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Das Priesterkönigreich des Johannes

2013, Erinnerungsorte – Erinnerungsbrüche. Mittelalterliche Orte, die Geschichte mach(t)en, hg. v. Frank Meier und Ralf H. Schneider

In den sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts wird in Westeuropa der Brief eines fernöstlichen Herrschers bekannt, dessen Urheberschaft bis heute ungeklärt ist. 655 Das Schreiben ist an den byzantinischen Kaiser Manuel 1. Komnenos gerichtet; der Absender des Briefes nennt sich »Presbiter Iohannes« (1). Er behauptet, auf eine freundliche und interessierte Botschaft des Regenten von Byzanz zu reagieren, und schildert diesem statusbewusst den materiellen Überfluss und weitere Besonderheiten seines Reiches. Eine Vielzahl überlieferter Handschriften bezeugt, dass der Brief vom 12. Jahrhundert bis ins späte Mittelalter weit verbreitet war und dass er viel gelesen wurde. Es ist Ausdruck der großen Bedeutung, die man dem Brief zumaß, und es hat dessen Relevanz in der Wahrnehmung der Zeitgenossen vermutlich weiter gesteigert, dass Papst Alexander III. im Jahr 1177 ein Schreiben an Johannes richtet. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts werden dann mehrfach Expeditionen ausgesandt, um den Priesterkönig zu finden, und im Spätmittelalter tauchen erneut Schriftstücke auf, die an ihn adressiert sind. Das Interesse am Priesterkönig Johannes in Hochund Spätmittelalter war offensichtlich groß; heute geht man jedoch davon aus, dass es ihn nie gegeben hat. 656 Nach gegenwärtigem Verständnis gelten sowohl der sagenhafte Herrscher selbst als auch sein Reich als Fiktionen. Dass der Papst auf den Brief eines fernöstlichen Unbekannten an einen europäischen weltlichen Herrscher antwortet, dass man nach dem Presbyter Johannes sucht und dass er nicht nur in literarischen Texten der folgenden Zeit erscheint, sondern dass auch die Historiographen ihn erwähnen, deutet aber darauf hin, dass das ferne Großreich im Mittelalter durchaus als real existent angesehen werden konnte. Damit ist die Auseinandersetzung mit dem Priesterkönigreich des Johannes als einem Ort, der in der Wahrnehmung vieler 239 1 \

Das Priesterkönigreich des Johannes Tito Renz ) In den sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts wird in Westeuropa der Brief eines fernöstlichen Herrschers bekannt, dessen Urheberschaft bis heute ungeklärt ist. 655 Das Schreiben ist an den byzantinischen Kaiser Manuel 1. Komnenos gerichtet; der Absender des Briefes nennt sich »Presbiter Iohannes« (1). Er behauptet, auf eine freundliche und interessierte Botschaft des Regenten von Byzanz zu reagieren, und schildert diesem statusbewusst den materiellen Überfluss und weitere Besonderheiten seines Reiches. Eine Vielzahl überlieferter Handschriften bezeugt, dass der Brief vom 12. Jahrhundert bis ins späte Mittelalter weit verbreitet war und dass er viel gelesen wurde. Es ist Ausdruck der großen Bedeutung, die man dem Brief zumaß, und es hat dessen Relevanz in der Wahrnehmung der Zeitgenossen vermutlich weiter gesteigert, dass Papst Alexander III. im Jahr 1177 ein Schreiben an Johannes richtet. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts werden dann mehrfach Expeditionen ausgesandt, um den Priesterkönig zu finden, und im Spätmittelalter tauchen erneut Schriftstücke auf, die an ihn adressiert sind. Das Interesse am Priesterkönig Johannes in Hoch- und Spätmittelalter war offensichtlich groß; heute geht man jedoch davon aus, dass es ihn nie gegeben hat. 656 Nach gegenwärtigem Verständnis gelten sowohl der sagenhafte Herrscher selbst als auch sein Reich als Fiktionen. Dass der Papst auf den Brief eines fernöstlichen Unbekannten an einen europäischen weltlichen Herrscher antwortet, dass man nach dem Presbyter Johannes sucht und dass er nicht nur in literarischen Texten der folgenden Zeit erscheint, sondern dass auch die Historiographen ihn erwähnen, deutet aber darauf hin, dass das ferne Großreich im Mittelalter durchaus als real existent angesehen werden konnte. Damit ist die Auseinandersetzung mit dem Priesterkönigreich des Johannes als einem Ort, der in der Wahrnehmung vieler 239 1 \ Menschen von großer Bedeutung gewesen ist, eng verbunden mit der komplizierten Frage, welche Orte und Personen im Mittelalter als gegebene Tatsachen und welche als fiktiv gegolten haben und nach welchen Anhaltspunkten zwischen beiden unterschieden wurde. Einiges deutet darauf hin, dass der Bedeutungsverlust, den das Priesterkönigreich als kollektive Imagination im Laufe des 16. Jahrhunderts erfahren hat, mit der Herausbildung der modernen strikten Unterscheidung zwischen Fiktionalem und Nicht-Fiktionalem zusammenhängt. Zunächst zu den Charakteristika dieses außergewöhnlichen Königs und seines Reiches, nach den Angaben des Briefes: Den kirchlichen Titel Priester trägt der Herrscher angeblich aus Bescheidenheit. Weil an seinem Hof eine große Zahl kirchlicher und weltlicher Würdenträger versammelt sei, habe er die vergleichsweise einfache Bezeichnung für sein Amt gewählt, um Verwechslungen und Hierarchiekonflikte zu vermeiden (97f.). Dass er sich für einen kirchlichen anstatt für einen weltlichen Rang entschieden hat, weist auf die religiöse Dimension seiner Herrschaft hin: Johannes ist ein frommer Christ (l; lOf.), der an den christlichen Ritualen seines Landes teilnimmt. 657 Religiöse Funktionen des Herrschers werden allerdings nicht erwähnt; allein der Titel Priesterkönig reklamiert eine enge Verbindung von weltlicher und religiöser Führerschaft.658 Angesichts der Betonung der christlichen Religion muss es überraschen, dass die Bewohner des Großreichs keineswegs ausschließlich christlichen Glaubens sind. Die Mehrzahl der Provinzen des Landes ist andersgläubig, was die Macht des christlichen Herrschers jedoch nicht einschränkt, sondern im Gegenteil zu steigern scheint (13). 659 Johannes' Herrschaft zeichnet offenbar aus, dass sie in der Lage ist, soziale Gruppen unterschiedlichen Glaubens zu integrieren. Das Reich des Priesterkönigs liegt weit entfernt von Mitteleuropa im Osten, in den so genannten drei Indien, und hat eine bemerkenswerte räumliche Ausdehnung: Über drei Indien herrscht unsere Hoheit, und unser Land erstreckt sich vom jenseitigen Indien, in dem der Leib des heiligen Apostels Thomas ruht, über die Wüste hinweg bis zum Aufgang der Son- 240 ne und reicht im Westen bis zum verlassenen Babylon nahe dem Turmbau zu Babel. (12) 660 Ganz im Sinne der unscharfen mittelalterlichen Lokalisierung Indiens wird ein Großraum beschrieben. Indien kann in der Regel drei Erdregionen meinen: zunächst den Landstrich, der noch heute als indischer Subkontinent gilt, sodann die Bereiche, die im Osten daran anschließen, und schließlich den nördlichen Teil Ostafrikas, der schon in der Antike Äthiopien genannt wurde. 661 Den spätantiken geographischen Vorstellungen des Klaudios Ptolemaios folgend wird der Indische Ozean im Mittelalter häufig als Binnengewässer verstanden. Damit liegen der Süden Asiens und Ostafrika nicht weit von einander entfernt. Charakteristisch für die geographische Beschreibung des Reiches im Presbyter-Brief ist zudem, dass sie nicht in erster Linie der präzisen Lokalisierung dient, sondern vor allem heilsgeschichtliche Orientierung bietet.662 Die Erwähnung des Turms von Babel als Landmarke zeigt an, dass es sich um eine biblische Geographie handelt. Signifikant ist in diesem Zusammenhang die Nähe des Priesterkönigreichs zum Paradies: Durch das Reich fließt der Fluss Ydonus, der im Paradies entspringt (22). Mit der räumlichen Verbindung korrespondiert, dass das Priesterkönigreich Eigenschaften aufweist, die häufig auch dem irdischen Paradies zugeschrieben werden. 663 Das Großreich des Priesterkönigs liegt jenseits des islamischen Einflussgebiets. Dass es sich bei Johannes um einen Herrscher christlichen Glaubens handelt, macht ihn für das christliche Europa in der Zeit der Kreuzzüge zu einem potentiellen Verbündeten im Osten. 664 Hierin liegen sowohl das große Interesse begründet, das dem Reich des Priesterkönigs in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zuteil wird, als auch die weite Verbreitung, die der Brief, den der ferne Herrscher angeblich geschrieben hat, in den unmittelbar folgenden Jahren erfährt. Vermutlich handelt es sich beim Priesterkönig Johannes um den personifizierten Wunsch nach einem militärischen Partner in einer Zeit, in der Jerusalem beim ersten Kreuzzug im Jahr 1099 zwar erobert worden war, in der sich 241 aber bald zeigte, wie schwer die Heilige Stadt für die Europäer zu verteidigen war; Sultan Saladin gewann sie schließlich im Jahre 1187 zurück. 665 Der ferne Herrschaftsraum erfüllt auch noch in anderer Hinsicht Wunschvorstellungen der europäischen Rezipienten. Unterschiedliche Facetten des Wunschraums Priesterkönigreich manifestieren sich an den materiellen Gegebenheiten, die dort herrschen. Die Natur hält für die Menschen große Reichtümer und Annehmlichkeiten bereit. Es ist ein Land, »in dem Milch und Honig fließ[en]« (21). 666 Die Schätze dienen zunächst dazu, die Machtposition des Herrschers zu demonstrieren (9; 49f.). Das wird insbesondere an den zwei Palästen des Priesterkönigs deutlich, deren Ausstattung mit edlen Materialien der Brief ausführlich schildert (56-66; 87-94). Die materielle Fülle kommt in diesem Land aber nicht nur dem König zugute, sondern alle Bewohner profitieren davon: »Arme gibt es bei uns nicht [... ] Unsere Leute haben alle Reichtümer im Überfluß« (4Sf.). 667 Zudem zeigen die erwähnten Schätze nicht nur die große Menge der materiellen Güter an, die im Priesterkönigreich vorhanden sind, sondern sie machen den Menschen das Leben in diesem Land auch sehr angenehm. Sie liefern sinnliche Genüsse, wie beispielsweise eine Quelle, »die Wohlgeschmack aller Art in sich vereinigt« (27). 668 Außerdem bringen die materiellen Voraussetzungen des Landes den Menschen Gesundheit und ermöglichen hohes Lebensalter. Die wohlschmeckende Quelle erhält diejenigen, die regelmäßig aus ihr trinken, stets gesund und lässt sie das ganze Leben lang erscheinen, als seien sie nicht älter als 32 Jahre (27f.). Das Motiv der auf Dauer gestellten Jugend wird im Brief mehrfach aufgegriffen: Bestimmte Edelsteine haben eine verjüngende Wirkung, wenn sie direkt am Körper getragen werden (29). Außerdem berichtet der Brief von einem hohlen Stein, in dem eine Art von Ganzkörper-Taufe vollzogen wird und der seine Jugend spendende Wirkmacht nur bei Christen und bei solchen, die es werden wollen, entfaltet (34-37). Schließlich wird eine weitere Quelle im zweiten Palast des Herrschers erwähnt, die ebenfalls jung erhält (79-81). Bei dieser währt die Jugend allerdings nicht ewig, sondern sie endet genau nach 300 Jahren, drei Monaten, drei Wochen, drei Tagen und drei Stunden; danach ist der Tod unausweichlich (81f.). 242 Nicht nur der Fluss, auf dessen paradiesischen Ursprung ausdrücklich hingewiesen wird, sondern auch das Leben ohne materielle Sorgen und ohne mühevolle Arbeit sowie der Quell der Jugend sind aus 669 der Beschreibung des Paradieses in der Genesis bekannt. Auch in mittelalterlichen Abhandlungen über das irdische Paradies im Osten werden sie erwähnt. 670 Die Schilderung der paradiesischen Lebensbedingungen erlaubt es, über das Bestehende hinaus zu gehen und sich auf diese Weise davon zu distanzieren. Aus heutiger Sicht erscheint bemerkenswert, dass das Leben im Paradies zwar vom irdischen Leben unterschieden ist, dass aber auch das biblische Paradies der Schöpfungsgeschichte - der Augustinischen Genesis-Interpretation folgend - auf der Erde situiert wird. 671 Zugänglich ist dieses Paradies allerdings nicht, und auch der zweite paradiesische Ort, den das christliche Mittelalter kennt, das himmlische Paradies, öffnet sich den Menschen erst beim Jüngsten Gericht. 672 Die Elemente des irdischen Paradieses, die das Priesterkönigreich enthält, machen auf weitere Unterschiede beider idealer Orte aufmerksam: Das Priesterkönigreich des Johannes ist nicht nur - wie das irdische Paradies - auf der Erde lokalisiert und kann daher auf Reisen aufgefunden werden, sondern es ist darüber hinaus auch zugänglich. Man muss nicht an einer unüberwindlichen Mauer oder vor einem mächtigen Torwächter Halt machen, sondern kann dieses Reich ohne Hindernisse betreten, wenn man es findet. Wie in jedem anderen zeitgenössischen Königreich leben dort Menschen unter einem Herrscher zusammen - mit dem Unterschied, dass es ihnen an nichts fehlt und dass ihr tugendhafter Gebieter ein außergewöhnlich großes Reich regiert. In den bereits erwähnten Elementen des Priesterkönigreichs, die dauerhafte Jugend spenden, manifestieren sich nicht nur der materielle Reichtum und das allgemeine Wohlergehen der Gemeinschaft, sondern es zeigt sich hier die Vorstellung, dass bestimmte Dinge eine wundertätige Wirkkraft besitzen können. Zahlreiche Gegenstände des Priesterkönigreichs gehören nicht zum Bereich dessen, was in der Natur möglich erscheint. Ihre Funktion ist es offenbar, Staunen angesichts des fernen Herrschaftsraums zu erregen. Zu den wunderbaren Elementen des Priesterkönigreichs gehören neben verschiedenen Jungbrunnen ein Fluss, der ausschließlich aus Edelsteinen besteht 243 (32f.), und ein überaus prachtvoll gerahmter Spiegel, in dem der Herrscher jegliche Aktivität, die gegen ihn gerichtet ist, sofort erkennen kann (67-72). Eng verbunden mit diesen wunderbaren Elementen sind diejenigen, die des Reiches Exotik anzeigen. Das sind besonders außergewöhnliche Tiere wie Elefanten, Dromedare, Kamele, Flusspferde, Krokodile und andere mehr (14; vgl. auch 44). 673 Die Aufzählung geht zu den wunderbaren Wesen über: Es gibt nicht nur »weiße Amseln, stumme Baumgrillen [und] Greifen<<, sondern auch »Hundsköpfige, Riesen von 40 Ellen Größe, einäugige Zyklopen und ein[en] Vogel namens Phönix« (14). 674 Hinzu kommen die biblischen Völker »Gog und Magog« und andere (16) sowie menschenähnliche Wesen, wie »wilde Menschen, gehörnte Menschen, Faune, Satyrn und ihre weiblichen Artgenossen, sowie Pygmäen« (14). 675 Mit den besonderen Menschenarten des Reiches deutet sich - zumindest aus heutiger Perspektive - an, dass das idealisierte Reich auch eine Kehrseite besitzt: Diese Völker sind besonders aggressiv (18), verzehren Tier- und Menschenfleisch (15) und werden vom Priesterkönig daher als Waffe im Kampf gegen Feinde eingesetzt ( l 7f.). Insgesamt entspricht die lange Liste der Bewohner des Priesterkönigreichs den Darstellungsmustern der wenig bekannten Regionen im Osten, die Reiseberichte und wissensvermittelnde enzyklopädische Literatur des Mittelalters aufweisen. 676 Eine besonders wichtige Quelle für beide Textsorten ist die Schilderung des Lebens Alexanders des Großen durch den Archipresbyter Leo von Neapel aus dem 677 10. Jahrhundert. Dass die Beschreibung des Priesterkönigreichs Topoi ferner, kaum bekannter Regionen aufgreift, scheint wiederum in einer Zeit, in der enzyklopädisches und literarisches Wissen über ferne Regionen nah beieinander liegen678 - dazu beigetragen zu haben, ihre Glaubwürdigkeit sicherzustellen.679 Der allgemeine Reichtum im Priesterkönigreich weist nicht nur eine enge Verbindung zu den staunenswerten Elementen des Ostens auf, sondern er macht auch möglich, dass die Bewohner des Reiches ein besonders tugendhaftes Leben führen: Keinerlei Laster bestimmt 680 Dazu gehört, dass die Menschen unfähig sind, ihr Leben (52). die Unwahrheit zu sagen; zusätzlich werden Lügen mit den Strafen der Ehrlosigkeit und Ächtung bedroht (51). 681 Ausdrücklich wird 244 außerdem das Vergehen des Ehebruchs ausgeschlossen; der Brief betont stattdessen, dass alle einander die Wahrheit sagen und dass die Menschen sich mit großer Wertschätzung begegnen (52). 682 Tugendhaftes Verhalten ist nicht nur Ergebnis des allgemeinen Reichtums, sondern es kann auch durch die wunderbare Wirkung bestimmter Gegenstände ausgelöst werden. 683 Der Tisch eines der beiden Paläste des Herrschers wird von zwei Säulen aus Smaragd getragen (66). Dieses Material verhindere, dass die Menschen sich betrinken, die an dieser Tafel Platz nehmen. 684 Außerdem heißt es, dass das Bett des Herrschers aus Saphir besteht, dessen Wirkmacht die nicht weiter erläutert wird - die Keuschheit unterstützen soll (63).685 Die Beispiele zeigen, dass das Reich des Priesterkönigs als idealer Ort dargestellt wird, als ein Ort, der unterschiedliche Wunschvorstellungen vereinigt. Das gilt sowohl in materieller Hinsicht als auch in Bezug auf die Lebensbedingungen der Menschen. Es gilt zudem hinsichtlich der Tugenden, die im Priesterkönigreich offenbar sehr wirkungsvoll in praktiziertes Verhalten der Einwohner des Landes umgesetzt worden sind. Dass es bei der Beschreibung des fernen Staates um Vorstellungen idealen Verhaltens geht, wird schon zu Beginn des Textes deutlich. Einleitend wendet sich die Sprecher-Instanz belehrend an den Adressaten des Briefes, den byzantinischen Herrscher: »Bedenke Dein Ende, und in Ewigkeit wirst Du nicht sündigen« (8). 686 Der Satz fordert den Kaiser zur Demut auf, 687 und er ist ein erster Hinweis darauf, dass im Folgenden ideale Verhältnisse entworfen werden. Dabei ist signifikant, dass der immense Reichtum, der anschließend geschildert wird, offenbar problemlos mit dem einleitenden Aufruf zur humilitas zusammen geht.688 Es hat sich außerdem gezeigt, dass die Idealisierung keineswegs nur das Verhalten des Herrschers betrifft - was die einleitenden Sätze nahe legen könnten -, sondern auch die Lebensbedingungen und das Zusammenleben der Menschen im Land des Priesterkönigs. Die Schilderung des Priesterkönigreichs ist also nicht nur als Darstellung eines idealen Herrschers im Sinne der Fürstenspiegel-Literatur zu verstehen, 689 sondern sie entwirft eine Gemeinschaft des allgemeinen Wohlstands und des tugendhaften Verhaltens. Dass die Kombination aus Reichtum und Sittlichkeit 245 \ realisiert werden kann, dass der Reichtum geradezu Voraussetzung für Sittlichkeit ist, erscheint insbesondere angesichts der einleitenden Aufforderung zur Demut bemerkenswert - und auch im Zusammenhang der Armutsdiskussion des 12. Jahrhunderts, etwa bei den Katharern. In Johannes' Herrschaftsraum kommen Reichtum und Luxus allen Menschen zugute, und sie stehen tugendhaftem Verhalten nicht im Weg, sondern machen es im Gegenteil erst möglich. Nach modernem Verständnis trägt das stark idealisierte Reich des Priesterkönigs utopische Züge. Im Mittelalter einen utopischen Entwurf auszumachen ist - wart-geschichtlich betrachtet - ein Anachronismus: Erst mit Thomas Morus' »Utopia« aus dem Jahr 1516 wird das Wort erfunden, und erst seit dem 18. Jahrhundert bildet sich die differenzierte Semantik heraus, die wir heute mit dem Begriff verbinden. 690 Dennoch entstehen utopische Entwürfe in der Frühen Neuzeit nicht voraussetzungslos, sondern sie haben neben den offenkundigen antiken (z.B. Atlantis) auch mittelalterliche Vorläufer. Diese zu erfassen ist literatur- und kulturgeschichtlich von Interesse, denn es bedeutet, neben den Diskontinuitäten und plötzlichen Wandlungsvorgängen auch die kontinuierliche und langfristige Entwicklung in den Blick zu nehmen. 691 Zentral für diese Suche nach mittelalterlichen Utopien sind stets die Merkmale, anhand derer eine Gemeinschaft als utopische identifiziert wird. So kann es nicht verwundern, dass das Reich des Priesterkönigs Johannes zum einen schon mehrfach als Utopie interpretiert wurde, 692 dass aber zum anderen besonders Untersuchungen der jüngeren Zeit die Charakterisierung von Johannes' Reich als Utopie nicht gelten lassen. 693 Gegen die vorschnelle Identifizierung des Priesterkönigreichs. mit einer Utopie spricht, dass in Johannes' Land zwar viele Menschen in Reichtum leben, das Privateigentum aber nicht abgeschafft worden ist. 694 In Morus' »Utopia« dagegen markiert Gemeinbesitz die fundamentale Andersartigkeit des idealisierten Staates im Vergleich zu der Welt, die dem Erzähler 695 vertraut ist. Beide Herrschaftsräume rücken allerdings wieder aneinander heran, wenn man bedenkt, dass der allgemeine Reichtum im Priesterkönigreich zwar keine grundsätzliche Überwindung des Besitzes bedeutet, dass sich aber auch diese ökonomische Ordnung innerhalb der Gemeinschaft förderlich auf das sittliche Verhalten der 246 Menschen auswirkt: Wegen des allgemeinen Reichtums gibt es im Priesterkönigreich weder Diebe und Räuber noch überhaupt Habgier (45f.). 696 Auf die Überwindung solch tief verwurzelter menschlicher Regungen, vor allem der superbia, zielt letztlich auch die Einrichtung des alternativen Staates und seiner sozialen Reglements in Thomas Morus' »Utopia«. 697 Gerhard Oexle hat vorgeschlagen, im Anschluss an Formulierungen Karl Mannheims und Alfred Dorens das »Wirklichkeitstranszendierende Denken« als zentrales Merkmal eines Utopie-Begriffs zu verstehen, der es ermöglicht, Utopien nicht ausschließlich an die Neuzeit zu binden, sondern das Wort auch auf positiv besetzte und anders organisierte Lebenswelten des Mittelalters zu übertragen. 698 Dass eine Funktion der Schilderung des Priesterkönigreichs des Johannes in der imaginären Wunscherfüllung durch den Entwurf eines fernen Idealstaates besteht, haben die vorausgehenden Ausführungen gezeigt. Zudem können weitere Parallelen zu frühneuzeitlichen Utopien festgehalten werden. So werden die unterschiedlichen idealisierten Eigenschaften des Priesterkönigreichs nicht als Einzelphänomene präsentiert, sondern sie sind zu einer geordneten Lebenswelt organisiert, die aber anderen ungeschriebenen Gesetzen folgt als diejenige, welche dem Adressaten und den Rezipienten des Briefes offenbar bekannt ist.699 Der alternative Herrschaftsraum wird in Teilen durchaus konkret vor Augen gestellt (zum Beispiel durch die Nennung verschiedener Amtsträger (98) oder durch die Schilderung der Speise-Zeremonie des Herrschers (65f.; 73f.)). Alltägliche Verhaltensweisen werden hier erkennbar anders vollzogen als 700 in der zeitgenössisch vertrauten Welt des christlichen Westens. Zentral für die Bestimmung einer Utopie im Sinne der frühneuzeitlichen Texte ist das Verhältnis der alternativen Gemeinschaft zu den fiktionalen Stellvertretern zeitgenössisch bestehender Realitäten, also zu den Figuren und Sozialverbänden, die Mitteleuropa repräsentieren. Die geographische Lokalisierung der alternativen Gemeinschaft ist in Utopien der Frühen Neuzeit ein wichtiges Verfahren, um diesen Aspekt darzustellen. Utopien - für die hier beispielhaft Morus' »Utopia« stehen soll - schildern anders geordnete soziale Einheiten an entfernt gelegenen Orten. Diese Gemeinschaften werden durch eine komplexe Form der Darstellung sowohl als fiktiv markiert als auch an die be247 stehende Welt angenähert. 701 Dass es sich bei der Gemeinschaft, von der Raphael Hythlodaeus als erzählende Hauptfigur in Morus' Roman berichtet, um eine erfundene handelt, zeigt bereits der Name Utopia, also Nicht-Ort, an. Zugleich vermittelt die Darstellung der alternativen Welt den Eindruck, diese sei tatsächlich realisiert worden - und sei damit auch zukünftig in der Welt des Erzählers realisierbar -, indem die Gemeinschaft geographisch verortet wird und indem ihre Funktionsmechanismen in wechselseitiger Bedingtheit plausibilisiert werden: Der Berichterstatter bemüht sich zu erklären, dass ein Staat ohne Privatbesitz durchaus funktionieren kann und auf welche Weise die einzelnen Elemente des Staates dazu ineinander greifen. Er macht darüber hinaus teilweise durchaus präzise Angaben zur Lage des Staates Utopia und lokalisiert die Insel dann doch in einem Großraum zwischen Südamerika und Indien. Der Darstellung des Priesterkönigreichs des Johannes im Brief fehlt die um Plausibilisierung und Rationalisierung bemühte Form der Darstellung. Das betrifft sowohl die Organisation des Staates als auch die geographische Situierung. Die Angaben zur Lage des Priesterkönigreichs sind - mit dem Hinweis auf die drei Indien - nicht sehr ausführlich und noch dazu wenig eindeutig. Einzelne Charakteristika des Reiches stehen unverbunden nebeneinander. Verschiedentlich scheint die Reihung der Eigenschaften des Priesterkönigreichs nicht einmal einem nachvollziehbaren Gedankengang zu folgen. 702 Daraus könnte abgeleitet werden, dass es diesem Text nicht darum geht, den zeitgenössischen Rezipienten einen tatsächlich realisierten oder einen vorbildlichen und realisierbaren Staat nahe zu bringen. Als fingierte Darstellung des Priesterkönigreichs wäre der Brief nicht Dokument der sachbezogenen Kommunikation zwischen Herrschenden und auch nicht realitätsnaher Entwurf eines Idealstaats, sondern er wäre vor allem literarischer Text. Die derart charakterisierte Form des Briefes könnte weitergehend Rückschlüsse auf seinen Gegenstand zulassen: Möglicherweise ist auch das Priesterkönigreich selbst von den Zeitgenossen als fiktiver Herrschaftsraum verstanden worden. Grundsätzlich gegen eine Einschätzung des Presbyter-Briefs als fiktionalen Text spricht jedoch, dass im 12. Jahrhundert Fiktionalität im Sinne des modernen Verständnisses des Begriffs - d. h. als Ergebnis 248 referenzfreien Fingierens - ein seltenes Phänomen ist. Dies resultiert maßgeblich daraus, dass noch keine klare Trennung vorgenommen wird zwischen Texten, die auf vergangene oder bestehende Dinge bezogen sind, und Texten, denen es allein ums Erfinden geht; erst in der Neuzeit bildet sich eine Unterscheidung heraus, nach der eines das andere ausschließt. 703 Auch moderne Signale von Fiktionalität, wie etwa eine besonders verdichtete und daher als literarisiert verstandene sprachliche Form, sind als Kriterien nicht ohne weiteres verwendbar. 704 So können die Unverbundenheit und simple Reihung der einzelnen Elemente des Presbyter-Briefes als Charakteristika literarischer Erzähltexte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit gedeutet werden, 705 mit gleichem Recht können sie aber auch als 706 formale Eigenschaft mittelalterlicher enzyklopädischer Texte gelten. Mit der Unverbundenheit der einzelnen Aspekte des Priesterkönigsreichs greift der Brief des Presbyters ein formales Merkmal auf, das auch zeitgenössischen Sachtexten eigen ist, und er kann damit als nicht-fiktionaler Text verstanden werden. Erst wenn nachgewiesen ist, dass ein Text deutlich über formale Spezifika der Fachliteratur seiner Zeit hinausgeht, sollte dafür plädiert werden, dass es sich um eine Form der Darstellung handelt, die im historisch-zeitgenössischen Zusammenhang fiktionale Texte kennzeichnet. 707 Nicht nur die Form des Presbyter-Briefs ist schwer zu klassifizieren, auch die Wahrheit, die dem geschilderten Königreich selbst zugesprochen wird, steht in Frage: Handelt es sich im gegebenen historischen Kontext um einen als faktisch oder als fiktiv angenommenen Herrschaftsraum? Hierzu bieten die Überlieferungsgeschichte zum Reich des Presbyters im Allgemeinen sowie die Rezeptionsgeschichte des Briefes im Besonderen zahlreiche Hinweise: Im Zuge des Hoch- und Spätmittelalters werden Johannes und sein Reich in unterschiedlichen Textsorten erwähnt. Die Verwendung des Motivs in den verschiedenen Gattungszusammenhängen liefert Anhaltspunkte für seine Charakterisierung als faktisch oder als fingiert. 708 Bei dieser Suche nach Indizien muss allerdings berücksichtigt werden, dass unterschiedliche Textsorten, beispielsweise Historiographie und Literatur, im Mittelalter eben nicht vollständig scharf voneinander abgegrenzt werden können: Auch die Gegenstände literarischer Texte sind stets in gewissem Maße in der 249 historischen Vergangenheit verankert, und auch historiographische Texte gestalten ihre Gegenstände rhetorisch und werden zudem zum Teil auch aus literarischen Fiktionen gespeist. 709 Mit der Frage nach den Textsorten, in denen vom Priesterkönig Johannes die Rede ist, ist also dem Problem, ob das Priesterkönigreich im mittelalterlichen Kontext den Fakten oder den Fiktionen zugerechnet wird, letztlich nicht zu entgehen; diese Herangehensweise kann aber erste Anhaltspunkte für die Bestimmung des Fiktionsgrads des Motivs liefern. Einer der ersten, der im 12. Jahrhundert über den Priesterkönig berichtet, ist Otto von Freising in seiner acht Bücher umfassenden »Chronica sive Historia de duabus civitatibus« aus den Jahren 1143 bis 1146; eingeführt wird der fernöstliche Herrscher also in einer Weltchronik, einem umfangreichen historiographischen Werk. 710 Otto gibt darin den Bericht des Bischofs Hugo von Gabala im heutigen Syrien wieder, ohne ihn zu kommentieren: Er [Hugo] erzählt auch, vor wenigen Jahren habe ein gewisser Johannes, ein König und Priester, der im äußersten Orient, jenseits von Persien und Armenien wohne und wie sein Volk Christ, aber Nestorianer sei, zwei Brüder, die Könige der Perser und Meder, Samiarden genannt, angegriffen und ihre Hauptstadt, das oben erwähnte Ekbatana, erobert. [„.] Nach dem Siege [„.] unternahm Johannes einen Feldzug, um der Kirche von Jerusalem zu Hilfe zu kommen [„.]. 711 Schon die Erwähnung des Priesterkönigs bei Otto von Freising bringt also die Vorstellung auf, der ferne Herrscher könne die christlichen Mitteleuropäer im Kampf um Jerusalem unterstützen. Zur Heiligen Stadt habe Johannes aber doch nicht kommen können, denn es sei ihm unmöglich gewesen, mit seinem Heer den Tigris zu überqueren. Unverrichteter Dinge sei er schließlich wieder umgekehrt. Etwa zwanzig Jahre nach dieser Schilderung Ottos kursiert dann der Brief des Priesterkönigs. Dieser wird weitere zehn Jahre später ergänzt um ein Antwortschreiben des Papstes. 712 Alexander III. kündigt Johannes darin machtbewusst einen Gesandten an, der ihn in Glaubensdingen unterrichten werde, und er stellt in Aussicht, dass der Presbyter dafür 250 eine Kirche in Rom sowie Altäre in Rom und Jerusalem erhalte. 713 Durch dieses Antwortschreiben entsteht der Eindruck, der Priesterkönig Johannes nähme teil an der herrscherlichen Diplomatie der Zeit; der Presbyter-Brief findet weite Verbreitung und wird in mehrere Sprachen übersetzt. 714 Seit etwa der Mitte des 13. Jahrhunderts senden die Päpste - zum 715 Teil unterstützt von weltlichen Herrschern - Gesandte nach Osten. Sie haben den Auftrag, mit den Mongolen, die in der abendländischen Welt seit dem frühen 13. Jahrhundert als neue große Bedrohung angesehen werden, Kontakt aufzunehmen und dabei auch etwas 716 über das Reich des Priesterkönigs in Erfahrung zu bringen. Einige der Botschafter, wie beispielsweise die Franziskaner Johannes de Plano Carpini und Wilhelm von Rubruk, sowie Marco Polo, verfassen Berichte über ihre Reise zu den Mongolen und ins Land des Priesterkönigs. 717 Die drei Genannten stellen unterschiedliche Aspekte der Figur des Presbyters Johannes und seines Reiches heraus. Bei Carpini dient die Erwähnung des Priesterkönigs, der angeblich einen militärischen Sieg über die Mongolen errungen habe, dazu, deren außerordentliche militärische Macht darzustellen, aber auch zu zeigen, dass sie besiegt werden können. 718 Wilhelm von Rubruk nimmt in der Reihe der Gesandten eine Sonderstellung ein, denn er äußert deutliche Zweifel an 719 der Annahme, dass der Priesterkönig Johannes tatsächlich existiert. Nachrichten über das Reich des sagenhaften Priesterkönigs und über seine Taten hält er für Erfindungen der östlichen Christengemeinschaft 720 der so genannten Nestorianer, der Johannes zugehöre. Wilhelm von Rubruk schreibt: Nach dem Tod Choir-chans schwang sich dieser Nestorianer zum König auf. Die Nestorianer aber nannten ihn König Johannes und erzählten von ihm zehnmal mehr, als der Wahrheit entsprach. So machen es nämlich die Nestorianer, die aus diesem Gebiet kommen: Aus einem Nichts machen sie ein großes Geschrei. [„.] So ging also [„.] von jenem König Johannes ein großer Ruhm aus. Ich aber zog durch seine Weidegebiete, und niemand wusste irgend721 etwas über ihn, außer ein paar Nestorianern. 251 1 ~ Marco Polos Reisebericht stellt zwar nicht die Existenz des Priesterkönigs in Frage, schränkt aber dessen Machtvollkommenheit deutlich ein, die in anderen Texten - namentlich dem Brief des Presbyters selbst viel gepriesen worden war. Dies geschieht allerdings nicht in Form ausdrücklicher Skepsis gegenüber der Überlieferungstradition, sondern es zeigt sich anhand der Ereignisse, die aus dem Leben des Presbyters erzählt werden. Marco Polo schildert, wie Johannes zu Tode kommt: Der Mongolenherrscher Dschingis Khan sei ihm als Vasall unterstellt gewesen, und als dieser Johannes' Tochter zur Frau erbeten habe, habe sich Johannes geweigert, sie ihm zu geben; Dschingis Khan habe diese Zurückweisung als sehr beleidigend empfunden und eine Schlacht angefangen, in der der Priesterkönig gefallen sei. 722 Diese Schilderung der Ereignisse, und auch die formalen Mittel, derer sich Marco Polo bedient, sind in der Forschung auf den Einfluss zeitgenössischer literarischer Darstellungen zurückgeführt worden. 723 Während Wilhelm von Rubruk die Geschichten, die über den Priesterkönig erzählt werden, anhand dessen, was er selbst über ihn in Erfahrung bringen kann, kritisch in Frage stellt, bedient sich Marco Polo offenbar gezielt literarisch eingeführter Gestaltungsmittel. Beiden ist gemeinsam, dass sie die Machtfülle des fernen Herrschers im Vergleich zu vorhergehenden Zeugnissen schmälern. Schließlich findet das ferne Königreich des Presbyters Johannes Eingang in literarische Texte - mit dem Jüngeren Titurel eines Dichters namens Albrecht aus dem späten 13. Jahrhundert als wohl prominentestem Beispiel.724 Albrechts Text hält sich eng an die Informationen, die aus dem Brief des Priesterkönigs bekannt sind, und betont die außerordentliche Größe und den Reichtum des Priesterkönigreiches. Bei den exotischen und wunderbaren Elementen dagegen kürzt er. 725 Der Bericht über den Presbyter Johannes beginnt mit folgenden Worten: Hier regiert ein König, der so reich ist, dass noch niemand von einem ähnlich reichen Herrscher je gehört hat. Wie reich du durch den Gral auch bist, das ist alles nichts im Vergleich zu seinem Reichtum 252 ' ..._ und zwar sowohl was Gefolgschaft und Landbesitz als auch was Gold und Edelsteine betrifft. Im Himmel ist dieser Herrscher außerdem bekannt für seine Tugendhaftigkeit. Ich erwähne hier nur einen Teil seines Reichtums und seiner Würde, und schon angesichts dessen müssen wir erkennen, wie wertlos wir sind. Seine Macht wird überall als herrlich bezeichnet, denn ihm dienen zwei Teile des gesamten Erdkreises und zudem 72 Reiche [„.) Priester Johannes nennt man den würdevollen Mann[;) [„.) 726 er ist ein reiner Christ und lobt Jesus Christus auf das höchste. Die historisch-politischen Entwicklungen seiner Zeit nimmt Albrecht auf, indem er - im Anschluss an Johannes de Plano Carpini - den Sieg des Priesterkönigs über das Heer der Mongolen durch eine Kriegslist schildert (6199-6216). 727 Der literarische Text gestaltet damit nicht die wunderbaren und exotischen Elemente phantastisch aus, die seine direkte Vorlage, der Presbyter-Brief, liefert, sondern er tilgt diese und orientiert sich statt dessen an einem kurz zuvor verfassten Reisebericht, der offenbar als authentisch angesehenen wurde. Der literarische Text erweist sich damit stärker am Faktischen interessiert als das vermeintliche Dokument der Herrscher-Diplomatie, als der Presbyter-Brief selbst. Die Verschränkung von literarischer Überlieferung und stärker authentisch konnotierten Gattungen wie Historiographie oder Reiseberichten tritt außerdem hervor, wenn man berücksichtigt, dass die Motive, mit denen die fremde Welt des Priesterkönigs beschrieben wird, zu einem beträchtlichen Teil aus der literarischen Überlieferung stammen, insbesondere aus den Alexanderromanen. 728 253 Die Vorstellung der unterschiedlichen Textgattungen, in denen der Priesterkönig und sein Reich Erwähnung finden, zeigt, wie durchlässig die Grenze zwischen fingierten und als real bestehend angenommenen Herrschaftsräumen zeitgenössisch offenbar gewesen ist. Für die Charakterisierung des Priesterkönigreichs als Utopie muss das bedeuten, dass ein komplexes Spiel mit Fiktionalitätssignalen und Hinweisen auf eine mögliche Authentizität des Geschilderten im Mittelalter vor dem Hintergrund eines anderen, d. h. weniger antagonistischen Verständnisses von Fiktion und Realität stattfand. Während in der »Utopia« des Thomas Morus eine als Fiktion markierte Insel der Realität angenähert wird, indem die Angaben zu ihrer geographischen Lage zwar anhand des geographischen Wissens plausibel erscheinen, aber doch so gestaltet sind, dass sie die Insel unauffindbar machen, 729 stehen die geographischen Angaben zur Lage des Priesterkönigreichs in einem Kontext, in dem Reiseberichte, die ebensolche aus moderner Sicht unzureichenden Ortsangaben verwandten, als authentisch und als zur Lokalisierung hinreichend präzise angesehen wurden. 730 An dieser Stelle wird besonders deutlich, wie schwierig es ist, den Utopie-Begriff in die Zeit vor der Frühen Neuzeit zurückzuverfolgen. Auf dem Gebiet der Reiseberichte führt die zunehmende Präzisierung von Ortsangaben, die mit den vermehrten Fernreisen um 1500 einsetzt, zu einer Scheidung von Lokalisierungen, die als unauthentisch und im Extremfall als fingiert angesehen werden, und solchen, deren Präzision den neuen Vorstellungen von geographisch korrekter Darstellung entspricht. Hierin kann eine Ursache dafür gesehen werden, dass die Bedeutung des Priesterkönigreichs im Laufe des 16. Jahrhunderts nach einer kurzen Phase des erneuten regen Interesses schwindet und dass es schließlich in Vergessenheit gerät. Es ist bemerkenswert, dass sich noch kurz zuvor ein bedeutender Wandel im Vorstellungskomplex um den Priesterkönig vollzogen hat und dass dieser nochmals mit gesteigertem Interesse an ihm einhergeht: Seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird sein Reich nicht mehr im fernen Osten sondern ' . A„ h' · m t 10p1en vermutet. 731 Auf ihrer Suche nach dem Seeweg n.ach Indien versuchten seit dem 15. Jahrhundert portugiesische Reisende an die Ostseite Afrikas zu gelangen. Dort .auf den Priesterkönig Johannes zu treffen war ein Ziel ihrer Entdeckungsreisen. Erneut 254 verkörpert der Priesterkönig den Wunsch der Europäer, in der Fremde christliche Verbündete zu finden; hinzu kommt nun die Neugier auf die Erschließung des afrikanischen Kontinents und das ökonomische Interesse an Handelspartnern. 732 Sind die neuen Handelswege erst einmal etabliert und beginnt - mit Hiob Ludolfs Buch über Äthiopien, der »Historia Aethiopica«, erschienen 1681 in Frankfurt am Main eine im modernen Sinne wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Land, so verliert sich das Interesse am Priesterkönig als dem vermeintlichen Verbündeten im ehemals unbekannten Territorium. 733 Eine weitere und sehr weit greifende mögliche Ursache für das Verschwinden des legendären christlichen Herrschers nennt Umberto Eco in einem Aufsatz über den Presbyter Johannes, der 2001 publiziert wurde, also ein Jahr nach Ecos berühmtem Roman »Baudolino« über die Suche nach dem Priesterkönig: Es ist denkbar, dass die Zunahme tatsächlich gelingender Kontakte mit den fernen Regionen des Ostens und des Südens dazu geführt hat, dass überhöhte Vorstellungen vom Fremden in der kollektiven Vorstellung an Bedeutung verlieren; Eco stellt die optimistische Behauptung auf, es habe im Laufe der Jahrhunderte ein historischer Lernprozess der Anerkennung kultureller Unterschiede stattgefunden. 734 Eine Figur zu erfinden, welche diese Differenzen übergehe, indem sie schlicht die eigenen Charakteristika - namentlich den christlichen Glauben - am Ort des Anderen situiere, sei schließlich nicht mehr notwendig gewesen. Und doch verschwinden der Priesterkönig und sein Reich in der Moderne nicht vollständig aus dem kulturellen Gedächtnis. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wendet sich die Wissenschaft 735 dem Presbyter zu: Verschiedene Forschungsarbeiten entstehen. Das wissenschaftliche Interesse am Reich des Priesterkönigs, das sich in dieser Zeit formiert, scheint bis heute anzuhalten. Und so kann es kaum verwundern, dass mit Umberto Eco ein Romancier und Wissenschaftler das Thema in die Literatur (zurück-)überführt hat. Dass Ecos »Baudolino« schnell zum Bestseller wurde, zeigt nicht nur eine verbreitete Faszination für historische Romane, sondern deutet auch auf eine aktuelle Sensibilität für die Übergangszonen zwischen fact und fiction hin. Ecos Buch zeichnet aus, dass es das Problem, ob es sich beim Presbyter Johannes und bei seinem Reich um eine 255 / 1 bloße Erfindung handelt, nicht letztgültig entscheidet, sondern auf sehr geschickte Weise offen hält. Der Roman scheint den Priesterkönig zunächst deutlich als Erfindung auszuweisen, indem er schildert, wie Baudolino - selbst ganz offenkundig fingierter Adoptivsohn Kaiser Friedrich Barbarossas und Protagonist des Romans - unterstützt durch seine Pariser Kommilitonen, die zum Teil unter dem Einfluss einer wirkungsvollen halluzinogenen Droge, dem so genannten »grünen Honig«, stehen, den Brief des Priesterkönigs schreibt. 736 Später erfährt ein Berater des byzantinischen Kaisers von diesem Brief und macht sich die Idee Baudolinos zu eigen, das Schreiben des Priesterkönigs für die zeitgenössische Diplomatie zu nutzen, bevor dieser selbst es tun kann. Obwohl die literarische Figur Baudolino sich das zentrale Dokument, das die Existenz des Priesterkönigs bezeugen soll, selbst ausgedacht hat, hält sie an dem Gedanken fest, dass es den Priesterkönig tatsächlich gibt - eine Idee, die Baudolinos Lehrer, Otto von Freising, dem Eleven mitgegeben hat -, und verwendet viel Zeit ihres Leben darauf, diesen zu suchen. Baudolino macht sich auf eine jahrelange Reise, die ihn in ein Land führt, das dem Reich des Priesterkönigs zwar nahe zu sein scheint, in dem er aber doch nichts Genaues über den Herrscher erfährt. 737 Vor dem Ansturm der »weißen Hunnen« muss Baudolino schließlich fliehen, und es gelingt ihm, nach Europa zurückzukehren. 738 Obwohl seine langjährige Reise ihn nicht zum Priesterkönig geführt hat und obwohl vieles, was er auf dieser Reise gesehen und gehört hat, eher darauf hindeutet, dass der Priesterkönig nicht existiert, macht sich Baudolino kurze Zeit nach seiner Rückkehr und schon in hohem Alter erneut auf, ihn zu 739 Mit diesem Lebensweg seines fingierten Protagonisten suchen. macht Eco einen Vorschlag, wie sich die durchlässige Grenze zwischen Fakten und Fiktionen im Mittelalter auf einen einzelnen Akteur ausgewirkt haben könnte. 256 Tintagel, Glastonbury und Broceliande: Gespinste aus Fiktion und Realität als »Rezept« zur Überwindung von Erinnerungsbrüchen Ralf H. Schneider Der Zugang zur Geschichte vollzieht sich, wie wir vielfach in diesem Band erfahren können, über reale Orte, die wir kennen, weil sie sich in unmittelbarer Nähe heimatlicher Gefilde befinden oder von uns bewusst aufgesucht werden oder uns zufällig auf Reisen begegnet sind. Manche Orte kennen wir aber auch nur aus Texten, gleichgültig ob diese aus touristischen Ratgebern, Zeitschriften oder Zeitungen, Fach- oder Sachbüchern oder aus Romanen oder Gedichten stammen. Doch nicht alle Orte, die wir mit vergangenen Zeitaltern, Ereignissen oder Personen verbinden, sind solche, die wir tatsächlich auch aufsuchen können. Es sind fiktive oder fiktionale Orte, die auf keiner wissenschaftlich anerkannten Karte der Gegenwart zu finden sind. Im Gegensatz zu heutigen Karten, die zumeist nicht mehr auf Papier, sondern auf Monitoren oder Displays gelesen werden, gaben Karten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit Länder und Orte wider, deren Existenz einerseits körperlich erfahrbar war, andererseits aus den Vorstellungswelten vie1 ge1esener Autoren stammte. 740 D'ie Grenze von Fiktion und Realität741 war fließend, und Landstriche wie das Reich des Priesterkönigs Johannes 742 und reale Orte fanden auf ein und derselben Karte gleichbedeutend ihren Platz, wie sich auch Wissenschaft und Magie 743 nicht zwangsläufig ausschlossen. Andere Orte sind sehr wohl auf aktuellen Karten verzeichnet, also real (und nicht »realphantastisch« 744 ) und damit auch zu bereisen, jedoch untrennbar mit Geschehnissen aus der Welt der Fiktion verbunden. Um drei solcher Orte soll es hier gehen: Tintagel, Glastonbury und Broceliande. Orte, die aus dem Sagenstoff um 257 640 641 642 643 644 645 646 647 648 649 650 651 652 653 654 655 322 FRANZ (wie Anm. 630), S. 294-300. Ibid. S. 133f. BUCKLE, Revolution (wie Anm. 629). Vgl. Helmut GABEL, Winfried SCHULZE, Folgen und Wirkungen, in: BuszELLO, BUCKLE, ENDRES (wie Anm. 631), s. 347-349. BUCKLE, Revolution (wie Anm. 629), S. 231. In diesem Sinne schon Friedrich LÜTGE, Geschichte der deutschen Agrarverfassung vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, Stuttgart 1963, s. 100-134. Früh Otto SCHIFF, Die deutschen Bauernaufstände von 1525 bis 1789, in: HZ 130 (1924), S. 189-209, und in mehreren Arbeiten von Winfried SCHULZE. Vgl. u. a. Peter BUCKLE, Andre HoLEN~TI (Hg.), Agrarverfassungsverträge. Eine Dokumentation zum Wandel in den Beziehungen zwischen Herrschaften und Bauern am Ende des Mittelalters, Stuttgart 1996. BUCKLE, Revolution (wie Anm. 629), S. 230. Vertragstext bei Alfred WEITNAUER, Die Bauern des Stifts Kempten 1525/26, Kempten 1949 (Alte Allgäuer Geschlechter 25). FRANZ, Bauernkrieg (wie Anm. 630), S. 296. Leider wurde eine Dissertation von Elke PALLOKS (vgl. Drns„ Blutiger Krieger und besonnener Politiker: vor 500 Jahren kam in Waldsee Georg III. Truchseß von Waldburg, der »Bauernjörg«, zur Welt, in: SZ. Ausg. Ravensb. vom 25.01.1988), die ein neues Bild des Truchsessen zeichnen wollte, nie fertiggestellt. Herrschaften Eberhardzell, Essendorf, Schwarzach, Schweinhausen, Waldburg, Waldsee, Winterstetten, Wolfegg und Zeil. Aus Raumgründen wird hier auf eine Aufzählung der Archivalien verzichtet. Schon Joseph VoCHEZER, Geschichte des fürstlichen Hauses Waldburg in Schwaben, Bd.11, Kempten 1900, S. 630-634, hatte das Fakt der Leiheigenschafts- und Dienstverträge zum Ruhme des Truchsessen erwähnt. Neuerlich hat sie dann BUCKLE, Revolution (wie Anm. 629), S. 227-229, als Gegenbeispiele gegen das völlige Scheitern des sog. Bauernkriegs von 1525 erwähnt. - Eine monographische Behandlung steht aus. Erneuerungen z.B. 1536, 1587, 1602, 1622 und 1725. Dabei wurden im Laufe der Zeit immer mehr Dienstverpflichtungen in »Surrogatgelder« umgewandelt. Als ungemessene Frondienste blieben nur noch die Baufronen im Falle eines Schlossbrands in Wolfegg. Im Übrigen richteten sich die Dienste nach der Hofgröße und konnten in Geld abgegolten werden. Bei der Aufhebung der Leibeigenschaft und der Abfindung der ehemaligen Leihherren in den Jahren 1829/1836 werden die Verträge von 1622 erwähnt. BUCKLE, Revolution (wie Anm. 629), S. 224-240. Für den lateinischen Text vgl. Friedrich ZARNCKE, Der Priester Johannes, Bd. 1, Leipzig 1879 (Abhandlungen der philologisch-historischen Classe der König!. Sächsischen Akademie der Wissenschaften, 7, 8), S. 83-108. Zarnckes Ausgabe wird hier zugrunde gelegt; Nachweise der einzelnen Artikel des Briefes erfolgen im Fließtext (in runde Klammern eingeschlossen). 656 657 658 659 660 661 662 663 664 Die Ausgabe stützt sich auf Fassungen des Briefes, die bis zum Ende des 12. Jahrhunderts entstanden sind. Für weitere Fassungen, die von Zarncke nicht ediert wurden, vgl. Bettina WAGNER, Die »Epistola presbiteri Johannis« lateinisch und deutsch. Überlieferung, Textgeschichte, Rezeption und Übertragung im Mittelalter. Mit bisher unedierten Texten, Tübingen 2000 (MTU 115). Anna-Dorothee VON DEN BRINCKEN, Presbyter Johannes, Dominus Dominantium - ein Wunsch-Weltbild des 12. Jahrhunderts, in: Legner, ANTON (Hg.), Ornamenta Ecclesiae. Kunst und Künstler der Romanik. Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums. Bd. 1, Köln 1985, S. 83-97 und Ulrich KNEFELKAMP, Die Suche nach dem Reich des Priesterkönigs Johannes. Dargestellt anhand von Reiseberichten und anderen ethnographischen Quellen des 12. bis 17. Jahrhunderts, Gelsenkirchen 1986, bieten Übersetzungen des Briefes; zitiert wird im Folgenden aus der Übersetzung von VON DEN BRINCKEN. . Die Forschung hat verschiedene historische Figuren identifiziert, an die der imaginierte Priesterkönig anschließen könnte; keine dieser Referenzen wird jedoch allgemein akzeptiert. Vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 4749. Bei Ausritten des Hofes wird Jesu Christi angesichts eines mitgeführten Holzkreuzes gedacht (48), und der Herrscher besucht - wie sein gesamtes Volkalljährlich das Grab des Propheten Daniel (53). . „ . Zur Kritik der These ÜLSCHKIS, dass es sich beim Reich des Pnesterkomgs um eine »Theokratie« handele (vgl. Leonardo ÜLSCHKI, Der Brief des Presbyters Johannes, in: Historische Zeitschrift 144 (1931), H. 1, S. 1-14, hier S. 9), vgl. VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), s. 96. Dass der Brief Gemeinschaften unterschiedlichen Glaubens nennt, ist als Hinweis auf die Toleranz des Herrschers verstanden worden. Vgl. ÜLSCHKI, Brief (wie Anm. 658 ), S. 9. Ausdrücklich erwähnt wird diese Tugend allerdings nicht. »In tribus Indiis dominatur magnificentia nostra, et transit terra nostra ab ulet teriore India, in qua corpus sancti Thomae apostoli requiescit, per desrt~m progreditur ad solis ortum, et redit per declivum in Babilonem desertam mxta turrim Babel«. Zur Lokalisierung Indiens im Mittelalter vgl. auch Rudolf SrMEK, Erde und Kosmos im Mittelalter. Das Weltbild vor Kolumbus, München 1992, s. 80. Vgl. VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), s. 92. Vgl. Anna-Dorothee VON DEN BRINCKEN, Mappa ~undi un~ Chronographia. Studien zur imago mundi des abendländischen Mittelalters, m: Deutsches Archiv 24 (1968), S. 118-186, hier S. 122. Vgl. Elisabeth SCHMID, Priester Johann oder die Aneignung des Fremden, in: Dietmar PESCHEL (Hg.), Germanistik in Erlangen. Hundert Jahre nach der Gründung des Deutschen Seminars, Erlangen 1983, S. 75-93, hier S: 83. Vgl. die im Brief geäußerte Absicht, Jerusalem zu besuchen und die ?egn:r des christlichen Glaubens zu bekämpfen (11); vgl. auch ÜLSCHKI, Bnef (wie Anm. 658), S. 2. 323 665 Vgl. VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), s. 92f. Landverluste der europäischen Mächte im Nahen Osten zeigen sich bereits in den 1130er Jahren sowie um 1150 (vgl. Jacques LEGoFF, Das Hochmittelalter, Frankfurt a.M. 1996 (Fischer Weltgeschichte 11), S. 132ff.). Deutlicher als für das 12. Jahrhundert lässt sich die Verwendung des Priesterkönigs in der Kreuzzugspropaganda des 13. Jahrhunderts nachweisen (vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 58-69). In diesem Zeitraum allerdings gelten statt der Muslime die Mongolen als der gemeinsame Gegner des christlichen Westens und des Priesterkönigs; in verschiedenen Reiseberichten - zum Beispiel im Bericht Wilhelms von Rubruk - wird der Priesterkönig allerdings auch in große Nähe zu den Mongolen gerückt (vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 59-67). 666 »Terra nostra melle fluit lacte habundat.« 667 »Nullus pauper est inter nos [„.] Homines nostri habundant in omnibus diviciis.« 668 »Omnium in se specierum saporem retinens« 669 Vgl. Gen. 2, 4ff.; sowie SCHMID, Priester (wie Anm. 663), S. 83. In der Schöpfungsgeschichte hat statt eines Brunnens der Baum des Lebens Jugend spendende Kraft (Gen. 2,9; 3,22). 670 Zur Situierung des Paradieses vgl. etwa Aurelius Augustinus, Über den Wortlaut der Genesis. De Genesi ad litteram libri duodecim, Bd. 2, übers. v. Carl Johann PERL, Paderborn 1964, Buch VIII, 4,8 und 7,13f., S. 48f. und 53ff.; sowie dara? anschließend Thomas von Aquin, Summa theologica, hg. v. P. Heinrich Mana CHRISTMANN 0. P., München und Heidelberg 1941, 102,1, S. 173-178. 671 Vgl. Augustinus, De Genesi (wie Anm. 670), Buch VIII, insbes. 1,4, S. 43f. 672 Vgl. Ursula FRÜHE, Das Paradies ein Garten - der Garten ein Paradies. Studien zur Literatur des Mittelalters unter Berücksichtigung der bildenden Kunst und Architektur, Frankfurt a.M. 2002, S. 75-86. 673 ?am.it führt der Brief des Priesterkönigs nicht nur wunderbare Phänomene im Smne von Gegenständen und Ereignissen auf, die natürlichen Prozessen und Erscheinungsweisen zuwider laufen, sondern auch solche, die als außerordent~ich im weiteren Sinne gelten können. Zu diesem vergleichsweise offenen Begriff ~es Wunderbaren gehören auch die so genannten Wunder des Orie~ts: »d1e außerordentlichen Reichtümer, die sagenhaften Herrschaften und die monströsen [>]Rassen[<]« (Jutta EMING, Funktionswandel des Wunderbaren. Studien zum Bel Inconnu, zum Wigalois und zum Wigoleis vom Rade Trier ' 1999, S. 27-37, hier S. 31). 674 324 »[~]erula albae, cicades mutae, grifones, [„.] cenocephali, gigantes quorum est. quadraginta cubitorum, monoculi cyclopes et avis, quae vocatur fenIX«. In emem berühmten Aufsatz hat WITTKOWER die antiken Ursprünge dieser in Indien situierten Lebewesen dargestellt und auf Parallelen in indischen Erzählungen hingewiesen (Rudolf WITTKOWER, Marvels of the East. A Stu~y in the History of Monsters, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 5 (1942), S. 159-197, passim; zu letzterem Aspekt vgl. S. 164f.). alt1~udo 675 »[H]omines agrestes, homines cornuti, fauni, satiri et mulieres eiusdem generis, pigmei« 676 Vgl. VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), s. 92; KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 35-47. 677 Der Alexanderroman des Archipresbyters Leo, untersucht und hg. v. Friedrich PFISTER, Heidelberg 1913. 678 Vgl. Mathias HERWEG, Wege zur Verbindlichkeit. Studien zum deutschen Roman um 1300, Wiesbaden 2010, S. 197. Zu Elementen der »geglaubten Realität« insbesondere im zeitgenössischen Artus-Roman vgl. auch Peter JoHANEI<, Weltbild und Literatur. Fiktive Geographie um 1300, in: Peter MORAW (Hg.), Das geographische Weltbild um 1300. Politik im Spannungsfeld von Wissen, Mythos und Fiktion, Berlin 1989, S. 97-108, hier S. 10lf. Zur Nähe von historiographischen und literarischen Texten vgl. Jan-Dirk MÜLLER, Literarische und andere Spiele. Zum Fiktionalitätsproblem in vormoderner Literatur, in: Poetica 36 (2004), S. 281-311, S. 292-295. 679 Vgl. 0LSCHKI, Brief (wie Anm. 658), S. 5; Istvan BEJCZY, La lettre du Pretre Jean, une utopie medievale, Paris 2001, S. 25ff. 680 »Nullum vicium apud nos regnat.« 681 »Inter nos nullus mentitur, nec aliquis potest mentiri. Et si quis ibi mentiri coeperit, statim moritur i. quasi mortuus inter nos reputatur, nec eius mentio fit apud nos i. nec honorem ulterius apud nos consequitur«. 682 »Omnes sequimur veritatem et diligimus nos invicem. Adulter non est inter nos.« 683 Vgl. Gert MELVILLE, Herrschertum und Residenzen in Grenzräumen mittelalterlicher Wirklichkeit, in: Hans PATZE, Werner PARAVICINI (Hg.), Fürstliche Residenzen im spätmittelalterlichen Europa, Sigmaringen 1991, S. 9-73, hier S. 18f. 684 »Haec mensa est de pretioso smaragdo, quam sustinent duae columpnae de ametisto. Huius lapidis virtus neminem sedentem ad mensam permittit inebriari« 685 »Lectus noster est de saphiro propter virtutem castitatis« 686 »Memorare novissima tua et in aeternum non peccabis«. Für den Hinweis auf die Didaxe in diesem Satz vgl. OLSCHKI, Brief(wie Anm. 658), S. 10. 687 Vgl. auch die Erwähnung der humilitas in Art. 98. 688 Vgl. SCHMID, Priester (wie Anm. 663), S. 82. · 689 Die Nähe des Briefes zu den Fürstenspiegeln hat KNEFELKAMP (DERS., Suche (wie Anm. 655), S. 50f.) betont. 690 Zur Einführung des Begriffs durch Thomas Morus und zum Wandel, den der Begriff seitdem durchgemacht hat, vgl. Lucian HÖLSCHER, Art. Utopie, in: Otto BRUNNER, Werner CONZE, Reinhart KosELLECK (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7, S. 733-788. 691 Für die Auseinandersetzung mit der Frage nach Utopien >vor< der Frühen Neuzeit haben die Untersuchungen von DOREN und SEIBT Wegmarken gesetzt; vgl. Alfred DOREN, Wunschräume und Wunschzeiten, in: Vorträge der Bibliothek Warburg 1924/25, S. 158-205; Ferdinand SEIBT, Utopica. Modelle totaler 325 692 693 694 695 696 697 698 699 JI 700 701 326 Sozialplanung, Düsseldorf 1972 (München 2 2001). Einen Überblick über die Forschung zu Anderswelten des Mittelalters bietet Heiko HARTMANN, Utopias / Utopian Thought, in: Albrecht CLASSEN (Hg.), Handbook of medieval Studies, Bd. 2, Berlin, New York 2010, S. 1400-1408. Eine frühe Deutung des Priesterkönigreichs als Utopie hat OLSCHKI (Brief [wie Anm. 658]) bereits 1931 vorgelegt.In jüngerer Zeit hatBEJCZY diese These ausdrücklich wieder aufgegriffen (Utopie medievale [wie Anm. 679]). Vgl. VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), s. 94f.; Marina MÜNKLER, Erfahrung des Fremden. Die Beschreibung Ostasiens in den Augenzeugenberichten des 13. und 14. Jahrhunderts, Berlin 2000, S. 192; Marina MüNKLER, Alterität und Interkulturalität. Ältere deutsche Literatur, in: Claudia BENTHIEN, Hans Rudolf VELTEN (Hg.), Germanistik als Kulturwissenschaft. Eine Einführung in neue Theoriekonzepte, Reinbek bei Hamburg 2002, S. 323-344, hier S. 336. So erwähnt der Absender zu Beginn des Briefes, dass er die Armen seines Reiches schütze und mit Almosen unterstütze: »Devotus sum christianus, et ubique pauperes christianos, quos clementiae nostrae regit imperium, defendimus et elemosinis nostris sustentamus« (10); vgl. auch VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), S. 95. Außerdem deuten die Ausführungen zur Kontrolle des Handels mit Edelsteinen durch den Herrscher darauf hin, dass es Privatbesitz gibt (39); vgl. auch BEJCZY, Utopie medievale (wie Anm. 679), S. 58. Vgl. Thomas MORE, Utopia, NewHaven, London 2 1993 (Tue Complete Works of St. Thomas More, Bd. 4, hg. v. Edward SURTZ, S. J., Jack H. HEXTER), S. 100; Thomas MoRus, Utopia, übers. v. Gerhard RITTER, Stuttgart 2005, S. 51. »Nullus pauper est inter nos. Fur nec praedo invenitur apud nos, nec adulator habet ibi locum neque avaricia. Nulla divisio est apud nos. Homines nostri habundant in omnibus diviciis«, ( 45f.). Vgl. MORE, Utopia, Surtz/Hexter-Ausg. (wie Anm. 695), S. 240, 28-244, 13; MoRus, Utopia, Ritter-übers. (wie Anm. 695), S. 145-147. Otto Gerhard OEXLE, Art. Utopie, in: Robert-Henri BAUTIER (Hg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München 1997, Sp. 1345-1349, hier Sp. 1346. Vgl. Wolfgang BRAUNGART, Die Kunst der Utopie. Vom Späthumanismus zur frühen Aufklärung, Stuttgart 1989, S. 10-12; Wilhelm KAMLAH, Utopie, Eschatologie, Geschichtsteleologie. Kritische Untersuchungen zum Ursprung und zum futurischen Denken der Neuzeit, Mannheim, Wien, Zürich 1969, S. 18. Für mittelalterliche literarische Texte hat Eming den Mechanismus der Verknüpfung wunderbarer Elemente zu Anderswelten analog beschrieben (vgl. EMING, Funktionswandel [Anm. 673], S. 7). Zum Beispiel das Zeremoniell für die Ausritte des Herrschers (47f.), seinen Umgang mit Frauen (64), die generelle Abwesenheit von Lüge (51) und Zwietracht (46) sowie die Pfeffer-Ernte (24-26). NIPPERDEY spricht vom Spannungsverhältnis zwischen Potentialität und Irrealität (vgl. Thomas NIPPERDEY, Die Funktion der Utopie im politischen Den- 702 703 704 705 706 707 708 709 710 711 712 ken der Neuzeit, in: Archiv für Kulturgeschichte 44 (1962), H. 3, S. 357-378, S. 360 und 363). VON DEN BRINCKEN spricht von einer »schlechte[n] Gliederung und gedankliche[n] Sprünge[n]« (voN DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (Anm. 655), s. 92). Vgl. MÜLLER, Spiele (wie Anm. 678), S. 286f., 303. Vgl. HERWEG, Wege (wie Anm. 678), S. 201-203. Vgl. Clemens LuGoWSKis Ausführungen am Beispiel von Jörg Wickrams Ro2 man Galmy: Die Form der Individualität im Roman, Frankfurt a.M. 1994, s. 57-59. Im Verfahren des Presbyter-Briefes, Gegenstände unverbunden - nicht einmal durch narrative Folge oder thematische Ordnung - aneinander zu reihen, sieht Christoph GERHARDT (Daz werc von salamander bei Wolfram von Eschenbach und im Brief des Priesters Johannes, in: Hans-Walter STORK (Hg.), Ars et ecclesia. Fs für Franz J. Ronig zum 60. Geb., Trier 1989, S. 135-160, S. 149f.) das enzyklopädische Prinzip der Summe realisiert. BEJCZY hat beobachtet, dass der Brief des Priesterkönigs sich schon insofern von der enzyklopädischen Literatur unterscheide, als das Reich in dieser Literatur entweder überhaupt nicht beschrieben werde oder nur sehr beiläufig als kleines Reich in Asien Erwähnung finde; die zeitgenössischen Weltkarten bestätigten diese Einschätzung (vgl. Utopie medievale [wie Anm. 679], S. 29ff.). Über die Beobachtung von Quantität und Ausdehnung der Beschreibung hinaus sind weitere Analysen der Darstellungsformen notwendig. Auf die Möglichkeit, Fiktionalität pragmatisch zu bestimmen, weist HERWEG (DERS., Wege [wie Anm. 678], S. 202) hin; vgl. auch MÜLLER, Spiele (wie Anm. 678), S. 288; ein ausführliches Analysemodell für die Bestimmung des Wahrheitsgehalts eines Textes entwickelt Joachim KNAPE, Fiktionalität und Faktizität als Erkenntnisproblem bei spätmittelalterlichen Reisetexten, in: Holger KRAPP, Thomas WA.GENBAUR (Hg.), Künstliche Paradiese - Virtuelle Realitäten. Künstliche Räume in Literatur-, Sozial- und Naturwissenschaften, München 1997, S. 47-62. Vgl. MÜLLER, Spiele (wie Anm. 678), S. 292-295. Vgl. OTTO VON FREISING, Chronica sive Historia de duabus civitatibus, hg. v. Walther LAMMERS, übers. v. Adolf SCHMIDT, Berlin 1960, Buch VII, 33, s. 556ff. OTTO voN FREISING, Chronica (wie Anm. 710), Buch VII, 33, S. 556f.: »Narrabat etiam, quod ante multos annos Iohannes quidam, qui ultra Persidem et Armeniam in extremo oriente habitans rex et sacerdos cum gente sua Christianus est, sed Nestorianus, Persarum et Medorum reges fratres, Samiardos dictos, bello petierit atque Ebactani, cuius supra mentio habita est, sedem regni eorum expugnaverit. [„.] Post hanc victoriam [„.] predictum Iohannem ad auxilium Hierosolimitanae ecclesiae procinctum movisse [„.]«. Für den Text der päpstlichen Antwort vgl. ZARNCKE, Priester Johannes, Bd. 1 (wie Anm. 655), S. 115-118. 327 713 Neben dem oben genannten Wunsch nach einem militärischen Partner im Zeitalter der Kreuzzüge deutet sich hier ein weiterer historisch-politischer Kontext an, in dem der Brief des Priesterkönigs und das Antwortschreiben Alexanders III. stehen: Der Suprematiestreit zwischen Kaiser und Papst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (vgl. MüNKLER, Erfahrung [wie Anm. 693], S. 191f.; Karl JORDAN, Investiturstreit und frühe Stauferzeit. 10565 1197, München 1979 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte4), s. 131ff.). 714 Zu den französischen und italienischen Übersetzungen vgl. die Ausgaben von Martin GosMAN (Hg.), La lettre du Pretre Jean, Groningen 1982; Gioia ZAGANELLI (Hg.), La lettera de! Prete Gianni, Parma 1990. 715 Vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 61-67. 716 Vgl. MüNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 193-198. Anna-Dorothee VON DEN BRINCKEN (Die »Nationes Christianorum Orientalium« im Verständnis der lateinischen Historiographie, Köln, Wien 1973, S. 393-398.) beschreibt, dass im frühen 13. Jahrhundert zwischen Priesterkönigreich und Mongolenreich zunächst unterschieden werden muss. 717 Vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 61-68; MÜNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 193-201. 718 Vgl. MÜNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 194f. Für den Wortlaut des Textes vgl. GrovANNI DI PIAN m CARPINE, Storia dei Mongoli, hg. v. Ernesto MENESTO, Spoleto 1989, Kap. V, Abschn. 12, S. 258f.; für die deutsche Übersetzung vgl. JOHANNES VON PLANO CARPINI, Kunde von den Mongolen, übers. v. Felicitas SCHMIEDER, Sigmaringen 1997, S. 65f. 719 MELVILLE spricht von einer »Entmythologisierung« des Johannes durch Wilhelm von Rubruk (MELVILLE, Herrschertum [wie Anm. 683], S. 34). In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geht es auch Odorico de Pordenone in seinem Bericht darum, den sagenhaften Geschichten über den Priesterkönig kritisch zu begegnen und sie zu korrigieren (vgl. MüNKLER, Erfahrung [wie Anm. 693], S. 201-203; vgl. auch KNEFELKAMP, Suche [wie Anm. 655], S. 70). 720 Vgl. MüNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 195-198. Zum Nestorianismus vgl. VON DEN BRINCKEN, Nationes (wie Anm. 716), s. 287-327. 721 MÜNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 196, Fn. 151. »Mortuo Coirchan elevavit se ille nestorinus in Regem et vocabant eum nestoriani Regem Johannem, et plus dicebant de ipso in decuplo quam veritas esset. Ita enim faciunt nestoriani ~eints de partibus illis, de nichilo faciunt magnos rumores. [„.] Sie ergo exlVlt magna fama de illo Rege Iohanne. Et ego transivi per pascua eius, nullus aliquid sciebat de eo, nisi nestoriani pauci«, (Itinerarium Wilhelmi de Rubruc, in: Sinica Franciscana 1 (1929), hg. v. P. Anastasius VAN DEN WYNGAERT 0.F.M., S. 164-332, hier S. 206f.) 722 Vgl. MüNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 198-201. Nicht nur Marco Polo, sondern auch verschiedene andere Reisende des 13. Jahrhunderts berichten von der Niederlage des Priesterkönigs gegen die Mongolen (vgl. VON DEN BRINCKEN, Nationes (wie Anm. 716), S. 398f.). 328 723 Vgl. MüNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 199; im Anschluss an ZARNCKE, Priester Johannes, Bd. 2 (wie Anm. 655), S. 108f. 724 Vgl. Albrechts Jüngerer Titurel. Bd. III/2, hg. v. Kurt NYHOLM, Berlin 1992, V. 6129-6278. 725 Deutlicher noch als WAGNER (Epistola [wie Anm. 655], S. 565-570) betont Julia ZIMMERMANN (Im Zwielicht von Fiktion und Wirklichkeit. Zur Rezeption des Presbyterbriefs in Albrechts »Jüngeren Titurel«, in: Johannes KELLER, Florian KRAGL (Hg.), Mythos - Sage - Erzählung. Gedenkschrift für Alfred Ehenbauer, Göttingen 2009, S. 547-566, hier S. 553) die Veränderungen, die Albrecht trotz großer Nähe zum Presbyter-Brief vornimmt. Zur Tilgung exotischer Tiere und Völker vgl. ZIMMERMANN, Im Zwielicht (wie Anm. 725), S. 555; WAGNER, Epistola (wie Anm. 655), S. 566. 726 iz ist hie krone tragende ein kunic, daz elliu oren nie gehorten [von dem kaum jemand je gehört hat]/ im niht gelich [gleichen] an richeit also riche [ebenso oder ähnlich reiche Herrscher]./ swie rich du bist mit grale [durch den Gral], daz ist ein niht und niender im geliche /An leuten und an lande, an gold und an gesteine. /in himel der bekande ist er [ist er bekannt] wo! von sinen tugenden reine./ sin richeit, sine wird ich hie benenne/ ein teil, niht wan [nicht einmal] die grösten, da bi du dich und mich an wirde erkenne./ Sin gewalt sit [ist] wit und verre [fern] benennt werdicliche [herrlich]/ die zwei teil aller terre [Erdteile], und dar uber [außerdem] zwei und sibenzic riche [Reiche] I was ich ein [keines (der genannten Länder) war] im gar zu dienst uf gebende [diente ihm gegen Gaben, sondern]/ vrilich [freiwillig] und unbetwungen [ohne Zwang], niwan [nur dadurch] daz er so reiniclich [ohne Makel] ist lebende. I Priester Johan namende ist man den werden richen /durch werdicheit [hohes Ansehen] unschamende, als ich dir sag her nach bescheidenlichen / kristenlichem orden zeiner veste [als beständiger Halt],/ wan [denn] erst [er ist] ein kristen reine und tut ouch Krist zelobe niht wan [als] daz beste. Albrechts Jüngerer Titurel (wie Anm. 724), V. 6139, 2-6142. . 727 Vgl. ZIMMERMANN, Im Zwielicht (wie Anm. 725), S. 563-565; WAGNER, Ep1stola (wie Anm. 655), S. 566. 728 Eine ausführliche Rekonstruktion der rezipierten Schriften bei KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 35-47. 729 Vgl. MORE, Utopia, Surtz/Hexter-Ausg. (wie Anm. 695), S. 50, 3-52, 18; MoRUS, Utopia, Ritter-übers. (wie Anm. 695), S. 17-19. 730 MELVILLE führt dies auf fehlende Möglichkeiten zurück, entsprechende Informationen zu überprüfen; er pointiert die historische Konstellation wie gefund:n, folgt: Schilderungen des Priesterkönigreichs hätten Akze?~an »weil sein angeblicher Herrschaftsraum [„.] zwar lokahs1erbar war tm Erdkreis, aber autoptisch nicht dergestalt einlösbar, daß die eigene Erfahrung der Wirklichkeit eine Korrektur des Fiktionalen erbracht, bzw. einem Fortschreiben von Erfundenem, das gleichzeitig den Anspruch auf Wahrheit erhob, Einhalt geboten hätte«, MELVILLE, Herrschertum (wie Anm. 683), S. 30; vgl. dazu auch Friederike HASSAUER, Volkssprachliche Reiseliteratur. Faszination des Reisens und räumlicher ordo, in: Hans-Ulrich GUMBRECHT, 329 731 732 733 734 735 736 737 738 739 740 !~, i l ,• IJ ~/ Ursula LINK-HEER, Peter-Michael SPANGENBERG (Hg.), Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters IX: La litterature historiographique des origines a1500. Bd. l, Heidelberg 1986, S. 259-283, hier S. 267. Vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 74-85, S. 107-135; VON DEN BRINCKEN, Nationes (wie Anm. 716), S. 404ff.; Wilhelm BAUM, Die Verwandlungen des Mythos vom Reich des Priesterkönigs Johannes. Rom, Byzanz und die Christen des Orients im Mittelalter, Klagenfurt 1999, S. 217-302. Vgl. BAUM, Verwandlungen (wie Anm. 731), S. 273; KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 107f„ S. 120. Vgl. BAUM, Verwandlungen (wie Anm. 731), S. 302. Umberto ECO, Le royaume du Pretre Jean, in: Alliage 45/46 (2000), URL: http:/ frevel. unice.fr/ alliage/index.html ?id=3842 (01.07.2013) Vgl. neben der grundlegenden Studie von ZARNCKE aus den Jahren 1879 und 1883 beispielsweise Gustav OPPERT, Der Presbyter Johannes in Sage und Geschichte. Ein Beitrag zur Völker- und Kirchengeschichte und zur Heldendichtung des Mittelalters, Berlin 1864; Ivar HALLBERG, L'Extreme Orient dans Ja litterature et Ja cartographie de l'occident des 13•, 14• et 15• siecles, Göteborg 1906, S. 281-285; Constantin MARINEscu, Le Pretre Jean. Son pays. Explication de son nom, in: Academie Roumaine. Bulletin de Ja section historique 10 (1923), S. 73-112; E. Denison Ross, Prester John and the empire ofEthiopia, in: Arthur Perceval NEWTON (Hg.), Travel and travellers in the Middle Ages. Tue history of civilisation, London 1926, S. 174-194 u. a. Vgl. Umberto Eco, Baudolino, München 2008, S. 167ff. Vgl. Eco, Baudolino (wie Anm. 736), S. 439ff. Vgl. Eco, Baudolino (wie Anm. 736), S. 542ff. Vgl. Eco, Baudolino (wie Anm. 736), S. 629ff. Vgl. den Magnetberg im Beitrag von Mathias HERWEG in diesem Band, S. 274283. 741 Vgl. Brigitte BuRRICHTER, Wahrheit und Fiktion. Der Status der Fiktionalität in der Artusliteratur des 12. Jahrhunderts, München 1996. 742 Vgl. den Beitrag von Tilo RENZ in diesem Band, S. 239-256. 743 Über die Beziehung von Magie und Wissenschaft im Mittelalter bietet folgender Band weiterführende Informationen: Helmut BIRKHAN, Magie im Mittelalter, München 2010. 744 HERWEG in diesem Band, S. 276. 745 Eine umfangreiche Zusammenstellung liefert: Wolfang AcHNITZ, Deutschsprachige Artusdichtung des Mittelalters. Eine Einführung, Berlin u. a. 2012. 746 Einer von drei Themenkreisen neben der matiere de France (oder de Gaule) (rund um Karl den Großen) und der matiere de Rome (Trojastoff), die erstmals um 1200 vom französischen Spielmann Jean (Jehan) Bode! von Arras unterschieden wurden; Richard ThACHSLER, »Matiere de Bretagne«, in: Lexikon des Mittelalters, 10 Bde., Stuttgart 1977-1999, Bd. 6 (1993), Sp. 395. 330 747 Einführend hierzu: Mireille SCHNYDER, Der Wald in der höfischen Literatur. Raum des Mythos und des Erzählens, in: Das Mittelalter 13, 2, 2008, S. 122135. 748 »Nahezu den ganzen langen Tag ritt ich so dahin, bis ich aus dem Wald herauskam, und das war in Broceliande.«; aus: CHRESTIEN DE TROYES, Yvain. übersetzt und eingeleitet von Ilse Nolting-Hauff, München 1962, vv. 186-189. 749 Hervorzuheben ist vor allem der Aufsatz »Levi-Strauss in Broceliande: Skizze zur Analyse eines höfischen Romans« bei Jacques LE GoFF, Phantasie und Realität des Mittelalters, Stuttgart 1990, S. 171-200, hier S. 187. 750 »Da steigt ihm plötzlich ein so gewaltiger Wirbel ins Hirn, daß er den Verstand verliert, da reißt er seine Kleider in Fetzen und flieht querfeldein [„.]«; aus: CHRESTIEN DE ThoYES, Yvain. übersetzt und eingeleitet von Ilse NoltingHauff, München 1962, vv. 2804-2808. Yvains Flucht in den Wald kann ganz im Sinne der Lebensweise von Waldklauseneinsiedlern als »Geste der Buße für eine Schuld, die sie in der Welt auf sich geladen haben« verstanden werden, wenngleich Yvain seinen »Bußgang« wenig geordnet antritt (SCHNYDER, Der Wald in der höfischen Literatur (wie Anm. 747), S. 128). 751 LE GoFF, Phantasie und Realität (wie Anm. 749), S. 189. 752 Heinz-Dieter Heimann weist daraufhin, »dass der wilde Wald in den Urkunden des alltäglichen Lebens nicht als ein bedrohlicher oder dem Menschen feindlicher Raum verzeichnet wird [... ] «; zit. in: Mireille ScHNYDER, Der Wald in der höfischen Literatur. Raum des Mythos und des Erzählens, in: Das Mittelalter 13, 2, 2008, S. 122-135 nach Heinz-Dieter HEIMANN, Der Wald in der städtischen Kulturentfaltung und Landschaftswahrnehmung. Zur Problematik des kulturellen Naturverhältnisses als Teil einer Umwelt- und Gesellschaftsgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Albert ZIMMERMANN, Andreas SPEER (Hg.), Mensch und Natur im Mittelalter, Bd. 2., Berlin u. a. 1992, 866-881. 753 »Der bis ins Hochmittelalter Europa bedeckende Urwald war die Wohnstätte nur von Drachen, bösen Geistern (Toten) und zum Tode verurteilten Outlaws.«; aus: Peter DINZELBACHER (Hg.), Europäische Mentalitätsgeschichte, Stuttgart 1993, S. 606. 754 ScHNYDER, Der Wald in der höfischen Literatur (wie Anm. 747), S. 129. 755 Umfasst bei Johann Heinrich Alsteds »Encyclopaedia« all jene Wissensbereiche, die sich nicht der enzyklopädischen Systematik zuordnen ließen; Ulrich Johannes SCHNEIDER, Bücher als Wissensmaschinen, in: Ulrich Johannes SCHNEIDER (Hg.), Seine Welt wissen. Enzyklopädien in der Frühen Neuzeit, Darmstadt 2006, S. 11. 756 Vgl. den Beitrag von Simon Maria HASSEMER in diesem Band. 757 LE GoFF, Phantasie und Realität (wie Anm. 749), S. 190. 758 Gervais DE LA RuE, Recherches sur les ouvrages des bardes de Ja Bretagne armoricaine dans Je Moyen Age, Caen 1817. 759 www.broceliande-tourisme.info; www.tourisme-broceliande.com [zuletzt abgerufen am 22. 02. 2013] s. 331 r~ 1 Frank Meier, Ralf H. Schneider (Hg.) Erinnerungsorte Erinnerungsbrüche Mittelalterliche Orte, die Geschichte mach( t)en Jan Thorbecke Verlag VERLAGSGRUPPE PATMOS PATMOS ESCH BACH GRIJNEWALD THORBECKE SCHWABEN Inhalt Die Verlagsgruppe mit Sinn für das Leben Vorwort . . . . 5 Matthias Becher Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . · · · · · · · · · · · Frank Meier, Ralf H. Schneider 7 1. Zwischen Wanderschaft und Zentralismus: Klöster und Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . · · · · · · · 27 Das Papsttum im Exil: Viterbo, Anagni und Avignon . . . . 29 Annika Wengeler Streit um den Ostertermin und Beute der Normannen: lona, Für Mathias Herweg, den geistigen Vater dieses Bandes, der über n hinweg das Projekt einen langen Zeitraum un~Jsfip ständig wohlwollend begl~i ~ CJ.f($,~ /J Papler~ ~ ~;o: 1 ~rantwo- tG STAATSBt!JUOTHEK ZU BERLIN r '~ f'l/RßES~;Y 14efifi;6 1'..)' Für die Schwabenverlag AG ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Maßstab ihres Handelns. Wir achten daher auf den Einsatz umweltschonender Ressourcen und Materialien. Dieses Buch wurde auf FSC" -zertifiziertem Papier gedruckt. FSC (Forest Stewardship 0 Council ) ist eine nicht staatliche, gemeinnützige Organisation, die sich für eine ökologische und sozial verantwortliche Nutzung der Walder unserer Erde einsetzt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten © 2013 Jan Thorbecke Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart Umschlagabbildungen: akg-images/akg/Bildarchiv Monheim Druck: GGP Media GmbH, Pößneck Hergestellt in Deutschland ISBN 978-3-7995-0230-6 (Print) Lindisfarne, Whitby . . . . . . . . . . . · · · · · · · · · · · Michael Richter (t) 42 Klosterreform und Weltordnung: Montecassino, Aniane, Cluny . . . . . . . . . . . · · · · · · · · · · · · · · · · · 50 Annika Wenge/er 11. Kirche und Reich: Gebrochene Erinnerungen der Macht 69 Saint-Denis und Speyer - ewige Kirchen oder gebrochene Tradition? . 71 Frank Meier Orte des lnvestiturstreits: Sutri, Worms, Canossa . . . . . . 91 Frank Meier III. Reichsmystik und Freiheitsträume: Burgen, Pfalzen und Reichsstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Aller Anfang ist klein: Der Hohenstaufen und die Habsburg 111 Katharina Zier/ein Historie und Reichsmystik: Kyffhäuser und Trifels . Christian Schneider 124 Aufstieg und Niedergang hoch mittelalterlicher Pfalzen: Goslar und Gelnhausen . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Leng 140 Die Stadt Konstanz - Kontinuität, Wandel und Erinnerung Frank Meier 163 Vorwort Matthias Becher IV. Zwischen Freiheitstraum und Untergang: Schlachten ~\ und Verträge . . . . . .................... 177 Glück und Unglück der Sachsen: Marklo an der Weser und Verden an der Aller ...................... Matthias Becher 179 Roncesvalles und St-Guilhem-le-Desert - Orte der Erinnerung an Glück und Ende zweier Helden .. Anne/ie Kreft 193 Lechfeld und Marchfeld: Über alles wächst mal Gras .... Simon Maria Hassemer 205 Der Weingartener Vertrag vom 17./22. April 1525: Ein verblasster Erinnerungsort . . . . . . . . . . . . . . . Hans Ulrich Rudolf 219 V. Mediävale Mythen und ihre »realphantastischen« Landmarken . . . . . . . . . . . . . Das Priesterkönigreich des Johannes Ti/oRenz Tintagel, Glastonbury und Broceliande: Gespinste aus Fiktion und Realität als »Rezept« zur Überwindung von Erinnerungsbrüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralf H. Schneider Imaginärer Schreckensort im »fernen Osten«: Der Magnetberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mathias Herweg Endnoten . . . . ............ . . . . . . . . . . . 237 239 257 274 284 Immer wieder ist ein angeblich von Johann Gustav Droysen stammendes Diktum zu lesen und zu hören: Geschichte spiele sich in Raum und Zeit ab. Tatsächlich sagte der berühmte Gelehrte in seiner Vorlesung zur Historik: »( ... ) daß der wunderliche Epitomator, der Menschengeist, die Erscheinungen dem Raum nach als Natur, die der Zeit nach als Geschichte zusammenfasst, nicht weil sie an sich und objektiv so sind und so sich scheiden, sondern um sie fassen und denken zu können« (Die Erhebung der Geschichte zum Rang einer Wissenschaft, in: Historische Zeitschrift 9, 1863, S. 8). Droysen ordnete also die Geschichte nicht beiden Erscheinungen zu, sondern lediglich der Zeit, während er den Raum als Natur auffasste. Diese Scheidung hat - und das war auch Droysen bewusst - etwas Künstliches. Seit der Konstituierung der modernen Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert wurde auch der Raum als etwas historisch Gewordenes aufgefasst, ging es ihr doch unter anderem darum, sich ständig wandelnde Grenzen zu beschreiben und mehr noch: Grenzen überhaupt zu problematisieren. Einen etwas leichteren Zugang scheint der einzelne Ort zu bieten. Auch bei ihm verändern sich die Grenzen, und doch bleibt seine Position in der Landschaft nahezu unverändert. Geschichtliche Erinnerung macht sich daher besonders an Orten fest. Gerade das Mittelalter ist durch solche Erinnerungsorte geprägt. Nicht alle von ihnen haben die Zeiten überdauert. Manche sind zerstört, andere in der Bedeutungslosigkeit versunken. Für alle jedoch gilt: Sie haben ihre Gestalt nachhaltig verändert. Kein im Mittelalter bedeutsamer Ort, kein im Mittelalter begonnenes Bauwerk ist in seiner mittelalterlichen Gestalt erhalten, und an vielen entscheidenden Orten der mittelalterlichen Geschichte ist überhaupt nichts Mittelalterliches mehr geblieben Aber die Erinnerung kann fortgeführt oder wieder lebendig werden, auch 5
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