halt au en Er, mate/ that no one can deny
so isch´s von jeher gwea. it´s still the same old story/ a fight for love and
Des isch a alte Gschicht, glory/a case for do or die
du ändersch dadran nix. the world will always welcome lovers
Drom lass die Träna Träna sei: As time goes bye.
Zeit gaht vorbei.
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„Auf, jetzt kommet halt mit mir, s´gaht zom Mississippi.


En Dampfer bloß, sonst braucht´s net viel. Da Fluss nafahra, New Orleans isch´s Ziel.
Dort wartet scho die Combo, wo weiß jedes Kend da,
weil´s älle Jazzfans da na zieht. Ihr ahnets scho: en dr Basin Street.
Basi Street isch des Gebiet, wo ma viel sieht, wo´s Leba blüht.
New Orleans isch onser Glück, an jeder Straßeeck Musik,
der New Orleans isch onser Tick, Er gfällt ons halt, isch er au alt,
der Dixieland lässt ons net kalt. Für ons an Muss, der Basin Street Blues.“

Now won't you come along with me


To the Mississippi?
We'll take a trip to the land of dreams
Blowing down the river, down to New Orleans
The band is there to meet us
Old friends to greet us
That's where the line and the dark folks meet
A heaven on earth, they call it Basin Street
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Die Täg mit Wei ond Rosa schnell vergange send wie der Sommerwend über d´Wiesa weht, ond´s Tor
schlägt eifach zua, ond ällas isch vorbei was gestern gwesa isch.
Die Nächt, di send jetzt einsam, ganz sche kalt isch´s jetzt, denk zrück an ons. Ond des schöne Lache,
des verges i nie. Die Zeit mit Wei ond Rosa ond di.

The days of wine and roses laugh and run away like a child at play
Through a meadow land toward a closing door
A door marked "nevermore" that wasn't there before

The lonely night discloses just a passing breeze filled with memories
Of the golden smile that introduced me to
The days of wine and roses and you
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Look at me, I'm as helpless as a kitten up a tree


And I feel like I'm clingin' to a cloud
I can't understand
I get misty just holding your hand
Walk my way
And a thousand violins begin to play
Or it might be the sound of your hello
That music I hear
I get misty whenever you're near
You can't see that you're leading me on
And it's just what I want you to do
Don't you notice how hopelessly I'm lost
That's why I'm following you
On my own
When I wander through this wonderland alone
Never knowing my right foot from my left
My hat from my glove
I'm too misty and too much in love
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The shadow of your smile Dei Lacha gaht mr nach


When you have gone seit d ganga bisch
Will color all my dreams brengt Farb en meine Träum
And light the dawn machts Donkle hell.

Look into my eyes, my love, and see Guck mr halt en d´Auge nei na siehsch
All the lovely things, you are, to me was du für mi warsch ond heut no bisch.

Our wistful little star Scheint onser kloiner Stern,


It was far, too high au nemme hell
A teardrop kissed your lips Verganga isch des kloine Glück viel z´schnell
And so did I …
Now when I remember spring Wenn I an den Sommer denk
And every little lovely thing woiß I heut, des war a Gschenk
I will be remembering Du dei Lache gaht mr nach.
The shadow of your smile The shadow of your smile
Your lovely smile
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Durch´s Wiesadal gang i jetzt na
Brech lauter Badenka durna
Badenka muss i brecha
Schön´s Sträußele draus macha
Aus lauter Badenka ond Klee
I han ja koi Schätzele meh.

Doch s´gibt bald koi Wiesadal meh


Neue Straßa machet´s voll he
S´kommt a neue Autobah
Direkt an onsern Flecka na
Ond nirgends meh Badenka ond Klee
Mir hen bald koi Wiesadal meh.

Ond zu derra Autobah


Soll no a zwoite dra na
SÁrgument isch schnell gfonda
d´Índustrie wird besser abonda
Ond nirgends...

Durch´s Wiesadal gang i jetzt na


Brech die letzte Badenka durna
Denn uf mei klois Stückle
Soll a Multimarkt ond a Fabrikle
Ond nirgend... 185
s ´isch höchste Zeit, dass ma sich wehrt
ällas andre wär sicher verkehrt
A bissle Hoimat muss ons bleiba
Drom müss´mer die Sach weiter betreiba
Scho wega de badenka ond em Klee
Em Wiesadal wird´s wieder sche .

2. Und wenn i's verlore doch hab',


Warum liegt's denn net in sein'm Grab?
Tät zum Grab jo mit Klage
E Sträußele ihm trage,
Aus lauter Batenke und Klee,
I han jo koi Schätzele meh!

3. Ach 'slebt jo und ist mer net treu,


Und i weiß: jetzt ist alles vorbei,
Und die Rose und die Nelke
Müßet traurig all' verwelke,
Verwelke Batenke und Klee,
I han jo koi Schätzele meh!
1. Strophe Verfasser unbekannt , 2. u. 3. Strophe von einem gewissen Fischer, Seminarist
bei Friedrich Silcher, gedichtet
Presse

186

Von zweien, die links herum denken Kreiszeitung Böblinger Bote 6. Februar 2006

Herrenberg - Sie machen nicht viel Aufhebens von sich und können doch ihr Publikum einen Abend
lang im besten Sinn unterhalten: Die pensionierten Lehrer vom Andreae- Gymnasium Herrenberg
Volker Mall und Rolf Welz. So geschehen am Freitagabend mit "Omkehrt isch au gfahre" im Weinlokal
Alt Herrenberg. Hört man nicht immer wieder, dass Pensionäre in ein Loch fallen und in der Meinung,
nicht mehr gebraucht zu werden, depressiv oder organisch krank werden? Volker Mall und Rolf Welz
haben im Ruhestand offensichtlich ein weiteres Leben angehängt, sie genießen es sogar, jetzt
Freiraum für geliebte Dinge zu haben. Der ehemalige Musiklehrer Volker Mall zeichnet nach wie vor
für "Jazzin Herrenberg" verantwortlich, also für das jährliche Festival und verschiedene Konzerte.
Außerdem vertonte er in den letzten Jahren Gedichte von Sebastian Blau und anderen
Mundartdichtern. Aus diesem Reservoir stellt er nun Kompositionen und Arrangements im Stil von
Pop, Blues oder Boogie für eine Veranstaltung in schwäbischer Mundart zusammen und singt die
Lieder ungekünstelt am Klavier oder Keyboard. Ungefähr zwanzig Aufführungen hat er bislang mit
verschiedenen Partnern gestaltet.
Zum dritten Mal agierte er am Freitag mit seinem ehemaligen Kollegen Rolf Welz. Neben dessen
früherer Tätigkeit als Deutschlehrer schlägt für die neue Profession sein Faible fürs Theater zu Buche.
Regelmäßig spielt er bei der Willi-Reichert-Bühne Sindelfingen und sporadisch auch in anderen
Ensembles, inszenierte in Herrenberg zeitweise selbst und bearbeitete Stücke. Was er aber jetzt in
dem Programm mit Volker Mall bietet, reicht sogar in die Studentenzeit zurück. Von den fünfziger
Jahren an führte er für den Südwestfunk im Landesstudio Tübingen gemeinsam mit seinem Freund
Manfred Noll Hörspiele auf. Beide verfassten Dialoge, wobei sie sich an Karl Valentins Stil orientierten.
Über zehn Jahre hinweg schufen Welz und Noll zahlreiche Hörspiele und traten verschiedentlich auch
öffentlich auf, unter anderem mit dem damals noch weniger berühmten Fritz Wunderlich.
Wie einst spielt Welz auch heute in den Dialogen wieder den "Pfeifle", und statt Noll spielt nun Mall
den "Mauz". Trefnich gestalten die Beiden die Ambivalenz oder "Janusköpfigkeit" der Schwaben. Sie
wählen dabei das konservative Milieu. Mauz geizt nach der für Schwaben berüchtigten Weise mit
Worten, steht dabei nüchtern auf dem Boden der Tatsachen und meldet Zweifel an, wenn Pfeifle sich
versteigen oder abheben will. Die Schwaben rühmen sich ja schließlich auch ihrer "Schelling, Hegel,
Schiller und Hauff" und halten solche Geistesdichte für die Regel. Dementsprechend gibt sich der
"alles wissende Halbwisser" Pfeifle hintersinnig, spintisierend und sehr selbstbewusst in seinen
erhabenen Gefilden. Diese beiden gut kontrastierten Charaktere stehen auch für Wortwitz und
Melancholie. Welz spielt seine Rolle temperamentvoll mit bekannter Bravour. Es ergeben sich
Wortgefechte, indem Pfeifle und Mauz "links herum denken". Mal will sich Pfeifle pädagogische
Methoden oder gleich den Lehrer seines Heinerle vornehmen, mal fühlt er sich im Beruf verkannt.
Oder er philosophiert über den Zusammenhang von Rheumatismus und Zeit. Aber Mauz versucht 187
immer wieder, Bildworte zu entlarven: Wenn es in den zu Rheumatisierenden hineinfährt, muss es
doch von irgendwo hergefahren sein, und bis das geschieht, "(ver)geht" die Zeit, während der
Rheumatismus "kommt".
Mauz bezweifelt auch, dass es in der Wüste vierzig Grad im Schatten haben kann, wenn es dort doch
gar keinen Schatten gibt. Auf jeden Fall "lauert der Durst" am Ende der dort vorstellbaren Zeit. Und
für Mauz ist es kein Trost, dass Pfeifle bei einem Kunstlied "einen bildhaften, plastischen Ton
vermisst", wenn doch die von Mauz so sehr geliebte
Posaune fehlt. Wie aber kann denn etwas fehlen, wenn es
gar nicht dazugehört! Die Zwei können um das Wörtchen
"glauben" eine Wortglauberei veranstalten, ohne religiöse
Gefilde zu betreten; es geht um negative Erfahrungen:
"Was i eatz nochher woiß, des woiß i nochher scho
vorher". Gerne würden die Zwei auch politisch, aber
Sebastian Blau bediente sich hier der schriftdeutschen
Sprache, allerdings war ja in der fürs Schwäbische so
typischen Knappheit in Dialog und Liedern so mancher
Seitenhieb bereits versteckt. Christa Hagmeyer
Schwäbisch
Februar 2004: GGS mit Wulz, Hildrizhausen mit Wulz
GGS Hanno Kluge und Wulz
27.11.2004 Fest Grossmann Hasen Club 606
22.2.2005 Welz Altherrenberg
12.11.2005 Welz Öschelbronn (vhs)
17.2.2006 Welz Altherrenberg
19.1.2007 Welz Haslach
12.1.2008 Welz Hearhäusle
25.1.2008 Welz Ev Gemeindehaus Herrenberg
1.4.2008 Welz Landfrauen Ehningen
31.5.2008 Welz Theater am Torbogen Rottenburg 188
15.11. Welz Nagold
5.2.2010 Haslach
29.4.2010 Nebringen
27.10.2010 Stadthalle Herrenberg
7.5.2011 Fachwerk Herrenberg
8.10.2011 Fachwerk
27.11. Haslach
20.7.2012 allein Öschelbronn (Dolde)
20.11.2013 Baisingen Brauereigaststätte
5.2.2013 Haiterbach
2.11.2013 Grasy
7.2.2014 Nebringen
20.2.2014 allein StN
2.2.2015 mit Combo AGH
20.9.2015 mit Wolfgang Roos Rottenburg
Zsammaschtanda en dr Gwerkschaft?
Die GEW – Versuch einer Bilanz
Ich bin 81 Jahre alt. !969 bin ich in die GEW eingetreten und war mit ihr über die
Pensionierung hinaus verheiratet und als Funktionär in vielen Positionen aktiv. Auch in der
GEW ist leider das Geschichtsbewusstsein sehr unterentwickelt. V.a. die weniger positiven
Dinge werden gerne vergessen. Von dem vielen, was ich in dieser Zeit erlebt habe hier einige
Beispiele, bevor das vergessen wird.
Ende der 1970er Jahre suchten wir eine Organisierungsmöglichkeit für uns als linke Lehrer
und entdeckten den SLB. Vermutlich kam die Initiative vom Tübinger Lehrerzentrum. Am
26.2.1969 war in Stuttgart in der Eugenstraße eine Art Gründungsversammlung SLB
Stuttgart.
Der überregionale und undogmatische "Informationsdienst" wird zunächst
herausgegeben vom SLB (Sozialistischer Lehrerbund) und dem SB (Sozialistisches
Büro) in Offenbach. Die erste Ausgabe des Informationsdienstes erschien im
September 1969 (Nr. 1) mit dem übergreifenden Thema: "Linke Lehrer organisieren
sich". Die Konstituierung des SLB dürfte mit der ersten Ausgabe in Zusammenhang
zu bringen sein. Er geht auf die im April 1968 gegründete "Aktionsgemeinschaft
Demokratischer Lehrer" zurück, die u. a. von Herbert Stubenrauch ins Leben gerufen
worden war.
Der Informationsdienst will sozialistische Lehrer und Studenten berufsmäßig
organisieren und ihnen in der Zeitung eine Diskussionsperspektive geben. In der
Ausgabe 6 vom 25. Juni 1971 wird erklärt, dass "der Informationsdienst dem Aufbau
einer besseren Kommunikation unter den sozialistischen Lehrern in der BRD dienen
soll" (Nr. 6/9171).
Die Ausgabe 19/1974 präzisiert diese Auffassung. Dort heißt es: "Das SLB-Info dient 189
der Information und Kooperation zwischen sozialistischen Lehrern und deren
Organisierung. Um zu erreichen, dass sich immer mehr arbeitende Gruppen von
sozialistischen Lehrern an der inhaltlichen Ausgestaltung des Info beteiligen, sieht der
SLB die Notwendigkeit, die gegenseitige Information und Zusammenarbeit zu
verstärken …" (Nr. 19/1974).
Der Informationsdienst versteht sich als "Plattform aller im SLB mitarbeitenden
Genossen und Gruppen", Ihre politischen Erfahrungen, Probleme und Konflikte sollen
im Info "für andere nachvollziehbar dargestellt werden". Aufgerufen wird dort zur
"intensiven Zusammenarbeit sozialistischer Lehrer", für die "Stärkung der GEW für
eine konsequente gewerkschaftliche Interessenvertretungspolitik und die
Organisierung über das Berufsfeld hinaus". Das sei die "vorrangige Aufgabe
sozialistischer Politik" (Nr. 8/1971).
Verantwortlich für den Informationsdienst war zunächst das "Redaktionskollektiv der
SLB Gruppe Frankfurt/M.", später ist u. a. Klaus Vack, meistens aber dann Michael
Schwelien verantwortlich.

Im Informationsdienst und "Arbeitsfeld Schule" werden viele der relevanten Themen


für den Schul-, -Lehrer- und Ausbildungsbereich behandelt, u. a.: Schulkonflikte,
Schulreform, Berufsschule, Gesamtschule, Lernziele, Schulalltag, Berufsverbote,
Russell-Tribunal. Hier publizieren verschiedene AGs und Arbeitsausschüsse.

Wir nahmen Kontakt mit Achim Angst auf, der bereits eine Fachgruppe Gymnasien in der
GEW Nordwürttemberg initiieren wollte, erhofften uns über die GEW mehr Einfluss und
traten mehr oder weniger geschlossen ein. Am 3.6.1969 gründeten wir die Fachgruppe
Gymnasien Nordwürttemberg. Im Juni 1970 hatte sie bereits 127 Mitglieder.
Am 6./7.5.1970 fand eine denkwürdige Tagung im Roßbergturm statt.
Im Herbst 1970 ergab eine Art Urabstimmung zum Streik in Nordwürttemberg erstaunliche
75% ja.
Am 6.11.1970 wurde ich Vorsitzender.
Wir hatten klare Vorstellungen, wie ein demokratisches Bildungssystem aussehen sollte.
Die Dreigliedrigkeit sollte durch eine Integrierte Gesamtschule ersetzt werden.
Einheitliche Lehrerausbildung mit einheitlicher Bezahlung und Arbeitszeit
Demokratisierung: Wahl einer Schulleitung auf Zeit, Ausweitung der Mitbestimmung von
Lehrern und Schülern,
Andere Unterrichtsformen, andere Beurteilungen, Förderung statt Selektion
Streikrecht für Beamte bzw. Änderung des Beamtenrechts…

Bei der LDK der FG Gymnasien Baden-Württemberg am 18.10.1971 wurden u.a. diese
Anträge an die GEW beschlossen:
Einführung eines einheitlichen Dienstrechtes für alle im öffentlichen Dienst tätigen
Arbeitnehmer, Reform des Beamtenrechts mit der Aufgliederung in ein Status- und
Folgerecht (Streichung §§ 66,67 LBG). Ziel war v.a. das Streikrecht.
-Funktionsstellen: Wahl auf Zeit
-Gleiches Geld für gleiche Arbeit
-Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung für alle
-Ermäßigung des Wochendeputats auf 22 Stunden
Etwas illusorisch wollten wir sogar gemeinsam in die IGS Neugereuth, die dann nie zustande
kam. Selbst in Böblingen gründeten wir am 1.4.1971 eine AG IGS, wollten in Böblingen
zusammen mit dem DGB eine IGS.

190
Hermann Wilhelm, Vorsitzender der FG BaWü, stellt im Geschäftsbericht der GEW 1971/73
fest: „Viele Beschlüsse der Delegiertenkonferenz und des Fachgruppenausschusses
(Gymnasien) finden in den Beschlußgremien der GEW keine Mehrheit.“ (zur VV 1974 S.62)
191

Die Möglichkeiten in der GEW hatten wir grob überschätzt. Es war ein Lehrerverein, weit
davon entfernt, eine Gewerkschaft zu sein bzw. zu werden.
Einen ersten Konflikt gab es bereits im Februar 1972. Die Fachgruppe (FG) Gymnasien
BaWü hatte ein Info „Rechtsstaatlichkeit in Gefahr“ verfasst, das sich gegen die
Berufsverbote wehrte. Im zweiten Teil des Infos war ein Artikel von Horst Bethge zum
Wehrkundeerlass abgedruckt. Dem damaligen FG-Vorsitzenden wurde am 8.2.1972
mitgeteilt, dass der GEW-GA den Druck abgelehnt. Der Landesfachgruppenausschuss
Gymnasien hatte den Druck aber bereits veranlasst. Der GA beschloss daraufhin am 8.2.1972,
den Druck einstampfen zu lassen und die Kosten dafür der Fachgruppe anzulasten. Die FG
druckte den Info nun auf einem Wachsmatrizendrucker selbst nach und verschickte alles
eigenhändig. Das war mit viel Arbeit verbunden und zog ein Ausschlussverfahren gegen die
FG Vorsitzenden Nordbaden (Fritz Güde 1935 bis.2017), Südbaden (Bertermann),
Nordwürttemberg (Volker Mall), Südwürttemberg (Leili Breithaupt) und Hermann Wilhelm
nach sich, von dem der Vorsitzende SW ausgenommen wurde, da er sich von der Aktion
distanziert hatte. Ich glaube, wir wurden damals von Klaus Beer herausgehauen. Im
„Nachklang“ wollten wir ein Flugblatt zum Wehrkundeerlass machen, in dem es u.a. hieß:
„Boykottieren Sie mit uns den Wehrkundeerlaß“. Dazu kam es nicht, vielleicht weil Hermann
Wilhelm nach einem Hinweis vom MAD beim OSA vorreiten musste.
Die GEW-Führung nahm das zum Anlass für mehrere Satzungsänderungen. In § 20 hieß es:
„Der Vorsitzende vertritt die GEW nach innen und außen.“ Der Vorstand der GEW Baden-
Württemberg beschloss am 18.3.1972 „Für öffentliche Veranstaltungen, Veröffentlichungen,
Flugblätter, Demonstrationen und Aktionsgemeinschaften von
1.Fachgruppen, Ausschüssen, Arbeitsgemeinschaften und anderen Gruppen der GEW
oder
2. Einzelmitgliedern, die im Namen der GEW tätig werden wollen … ist beim GA ein
entsprechender Beschluss zu beantragen.“
Einen Ausschlussantrag hatte im Übrigen die GEW Nordbaden schon im Dezember 1970

192
gegen den Kollegen Jürgen Daum wegen seiner vermuteten Mitgliedschaft im KBW gestellt.
Weitere Konflikte ließen nicht auf sich warten. Auch Baden-Württemberg übernahm den
Radikalenerlass. Im Januar 1973 erließ der Minister den nach ihm benannten Schiess-Erlass,
der die Überprüfung aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf ihre Verfassungstreue
anordnete.
Als Radikalenerlass bezeichnet man den auch kurz Extremistenbeschluss genannten
Beschluss der Regierungen des Bundes und der Länder zur Überprüfung von
Bewerbern für den Öffentlichen Dienst auf deren Verfassungstreue vom 28. Januar
1972.[1]
Der Erlass hatte zum Ziel, die Beschäftigung sogenannter Verfassungsfeinde
im öffentlichen Dienst zu verhindern.[2] Instrument war eine bundesweit einheitliche
Auslegung und Anwendung des damals geltenden § 35 BRRG,[3] wonach
sich Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhalt
einzutreten hatten. Jeder Einzelfall musste für sich geprüft und entschieden werden.
Dies hatte zur Folge, dass vor der Einstellung, aber auch zur Überprüfung bestehender
Dienstverhältnisse eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz durchgeführt wurde.
Ein Bewerber, der verfassungsfeindliche Aktivitäten entwickelte, wurde nicht
eingestellt bzw. konnte aus dem Dienst entfernt werden. Für Arbeiter und Angestellte
im öffentlichen Dienst galten entsprechend den jeweiligen tarifvertraglichen
Bestimmungen dieselben Grundsätze.
Der Erlass betraf nicht nur Mitglieder von Parteien, sondern auch Personen, die nicht
parteigebunden waren. Er wurde 1979[4] von der Regierungskoalition aus SPD und
FDP einseitig aufgekündigt. Vom 1. Januar 1973 bis zum 30. Juni 1975, einem
Zeitraum, der Experten allerdings als besonders intensiv gilt, kam es
laut Bundesministerium des Innern zu 450.000 Anfragen bei den Nachrichtendiensten.
Daraus ergaben sich in 5700 Fällen sog. „Erkenntnisse“ und 328 Ablehnungen. Die
Nichtregierungsorganisation „Weg mit den Berufsverboten“ unterschied für die Zeit ab
1972 hingegen 1250 Ablehnungen einer Einstellung.

Im Kontext der Debatten um „Berufsverbote“ im öffentlichen Dienst, die besonders Linke im


Bildungsbereich trafen, grenzte sich auch die GEW von Gruppen der radikalen Linken ab. Sie
schloss deren Mitglieder aus, nahm sie gar nicht erst auf oder verweigerte ihnen den
Rechtsschutz.

Die Gewerkschaften gehörten zwar zu den Kritikern des Radikalenerlasses, allen voran die
GEW, denn ihre Berufsgruppen waren davon am stärksten betroffen – achtzig Prozent der
Verfahren richteten sich gegen Lehrer, zwölf Prozent gegen Lehrende an Hochschulen. Der
Vorsitzende der GEW, Erich Frister, sagte 1973 auf einer Veranstaltung der Jungsozialisten:
„Wegen ein paar Dutzend Kommunisten, die im Verhältnis zu den alten Nazis in
Spitzenstellungen der Bürokratie, Justiz und Wirtschaft wie ein Tropfen im Ozean wirken,
wird gegenüber Studenten, Rechts- und Lehramtsanwärtern, die die Aufforderung, politisch
und kritisch zu sein, ernstgenommen haben, ein Klima der Hexenjagd und des
Denunziantenstaats erzeugt.“
In einem zweiseitigen Titelartikel der ADLZ Nr. 3 1.3.1973 Von der aktiven Toleranz forderte
er die ältere Generation zur Toleranz auf. Schon in der nächsten Nummer eine Kehrtwendung:
In Von den Grenzen der Toleranz startete er einen „Frontalangriff“ auf die K-Gruppen und
bezichtigte sie eines fehlenden Bekenntnisses zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Im Juni 1974 folgte auf der Bundesvertreterversammlung die Satzungsänderung der GEW.
Leider zitiert Marcel Bois in seinem Buch Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der GEW,
Weinheim 2021 – ein „Auftragswerk“ der GEW - vor allem Positionen der GEW-Leitung und
geht überhaupt nicht auf die Betroffenen ein. Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern erinnerte 193
beim Gewerkschaftstag 2022 an die historische Verantwortung ihrer Organisation.13 124
Frauen und 169 Männer seien auf Basis des Unvereinbarkeitsbeschlusses in den 1970er
Jahren wegen „Mitgliedschaft oder Unterstützung“ von K-Gruppen aus der GEW
ausgeschlossen worden. Da vergisst sie schon ein paar andere Linke. „Jeder Einzelfall ist
einer zu viel.“ Dafür entschuldige sie sich bei den Betroffenen.
https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/gewerkschaftstag-2022-kompakt-3
Wenn für jemand in Folge des Radikalenbeschlusses ein Verfahren gegen Nichteinstellung
oder Entlassung anstand, sie aber gleichzeitig von den Unvereinbarkeitsbeschlüssen betroffen
war, wurde ihm kein Rechtsschutz gewährt, was enorme Anwalts- und Gerichtskosten nach
sich ziehen konnte.
Mit den Satzungsänderungen und den einschränkenden Beschlüssen war es rein formal
möglich, Ausschlussverfahren einzuleiten. Eine inhaltliche Auseinandersetzung war nicht
nötig. Das hatte z.T. groteske Folgen. Roland Dittus14 wurde im Juni 1963 ausgeschlossen,
weil er als Mitglied des BLV (Bezirkslehrerverband) Ludwigsburg trotz „Verbot“ ein
„Bündnis“ mit der Elterninitiative Kleine Klassen einging bzw. das Flugblatt als
Verantwortlicher unterzeichnete. Der BLV Ludwigsburg (oder besser dessen Vorstand) ließ
die Abstimmungsniederlage nicht auf sich sitzen. Er beantragte, der GA möge sich mit der
Frage beschäftigen, „ob der BLV Ludwigsburg bzw. der KV Ludwigsburg als Partner in einer
Aktion Kleine Klasse des Arbeitskreises Grundschule Ludwigsburg eine Demonstration mit
vorbereiten und gestalten könne.“ Der GA beschloss, „die Mitarbeit der GEW als
Organisation zu untersagen“. Nachgeschoben wurde als Begründung, dass das Flugblatt die
Grundschullehrer in grober Weise diffamiere. Es nützte auch nichts, dass die Eltern sich für

13
Vergleiche dazu: Alexandra Jäger, Abgrenzungen und Ausschlüsse. Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse in der
GEW Hamburg in den 1970er Jahren, Weinheim 2020.
14
https://www.mao-projekt.de/BRD/BW/S/Ludwigsburg_GEW_Lehrer.shtml
eine nicht ganz glückliche Formulierung „So sieht es in unseren Grundschulen aus“
entschuldigten.

194
Mit Einschreiben vom 8.10.1973, unterzeichnet von Siegfried Michel, wurde Dittus 195
ausgeschlossen.

Als Adelheid Mehnert (Mitglied des AjLE Nordwürttemberg) das Verhalten der GEW-Oberen
kritisierte, wurde auch gegen sie ein Ausschlussverfahren eingeleitet, wohlgemerkt: Sowohl Siegfried
Michel als auch die meisten „Oberen“ waren SPD-Mitglieder und Adelheid Mehnert seit 1971 eine
„Genossin“.
Eigentlich war nur noch Sarkasmus möglich, wie im Brief von Gerd Lichtenauer (s. u.) oder in der
Version von „Marmor, Stein und Eisen bricht“, die wir jetzt sangen:
Weine nicht, wenn der Ausschluss droht, tamtam, tamtam
Du hast ja schon Berufsverbot, tamtam, tamtam
Marmor, Stein und Eisen bricht Aber die Gewerkschaft nicht.
Alles, allles geht vorbei, doch wir sind ihr treu.
Um nicht aus dem Schuldienst zu fliegen, entschuldigte sich Adelheid Mehnert am 11.1.1973 bei der
GEW-VV in Esslingen

Aber: Es war noch eine Steigerung möglich.


Das Ausschlussverfahren gegen Norbert Füssinger, Volker Mall und Klaus Philippscheck 1975/76.
Klaus Philippscheck war damals GEW-Kreisvorsitzender in Böblingen, Norbert Füssinger dort im
Kreisvorstand, ich Pressereferent und gleichzeitig in der GEW Hochschulgruppe aktiv.

Was Robert Jung veranlasst hat, gegen und vorzugehen, bleibt im Dunkel. Vielleicht weil er
ein typischer Renegat war? In der Begründung hatte Robert Jung ein Dossier
zusammengestellt, selbst vor dem Krieg 17 Jahre Mitglied und Funktionär der KPD, danach
langjähriger SPD-Stadtrat in Stuttgart und damals stellvertretender Landesbezirksvorsitzender
der GEW und „Berichterstatter“ beim Ausschlussverfahren. (Später kandidierte er für die
GEW-Schiedskommission). Mit Zitaten aus verschiedenen Zeitungen, aus dem JUSO-
Landesinfo wurden die 3 Betroffenen gleichzeitig in die Nähe von KBW, KPD und Stamokap
gebracht.
Die Anschuldigungen mögen uns heute absurd und lächerlich erscheinen (jeder, der die
Böblinger JUSOs kannte, wusste, dass sie sowohl Maoisten als auch DKP und Stamokap zu
ihren politischen Gegnern zählten). Damals konnten sie Stigmatisierung und Kriminalisierung
bedeuten. Sie machten Angst und konnten eine Gefahr für die politische und berufliche
Existenz sein. Wer nicht schon vor dem Ausschluss vom Berufsverbot bedroht war, bekam es
oft in der Folge. Am 6.2.1974 schloss beispielsweise die GEW Nordbaden 7 Kollegen und
Kolleginnen aus, darunter Fritz Güde und Jürgen Daum15, weil sie an der Demonstration
gegen Berufsverbote in Stuttgart am 14.4.1973 (mit einem GEW-Transparent) teilgenommen 196
hatten und/oder weil sie auf der Fahrt zur GEW-Kundgebung in Köln am 6.2.74 Flugblätter
verteilt und die KVZ (Kommunistische Volkszeitung, „Organ“ des KBW) verkauft hatten.
Im Krieg wurde Robert Jung schwer verletzt, nach 1945 trat er in die SPD ein, jetzt
Kommunistenhasser. Er sammelte systematisch Material, das uns belasten konnte. Er stellte
daraus ein 15-seitiges Konvolut zusammen. Unterschreiben musste es Siegfried Michel.

15
Jürgen Daum (Assessor am Tulla-Gymnasium Mannheim) wurde 1974 entlassen.
197
Es wird dann v.a. aus dem Juso-Landesinfo zitiert, für das die Böblinger Jusos eine Zeitlang
verantwortlich waren.
198

Was ist daran falsch?


Schließlich wird uns vorgeworfen, dass Fritz Güde, damals KBW-Mitglied bei der Böblinger
Berufsverbotsdemo (DGB + SPD) 1973 gesprochen habe.
Es gab dann eine Flut von Solidaritätserklärungen.
Das war dann unser Kotau. Am 23.12.75 wurde das „Schiedsverfahren“ förmlich eingestellt,
nachdem die 3, v.a. um die kraftraubende Auseinandersetzung zu beenden, mit ungutem
Gefühl ein Revers unterschrieben hatten, in dem sie „die in den GEW-Infos 3 und 4
veröffentlichten Beschuldigungen mit Bedauern zurücknehmen“.
199
Es gab am 30. Januar 1976 ein großes Fest in der Maichinger Turn- und Festhalle -organisiert
von der Maichinger SPD-,, zu dem alle Unterstützer eingeladen wurden. Zupfgeigenhansel
sangen. Ihre erste LP Volkslieder I war noch nicht erschienen und erlebte quasi eine
Uraufführung. Beide studierten gerade bei mir an der PH Esslingen.
Trotz Ausschlussverfahren sollten wir dann wieder aktiv werden. Wir brachten die Studenten
bei der LandesAstenkonfernz im Mai 1976 dazu, bei der GEW-Kundgebung am 21.6.1976
auf dem Stuttgarter Schillerplatz mitzumachen.
Um noch mehr Druck zu machen, wurde von der FG Gymnasien gemeinsam mit dem GEW
KV BB und andren „Linken“ versucht, die GEW dazu zu kriegen, wenigstens einmal nicht
nur eine Kundgebung, sondern eine Demonstration zu organisieren. Ein – man kann es sich
heute nicht mehr vorstellen - schwieriges und langwieriges Unterfangen: Am 4.2.1977 fand
in Stuttgart die 1. GEW-Demo statt mit 25 000 Teilnehmern. Der Beschluss war nur durch
einen Trick des damaligen GEW Geschäftsführers Hubert Schuler zustande gekommen, der
nicht den Landesvorstand, sondern eine in der Satzung gar nicht vorgesehene
Funktionärskonferenz abstimmen ließ. Klaus Philippscheck und Volker Mall gelang es
während dieser Konferenz, die Studenten in der gleichzeitig in Kornwestheim tagenden
LandesASten-Konferenz zum Mitmachen zu bewegen. Bezeichnenderweise bestimmte
Schuler den damaligen Böblinger GEW-Kreisvorsitzenden Norbert Füssinger zum
Koordinator dieser Demo.

4.2.1977: Erste Demonstration der GEW Baden-Württemberg


Mit dem baden-württembergischen Staatshaushaltsplan für 1975/76 wurden
Lehrerarbeitslosigkeit und Kurzarbeit für Lehrer zur Realität. Zum ersten Mal gab es weniger
neue Lehrerstellen als ausgebildete Lehrer. Nach den Plänen der Landesregierung sollte es
zum Schuljahresbeginn 1977/78 in Baden-Württemberg rund 1000 arbeitslose und 7280
kurzarbeitende Lehrer geben.
Für die GEW war das eine neue Situation. Die geforderte Einstellung aller Lehrer schien jetzt
illusorisch zu werden. Nachdem die Kapazitäten v.a. der Pädagogischen Hochschulen
ausgeweitet worden waren und es allein im Jahr 1976 rund 4 000 Absolventen gab, war ja die
Dringlichkeit „begleitender“ Forderungen bereits erkannt worden: Arbeitszeitverkürzung und
kleinere Klassen: Schluss mit dem Lehrermangel – 25 Kinder in der Klasse sind genug –
Jedem Kind den vollen Unterricht – Deshalb alle Lehrer einstellen.
Ab 1976 wurde mit den unterschiedlichsten Methoden und Formen gegen die
Nichteinstellung von Lehrern und für Arbeitszeitverkürzung protestiert: Resolutionen,
Unterschriftensammlungen, (selbstfinanzierte) Zeitungsanzeigen, Infostände, lokale
Kundgebungen, Solidaritätsfeste.
Es war abzusehen, dass mit diesen Mitteln nur noch wenig zu erreichen war. So hatte die
Fachgruppenversammlung Gymnasien bereits im Dezember 1975 einen Antrag auf
Durchführung einer zentralen Kundgebung gegen Lehrerarbeitslosigkeit gestellt, die dann am
21.6.1976 stattfand. Die etwa 5000 Teilnehmer forderten dabei die Rücknahme der
Teilzeitarbeitsverträge für Junglehrer und die volle Übernahme aller Lehrer in den
Schuldienst. Die Fachgruppe Gymnasien beantragte dann kurz darauf beim
Geschäftsführenden Vorstand (GV) darüber hinausgehend eine zentrale Demonstration
durchzuführen. Im GV unterstützte v.a. Siegfried Stegmaier (1936-2013) -
Landesschatzmeister von 1974 bis 2000 - diesen Antrag, der so eine Mehrheit fand. Er sollte
an den Landesvorstand (LaVo) weitergereicht werden. Der damalige Geschäftsführer Hubert
Schuler, der die Mehrheitsverhältnisse in „seiner“ GEW sehr gut kannte, schlug als (neues)

200
Entscheidungsgremium dafür eine Funktionärskonferenz vor. Dabei sollte der LaVo u.a. um
die Fachgruppenvorsitzenden erweitert werden.
Da die Mobilisierungsfähigkeit der GEW – 5000 kamen zur o.g. Kundgebung – realistisch
eingeschätzt wurde, sollte versucht werden, die Studenten „ins Boot zu holen.“ Nicht nur, um
die Demo "aufzufüllen", sondern auch um das gemeinsame Interesse an der Bildung zu
dokumentieren und dafür zu sorgen, dass dies öffentlich wird. Ein schwieriges Unterfangen.
Es gab 1976/77 eine starke Mobilisierung an Unis und PHen. Den Hochschulen des Landes
drohten durch das Landeshochschulgesetz gravierende Verschlechterungen, dabei auch.
Abschaffung der verfassten Studentenschaft. Es gab aber (noch) ASten und die
LandesAStenkonferenz (LAK).
Wie in anderen Bundesländern hatten nach der Selbstauflösung des SDS in den 1970er Jahren
verschiedene linke Gruppen die Führung des Verbandes Deutscher Studentenschaften (ab
1975: Vereinigte Deutsche Studentenschaften, VDS) übernommen. In Baden-Württemberg
gab es neben DKP-, FDP- und SPD-nahen Hochschulgruppen v.a. die "Sponti"- und "Basis"-
Gruppen, deren Einfluss ständig wuchs. "Harlekine der akademischen Jugend von heute",
"radikal, anarchistisch und destruktiv“ (so der Politologe Kurt Sontheimer im Spiegel 1979).
Die GEW- Funktionärskonferenz fand am 11.5.1976 in Kornwestheim statt. Gleichzeitig tagte
dort die LAK. Klaus Philippscheck (Vorsitzender KV Böblingen) und Volker Mall pendelten
als „Emissäre“ zwischen GEW und LAK. Dort war Albrecht „Ali“ Schmeißner (Uni
Tübingen, Geschäftsführer und Vorstand des Studentenwerks e.V. Tübingen, später für die
Basisgruppen im VDS-Vorstand) als wortgewaltiger Vertreter der Basisgruppen (anfangs)
strikt dagegen, mit der „reaktionären“ GEW zu kooperieren.
Sowohl bei der GEW als auch bei den Studenten gab es dann (knappe) Mehrheiten für eine
gemeinsame Demonstration.
Die GEW-Geschäftsstelle und Hubert Schuler erwarteten nun enorme logistische Aufgaben
und Herausforderungen: Mobilisierung der Kreise, 15 000 Flugblätter, Transparente,
Rekrutierung der Ordnerdienste usw. Hubert Schuler bestimmte Norbert Füssinger, den
stellvertretenden Vorsitzenden des KV Böblingen zum Koordinator der Demo.
Schließlich zogen am 4. Februar 1977 25 000 Lehrer, Erzieher und Wissenschaftler,
Studenten, Eltern und Schüler in einem knapp 5 Kilometer langen Demonstrationszug vom
Marienplatz aus durch die Stuttgarter Innenstadt– nach der der Metallarbeiter 1971 die größte
Demonstration der Nachkriegsgeschichte. Unter dem Transparent „Wir wehren uns gegen die
Angriffe auf das Bildungswesen“ angeführt von Werner Grunert (SPD Böblingen), Siegfried
Vergin, Peter Conradi (SPD Stuttgart), Hubert Schuler, Siegfried Stegmaier und …..
Hauptredner bei der abschließenden Kundgebung auf dem Schillerplatz war der GEW
Landesvorsitzende Siegfried Vergin. Daneben sprachen der Bundesjugendsekretär der IG
Metall, Bernd Wurl und Ulrich Tost für die LAK.
Vergin verlangte die „uneingeschränkte Verwirklichung des verfassungsmäßig niedergelegten
Rechts auf Bildung und Chancengleichheit“, warnte vor einem Abbau der
Ausbildungskapazitäten, forderte die Einstellung aller „notwendigen“ Lehrer und die Senkung
der Klassenstärken auf höchstens 25. Neben Beifall erntete er dabei auch Pfiffe v.a. von den
K-Grüpplern und den Spontis.
Die an die Landtagsabgeordneten gerichteten Parolen auf den Flugblättern waren:
-Lassen Sie die Finger von den Ausbildungskapazitäten!
-Machen Sie endlich Schluß mit dem Lehrermangel!
-Stellen Sie alle Lehrer ein, damit alle Kinder den vollen Unterricht erhalten!
-Schaffen Sie Ausbildungs- und Arbeitsplätze für die junge Generation!
Die Lehrerband Murx steuerte ihren Paukerblues bei und die Lieder „Zsammaschtanda en dr
Gwerkschaft“ und „Mein Gott Walter“.
Insgesamt wurden danach bis 1980 3900 zusätzliche Stellen geschaffen, und es gab die

201
Zusage, künftig alle nach der Zweiten Lehramtsprüfung nach einer Beschäftigung im
Angestelltenverhältnis mit einem ¾-Lehrauftrag voll in das Beamtenverhältnis zu
übernehmen.
„Lehrer, Schüler und Studenten bildeten eine neue Macht - zuerst einmal für das Recht auf
Bildung, später dann auch für wichtige andere Politikbereiche. Der Mobilisierungserfolg, den
die Demo hatte, hat bei vielen Lehrerkolleg/Innen ein durchaus verändertes, positives Bild
von den politischen Aktivitäten der Studenten geschaffen. Für eine Weile war das Thema
Bildung, auch mit seinen politökonomischen Zusammenhängen, ganz vorne auf der
landespolitischen Agenda. Dass die Demonstration von 1977 durch die stabile konservative
Struktur Baden-Württembergs in seiner Außenwirkung nur ein bald sich wieder
abschwächender Höhepunkt im Kampf um eine fortschrittlichere Bildungspolitik war, ändert
nichts an der Tatsache, dass sie die GEW und damit auch die politische Kultur unseres
Bundeslandes verändert hat.” (Klaus Philippscheck)

Später bestand die Gefahr, dass Demos zum Ritual wurden allerdings meist ohne (messbaren)
Erfolg und mit zunehmender Schwierigkeit bei der Mobilisierung. Hier eine unvollständige
Auflistung:
April 1978: Demo in Stuttgart
Mai 1979: Kundgebung in Fellbach
September 1979: Demo in Stuttgart
November 1981: DGB Demo in Stuttgart
Oktober 1982: DGB Demo Stuttgart (gegen Sozialabbau, Arbeitslosigkeit)
Pfingsten 1984: Fahrraddemo
November 1987: Demo Stuttgart
Januar 1989: Kundgebung Stuttgart „3-Tage-Regelung“ (Ferienbetrug)
Januar 1994: Funktionärskonferenz in der Liederhalle nach gescheiterter „Urabstimmung“
Juli 1995: Kundgebung Stuttgart
Dezember 20012: Eher missglückte Kundgebung in Stuttgart als Reaktion auf die Streichung
der einstündigen Altersermäßigung für Lehrerinnen und Lehrer zwischen 55 und 59.
Mai 2003: Demo in Pforzheim mit DGB und Beamtenbund.

Gleichzeitig gab es erhebliche Kontroversen über „weitergehende Kampfmaßnahmen“:


Die Diskussion „Streik ja/nein“ war 1987/88 nach dem sog. Ferienbetrug der CDU/SPD-
Regierung und sowohl bei als auch nach der gescheiterten „Urabstimmung“ 1994 besonders
heftig
Ebenfalls umstritten war der „Dienst nach Vorschrift“ - 1989 ausgehend von den
Herrenberger Gymnasien.
Anlässlich der Sparmaßnahmen und der Deputatserhöhung an Gymnasien und Berufsschulen
gab es 2003 noch einmal einen ähnlichen Versuch, die Kollegien zur „Konzentration auf das
Kerngeschäft“ zu bewegen, der sehr schnell wieder im Sande verlief.

Es ist sicher gelungen, die GEW bis zu einem gewissen Grad „kampfstärker“ zu machen,
damit allerdings – und das ist das Dilemma - nicht unbedingt „erfolgreicher“.
Der Rückblick auf die letzten 40 Jahre zeigt, dass nur wirksamere Kampfmaßnahmen
(vielleicht) weiterhelfen würden. Es wäre deshalb dringend nötig, das Streikrecht wieder ins
öffentliche Gespräch und in die GEW-Diskussion zu bringen, aus der es verschwunden zu
sein scheint.
Solange allerdings neoliberale Politik auf Privatisierung, Deregulierung, Senkung der
Staatsquote und auf Sparhaushalte setzt, ohne eine „umverteilende“ Steuerreform (z.B. eine
„echte“ Reform der Erbschafts- und Vermögenssteuer und entschlossene Bekämpfung der
Steuerflucht) anzugehen, solange sich der Stellenwert der Bildung nicht verbessert, wird es –
mit oder ohne Streikrecht - schwer sein, bildungspolitisch auch nur den Status Quo zu 202
erhalten.
Der Frust über die Erfolglosigkeit, über das Mit-dem-Rücken-zur-Wand stehen wird im
Artikel von Klaus Philippscheck und Volker Mall im INFO Nr.45, Juni 1985, deutlich, in dem
sie erklären, warum sie nicht mehr für den Kreisvorstand kandidieren:
„Die Arbeit in der GEW war von der Perspektive her klar: Wir wollten für unsere
Vorstellungen von einer kämpferischen GEW Mehrheiten gewinnen, ... Verbindungen in den
politischen Bereich schaffen, zu den anderen Gewerkschaften herstellen. ... Die drängenden
Themen unserer Zeit ... relativierten für uns durchaus die Bedeutung der Gewerkschaftsarbeit.
... Da fehlt eine lang- oder mittelfristige Perspektive für die GEW-Arbeit .“ Es sei immer
wieder versucht worden, auch die grundsätzliche Diskussion anzustoßen, aber das Interesse
habe sich in Grenzen gehalten. „Der allgemeine GEW-Frust ging nicht spurlos an uns vorüber.
Erfolge gab´s nicht gerade viele zu feiern in letzter Zeit. Auch die Begeisterung der Basis hielt
sich in Grenzen; Aktivitäten „von unten“, auf die wir hofften und die wir bereit waren zu
koordinieren, gab es nicht.“
Auch der Geschäftsbericht anlässlich der Wahlen im November beklagt die „zurückgehende
Aktivität der Kollegen“ und nennt als einen der Gründe „die relative Erfolglosigkeit der GEW
angesichts der sich verschärfenden Situation im Bildungsbereich; weder die Kollegen im
Schuldienst noch die Arbeitslosen draußen sehen noch einen großen Sinn in irgendwelchen
sich wiederholenden Aktionen. ... Dies zeigte sich besonders deutlich bei den Aktionen am
Schuljahresende gegen Lehrerentlassungen: Die Mobilisierung ging seit 1980 ständig zurück;
1983 machten wir noch eine Plakataktion im Kreis und die „Rotstiftaktion“ auf dem
Sindelfinger Marktplatz mit einem kleinen Häuflein Aufrechter, 1984 als eigene Aktion ein
kleines Solidaritätsfest; außerdem nahmen einige an der Fahrrad-Demo des Landes (in den
Pfingstferien) teil. 1985 passierte außer zwei kleinen, fast übersehenen Landesaktionen in
Stuttgart gar nichts mehr.“ Auch der Versuch, eine theoretische Diskussion über die „Zukunft
der Arbeit und die Zukunft der Gewerkschaften“ anzuregen, scheiterte auf Kreis- und
Landesebene.

203
204
205

100 LehrerInnen hatten auf Initiative des GEW-Kreises Böblingen im Juni 1982 eine Anzeige
unterschrieben und finanziert, in der es u.a. hieß:
"Wir verpflichten uns,
-die heranwachsende Generation im Geiste der Toleranz, der Völkerverständigung und des
Friedens zu erziehen
-der Verharmlosung des Krieges, der Diffamierung des Pazifismus und der wachsenden
Militarisierung der Gesellschaft pädagogisch entgegenzutreten
-in Schule und Unterricht konkrete Beiträge zur Friedenserziehung zu leisten..."
Diese KollegInnen erhielten von ihrem Vorgesetzten, dem Präsidenten des Oberschulamts
Stuttgart einen Brief, in dem dieser schrieb:
"Ihre Erklärung ist ... eine schwere moralische Verunglimpfung der betroffenen
Kultusminister und ihres obersten Dienstvorgesetzten... Damit haben Sie Ihre Dienstpflichten
als Beamter nach den §§ 72 und 73,3 Landesbeamtengesetz verletzt... ich weise Sie ent-
sprechend einem Beschluß der Landesregierung darauf hin, dass Sie sich eines
Dienstvergehens schuldig gemacht haben und mache Sie darauf aufmerksam, dass im
Wiederholungsfalle Disziplinarmaßnahmen gegen Sie ergriffen werden..."
Als "Antwort" entstand dieses Lied nach der Vorlage von Boris Vians "le Deserteur", einer
scharfen, in einem Brief an den französischen Präsidenten gerichteten Kritik am
Algerienkrieg.

Dazu hatte ich zwei Lieder gemacht.


Das zweite Lied begann so:
Zehn Pädagogen für den Frieden wollten sein
Nicht nur am Biertisch- öffentlich.
Da waren´s nur noch 9.
… Am Ende war es nur noch einer …

Die Friedens-Aktivitäten waren so etwas wie der letzte Höhepunkt der GEW-Arbeit der „Alten“, die
das Feld Jüngeren überließen, in der Hoffnung, sie „fechten´s besser aus.“
Ich war dann bis zur Pensionierung 2005 noch Pressreferent des Kreises. Viel zu berichten gab es
nicht. 206
Was haben wir, was hat die GEW von dem erreicht, was wir einmal wollten? Leider bleibt da nur
Resignation.

Wie weit die GEW Baden-Württemberg gekommen ist, zeigt sich z.B. daran, dass die
Vorsitzende im Sommer 2023 in einem Brief an die Mitglieder es als Erfolg feierte, dass das
Kultusministerium nach ihrem Protest ein Werbeplakat zur Lehrergewinnung korrigierte.
Nach der Änderung stand auf dem Plakat nun: „Gelandet und gar keinen Bock auf deine
jetzige Arbeit? Hurraaa! Mach was dir Spaß macht und werde Lehrer*in“, hieß es in einer
Pressemitteilung. Sobald wie möglich werde ein Aufkleber auf dem Plakat am Flughafen
angebracht. Ursprünglich lautete der erste Teil des alten Spruchs: „Gelandet und gar keinen
Bock auf Arbeit morgen?“. Die neu eingefügten Worte „deine jetzige“ Arbeit heben sich
durch rote Schrift von der ansonsten schwarzen Schrift in dem Fragesatz ab.
Als eine großartige Protestaktion war bereits vor den Sommerferien der Kultusministerin
„öffentlichkeitswirksam“ ein – natürlich schlechtes - Zeugnis der GEW überreicht worden.
„Am Tag des offiziellen Ferienbeginns in Baden-Württemberg bekam auch Kultusministerin
Theresa Schopper (Grüne) ihr Zeugnis überreicht. Die Versetzung ist einstweilen nicht
gefährdet. Doch die Bewertung, die die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein ihr im Fach
„Behandlung der befristet beschäftigten Lehrkräfte“ mitgab, fiel wenig schmeichelhaft aus.
Schließlich müssen sich unter Schoppers Verantwortung im Südwesten viele tausend
Lehrkräfte für die kommenden sechs Wochen arbeitslos melden.
„Es macht den Anschein, dass sie stets bemüht war, aber nicht die nötige Durchsetzungsstärke
entwickeln konnte“, heißt es deshalb im Zeugnis, das der Ministerin am frühen Nachmittag
übergeben wurde. „Um ihren Platz im Kabinett zu sichern und ein erfolgreiches Schuljahr zu
erleben, sollte Frau Schopper dieses Geld im Haushalt organisieren.“
Pferde und Reiten – die zweite Liebe

Die erste Begegnung


mit Pferden hatte ich
auf dem
Landdienstlehrhof
und der späteren
Domäne Schloss
Ellwangen.
An Pferde und
Reiten war dann in
all den Jahren
danach aus
finanziellen
Gründen nicht zu
denken.
Gudrun arbeitete
dann, als sie in
Marburg studierte,
in den
Semesterferien als
Pferdepflegerin in
einem Reitstall bei Pinneberg, Dort besuchte ich sie. Sie ritt dann in Marburg und ging 1964
in den Septemberkurs ins Haupt- und Landgestüt Marbach. Marbach bot relativ billige
vierwöchige Kurse an, die natürlich 207
vorrangig von Studenten in den
Semesterferien besucht werden
konnten. Gewohnt wurde in Baracken,
die wir HJ-Baracken nannten, (Es
waren RAD-Baracken). Später wurden
sie durch das vom Stuttgarter
Architekten Conradi entworfene – und
inzwischen abgerissene -
Reitschulheim ersetzt., in dem oben

der Gestütstierarzt
Gerhard Eßich wohnte. Er
starb im Dezember 2003.
Meine Schwester
beschwatzte mich, und so
ging ich zum ersten Mal
im September 1965 nach
Marbach. Die mir
zugeteilten Wallache
waren Ordner und Fünferl.
Marbach war das Paradies: Nur Reiten, Misten, über Erfolge und Misserfolge reden, ob man
sein Pferd „an den Zügel gebracht hat“. Und.abends Feiern und Singen. Politik kam nicht vor.
Reitlehrer Tröster fragte allerdings einmal, was da an den Universitäten los sei. Und er
erzählte über die Busse, die nach Grafeneck fuhren und den Rauch, der dort aufstieg.
Allerdings waren nicht nur die beiden Baracken Reste aus vergangener Zeit, auch einiges
sonst gebärdete sich militärisch. Reitlehrer (in Uniform) und im Gestüt Beschäftigte mussten,
wenn sie auf dem Hof dem Landesoberstallmeister Dr. Georg Wenzler (damals von uns
LandesoberWenzler genannt) strammstehen und Meldung machen. Im Kurs gab es strenge
Regeln: Um 10 Uhr war Bettruhe, die teilweise von Wenzler kontrolliert wurde. Natürlich
waren die Arbeitszeiten streng geregelt: Im Sommer musste man um 7 Uhr. Im Winter um 8
Uhr im Stall sein. Die Pferde standen fast alle in sog. Ständern und waren angebunden, nur
die Stars wie der Araberhengst
Hadban Enzahi oder
Problempferde wie Ange
hatten eine Box. Die
Ständerhaltung ist in den
meisten Bundesländern heute
verboten. Sie standen auf sog.
Matratzen. Ausgemistet wurde
mit einer Art großen
Kutterschaufel. Die Pferde
mussten sauber gestriegelt
werden, von Fall zu Fall
wurde kontrolliert, wie viele
Striegel man herausgeklopft 208
hatte.
Zu Beginn des Kurses wurde
ein Stubenältester gewählt, ein
Begriff, den ich damals nicht kannte und der mir erst bei meiner Holocaustforschung wieder
begegnete.
Geritten wurde in der Alten Reithalle, deren Maße natürlich nicht der FN-Norm entsprachen.
Zuschauer konnten über eine Treppe in eine Art Loge. Die Halle selber konnte erst nach
einem „Tür frei?“ betreten werden. Um die Lohe wieder eben zu machen, wurde ein Pferd mit
einer Egge eingespannt.
Auch die Reitstunden hatten strenge Regeln. Zu Beginn musste man sich parallel in der Reihe
aufstellen, auf Kommando wurde aufgesessen, und mit dem Kommando „Zu einem
Rechtsbrechtab“ ging es los. Am Ende dasselbe Zeremoniell. Das machte durchaus Sinn,
schon um Zusammenstöße und Unfälle zu vermeiden. Die Kommandos in der Stunde sind
auch heute beim Abteilungsreiten noch üblich: „Im Arbeitstempo Trab.“, „Leichttraben“,
„Durcheinanderreiten Schritt, Trab, kleine Galoppreprisen“ …… Es hatte auch den Vorteil:
Die Pferde kannten die Kommandos und befolgten sie auch ohne die „Hilfen“ der Reiter.
Reitlehrer Vöhringer demonstrierte das mit dem schwierigen Wallach Falsimon, den er mit
„Schwarzer komm“ anredete und der ihm aufs Wort gehorchte. (Wir waren bei Vöhringers
Beerdigung dabei, als sein Sarg im Einspänner im Schritt zum Dapfener Friedhof gefahren
wurde).
Diensthabender Reitlehrer war zu der
Zeit für die Reitschule Karl Tröster.
Vertreten wurde er manchmal durch
Reutter, Christian Vöhringer und
Christian Lamparter. Lamparter und
Vöhringer waren Fahrspezialisten.
Als Schulpferde wurden eingesetzt:
209
Einige Altwürttemberger G-Linie aus
dem Golddollar Gerd, Geisha, Gerd und
Goldapfel. Außerdem Falsimon, Ordner,
Forelle, Edeljäger, Ehrenpreis, Schwelle

Zwei Araber (Dolab, Sethos), die


besonders schwierig waren. Und mit denen meist die Reiterinnen besser zurechtkamen.
Stuten, die nicht aufgenommen hatten, gelegte Hengste
Es wurde in Abteilungen geritten, jeder hatte eine Reitstunde pro Tag, was zusammen mit der
körperlichen Arbeit Misten und Pferde putzen, durchaus ausreichte um müde zu werden.
Höhepunkte waren die Ausritte. Und manchmal gab es auch Musikreiten. Tröster hatte sich
außerdem vorgenommen, dass wir eine Quadrille üben sollten. Es gab theoretischen
Unterricht, in dem sich unser Tröster
redlich bemühte, schriftdeutsch zu
sprechen. Das Sattelzeug musste
geputzt werden. Anfangs waren
Trensen noch nicht verchromt. Sie
mussten mit Sand gereinigt werden.
Der Hof musste mit Reisigbesen
gekehrt werden.
Auch das Vorstellen der Pferde wurde
geübt. Manchmal kam Wenzler dazu.
Frühstück und Abendessen musste
jeder für sich regeln. Zum
Mittagessen gingen alle gemeinsam
zu Fuß nach Dapfen. Zu Beginn des
Kurses wurde ausgemacht, ob man in den Grünen Baum oder in den Hirsch gehen will. Wir
gingen meist zu Gudrun Bückle in den Hirsch.
Anfangs durften die Reitschüler auch auf die Koppeln bei den Vorwerken wie auf den Hau
oberhalb von Offenhausen (Junghengste) oder am Fohlenhof bei St. Johann.
In den Kursen entstanden langjährige Freundschaften, aus denen schon mal eine Ehe werden
konnte: Uli Schott
und Hartmut Witte.
"And where are the
horses?"
Dieses Zitat wurde
Königin Elizabeth
II. von England,
anlässlich ihres
Besuches in
Marbach am Neckar
am 24. Mai 1965,
beim Verlassen des
Schiller-
Nationalmuseums in
den Mund gelegt.
Von findigen
Redakteuren stammt
folgender genialer
Einfall aus der
Berliner "B.Z." vom

dem die Frage "Und wo sind die Pferde?" wohl letztendlich beruht.
25. Mai 1965 auf
210
"Zu den Schwabenstreichen gehört auch das: Die Königin besuchte Marbach, den
Geburtsort Schillers. Marbach hatte sie besuchen wollen. Es war sogar ihr
ausdrücklicher Wunsch an das deutsche P rotokoll gewesen. Aber ein 75 Kilometer vom
Schiller-Marbach entfernt liegendes Marbach, das wegen seines Gestüts bekannt ist."
Das damit in die Welt gesetzte Gerücht vom
"falschen" Marbach hält sich bis heute.
Der zweite Septemberkurs dann 1966, mein
Pferd der Wallach Goldapfel. Der dritte Kurs im
September 1967 mit einem direkt
anschließenden Zwischenkurs, bei dem Ute
Piotrowski schwer stürzte, weil ihr Pferd beim
Ausritt ausgebunden war. Da unsere Gruppe bei
der Hengstparaden 1967, bei der das Gestüt das
150-jährige Fortbestehen der Weil-Marbacher
Vollblutaraberzucht feierte, geholfen hatten,
erreichte Gudrun bei Wenzler, dass wir eine Art
Gutschein für die sog. Zwischenkurse bekamen.
In diesen Kursen sollten sich die Schulpferde
erholen und wieder auf Vordermann gebracht
werden. Sie sollten wieder gut „Untertreten!;
das wurde mit Handarbeit geübt. Und Freispringen; Springen war nicht die Stärke der
Schulpferde.
Atlanta von Julmond aus der Antje *1962, Schwester des Aktionstrabers Armin. Ein anderer
Aktionstraber war der Altwürttemberger Abendruf.
Zwischenkurse hatten wir - außer 1967 - im Oktober 1968, im März 1969 und an Ostern
1973.
1971 machte ich
einen Osterkurs,
im Oktober
1971 besuchte
ich Gudrun im
Kurs, 1972 war
ich im
Weihnachtskurs
(mit Hansjörg
Lund), 1973 im
Septemberkurs.
Am Ende des

Septemberkurses 1974 machte ich das


Reitabzeichen und im Dezember die
Aufnahmeprüfung zum Reitwartkurs, die
ich mit Mühe bestand. Anfang 1974 war
211
ich bei der Aufnahmeprüfung bei
Neindorff in Karlsruhe durchgefallen.
Schließlich im Februar 1975 der
dreiwöchige Reitwartkurs, der mit einer
aufwendigen Prüfung abschloss, und in
dem auch noch eine Art Zulassungsarbeit
verfasst werden musste. Mein Thema:
Ausreiten (s. u.)
Damit hatte ich (theoretisch) die
Übungsleiter C-Lizenz.
Prüfungsfächer:
Reitstunde halten, Longieren, A-Dressur,
A-Springen, Theorie.
Ausgerechnet in Theorie bekam ich eine
5.
Beim Kurs lernte ich Brita Kraus kennen (s. u.).

212
213
214
D

215
216
217
218

Das Problem war, wo reiten, wenn nicht gerade ein Kurs ist? Ich versuchte verschiedene
Schulställe: Böblingen, Sindelfingen, fuhr in die Mittwochsreitstunde nach Marbach usw.
Mit Hansjörg Lund suchte ich nach Reitmöglichkeiten in den Ferien, u.a. in Ungarn. Wir
waren dann an Weihnachten 1971/1972 in Ampflwang und im Sommer 1972 (mit Gudrun) in
Baldenburg/Biały Bór in Polen.
Davor hatte ich eine Reitbeteiligung im Reitstall Müller
in Maichingen, ein Nobelstall, den sich der
Schrotthändler Müller geleistet hatte. Ich ritt Falke,
einen Wallach, der Herrn Werth gehörte
Zusammen mit 51 Anderen nimmt
die Familie Vöster-Alber (Firma
GEZE in Leonberg, Tür- Fenster-
Sicherheitstechnik) Platz 344 unter den
reichsten Deutschen ein. In der
Reiterszene bekannt ist die Familie
Vöster-Alber durch Frau Brigitte Vöster-
Alber. Sie unterhält seit langen Jahren
die Reitanlage VOESTER-ALBER in
Sindelfingen-Maichingen. Eine
Reitanlage über die man wirklich mal ein
Büchlein schreiben könnte. Mir fallen
ohne weitere Recherche folgende

219
220

ReiterInnen ein, die in Maichingen gastierten: Hartwig Steenken, Uli Eggers und Lone
Jörgensen, . . . , Tim Rieskamp Goedeking, Thomas Michel, Kai Schäfer, Markus Kölz
("halbtags") und aktuell die Tochter des Hauses Daniela Alber und Dave Molin. …
Irgendwann fragte mich Müller, ob ich seinem Sohn Nachhilfe geben könne und versprach
eine gute „Vergütung“.
So wurde ich im September 1971 „Hauslehrer“ bei Müllers im Egart. Ich bekam einen VW
Käfer und ein Pferd zur Verfügung gestellt. Ziel war, dass der Junge die Aufnahmeprüfung
ins Gymnasium besteht. Leider war Schluss, als Müller im April 1972 wegen eines Betruges
aufflog und verschwinden musste. Reitstall und Pferde wurden verkauft. Ein Teil der Reiter
im Müller-Stall suchte ein neues
Domizil und fand es im Bauernhof
Rothfuß in Döffingen, der dann rasch
zu einem Reitstall umgebaut wurde.
Ich hatte mich inzwischen mit dem
Müllerschen Reitlehrer Enzenroß
angefreundet und zog praktisch mit
ihm um nach Döffingen.
Nachdem ich an der PH Esslingen
angefangen hatte, konnte ich fast
täglich in den Stall und half beim
Bereiten (und leider auch beim
Sparren).
Beim Reitwartkurs hatte ich Brita
Kraus kennengelernt, die mit ihrem
Mann eine Pferdezucht in
Selgetsweiler betrieb.
Gudrun und ich kauften bei ihr am 15.8.1976 den Filou, geb. 16.4.1973. Vater Schalter von
Schabernack (Memel/Schöner Abend) und Atlanta (Antje/Julmond)
Er stand zuerst angebunden in Rothfuß´ Scheuer, bekam aber dann eine Außenbox.
Adelheid lernte jetzt Reiten. Von da an waren Pferde ein wichtiger Teil unseres Lebens.
Nach meiner Versetzung nach Herrenberg suchten wir nach einem Haus, in dem man Pferde
halten kann. Wir kauften am

221
26.10.1978 das Haus in
Haslach.
Im Winter 1978 ritt ich dann
im Schnee mit Filou von
Döffingen nach Herrenberg.
Zuerst stand Filou allein,
dann kam im Mai 1982
Herbert Lohrers (Schneck)
Florian. Schneck hatte
vorher beim Umbau der
Remise und des
Schweinestalls in einen Stall
mit 2 Boxen geholfen.
Schnecks Florian war sehr
kompliziert. Versuche ihn
reitbar zu machen
scheiterten. Im Juni 1984
zog Schneck mit Florian aus.
Mit Filou verbrachten wir
die Herbstferien 1984 und
die Weihnachtsferien 1985
auf der Weitenburg. An
Pfingsten 1994 ritt ich
gemeinsam mit Nike dorthin.
In den Herbstferien 1985
und den Pfingstferien 1986
waren wir mit Filou auf
Schloss Aschhausen
(Familie von Zeppelin). Da wir noch keinen Pferdehänger hatten, musste einer geliehen
werden samt Zug-Auto. In den Sommerferien 1987 waren wir bei der Winzerfamilie Frick in
Pfaffenheim im Elsaß, ein sehr aufwendiges Unternehmen, zu dem ein tierärztliches Zeugnis
mit vorheriger Blutprobe, eine Anmeldung beim Zoll der einzigen dafür zugelassenen
Zollstelle und das Herrichten eines Stalles nötig waren. In den Herbstferien 1987 und den
Sommerferien 1988 waren wir in Walters Ferienhaus an der Großen Lauter in Wasserstetten
mit Pferdestall und kleiner Koppel. Da Filou 1987 nicht in den Hänger wollte, bin ich
heimgeritten: Erste Station Stall Offenhausen, zweite Station Gomaringen.
Im Herbst 1988 waren wir ohne Filou in Wasserstetten.
Nachdem Florian weg
war, kam 1989/90
Susanne Krebs´ Tini,
eigentlich ein liebes
Pferd. (Irmtrauts Tochter
Anna, die 1989 als
Gastschülerin bei uns
war, fragte immer:
„Kann ich Tini führen?“)
Er schlug ständig mit
den Hufen gegen die
Stallmauer, vermutlich
weil er Schmerzen hatte,
deren Ursache nicht

222
erkannt wurde. Ihm
Fußfesseln anzulegen,
war kein guter Rat
unserer damaligen
Tierheilpraktikerin. Als er 1972 gegangen war – das Angebot von Susannes Vater (Chefarzt
im Herrenberger Kreiskrankenhaus), ihn uns zu schenken, habe ich abgelehnt -, kauften wir
im April 1993 in Weissach (Sonnenhof) von Adelheids Kollegin Heiderose Ebser Florian,
Trakehner, geb. 25.2.1986, Vater Amethyst von Amor und Aschenbrödel
(Schabernack<Schöner Abend/Memel, Achalm <Julmond). Mutter Farina (Urgroßeltern XX).
Er war nur leicht angeritten und wurde von uns „ausgebildet“.
Tagebucheintrag 8.1.1998: Filou steht um 1/2 6 auf der Koppel, macht keinen Schritt, Tierarzt
Leistner kommt: Fuß re vo gebrochen, muß eingeschläfert werden, wird am nächsten Morgen
vom Abdecker geholt, sehr traurig. Vermutlich hatten Florian und er auf der Koppel
miteinander gekabbelt und dabei ist es passiert.
Bei einer Auktion entdeckte Nike Goldschatz, geb. 13.2.1984. Er musste es sein.
Hannoveraner (Goldstern<Gotthard*1949/Wilma<Wettstreit*1978)

Als dann Florian eingeschläfert werden musste, lieh uns Wilfer Lohrer Rambo aus. Eine
lustige Mischung aus Schwarzwälder und Haflinger, vermutlich da schon sehr alt. Er hatte
große Hufprobleme und war beim Reiten sehr eigenwillig. Irgendwann brachten wir ihn
Wilfer zurück. Jetzt lieh uns Wilfer Quadriga, eine Marbacher Hauptstammbuchstute.
Nachdem Goldschatz eingeschläfert wurde, brachten wir auch Quadriga zurück.
Kurze Zeit waren auch Carola Buchters Asil-Araberstuten bei uns.
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Leerer Stall in HerrenbergAmtsschimmel
verbietet Pferdehaltung
Ulrich Stolte 11.06.2021 - 15:49 Uhr

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Streit um ein Haslacher Bauernhaus und einen Stall, in dem


künftig keine Pferde gehalten werden dürfen, weil sich
Pferdehaltung „nicht in die nähere Umgebung einfügt“. Foto:
/Eibner-Pressefoto/Roger Buerke
Herrenberg - Es ist ein schmuckes Bauernhaus am Ortsrand von Herrenberg/Haslach, das Volker
Mall und seine Frau im Jahr 1979 gekauft haben. Sie hatten es erworben, damit sie ihrer
Leidenschaft, dem Pferdesport, frönen und dort ihre Vierbeiner halten konnten. Das taten sie
denn auch mehr als 40 Jahre lang, unbehelligt von Behörden und Nachbarn. Und nicht nur sie:
Auch in einem Nachbarhaus wurden bis vor kurzem Tiere gehalten, wie das halt auf dem Land
so üblich ist. Und direkt neben dem Anwesen der Malls stehen noch jetzt Pferde auf der Weide,
die ebenfalls zu einem Haslacher Anwesen gehören.
Der Historiker und Musikwissenschaftler Volker Mall ist nicht auf die Welt gekommen, um den
Friedensnobelpreis zu gewinnen. Er hat gegen manche Widerstände mit seinen Mitstreitern auf
dem Gelände des KZ Hailfingen/Tailfingeneine Gedenkstätte gegründet und war 20 Jahre
Ortschaftsrat in Haslach, einem Teilort von Herrenberg. Kommunale Gremien kennt er in- und
auswendig und von daher wusste er, was es bedeutete, als die Stadt Herrenberg den Beschluss
fasste, am Südrand des Ortsteils Haslach ein reines Wohngebiet auszuweisen.

Im Wohngebiet ist eine Tierhaltung unzulässig


In einem reinen Wohngebiet, so wie es der neue Bebauungsplan „Hinter Zäunen/Gäßle“ vorsieht,
wird eine Tierhaltung unzulässig sein. Zwar hält die Familie Mall seit zwei Jahren keine Pferde
mehr, doch wollen Volker Mall und seine Frau Adelheid Mehnert-Mall nicht auf das Recht zur
Pferdehaltung verzichten. Schon deswegen nicht, weil Mall Mitglied im Wanderreitverein ist, um
Gleichgesinnten eine Rast im schönen Haslach zu ermöglichen.
Auch das Baurechtsamt der Stadt hat vor Ort festgestellt, dass weder im Jahr 2019 noch im
Jahr 2020 dort Pferde gehalten wurden. So schien der Ausweisung zu einem reinen Wohngebiet
nichts mehr im Wege zu stehen. Den Behörden war die Tierhaltung übrigens bekannt. Seine 230
Pferde hat Volker Mall Pferde 2011 bei der Tierseuchenkasse gemeldet, außerdem war er als
Tierhalter registriert. Die Stadt Herrenberg gewährte überdies eine Abwasserermäßigung für die
zwei Pferde.
Andererseits wiegen auch die Argumente der Stadt Herrenberg für das Wohngebiet schwer:
Wohnraum sei knapp und die Prognose weise auch für Haslach einen Bedarf an zusätzlichen
Wohnbauflächen aus, der durch eine Innenentwicklung auf dem Weg der Nachverdichtung
alleine nicht gedeckt werden könne, schreibt die Stadtverwaltung.
Aber, argumentiert Volker Mall, man hätte ihm doch eine Ausnahme gewähren können. Da
widerspricht die Stadt auch: „Wir können den Wunsch von Volker Mall nach einer künftigen
Pferdehaltung auf seinem Anwesen zwar nachvollziehen“, sagt das Bauamt, aber es handele
sich hier um „eine nicht genehmigte und aus unserer Sicht auch bereits aufgegebene
Pferdehaltung.“
Die Stadt argumentiert weiter: Würde man eine Ausnahme genehmigen, dann müssten wegen
der Emissionen aus dem Pferdestall auch andere Flächen aus dem Wohngebiet
herausgenommen werden – was die Stadt nicht will.

Die Behörden wussten von der Tierhaltung


Das wiederum geht Mall nicht in den Kopf. Weil im Haus bereits von alters her Schweine, Hühner
und Pferde gehalten wurden, könne die Tierhaltung nicht illegal gewesen sein, zumal die
Behörden ja von der Pferdehaltung gewusst hätten. Zum Beweis dient ihm ein Baugesuch aus
dem Jahr 1925, wo der Stall für die Großtiere erwähnt wird und ein weiterer Plan von 1938, in
dem auch ein Kuh-, ein Hühner- und ein Schweinestall eingetragen sei.
Deswegen haben die Malls gegen das Vorhaben der Stadt einen Widerspruch eingelegt. Die
Stadt allerdings sah „keine Möglichkeit, die Pferdehaltung nachträglich zu legalisieren“, und
drohte der Familie ein Zwangsgeld von 1000 Euro an.
Ein Satz, der bei den Malls gar nicht gut ankam, weil er ja bedeutete, dass die Pferdehaltung
zuvor illegal gewesen sei, obwohl sie doch 40 Jahre lang mit dem Wissen der Behörden Pferde
gehalten hatten.
Deswegen schaltete das Paar einen Rechtsanwalt ein, der beim Regierungspräsidium (RP) einen
weiteren Widerspruch einlegte. Doch auch dieser Widerspruch wurde vom RP zurückgewiesen.

Fügt sich nicht in die nähere Umgebung ein


Weil eine Genehmigung für die Pferdehaltung nie von den Malls beantragt worden sei, konnte
sie auch nicht genehmigt werden. Außerdem sei die Pferdehaltung nicht genehmigungsfähig,
weil die Pferdehaltung „sich nicht in die nähere Umgebung einfügt“, vor allem wegen der
Geruchsbelästigung. Kosten des Widerspruchs: 500 Euro.
Volker Mall fühlt sich in übelster Wese ausgetrickst. Er versteht nicht, warum in einem
Bauernhaus, in dem seit Generationen Großtiere gehalten wurde, die Pferdehaltung auf einmal
illegal sein soll, und er versteht auch nicht, warum die Geruchsbelästigung Pferdehaltung
verbiete, während nebenan doch meist acht Pferde auf der Koppel stünden. Den Widerspruch
beim Regierungspräsidium hat er zurückgezogen, den bei der Stadt auch. Der Stall wird künftig
leer stehen, denn: „Mit 79 Jahren schafft man sich kein neues Pferd mehr an“, so kommentiert
Volker Mall durchaus nachvollziehbar sein Verhalten. Aber vielleicht braucht er ihn ja doch noch,
seinen Stall, der kein Stall sein darf: falls mal wieder der Amtsschimmel vorbei galoppiert.
Böblinger Bote 2021

231
JUSOS im Kreis Böblingen eine Chronologie (Ausschnitte)
1968
Die AG Böblingen war 1968 die einzige Juso-Arbeitsgemeinschaft im Kreis Böblingen.
Politisch in Erscheinung trat sie wohl erst zwei Jahre später.

1970
Im April 1970 kam es
zum Schülerstreik an den
Gymnasien des Kreises
Böblingen. Die
Schulsprecher von drei
Gymnasien (Albert-
Einstein-Gymnasium
Böblingen, Goldberg-
Gymnasium Sindelfingen
und Schickhardt-
Gymnasium Herrenberg)
hatten zuvor eine
Resolution an das
Kultusministerium
geschickt, in der u.a. die
Abschaffung des
Numerus Clausus
verlangt wurde.
232
Am 14.4. kamen ca. 500
Schüler, Eltern und
Lehrer zu einer
Demonstration, die vom
Böblinger Busbahnhof
zur Sporthalle führte.
Sprechchöre waren u.a.
„Haut den Gockel
(Kultusminister Hahn)
von dem Sockel!“ Die
anschließende
Diskussion in der
Sporthalle mit Vertretern
der Parteien war wenig
ergiebig. Am 15.4. wurde
an allen Gymnasien des
Kreises gestreikt.
Der Kreisverband der SPD hatte „Verständnis für die Empörung der Schüler über die Versäumnisse
der Kulturpolitik in Baden-Württemberg“. Er zitierte den Beschluss des SPD-Landesparteitages vom
5.4.1970: „Der Parteitag begrüßt die Schülerstreiks an den Gymnasien Baden-Württembergs gegen
den Numerus Clausus.“ (vgl. Geschichtswerkstatt am Goldberg-Gymnasium: Sindelfingen 68! S.65
ff.)
Der AK Bildungspolitik der Böblinger Juso-AG versuchte in einer Veranstaltung im Mai, diese
Forderungen mit den Schülern zu diskutieren. Die Böblinger Kreiszeitung berichtete u.a. (am
4.5.1970): „Die Schülervertreter waren nicht erschienen, obwohl das Gespräch lange vorher
angekündigt worden war. … Zunächst gab Volker Mall (er war am 25.2.1970 in die SPD eingetreten,
A.d.R.) einen Überblick über die Ansichten verschiedenen Stellen zur SMV. … Der KM-Entwurf sieht
für die Schüler so viele Verwaltungsaufgaben vor …, dass für eigentliche Mitbestimmung keine Zeit
bleibt…. Das SPD-Modell zeigt einige brauchbare Ansätze, arbeitet aber mit nichtssagenden Begriffen
wie ´Mitspracherecht´ der Eltern und Schüler. …“
Einige Böblinger Jusos waren im Herbst 1970 (30.10) bei einer Schulung der IAK (s.u.) in Frankfurt
und als Delegierte beim sehr theorielastigen Juso-Bildungskongress in Saarbrücken, bei dem sich
schon die starke Fraktionierung abzeichnete (s.u. Bundeskongress München). Sie trafen sich dort mit
den „Hannoveranern“ (SOAK). In Erinnerung blieb eine gute Rede von Othmar Schreiner.
Beim Juso-Landesausschuss (LA) am 11.11.1970 in Sillenbuch kam es (schon damals) zum Streit um
das Imperative Mandat.

1971
Die Sindelfinger Juso-AG bestand seit 1971. Außerdem gab es AGen in Leinfelden und Waldenbuch.
Am 29. April 1971 fand in Sindelfingen eine Demonstration für ein selbst verwaltetes Jugendhaus
statt, an der sich mehr als 500 Jugendliche beteiligten. Die Forderungen waren u.a. „Wir wollen ein
Jugendhaus, das unter dem Selbstbestimmungsrecht der Jugendlichen verwaltet wird. Die
Jugendlichen akzeptieren nur einen Jugendleiter, der unter Mitsprache der Jugendlichen eingesetzt
wird.“ Am 10.12. wurde nach langen Auseinandersetzungen der Jugendhausverein gegründet. Am
1.8.1972 wurde das Jugendhaus eröffnet. Erster Jugendhaussprecher war Gotthard Bayer (bis 1974).
„Mit dem Beschluss des Gemeinderats, das traditionelle Haus in der Leonberger Straße nicht mehr zur
Verfügung zu stellen, fällt (1993) der Vorhang.“ (Klaus Philippscheck in: Sindelfingen 68! S.147.
233
Klaus Philippscheck war seit 1972 fast ununterbrochen Mitglied im Jugendhaus-Vorstand. …

1972
1972 gab es Juso-AGen in Schönaich (9 Mitglieder), Renningen (7) und Herrenberg (18).
Anfang 1972 wurde außerdem in Maichingen eine Juso-AG gegründet. Zur anstehenden
Maichinger Ortschaftsratswahl am 20.2. kandidierten Norbert Füssinger auf Platz 4, und
Volker Mall auf Platz 11 der SPD-Liste. Norbert Füssinger kam am Ende auf Platz 1 der Liste
und war einer der 3 SPD-Kandidaten die „reinkamen“; Volker Mall kam auf Platz 4 und
rückte nach dem Ausscheiden eines Genossen am 10.4.1975 in den Ortschaftsrat nach.

Bei der Verabschiedung nach Ablauf der Legislaturperiode im Café Römer sangen die
Vertreter von CDU und Freien Wählern Legion-Condor-Lieder, die von Norbert Füssinger
und Volker Mall mit „linken“ Liedern beantwortet wurden.

Themen der Juso-AGen Maichingen und Sindelfingen im Kommunalwahlkampf waren u.a.


der Notstand in der Kindertagesstätte Maichingen und die Verkehrssituation (schlechte
Anbindung an das Krankenhaus Sindelfingen und an das Freibad, nach Stuttgart). Es wurde
zusammen mit dem pensionierten Eisenbahner Dr. Walter von der Bundesbahndirektion und
Walter Rebmann der Plan der Reaktivierung der Bahnverbindung Böblingen-Renningen mit
234

einer U-Bahn-Schleife durch Sindelfingen entworfen. Hintergrund war, dass das Zügle, mit
dem die Daimler-Arbeiter bis vor die Werkstore fahren konnten, samt der ganzen Strecke
Böblingen-Renningen für den Personenverkehr stillgelegt worden war.
Sindelfingens OB Gruber lehnte das natürlich ab. So etwas brauche Sindelfingen als
Autostadt nicht. Außerdem verlangten wir ein offenes Bürgerhaus nach hessischem Muster.
Daraus wurde dann ein Haus für Vereine.
Am 22.6. ein Fest in der Turn- und Festhalle Maichingen mit der Songgruppe, Murx und
italienischen Genossen. …
Am 27.6. war Zupfgeigenhansel im Jugendhaus Sindelfingen. …
Vom 20. bis 24.7. waren die Böblinger Jusos auf dem Campingplatz in Mali Losinj in
Kroatien. Es wurden Änderungsanträge zum SPD-Orientierungsrahmen 85 (OR) formuliert,
die danach in die zuständigen Gremien, u.a. dem Maichinger SPD-Ortsverband eingebracht
wurden. Der Orientierungsrahmen sollte beim SPD-Bundesparteitag in Mannheim 1975
verabschiedet werden. Es entstand ein 11-seitiges Paper u.a. mit den Kapiteln Wachstum und
Reformen, Berufsbildungsreform, Vertrauensarbeit der Partei.
Kritik: Der OR binde die Partei an die Mittel individueller Wirtschaftsförderung und
verpflichte sie zu geräuschloser Arbeit; eine aufklärende Politisierung der Bevölkerung sei
offensichtlich nicht gewünscht. Die Ursachen der massiven wirtschaftlichen Probleme würden
kaum gesehen und nicht benannt.

Am 15. bis 17.8. fand eine Schulung Geschichte der Arbeiterbewegung statt.

Vom 29.bis 31.8. SPD-Landesparteitag.

6.9. Songgruppe in Hechingen: Solidarität mit Inge Boll.


Mithilfe des Arbeitsgerichts versuchte die Firma Gambro die Betriebsratsvorsitzende Inge
Boll aus dem Betriebsrat auszuschließen.
Zu dieser Solidaritätsveranstaltung entstand die schwäbische Version von Solidarity forever
mit dem Refrain Zsammastanda en dr Gwerkschaft, denn bloß zsamma semmer stark, die
dann bei unzähligen GEW- und anderen Veranstaltungen mit immer wieder aktualisiertem
Text gesungen wurde.
235
1977
Am 4.2. fand in Stuttgart die legendäre GEW-Demo statt, zu deren Zustandekommen und
Durchführung die Böblinger Jusos Füssinger, Mall und Philippsheck wesentlich beitrugen. Da
die Mobilisierungsfähigkeit der GEW – nur 5000 waren zur Kundgebung 1976 gekommen –
realistisch eingeschätzt wurde, sollte versucht werden, die Studenten „ins Boot zu holen.“
Nicht nur, um die Demo "aufzu-füllen", sondern auch um das gemeinsame Interesse an der
Bildung zu dokumentieren und dafür zu sorgen, dass dies öffentlich wird. Ein schwieriges
Unterfangen. Die GEW- Funktionärs-konferenz, die zu entscheiden hatte, ob die Demo
stattfindet, fand am 20.12.1976 in Kornwest-heim statt. Gleichzeitig tagte dort die
Landesasten-konferenz (LAK). Klaus Philippscheck (GEW Kreisvorsitzender Böblingen) und
Volker Mall (Fachgruppe Hochschule) pendelten als „Emissäre“ zwischen GEW und LAK.
Dort war Albrecht „Ali“ Schmeißner (Uni Tübingen, Geschäftsführer und Vorstand des
Studenten-werks e.V. Tübingen, später für die Basisgrup-pen im VDS-Vorstand) als
wortgewaltiger Vertreter der Basisgruppen (anfangs) strikt dagegen, mit der„reaktionären“
GEW zu kooperieren. Sowohl bei der GEW als auch bei den Studenten gab es dann (knappe)
Mehrheiten für eine gemeinsame Demon-stration. GEW-Geschäft-führer Hubert Schuler
bestimmte Norbert Füssinger, den stellvertretenden Vorsitzenden des KV Böblingen zum
Koordinator der Demo. Schließlich zogen 25 000 Lehrer, Erzieher und Wissenschaftler,
Studenten, Eltern und Schüler in einem knapp 5 Kilometer langen Demonstrationszug vom
Marienplatz aus durch die Stuttgarter Innenstadt – nach der der Metallarbeiter 1971 die größte
Demonstration der Nachkriegsgeschichte. Vorne unter dem Transparent „Wir wehren uns
gegen die Angriffe auf das Bildungswesen“ u.a Werner Grunert (SPD Böblingen) und Peter
Conradi (SPD Stuttgart).
Neben Siegfried Vergin (GEW-Vorsitzender) sprachen der Bundesjugendsekretär der IG
Metall, Bernd Wurl und Ulrich Tost für die LAK.
Mit dem baden-
württembergischen
Staatshaushaltsplan für
1975/76 wurden
Lehrerarbeitslosigkeit und
Kurzarbeit für Lehrer zur
Realität. Zum ersten Mal gab
es weniger neue Lehrerstellen
als ausgebildete Lehrer. Nach
den Plänen der
Landesregierung sollte es zum
Schuljahresbeginn 1977/78 in
Baden-Württemberg rund 1000
arbeitslose und 7280
kurzarbeitende Lehrer geben.
Die restriktive Bildungspolitik
der CDU wurde nun zum
zentralen Thema. …

Ende 1977 und Anfang 1978


beteiligten wir uns an der
Bürgeraktion „Rettet den
Rappenberg“.
Die IBM wollte ihre
Hauptverwaltung für den
236
Bereich Kleinkomputer und
Textverarbeitung im
Landschaftsschutzgebiet am
Hang des Rappenberg bei
Leonberg errichten. Der
Leonberger Gemeinderat hatte
zugestimmt. „Ein
Musterbeispiel der
knierutschenden Konkurrenz
der Gemeinden um die Gunst
der IBM.“(Klaus Beer).
Bei einer Veranstaltung der
Bürgeraktion wurde das Lied
vom Wiesadal uraufgeführt.

1978
Im Januar gab es eine Schulung
Warum SPD?
Am 5.2. in Maichingen eine
Veranstaltung zum
Kontaktsperregesetz.
Am 17.2. fand im Feierraum in Böblingen eine Juso-Veranstaltung Für die Verteidigung
Demokratischer Rechte und Freiheiten mit Fritz Güde und Thomas Auerbach (DDR
Regimekritiker, ehemaliger Jugenddiakon in Jena, sieben Monate in politischer
Gefangenschaft) und der Songgruppe statt.
Ehrungen

237
Obermayer Award
Helmut Gabeli hat 2016 den Obermayer Award mit diesem Brief initiiert.
Dear Madam,
today I appeal to you in a slightly delicate matter. Apart from other people I was asked for
help with the nomination of two candidates for the Obermayer German Jewish History
Award. In 2010 I myself belonged to the prize-winners. Before retired I was a lawyer and for
more than twenty years I was active in the direction of the Gesprächskreis Ehemalige
Synagoge Haigerloch e.V. (that is a circle of people who was and is active for everything that
refers to and has to do with the former synagogue in Haigerloch). The knowledge of the
former Jewish parish, its history and its people had to be studied and investigated, it had to be
preserved and passed on to the generation of sons and daughters. These were and are
questions coming from the deepest of my heart.
The two men, Volker Mall and Harald Roth, who are considered as possible prize-winners,
seem to me of the same stamp as myself.
Volker Mall, who was born in Stuttgart 1942, studied after having finished school German
philology and music in theory and practice at the universities of Stuttgart and Tübingen.
Afterwards he was a teacher at secondary schools until 2005.
Harald Roth was born in Böblingen (near Stuttgart) in 1950. He studied German philology
and politics in Ludwigsburg and Berlin. At the end of his professional activity he was a
teacher in Gärtringen (near Herrenberg). Volker Mall and Harald Roth were during their time
as teachers often confronted with many questions of the „younger“ generation, of young
people who never themselves had experienced the terror of the National Socialism and of the
Second Worldwar. So much more pressing were the many questions of the young people they
asked their fathers and grandfathers.
With both men I passed the area of the former airfield around 1995 for the forst time. Both of
them initiated the documentation-centre Hailfingen-Tailfingen and the memmorial for the
former concentration camp and they are still in the leading team Hailfingen-Tailfingen was a
concentration-camp where about 600 Jewish prisoners lived working under miserable
conditions and finally died. Contacts are kept to survivors and their families in many
European countries.
Volker Mall and Harald Roth have devoted their historic knowledge, their spirit of research,
their personal experiences as well as innumerable hours of work unsalaried to the task of
building up the mentioned documentation centre and everything that is part and consequence
of this. Gradually they succeeded to convince people with originally opposite opinions and
involved political communities. To 600 dead men they have given back their names (see
bibliography). Where 20 years ago only little traces in the open country could be seen by the
specialist, today there came into being an instructive documentation-centre which is visitied
by many pupils and adults. Besides the documentation-centre there is a lecture hall and
different memmorials in the open air. Valuable work is done for the purposes of education for
young people and adults.
Volker Mall and Harald Roth are two extraordinary men who particularly deserve the
Obermayer German Jewish History Award.
238
Helmut Gabeli

239
240
Bundesverdienstkreuz

241
Aus der Festschrift zum Jubiläum der KZ-Gedenkstätte
Hailfingen/Tailfingen 2022

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250
Projekte am AGH
Ab 1980 Projekte, z.T. schulübergreifend – mit dem Schickhardt-Gymnasium,
fächerverbindend, mit außerschulischen Organisationen wir Volkshochschule und
Musikschule mit dem Schulchor, mit der 1978 von mir gegründeten Bigband, den Musik-
Leistungs- und Grundkursen und Neigungsfächern:

Dreigroschenoper (2x; im Jugendhaus und in der Alten Turnhalle; mit der VHS und der
Herrenberger Bühne),
„Cry The Beloved Country“ von Kurt Weill, Bauernoper von Karsunke/Janssen (beide im
Landestheater Tübingen, mit dem SGH).
Valerie, ein Kindermusical nach Mira Lobe und Erich Meixner (2x)
„Deutschland, du zerrissen Herz“, Lieder über Deutschland aus 8 Jahrhunderten (mit der VHS
Herrenberg)
„Der Schoß ist fruchtbar noch“, 60 Jahre Bücherverbrennung
„Swingtanzen verboten“ (mit dem kommunalen Kino, der VHS und Jazzin´ Herrenberg);
daraus eine Sendung in S 2...
Projekte mit dem Elektronikstudio der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende
Kunst in Stuttgart (Prof. Rainer Wehinger):
MidiTANGO (Piazolla-Soundpictures; daraus 2 Sendungen in S2; und Preis in einem
Wettbewerb)
„Mammon und Fantasie“ (Führe), Schultheaterstück mit Musik
Musik zu dem Spielfilm „Ygnatz und Egmont“ von Bernhard Koch,
Musik zu einem Werbefilm.
Mehrere Konzerte mit Musik-LKs bzw. Musik-Neigungsfach
160 Auftritte mit der Andreae- bzw. HerrenbergBigband
Ab 1992 Freiarbeit als offenen Unterrichtsform.
Außerhalb:
Über 30 Lehrerfortbildungen, meist für die GEW.

Politisches
AStA-Vorsitzender an der Musikhochschule 1967/68, 1968 Sprecher der Studienreferendare
Stuttgart, ab 1969 verschiedene Funktionen bei den JUSOs (z.B. im Landesvorstand Ba-Wü),
der SPD Kreis Böblingen (Pressereferent, Mitglied im Kreisvorstand), 1972
Bundestagskandidat auf der Landesliste, um als Freigestellter Wahlkampf für Brandt zu
machen. !975 rückte ich in den Ortschaftsrat Maichingen nach. OB Gruber brachte das ein
paar schlaflose Nächte, erzählte mir seine Tochter, die eine meiner Studentinnen an der PHE
war.
1980 bis 2000 Ortschaftsrat in Haslach, 1984 nachgerückt im GR Herrenberg (8 Monate);
verschiedene Funktionen bei der GEW auf Kreis- und Landesebene (Vorsitzender der
Fachgruppe Gymnasien Nordwürttemberg, Vorsitzender der Fachgruppe Hochschule,
Kreisvorsitzender, Mitglied des Landesvorstands)
Personalrat an der Schule
Mitglied des Großen Senats der PH Ludwigsburg
Mitglied des Vorstands des Jugendhausvereins Herrenberg
Mitglied des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft für Schulmusik (AsF) Baden-Württemberg
Mitglied der Leitungsgruppe der Sektion Böblingen-Herrenberg-Tübingen von Gegen
Vergessen-Für Demokratie
Mitarbeit in verschiedenen Partei- und Gewerkschaftszeitungen
Zahlreiche v.a. musikdidaktische Veröffentlichungen und Rezensionen
Seit 2002 KZ Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen. Auch dort viele Publikationen.
2010 Landespreis für Heimatforschung BaWü
251
2017 Ehrenamtspreis Kreis Böblingen
2018 Obermayer Award.

Nebentätigkeiten und Hobbys


Musikkritiken bei den Stuttgarter Nachrichten, der Böblinger Kreiszeitung und der
Sindelfinger Zeitung
schwäbische Programme seit 2000,
seit 1978 Leiter der Andreae-Bigband/HerrenbergBigband
verschiedene Jazzcombos
1992 -2011 Vorsitzender von Jazzin´ Herrenberg
1975 Prüfung zum Reitwart (FN) in Marbach
Latein- und Standardtanzen (Goldstar)

Veröffentlichungen
1969 und 1970 über 20 Musikkritiken, meist bei der Kreiszeitung/Böblinger Bote
Vorschläge zur Reform der Lehrerausbildung, ADLZ November 1969
Thesen und Forderungen zum Musikunterricht. In: Süddeutsche Schulzeitung 1971. Heft 8.
S.149-151.
Thesen und Forderungen zum Musikunterricht III. In: Süddeutsche Schulzeitung 1971. Heft
13. S.247f.
Mit Happy-Sound zur Höchstleistung. Musik am Arbeitsplatz. In: NMZ 1975. Februar/März.
S.3 Mendelssohn wirbt für Kleinkredite. Musik in der Werbung. In: NMZ 1975.
Oktober/November. S.6
Musik in der Werbung. In: Musica 1975. Heft 6. S.488-491
Schlager im Unterricht. In: Reflektierte Schulpraxis. 1977. 11. Jahrgang. Heft 1 (G 43). S.1-8
Wer nur Musik kennt, kennt auch sie nicht. Musikunterricht in Baden-Württemberg/Am Ende
aller Reformen. In: NMZ 1978. Oktober/November. S.8
Musikunterricht in Baden-Württemberg. In: Lehrerzeitung Baden- Württemberg. 1978. Heft
24. S.651-653
Lied im Unterricht: Die Moorsoldaten. In: MuB 1979. Heft 11. S.686-690
Zum Stellenwert des Faches Musik. In: Lehrerzeitung Baden-Württemberg. 1982. Heft 10.
S.236-238
Die Moorsoldaten. In: Die Unterrichtspraxis. Beilage zu „bildung und wissenschaft“ der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg. 1988. 21. Jahrgang. Heft 2.
S.9-11
Broadway-Atmosphäre in Klassenzimmern. Gymnasien in Herrenberg spielen Weills Musical
“Lost in the Stars”. In: NMZ 1988. Dezember 87/Januar 88. S. 28
Die Gesänge des Leidens. Zwei jiddische Lieder des antifaschistischen Widerstandes. (Dos
Kelbl und Tsen Brider). In: NMZ 1989. Oktober/November. S.27f.
„Deutschland, du zerrissen Herz“. Lieder über Deutschland aus acht Jahrhunderten. LEU-
Materialien Musik 28. Stuttgart 1991
Kolumbus, Condor und Kartoffel. In: Die Unterrichtspraxis. Beilage zu „bildung und
wissenschaft“ der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg. 1992. 26.
Jahrgang. Heft 3-4 S.20f.
Rechts-Rock. In: Die Unterrichtspraxis. Beilage zu „bildung und wissenschaft“ der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden- Württemberg. 1993. Jahrgang 27. Heft 3.
S.21-23

252
Rock gegen Rechts. In: Die Unterrichtspraxis. Beilage zu „bildung und wissenschaft“ der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg. 1993. Jahrgang 27. Heft 4.
S.31f.
(zus.m.) Rainer Wehinger. midiTANGO. In: Lehren und Lernen 1993. 19.Jahrgang. Heft 5.
S.27-35
(zus.m.) Rainer Wehinger. MIDITANGO. In: MuB 1993. Heft 5. S.58f.
Swingjugend. In: Die Unterrichtspraxis. Beilage zu „bildung und wissenschaft“ der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden- Württemberg. 1995. Heft 2/3. S.14f.
Swingjugend. In: MuB. 1995. Heft 4. S.34-37
(zus.m.) Erika und Helmuth Kern. Entartet? In: Die Unterrichtspraxis. Beilage zu „bildung
und wissenschaft“ der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg. 1998.
32.Jahrgang. Heft 3. S.17-24.
Festmusik und Sondermeldungsfanfare. In: NMZ 1998. Heft 4. S.24 Horst Wessel-Lied und
Kälbermarsch. In: AfS-Magazin. 1998. Heft 5. S.22-25
Wer hat denn eigentlich wen erschossen? Stundenentwurf zum Thema „Horst-Wessel-Lied
und Kälbermarsch“. In: NMZ 1998. Heft 11. S.21
(zus.m.) Erika und Helmuth Kern: Entartet? Kunst und Musik in der Zeit des
Nationalsozialismus. Stuttgart 1997 (Schülerarbeitsheft und CD)
Freiarbeit auch in der Musik. In: AfS-Magazin 1999. Heft 8. S.20-25
Mit Fred Binder: Freiarbeit am Gymnasium-Ein Erfahrungsbericht. In: Die Unterrichtspraxis.
Beilage zu „bildung und wissenschaft“ der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-
Württemberg. 2000. Heft 2, S.9 ff.
Mit Iris Braun-Schärdel: Balladen, Ballads, Songs und Moritaten, In: Die Unterrichtspraxis.
Beilage zu „bildung und wissenschaft“ der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-
Württemberg. 2000. Heft 2, S.12-16.
Spiel mir das Lied vom Tod. In: AfS-Magazin 12, 2002, S.16-21
Schulmusik 2002- Vom alten Wein in neuen Lehrplänen- Neuer Musiklehrplan in der baden-
württembergischen gymnasialen Oberstufe nmz 2002 (51. Jahrgang) /04, S. 52-53
Rechtsrock und rechtsextreme musikalische Subkultur, In: Die Unterrichtspraxis. Beilage zu
„bildung und wissenschaft“ der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-
Württemberg. 2002. Heft 2, S.9-13.
Now it s easier to shut up and get paid- Pop zwischen dem 11. September 2001 und dem
Irakkrieg im Musikunterricht in: nmz 2003/09 | Seite 24 52. Jahrgang
Spiel mir das Lied vom Tod. In: Die Unterrichtspraxis. Beilage zu „bildung und wissenschaft“
der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg. 2004. Heft 4, S.21 ff.
Swing unterm Hakenkreuz. In: Musik und Unterricht 76, 2004, S.34-41.
Der Gesang der Nymphe, Musik und Unterricht 78, 2005, S.34-42

Veröffentlichungen KZ Gedenkstätte (Stand 2023)


Dorothee Wein/Volker Mall/Harald Roth: Hailfingen, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel
(Hrsg.), Der Ort des Terrors, Bd. 6, München 2007, S. 99-103.
Volker Mall/Klaus Philippscheck/Harald Roth: Die Geschichte eines Außenlagers im
Internet, in: Unterrichtspraxis Nr. 3, 18. 4. 2008, Beilage zu „bildung und wissenschaft“ der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg, Stuttgart 2008.
Volker Mall/Klaus Philippscheck/Harald Roth: Das KZ-Außenlager
Hailfingen/Tailfingen, Internetseite in www.zeitreise-bb.de.
CD ... un er singt derbaj a lid
Mordechaj Ciechanower singt jiddische Lieder und erzählt aus seinem Leben. Interpreten:
Mordechaj Ciechanower, Volker Mall, Iris Berben 2011.

253
Die Gedenkstätte KZ-Außenlager Hailfingen • Tailfingen – Begleitheft für den Besuch mit
Schulklassen, Hrsg. GV/FD, Horb 2012.
Volker Mall/Harald Roth: La promesse est tenue ... Nach 65 Jahren des Schweigens
Schriftenreihe des Vereins KZ Gedenkstätte Hailfingen • Tailfingen e. V., Heft 2, Gäufelden
2011.
Volker Mall/Harald Roth: Flugplatz und KZ-Außenlager Hailfingen • Tailfingen –
Recherchen und Begegnungen, Schriftenreihe des Vereins KZ Gedenkstätte Hailfingen •
Tailfingen e. V. Heft 4, Gäufelden 2013.
David A. Adler: Froim – der Junge aus dem Warschauer Ghetto. Illustrationen von Karen
Ritz. Hrsg.: Gegen Vergessen-Für Demokratie e.V., Sektion Böblingen-Herrenberg-Tübingen.
Übersetzung: Birgit und Heribert Kipfer -Bearbeitung: Volker Mall und Harald Roth, Berlin
2011.
Dorothee Wein/Volker Mall/Harald Roth: Spuren von Auschwitz ins Gäu - Das KZ-
Außenlager Hailfingen/Tailfingen, Filderstadt 2007.
Volker Mall/Harald Roth: „Jeder Mensch hat einen Namen“, Gedenkbuch für die 600
jüdischen Häftlinge des KZ-Außenlagers Hailfingen/Tailfingen. Mit einem Vorwort von
Wolfgang Benz und einer DVD mit 2 Dokumentarfilmen, Berlin 2009. Dem Buch ist eine
DVD beigefügt, die folgende Filme enthält:
- Das KZ-Außenlager Hailfingen/Tailfingen (2008), Regie: Bernhard Koch
- Geschützter Grünbestand (2006), Regie: Johannes Kuhn.
Marga Griesbach, "...ich kann noch immer das Elend spüren...", Ein jüdisches Kind in
Deutschland 1927 bis 1945, Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte Ahlem, Bd. 7, Hrsg.
Region Hannover und GV/FD Sektion Böblingen/Herrenberg/Tübingen
Mordechai Ciechanower, Der Dachdecker von Auschwitz-Birkenau, Bibliothek der
Erinnerung Bd. 17 (Hrsg. Wolfgang Benz), Berlin 2007.
Volker Mall: Die Häftlinge des KZ-Außenlagers Hailfingen/Tailfingen – Daten und Porträts
aller Häftlinge. Herausgeber: KZ Gedenkstätte Hailfingen • Tailfingen e. V.; Gegen Vergessen
– Für Demokratie, Sektion Böblingen-Herrenberg-Tübingen. Norderstedt (BoD) 2014.
2. Auflage:
Mall/Roth/Kuhn: Die Häftlinge des KZ-Außenlagers Hailfingen/Tailfingen – Daten und
Porträts aller Häftlinge. Herausgeber: KZ Gedenkstätte Hailfingen • Tailfingen e. V.; Gegen
Vergessen – Für Demokratie, Sektion Böblingen-Herrenberg-Tübingen. Norderstedt (BoD)
2021.
Volker Mall/Harald Roth: Alte und neue Spuren von Auschwitz ins Gäu
Schriftenreihe des Vereins KZ Gedenkstätte Hailfingen • Tailfingen e. V., Heft 5, Gäufelden
2016. Ergänzte Neuauflage 2020: Heft 5 neu
Johannes Kuhn/Harald Roth/Volker Mall: Wohin soll ich gehen? Schriftenreihe des
Vereins KZ Gedenkstätte Hailfingen • Tailfingen e. V., Heft 6, Gäufelden 2017.
Johannes Kuhn/Harald Roth/Volker Mall: „Der Flughafen Hailfingen war die Hölle” –
Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und andere Häftlinge auf dem Nachtjägerflugplatz,
Schriftenreihe des Vereins KZ Gedenkstätte Hailfingen • Tailfingen e. V., Heft 7, Gäufelden
2018.
Johannes Kuhn/Harald Roth/Volker Mall: „Reichsdeutsche“ Juden im KZ-Außenlager
Hailfingen/Tailfingen Schriftenreihe des Vereins KZ Gedenkstätte Hailfingen • Tailfingen e.
V., Heft 8, Gäufelden 2021. Nur digital
Iason Chandrinos/Volker Mall: Wir waren Menschen zweiter Klasse.

254
Die Geschichte der 1040 im Sommer 1944 von Athen nach Deutschland deportierten
Griechen.
Herausgeber: KZ Gedenkstätte Hailfingen • Tailfingen e. V.; Gegen Vergessen – Für
Demokratie, Sektion Böblingen-Herrenberg-Tübingen. Norderstedt (BoD) 2022 und 2´ 2023
Volker Mall: O terre enfin libre …
Häftlinge des KZ Außenlagers Hailfingen im Widerstand
Schriftenreihe des Vereins KZ Gedenkstätte Hailfingen /Tailfingen Heft 9 (BoD) 2023
Volker Mall: Krynki-Auschitz-Hailfingen – Die Memoiren von Axel Sofer/Abrahm Soyfer.
Norderstedt (BoD) 2023.

255

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