Mario Adorf

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Mario Adorf auf der Frankfurter Buchmesse 2016

Mario Adorf (* 8. September 1930 in Zürich) ist ein deutscher Schauspieler, Hörbuch- und Hörspielsprecher, Synchronsprecher sowie Autor. Seinen Durchbruch hatte er 1957 mit dem Kriminalfilm Nachts, wenn der Teufel kam in der Rolle des von den Nationalsozialisten zum Serienmörder erklärten Bruno Lüdke. Der Produzent Dieter Wedel besetzte ihn u. a. in seinen Mehrteilern Der große Bellheim (1992), Der Schattenmann (1995) und Die Affäre Semmeling (2002) in der Hauptrolle. Er gehört zu den profiliertesten zeitgenössischen Darstellern auf der Bühne, im Kino und im Fernsehen.

Herkunft und Ausbildung

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Mario Adorf wurde in Zürich geboren, dem Geburtsort seiner Mutter, der Deutschen Alice Adorf (1905–1998). Drei Monate nach seiner Geburt wurde sie mit dem Säugling aus der Schweiz ausgewiesen und zog nach Mayen in der Eifel, woher ihr Vater stammte und wo sie als Kind gelebt hatte. Mario Adorfs Vater war der Chirurg Matteo Menniti, der in Siderno in Süditalien eine Klinik leitete. Die Mutter, die als Röntgenassistentin in der Klinik gearbeitet und eine Liebesbeziehung zu ihm unterhalten hatte, floh hochschwanger aus Italien in die Schweiz, um ihr Kind nicht in staatliche Obhut geben zu müssen. Nach der Ausweisung und dem Umzug nach Deutschland wuchs Mario Adorf in Mayen auf, wo seine Mutter als Näherin und Schneiderin arbeitete. Als er drei Jahre alt war, gab sie ihn in das örtliche Kinderheim der Borromäerinnen, da es ihr an Geld und Wohnraum mangelte. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde das Heim geschlossen, und Adorf kehrte zu seiner Mutter zurück.[1][2] Er besuchte den Kindergarten der Borromäerinnen, die Volksschule und das städtische Realgymnasium in Mayen. Nach dem Abitur studierte er von 1950 Geisteswissenschaften (Philosophie, Psychologie, Kriminologie, Literaturwissenschaft, Historische Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft) an der Universität Mainz. In seiner Freizeit betätigte er sich in einer studentischen Boxstaffel und auf der Studentenbühne, wo er erste schauspielerische Erfahrung sammelte.[3]

Mario und Monique Adorf, 2017

Mario Adorfs erste Ehefrau war die Schauspielerin Lis Verhoeven. Aus dieser Beziehung stammt die Tochter Stella Adorf, ebenfalls Schauspielerin. Er ist seit 1985 in zweiter Ehe mit Monique Faye verheiratet.[4]

Adorf lebt in München, Paris und Saint-Tropez.[5] Auf die Frage, was er an seiner Wahlheimat Rom schätzt, wo er jahrzehntelang wohnte, antwortet Adorf in dem Dokumentarfilm Es hätte schlimmer kommen können in Bezug auf die 1960er Jahre: „Meine Vergangenheit. Das war natürlich damals diese Dolce-Vita-Zeit, sowohl vom Leben her, ein sehr leichtes Leben, wo man sehr gut leben konnte, mit wenig Geld auch. Eine sehr gut gelaunte Zeit auch.“

Mario Adorf, 1971
Mario Adorf, 2005

Im Jahr 1953 zog Adorf zur Fortsetzung seines Studiums nach Zürich und arbeitete dort als Statist und Regieassistent am Schauspielhaus. Er brach das Studium ab und begann eine Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Seit 1954 trat er an den Münchner Kammerspielen auf, wo er von 1955 bis 1962 ein festes Engagement hatte.

Nach kleinen Filmrollen wurde er durch seine Darstellung des psychopathischen Frauenmörders Bruno Lüdke in Nachts, wenn der Teufel kam einem größeren Publikum bekannt.[6][7][8] Danach war er lange auf „Schurkenrollen“ festgelegt. In Winnetou 1. Teil übernahm er die Rolle von Winnetous bösartigem Gegenspieler Santer, der Winnetous Schwester Nscho-tschi (Marie Versini) erschoss. In einem Interview erklärte Adorf 2013, dass ihn Menschen noch heute auf diese Rolle ansprechen und sagen, dass sie ihm diese Filmtat lange nicht verziehen hätten.[9] In der Kriminalkomödie Die Herren mit der weißen Weste verkörperte er den Ganoven Bruno „Dandy“ Stiegler. Erfolg hatte Adorf auch im internationalen Kino. Sein schauspielerisches Repertoire drückte sich meist in Charakteren aus, die zwischen raubeinigen Knechten und Ganoven und eleganten Mafiosi oder Signori angesiedelt sind. Auffällig zeigt sich auch Adorfs Vorliebe für die italienische Kultur. In dem italienischen Film Die Ermordung Matteottis spielte er Mussolini. Auch sein komödiantisches Talent konnte Adorf in mehreren Produktionen unter Beweis stellen.

Daneben erhielt er Engagements vom Jungen Deutschen Film, etwa als zwielichtiger Kommissar in Die verlorene Ehre der Katharina Blum und als Vater Matzerath in der Günter-Grass-Verfilmung Die Blechtrommel. In einer ersten – abgebrochenen und unveröffentlichten – Fassung von Werner Herzogs Filmepos Fitzcarraldo spielte Adorf 1981 neben Jason Robards und Mick Jagger eine Hauptrolle.[10] In der Verfilmung des Jugendbuches Momo von Michael Ende übernahm er 1986 an der Seite von Radost Bokel die Rolle des Maurers Nicola.

Ende der 1980er Jahre wandelte sich sein Image, und er gefiel in Patriarchenrollen, etwa in Ex und hopp – Ein böses Spiel um Liebe, Geld und Bier (1991). Der Regisseur Dieter Wedel besetzte ihn in seinen Mehrteilern Der große Bellheim (1992), Der Schattenmann (1995) und Die Affäre Semmeling (2002) in der Hauptrolle. Im Dezember 1996 war er in der Titelrolle der Sat.1-Krimireihe Tresko als Kunstsachverständiger Joachim „Jo“ Tresko zu sehen, dessen Figur er und der Autor Peter Zingler zusammen entwickelten. Anfang 1997 beendete Adorf auf eigenen Wunsch die Reihe, um sich um seine kranke Mutter kümmern zu können.

Im August 2009 stand Adorf als norddeutscher Marzipanfabrikant Konrad Hansen für das zweiteilige Familiendrama Der letzte Patriarch, der zu seinem 80. Geburtstag im September 2010 in der ARD gesendet wurde, neben Hannelore Elsner und Ursula Karven in Hamburg, Lübeck, Schanghai und Singapur vor der Kamera. Warum er die Rolle übernommen habe, erklärte er so: „Hansen ist ein charmanter Kotzbrocken, der ganz schön hart sein kann. Aber er erkennt seine Fehler und lernt daraus. Das hat die Rolle für mich so interessant gemacht.“[11] Als seinen größten Wunsch gab er im Jahr 2010 an, in einer Verfilmung des Lebens von Karl Marx die Hauptrolle zu übernehmen: „Einmal so richtig Karl Marx spielen zu können, das könnte eine besondere Möglichkeit sein.“[12] 2018 spielte er Marx in dem ZDF-Doku-Drama Karl Marx – der deutsche Prophet.[13]

2003 war Adorf eines der Gründungsmitglieder der Deutschen Filmakademie. 2007 gehörte er unter dem Vorsitz des US-amerikanischen Filmemachers Paul Schrader zur Jury der internationalen Filmfestspiele von Berlin.[14]

Seit 2018 verleihen die Stadt Worms und die Nibelungenfestspiele Worms den Mario-Adorf-Preis, der an Schauspieler, Bühnenbildner, Regisseure oder andere Mitglieder der Nibelungenfestspiele verliehen wird, die sich durch außergewöhnliche künstlerische Leistung hervorheben. Adorf selbst gehört zum Kuratorium der Festspiele und ist Mitglied der Jury. Er initiierte 2002 die Festspiele und wirkte 2002 und 2003 als Schauspieler daran mit.[15][16][17] Adorf betätigt sich neben der Arbeit auf der Bühne und vor der Kamera als Synchron- und Hörspielsprecher. 1999 sprach er den Prolog zum Udo-Jürgens-Lied Die Krone der Schöpfung. Im selben Jahr übernahm er die Sprechrolle des Richters der Toten im Musical Elisabeth in Essen. Am 26. November 2016 las er die alljährliche Adventsgeschichte in der von Florian Silbereisen moderierten Fernsehshow Das Adventsfest der 100.000 Lichter.

Ein Archiv von Adorfs Werken befindet sich an der Akademie der Künste in Berlin.[18]

Politisches Engagement

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Adorf unterschrieb 2014 einen Appell für eine andere Russlandpolitik, der in der Wochenzeitung Die Zeit abgedruckt wurde und eine neue Entspannungspolitik forderte.[19] Nach kritischen Reaktionen in Medien und der Öffentlichkeit verteidigte Adorf den Appell in einem Interview in der Welt am Sonntag.[20]

Adorf plädiert für eine flexiblere Einwanderungspolitik in Deutschland. So müssten die Menschen nicht zwingend integriert oder assimiliert werden, vielmehr müsse sich auch die deutsche Gesellschaft anpassen. Das sei in der Vergangenheit mit Italienern und Polen auch gelungen.[21]

Adorf äußerte sich auch kapitalismuskritisch: „Ich glaube nicht an ewiges Wachstum. Irgendwann wird der Kapitalismus am Ende sein.“[22]

Soziales Engagement

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Adorf engagiert sich seit 2009 als „Botschafter für gutes Hören“ für die Entstigmatisierung Hörgeschädigter. Zusammen mit einem Hörgerätehersteller wirbt er für einen positiven Umgang mit Hörgeräten und sensibilisiert für die Früherkennung und den Ausgleich von Hörschäden.[23]

Filmografie (Auswahl)

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Erzählungen und Geschichten

  • 1994: Der Dieb von Trastevere. Geschichten aus Italien. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1994, ISBN 3-462-02330-6
  • 1996: Der Fenstersturz und andere merkwürdige Geschichten. Kiepenheuer & Witsch, Köln, ISBN 3-462-02576-7.
  • 2000: Der römische Schneeball. Wahre und erfundene Geschichten. Kiepenheuer & Witsch, Köln, ISBN 3-462-03036-1.
  • 2003: Der Fotograf von San Marco: Die italienischen Erzählungen. Kiepenheuer & Witsch, Köln, ISBN 3-462-03354-9.

Erinnerungen

Gespräch / Interview

  • Gero von Boehm: Mario Adorf. 13. September 2006. Interview in: Begegnungen. Menschenbilder aus drei Jahrzehnten. Collection Rolf Heyne, München 2012, ISBN 978-3-89910-443-1, S. 379–388

Tonträger (Auswahl)

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Filmdokumentationen

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  • Lebenslänglich Schauspieler – 65 Jahre Mario Adorf Filmporträt von Ilona Kalmbach. Deutschland 1995 (ARD, Eigenproduktion des WDR), 45 Minuten.
  • Die Besten im Westen – Mario Adorf. Filmporträt von Ulrike Brincker. Deutschland 2008 (WDR), 45 Minuten.
  • Es hätte schlimmer kommen können – Mario Adorf. Kinodokumentarfilm von Dominik Wessely. Deutschland 2019, 98 Minuten[26]

Auszeichnungen und Ehrungen

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Stern von Mario Adorf auf dem Boulevard der Stars in Berlin, 2010
Commons: Mario Adorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikinews: Mario Adorf – in den Nachrichten

Einzelnachweise

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  1. Mario Adorf wird 75 Jahre alt. In einem Buch erzählt er vom Leben mit seiner Mutter Alice: „Fast wie ein richtiger Herr“. In: Berliner Zeitung, 8. September 2005, abgerufen am 21. Mai 2023.
  2. Andreas Öhler: „Das Böse ist in uns angelegt“. In: Die Zeit, 21. Mai 2023, abgerufen am selben Tag (Interview mit Mario Adorf).
  3. Mario Adorf: „Meine Mutter gab mir Sicherheit“. In: ZEITmagazin. (zeit.de [abgerufen am 1. Mai 2018]).
  4. Mario Adorf: Süße Liebeserklärung an seine Frau. In: brigitte.de. 23. Dezember 2018, abgerufen am 18. August 2019.
  5. Dokumentarfilm: Es hätte schlimmer kommen können Programmseite auf br.de, 9. September 2020, abgerufen am 12. September 2020.
  6. Historischer Kriminalfall Der erfundene Mörder, Süddeutsche Zeitung 30. August 2021
  7. Geschichte: Steinmeier würdigt NS-Opfer Lüdke: Stolperstein verlegt, Die Zeit 28. August 2021
  8. NDR: Mario Adorf ist 90 geworden – und hadert mit erster großer Rolle. Abgerufen am 8. September 2020.
  9. Mario Adorf fühlt sich von Bösewicht Santer verfolgt In: Focus Online, 5. Dezember 2013, abgerufen am 25. Juli 2016.
  10. Wolfgang Stock: Mario Adorf, der unvollendete Amazonas-Kapitän. In: STOCKPRESS.de. 5. Oktober 2010, abgerufen am 6. September 2022 (deutsch).
  11. Der letzte Patriarch (1) rbb-online.de
  12. Hamburger Abendblatt: Wird der Traum wahr? Mario Adorf will Karl Marx spielen in: Hamburger Abendblatt vom 1. Januar 2010. Abgerufen am 26. Juli 2018.
  13. Film Karl Marx − der deutsche Prophet in der ZDFmediathek
  14. Märchenonkel und Mafiapate (Memento vom 11. September 2010 im Internet Archive) In: news.de (Abgerufen am 8. September 2010.)
  15. VRM GmbH & Co KG: Worms: Stadt vergibt Mario-Adorf-Preis – Wormser Zeitung. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  16. Mario-Adorf-Preis – Nibelungen-Festspiele Worms. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  17. WELT: Ursula Strauss erhält Mario-Adorf-Preis. 5. August 2018 (welt.de [abgerufen am 24. Juni 2019]).
  18. Mario-Adorf-Archiv Bestandsübersicht auf den Webseiten der Akademie der Künste in Berlin.
  19. Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen! In: zeit.de, abgerufen am 12. Mai 2022.
  20. Wir müssen mit Putin reden. In: welt.de, abgerufen am 12. Mai 2022.
  21. Interview von Christine Eichel: Ich war Kriegsfreiwilliger. In: Cicero. abgerufen am 26. Juli 2018.
  22. Mario Adorf prophezeit Ende des Kapitalismus. (Memento vom 20. August 2010 im Internet Archive) In: Recklinghäuser Zeitung.
  23. Botschafter Mario Adorf (Memento vom 18. Januar 2016 im Internet Archive) bei widex-Hörgeräte
  24. imdb-Eintrag: Agent in eigener Sache
  25. Tom Strohschneider: Der große Stirnrunzler; Rezension zum Film vom 28. April 2018 für die Wochenzeitung Die Zeit (online auf zeit.de, abgerufen am 28. April 2018)
  26. Es hätte schlimmer kommen können – Mario Adorf | It Could Have Been Worse – Mario Adorf. Abgerufen am 10. Juni 2019.
  27. Mario Adorf mit der «Goldenen Zeile» ausgezeichnet. In: Mitteldeutsche Zeitung. (mz-web.de [abgerufen am 17. Mai 2017]).
  28. ddp Deutscher Depeschendienst GmbH: Mario Adorf bekommt den Orden (Memento des Originals vom 30. Mai 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dernewsticker.de, vom 6. Februar 2009, abgerufen am 6. Februar 2009.
  29. Mario Adorf erhält Ehrendoktorwürde der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Meldung in: Informationsdienst Wissenschaft vom 10. November 2010, abgerufen am 11. November 2010.
  30. Mario Adorf erhält die Ehrendoktorwürde der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, mit Bildern und Videolink, vom 19. November 2010, abgerufen am 23. November 2010.
  31. Mayen benennt Burgweg nach Mario Adorf. In: Rhein-Zeitung, 30. Juni 2014, abgerufen am 25. Juli 2016.
  32. Ehrenpreis für Mario Adorf beim Filmfestival Locarno (Memento vom 21. August 2016 im Internet Archive) In: idowa.de, 8. August 2016.
  33. Mario Adorf erhält «Nike»-Preis für sein Lebenswerk. In: haller-kreisblatt.de. 24. November 2022, abgerufen am 25. November 2022.
  34. Mario Adorf erhält Deutschen Fernsehpreis für Lebenswerk. In: news.at. 23. September 2024, abgerufen am 23. September 2024.