Das Priesterkönigreich des Johannes
Tito Renz
)
In den sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts wird in Westeuropa der
Brief eines fernöstlichen Herrschers bekannt, dessen Urheberschaft
bis heute ungeklärt ist. 655 Das Schreiben ist an den byzantinischen
Kaiser Manuel 1. Komnenos gerichtet; der Absender des Briefes nennt
sich »Presbiter Iohannes« (1). Er behauptet, auf eine freundliche
und interessierte Botschaft des Regenten von Byzanz zu reagieren,
und schildert diesem statusbewusst den materiellen Überfluss und
weitere Besonderheiten seines Reiches. Eine Vielzahl überlieferter
Handschriften bezeugt, dass der Brief vom 12. Jahrhundert bis ins
späte Mittelalter weit verbreitet war und dass er viel gelesen wurde.
Es ist Ausdruck der großen Bedeutung, die man dem Brief zumaß,
und es hat dessen Relevanz in der Wahrnehmung der Zeitgenossen
vermutlich weiter gesteigert, dass Papst Alexander III. im Jahr 1177 ein
Schreiben an Johannes richtet. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts werden
dann mehrfach Expeditionen ausgesandt, um den Priesterkönig zu
finden, und im Spätmittelalter tauchen erneut Schriftstücke auf, die
an ihn adressiert sind. Das Interesse am Priesterkönig Johannes in
Hoch- und Spätmittelalter war offensichtlich groß; heute geht man
jedoch davon aus, dass es ihn nie gegeben hat. 656 Nach gegenwärtigem
Verständnis gelten sowohl der sagenhafte Herrscher selbst als auch sein
Reich als Fiktionen. Dass der Papst auf den Brief eines fernöstlichen
Unbekannten an einen europäischen weltlichen Herrscher antwortet,
dass man nach dem Presbyter Johannes sucht und dass er nicht nur in
literarischen Texten der folgenden Zeit erscheint, sondern dass auch
die Historiographen ihn erwähnen, deutet aber darauf hin, dass das
ferne Großreich im Mittelalter durchaus als real existent angesehen
werden konnte. Damit ist die Auseinandersetzung mit dem Priesterkönigreich des Johannes als einem Ort, der in der Wahrnehmung vieler
239
1
\
Menschen von großer Bedeutung gewesen ist, eng verbunden mit der
komplizierten Frage, welche Orte und Personen im Mittelalter als gegebene Tatsachen und welche als fiktiv gegolten haben und nach welchen
Anhaltspunkten zwischen beiden unterschieden wurde. Einiges deutet
darauf hin, dass der Bedeutungsverlust, den das Priesterkönigreich als
kollektive Imagination im Laufe des 16. Jahrhunderts erfahren hat, mit
der Herausbildung der modernen strikten Unterscheidung zwischen
Fiktionalem und Nicht-Fiktionalem zusammenhängt.
Zunächst zu den Charakteristika dieses außergewöhnlichen Königs
und seines Reiches, nach den Angaben des Briefes: Den kirchlichen Titel Priester trägt der Herrscher angeblich aus Bescheidenheit. Weil an
seinem Hof eine große Zahl kirchlicher und weltlicher Würdenträger
versammelt sei, habe er die vergleichsweise einfache Bezeichnung für
sein Amt gewählt, um Verwechslungen und Hierarchiekonflikte zu vermeiden (97f.).
Dass er sich für einen kirchlichen anstatt für einen weltlichen Rang
entschieden hat, weist auf die religiöse Dimension seiner Herrschaft
hin: Johannes ist ein frommer Christ (l; lOf.), der an den christlichen
Ritualen seines Landes teilnimmt. 657 Religiöse Funktionen des Herrschers werden allerdings nicht erwähnt; allein der Titel Priesterkönig
reklamiert eine enge Verbindung von weltlicher und religiöser Führerschaft.658 Angesichts der Betonung der christlichen Religion muss es
überraschen, dass die Bewohner des Großreichs keineswegs ausschließlich christlichen Glaubens sind. Die Mehrzahl der Provinzen des Landes ist andersgläubig, was die Macht des christlichen Herrschers jedoch
nicht einschränkt, sondern im Gegenteil zu steigern scheint (13). 659 Johannes' Herrschaft zeichnet offenbar aus, dass sie in der Lage ist, soziale
Gruppen unterschiedlichen Glaubens zu integrieren.
Das Reich des Priesterkönigs liegt weit entfernt von Mitteleuropa im
Osten, in den so genannten drei Indien, und hat eine bemerkenswerte
räumliche Ausdehnung:
Über drei Indien herrscht unsere Hoheit, und unser Land erstreckt
sich vom jenseitigen Indien, in dem der Leib des heiligen Apostels
Thomas ruht, über die Wüste hinweg bis zum Aufgang der Son-
240
ne und reicht im Westen bis zum verlassenen Babylon nahe dem
Turmbau zu Babel. (12) 660
Ganz im Sinne der unscharfen mittelalterlichen Lokalisierung Indiens
wird ein Großraum beschrieben. Indien kann in der Regel drei
Erdregionen meinen: zunächst den Landstrich, der noch heute als
indischer Subkontinent gilt, sodann die Bereiche, die im Osten daran
anschließen, und schließlich den nördlichen Teil Ostafrikas, der
schon in der Antike Äthiopien genannt wurde. 661 Den spätantiken
geographischen Vorstellungen des Klaudios Ptolemaios folgend
wird der Indische Ozean im Mittelalter häufig als Binnengewässer
verstanden. Damit liegen der Süden Asiens und Ostafrika nicht weit
von einander entfernt.
Charakteristisch für die geographische Beschreibung des Reiches
im Presbyter-Brief ist zudem, dass sie nicht in erster Linie der
präzisen Lokalisierung dient, sondern vor allem heilsgeschichtliche
Orientierung bietet.662 Die Erwähnung des Turms von Babel als
Landmarke zeigt an, dass es sich um eine biblische Geographie
handelt. Signifikant ist in diesem Zusammenhang die Nähe des
Priesterkönigreichs zum Paradies: Durch das Reich fließt der Fluss
Ydonus, der im Paradies entspringt (22). Mit der räumlichen Verbindung korrespondiert, dass das Priesterkönigreich Eigenschaften
aufweist, die häufig auch dem irdischen Paradies zugeschrieben
werden. 663
Das Großreich des Priesterkönigs liegt jenseits des islamischen
Einflussgebiets. Dass es sich bei Johannes um einen Herrscher
christlichen Glaubens handelt, macht ihn für das christliche Europa
in der Zeit der Kreuzzüge zu einem potentiellen Verbündeten
im Osten. 664 Hierin liegen sowohl das große Interesse begründet, das dem Reich des Priesterkönigs in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts zuteil wird, als auch die weite Verbreitung, die der
Brief, den der ferne Herrscher angeblich geschrieben hat, in den
unmittelbar folgenden Jahren erfährt. Vermutlich handelt es sich
beim Priesterkönig Johannes um den personifizierten Wunsch nach
einem militärischen Partner in einer Zeit, in der Jerusalem beim
ersten Kreuzzug im Jahr 1099 zwar erobert worden war, in der sich
241
aber bald zeigte, wie schwer die Heilige Stadt für die Europäer zu
verteidigen war; Sultan Saladin gewann sie schließlich im Jahre 1187
zurück. 665
Der ferne Herrschaftsraum erfüllt auch noch in anderer Hinsicht
Wunschvorstellungen der europäischen Rezipienten. Unterschiedliche
Facetten des Wunschraums Priesterkönigreich manifestieren sich an
den materiellen Gegebenheiten, die dort herrschen. Die Natur hält
für die Menschen große Reichtümer und Annehmlichkeiten bereit.
Es ist ein Land, »in dem Milch und Honig fließ[en]« (21). 666 Die
Schätze dienen zunächst dazu, die Machtposition des Herrschers zu
demonstrieren (9; 49f.). Das wird insbesondere an den zwei Palästen
des Priesterkönigs deutlich, deren Ausstattung mit edlen Materialien
der Brief ausführlich schildert (56-66; 87-94). Die materielle Fülle
kommt in diesem Land aber nicht nur dem König zugute, sondern alle
Bewohner profitieren davon: »Arme gibt es bei uns nicht [... ] Unsere
Leute haben alle Reichtümer im Überfluß« (4Sf.). 667 Zudem zeigen die
erwähnten Schätze nicht nur die große Menge der materiellen Güter
an, die im Priesterkönigreich vorhanden sind, sondern sie machen
den Menschen das Leben in diesem Land auch sehr angenehm. Sie
liefern sinnliche Genüsse, wie beispielsweise eine Quelle, »die Wohlgeschmack aller Art in sich vereinigt« (27). 668 Außerdem bringen die
materiellen Voraussetzungen des Landes den Menschen Gesundheit
und ermöglichen hohes Lebensalter. Die wohlschmeckende Quelle
erhält diejenigen, die regelmäßig aus ihr trinken, stets gesund und
lässt sie das ganze Leben lang erscheinen, als seien sie nicht älter
als 32 Jahre (27f.). Das Motiv der auf Dauer gestellten Jugend wird
im Brief mehrfach aufgegriffen: Bestimmte Edelsteine haben eine
verjüngende Wirkung, wenn sie direkt am Körper getragen werden
(29). Außerdem berichtet der Brief von einem hohlen Stein, in dem
eine Art von Ganzkörper-Taufe vollzogen wird und der seine Jugend
spendende Wirkmacht nur bei Christen und bei solchen, die es
werden wollen, entfaltet (34-37). Schließlich wird eine weitere Quelle
im zweiten Palast des Herrschers erwähnt, die ebenfalls jung erhält
(79-81). Bei dieser währt die Jugend allerdings nicht ewig, sondern
sie endet genau nach 300 Jahren, drei Monaten, drei Wochen, drei
Tagen und drei Stunden; danach ist der Tod unausweichlich (81f.).
242
Nicht nur der Fluss, auf dessen paradiesischen Ursprung ausdrücklich
hingewiesen wird, sondern auch das Leben ohne materielle Sorgen
und ohne mühevolle Arbeit sowie der Quell der Jugend sind aus
669
der Beschreibung des Paradieses in der Genesis bekannt. Auch in
mittelalterlichen Abhandlungen über das irdische Paradies im Osten
werden sie erwähnt. 670 Die Schilderung der paradiesischen Lebensbedingungen erlaubt es, über das Bestehende hinaus zu gehen und sich
auf diese Weise davon zu distanzieren. Aus heutiger Sicht erscheint
bemerkenswert, dass das Leben im Paradies zwar vom irdischen
Leben unterschieden ist, dass aber auch das biblische Paradies der
Schöpfungsgeschichte - der Augustinischen Genesis-Interpretation
folgend - auf der Erde situiert wird. 671 Zugänglich ist dieses Paradies
allerdings nicht, und auch der zweite paradiesische Ort, den das
christliche Mittelalter kennt, das himmlische Paradies, öffnet sich den
Menschen erst beim Jüngsten Gericht. 672 Die Elemente des irdischen
Paradieses, die das Priesterkönigreich enthält, machen auf weitere
Unterschiede beider idealer Orte aufmerksam: Das Priesterkönigreich
des Johannes ist nicht nur - wie das irdische Paradies - auf der Erde
lokalisiert und kann daher auf Reisen aufgefunden werden, sondern
es ist darüber hinaus auch zugänglich. Man muss nicht an einer
unüberwindlichen Mauer oder vor einem mächtigen Torwächter Halt
machen, sondern kann dieses Reich ohne Hindernisse betreten, wenn
man es findet. Wie in jedem anderen zeitgenössischen Königreich
leben dort Menschen unter einem Herrscher zusammen - mit dem
Unterschied, dass es ihnen an nichts fehlt und dass ihr tugendhafter
Gebieter ein außergewöhnlich großes Reich regiert.
In den bereits erwähnten Elementen des Priesterkönigreichs, die
dauerhafte Jugend spenden, manifestieren sich nicht nur der materielle
Reichtum und das allgemeine Wohlergehen der Gemeinschaft,
sondern es zeigt sich hier die Vorstellung, dass bestimmte Dinge eine
wundertätige Wirkkraft besitzen können. Zahlreiche Gegenstände
des Priesterkönigreichs gehören nicht zum Bereich dessen, was in
der Natur möglich erscheint. Ihre Funktion ist es offenbar, Staunen
angesichts des fernen Herrschaftsraums zu erregen. Zu den wunderbaren Elementen des Priesterkönigreichs gehören neben verschiedenen
Jungbrunnen ein Fluss, der ausschließlich aus Edelsteinen besteht
243
(32f.), und ein überaus prachtvoll gerahmter Spiegel, in dem der
Herrscher jegliche Aktivität, die gegen ihn gerichtet ist, sofort
erkennen kann (67-72). Eng verbunden mit diesen wunderbaren
Elementen sind diejenigen, die des Reiches Exotik anzeigen. Das sind
besonders außergewöhnliche Tiere wie Elefanten, Dromedare, Kamele,
Flusspferde, Krokodile und andere mehr (14; vgl. auch 44). 673 Die
Aufzählung geht zu den wunderbaren Wesen über: Es gibt nicht nur
»weiße Amseln, stumme Baumgrillen [und] Greifen<<, sondern auch
»Hundsköpfige, Riesen von 40 Ellen Größe, einäugige Zyklopen und
ein[en] Vogel namens Phönix« (14). 674 Hinzu kommen die biblischen
Völker »Gog und Magog« und andere (16) sowie menschenähnliche
Wesen, wie »wilde Menschen, gehörnte Menschen, Faune, Satyrn
und ihre weiblichen Artgenossen, sowie Pygmäen« (14). 675 Mit den
besonderen Menschenarten des Reiches deutet sich - zumindest
aus heutiger Perspektive - an, dass das idealisierte Reich auch eine
Kehrseite besitzt: Diese Völker sind besonders aggressiv (18), verzehren
Tier- und Menschenfleisch (15) und werden vom Priesterkönig daher
als Waffe im Kampf gegen Feinde eingesetzt ( l 7f.).
Insgesamt entspricht die lange Liste der Bewohner des Priesterkönigreichs den Darstellungsmustern der wenig bekannten Regionen im
Osten, die Reiseberichte und wissensvermittelnde enzyklopädische
Literatur des Mittelalters aufweisen. 676 Eine besonders wichtige
Quelle für beide Textsorten ist die Schilderung des Lebens Alexanders
des Großen durch den Archipresbyter Leo von Neapel aus dem
677
10. Jahrhundert.
Dass die Beschreibung des Priesterkönigreichs
Topoi ferner, kaum bekannter Regionen aufgreift, scheint wiederum in einer Zeit, in der enzyklopädisches und literarisches Wissen über
ferne Regionen nah beieinander liegen678 - dazu beigetragen zu haben,
ihre Glaubwürdigkeit sicherzustellen.679
Der allgemeine Reichtum im Priesterkönigreich weist nicht nur
eine enge Verbindung zu den staunenswerten Elementen des Ostens
auf, sondern er macht auch möglich, dass die Bewohner des Reiches
ein besonders tugendhaftes Leben führen: Keinerlei Laster bestimmt
680
Dazu gehört, dass die Menschen unfähig sind,
ihr Leben (52).
die Unwahrheit zu sagen; zusätzlich werden Lügen mit den Strafen
der Ehrlosigkeit und Ächtung bedroht (51). 681 Ausdrücklich wird
244
außerdem das Vergehen des Ehebruchs ausgeschlossen; der Brief
betont stattdessen, dass alle einander die Wahrheit sagen und dass
die Menschen sich mit großer Wertschätzung begegnen (52). 682
Tugendhaftes Verhalten ist nicht nur Ergebnis des allgemeinen
Reichtums, sondern es kann auch durch die wunderbare Wirkung
bestimmter Gegenstände ausgelöst werden. 683 Der Tisch eines der
beiden Paläste des Herrschers wird von zwei Säulen aus Smaragd
getragen (66). Dieses Material verhindere, dass die Menschen sich
betrinken, die an dieser Tafel Platz nehmen. 684 Außerdem heißt es,
dass das Bett des Herrschers aus Saphir besteht, dessen Wirkmacht die nicht weiter erläutert wird - die Keuschheit unterstützen soll
(63).685
Die Beispiele zeigen, dass das Reich des Priesterkönigs als idealer Ort
dargestellt wird, als ein Ort, der unterschiedliche Wunschvorstellungen
vereinigt. Das gilt sowohl in materieller Hinsicht als auch in Bezug
auf die Lebensbedingungen der Menschen. Es gilt zudem hinsichtlich
der Tugenden, die im Priesterkönigreich offenbar sehr wirkungsvoll
in praktiziertes Verhalten der Einwohner des Landes umgesetzt
worden sind. Dass es bei der Beschreibung des fernen Staates um
Vorstellungen idealen Verhaltens geht, wird schon zu Beginn des Textes
deutlich. Einleitend wendet sich die Sprecher-Instanz belehrend an
den Adressaten des Briefes, den byzantinischen Herrscher: »Bedenke
Dein Ende, und in Ewigkeit wirst Du nicht sündigen« (8). 686 Der Satz
fordert den Kaiser zur Demut auf, 687 und er ist ein erster Hinweis
darauf, dass im Folgenden ideale Verhältnisse entworfen werden.
Dabei ist signifikant, dass der immense Reichtum, der anschließend
geschildert wird, offenbar problemlos mit dem einleitenden Aufruf
zur humilitas zusammen geht.688 Es hat sich außerdem gezeigt, dass
die Idealisierung keineswegs nur das Verhalten des Herrschers betrifft
- was die einleitenden Sätze nahe legen könnten -, sondern auch
die Lebensbedingungen und das Zusammenleben der Menschen im
Land des Priesterkönigs. Die Schilderung des Priesterkönigreichs ist
also nicht nur als Darstellung eines idealen Herrschers im Sinne der
Fürstenspiegel-Literatur zu verstehen, 689 sondern sie entwirft eine
Gemeinschaft des allgemeinen Wohlstands und des tugendhaften
Verhaltens. Dass die Kombination aus Reichtum und Sittlichkeit
245
\
realisiert werden kann, dass der Reichtum geradezu Voraussetzung für
Sittlichkeit ist, erscheint insbesondere angesichts der einleitenden Aufforderung zur Demut bemerkenswert - und auch im Zusammenhang
der Armutsdiskussion des 12. Jahrhunderts, etwa bei den Katharern.
In Johannes' Herrschaftsraum kommen Reichtum und Luxus allen
Menschen zugute, und sie stehen tugendhaftem Verhalten nicht im
Weg, sondern machen es im Gegenteil erst möglich.
Nach modernem Verständnis trägt das stark idealisierte Reich
des Priesterkönigs utopische Züge. Im Mittelalter einen utopischen
Entwurf auszumachen ist - wart-geschichtlich betrachtet - ein
Anachronismus: Erst mit Thomas Morus' »Utopia« aus dem Jahr 1516
wird das Wort erfunden, und erst seit dem 18. Jahrhundert bildet sich
die differenzierte Semantik heraus, die wir heute mit dem Begriff
verbinden. 690 Dennoch entstehen utopische Entwürfe in der Frühen
Neuzeit nicht voraussetzungslos, sondern sie haben neben den offenkundigen antiken (z.B. Atlantis) auch mittelalterliche Vorläufer. Diese
zu erfassen ist literatur- und kulturgeschichtlich von Interesse, denn
es bedeutet, neben den Diskontinuitäten und plötzlichen Wandlungsvorgängen auch die kontinuierliche und langfristige Entwicklung in
den Blick zu nehmen. 691 Zentral für diese Suche nach mittelalterlichen
Utopien sind stets die Merkmale, anhand derer eine Gemeinschaft
als utopische identifiziert wird. So kann es nicht verwundern, dass
das Reich des Priesterkönigs Johannes zum einen schon mehrfach
als Utopie interpretiert wurde, 692 dass aber zum anderen besonders
Untersuchungen der jüngeren Zeit die Charakterisierung von Johannes' Reich als Utopie nicht gelten lassen. 693 Gegen die vorschnelle
Identifizierung des Priesterkönigreichs. mit einer Utopie spricht, dass
in Johannes' Land zwar viele Menschen in Reichtum leben, das Privateigentum aber nicht abgeschafft worden ist. 694 In Morus' »Utopia«
dagegen markiert Gemeinbesitz die fundamentale Andersartigkeit
des idealisierten Staates im Vergleich zu der Welt, die dem Erzähler
695
vertraut ist.
Beide Herrschaftsräume rücken allerdings wieder
aneinander heran, wenn man bedenkt, dass der allgemeine Reichtum
im Priesterkönigreich zwar keine grundsätzliche Überwindung des
Besitzes bedeutet, dass sich aber auch diese ökonomische Ordnung
innerhalb der Gemeinschaft förderlich auf das sittliche Verhalten der
246
Menschen auswirkt: Wegen des allgemeinen Reichtums gibt es im
Priesterkönigreich weder Diebe und Räuber noch überhaupt Habgier
(45f.). 696 Auf die Überwindung solch tief verwurzelter menschlicher
Regungen, vor allem der superbia, zielt letztlich auch die Einrichtung
des alternativen Staates und seiner sozialen Reglements in Thomas
Morus' »Utopia«. 697
Gerhard Oexle hat vorgeschlagen, im Anschluss an Formulierungen
Karl Mannheims und Alfred Dorens das »Wirklichkeitstranszendierende Denken« als zentrales Merkmal eines Utopie-Begriffs zu verstehen,
der es ermöglicht, Utopien nicht ausschließlich an die Neuzeit zu binden, sondern das Wort auch auf positiv besetzte und anders organisierte
Lebenswelten des Mittelalters zu übertragen. 698 Dass eine Funktion der
Schilderung des Priesterkönigreichs des Johannes in der imaginären
Wunscherfüllung durch den Entwurf eines fernen Idealstaates besteht,
haben die vorausgehenden Ausführungen gezeigt. Zudem können weitere Parallelen zu frühneuzeitlichen Utopien festgehalten werden. So
werden die unterschiedlichen idealisierten Eigenschaften des Priesterkönigreichs nicht als Einzelphänomene präsentiert, sondern sie sind zu
einer geordneten Lebenswelt organisiert, die aber anderen ungeschriebenen Gesetzen folgt als diejenige, welche dem Adressaten und den
Rezipienten des Briefes offenbar bekannt ist.699 Der alternative Herrschaftsraum wird in Teilen durchaus konkret vor Augen gestellt (zum
Beispiel durch die Nennung verschiedener Amtsträger (98) oder durch
die Schilderung der Speise-Zeremonie des Herrschers (65f.; 73f.)). Alltägliche Verhaltensweisen werden hier erkennbar anders vollzogen als
700
in der zeitgenössisch vertrauten Welt des christlichen Westens.
Zentral für die Bestimmung einer Utopie im Sinne der frühneuzeitlichen Texte ist das Verhältnis der alternativen Gemeinschaft zu den
fiktionalen Stellvertretern zeitgenössisch bestehender Realitäten, also
zu den Figuren und Sozialverbänden, die Mitteleuropa repräsentieren.
Die geographische Lokalisierung der alternativen Gemeinschaft ist in
Utopien der Frühen Neuzeit ein wichtiges Verfahren, um diesen Aspekt darzustellen. Utopien - für die hier beispielhaft Morus' »Utopia«
stehen soll - schildern anders geordnete soziale Einheiten an entfernt
gelegenen Orten. Diese Gemeinschaften werden durch eine komplexe
Form der Darstellung sowohl als fiktiv markiert als auch an die be247
stehende Welt angenähert. 701 Dass es sich bei der Gemeinschaft, von
der Raphael Hythlodaeus als erzählende Hauptfigur in Morus' Roman
berichtet, um eine erfundene handelt, zeigt bereits der Name Utopia,
also Nicht-Ort, an. Zugleich vermittelt die Darstellung der alternativen Welt den Eindruck, diese sei tatsächlich realisiert worden - und sei
damit auch zukünftig in der Welt des Erzählers realisierbar -, indem
die Gemeinschaft geographisch verortet wird und indem ihre Funktionsmechanismen in wechselseitiger Bedingtheit plausibilisiert werden:
Der Berichterstatter bemüht sich zu erklären, dass ein Staat ohne Privatbesitz durchaus funktionieren kann und auf welche Weise die einzelnen
Elemente des Staates dazu ineinander greifen. Er macht darüber hinaus
teilweise durchaus präzise Angaben zur Lage des Staates Utopia und lokalisiert die Insel dann doch in einem Großraum zwischen Südamerika
und Indien.
Der Darstellung des Priesterkönigreichs des Johannes im Brief fehlt
die um Plausibilisierung und Rationalisierung bemühte Form der
Darstellung. Das betrifft sowohl die Organisation des Staates als auch
die geographische Situierung. Die Angaben zur Lage des Priesterkönigreichs sind - mit dem Hinweis auf die drei Indien - nicht sehr
ausführlich und noch dazu wenig eindeutig. Einzelne Charakteristika
des Reiches stehen unverbunden nebeneinander. Verschiedentlich
scheint die Reihung der Eigenschaften des Priesterkönigreichs nicht
einmal einem nachvollziehbaren Gedankengang zu folgen. 702 Daraus
könnte abgeleitet werden, dass es diesem Text nicht darum geht, den
zeitgenössischen Rezipienten einen tatsächlich realisierten oder einen
vorbildlichen und realisierbaren Staat nahe zu bringen. Als fingierte
Darstellung des Priesterkönigreichs wäre der Brief nicht Dokument
der sachbezogenen Kommunikation zwischen Herrschenden und
auch nicht realitätsnaher Entwurf eines Idealstaats, sondern er wäre
vor allem literarischer Text. Die derart charakterisierte Form des
Briefes könnte weitergehend Rückschlüsse auf seinen Gegenstand
zulassen: Möglicherweise ist auch das Priesterkönigreich selbst von
den Zeitgenossen als fiktiver Herrschaftsraum verstanden worden.
Grundsätzlich gegen eine Einschätzung des Presbyter-Briefs als
fiktionalen Text spricht jedoch, dass im 12. Jahrhundert Fiktionalität
im Sinne des modernen Verständnisses des Begriffs - d. h. als Ergebnis
248
referenzfreien Fingierens - ein seltenes Phänomen ist. Dies resultiert
maßgeblich daraus, dass noch keine klare Trennung vorgenommen
wird zwischen Texten, die auf vergangene oder bestehende Dinge
bezogen sind, und Texten, denen es allein ums Erfinden geht; erst in
der Neuzeit bildet sich eine Unterscheidung heraus, nach der eines
das andere ausschließt. 703 Auch moderne Signale von Fiktionalität,
wie etwa eine besonders verdichtete und daher als literarisiert
verstandene sprachliche Form, sind als Kriterien nicht ohne weiteres
verwendbar. 704 So können die Unverbundenheit und simple Reihung
der einzelnen Elemente des Presbyter-Briefes als Charakteristika
literarischer Erzähltexte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit
gedeutet werden, 705 mit gleichem Recht können sie aber auch als
706
formale Eigenschaft mittelalterlicher enzyklopädischer Texte gelten.
Mit der Unverbundenheit der einzelnen Aspekte des Priesterkönigsreichs greift der Brief des Presbyters ein formales Merkmal auf, das
auch zeitgenössischen Sachtexten eigen ist, und er kann damit als
nicht-fiktionaler Text verstanden werden. Erst wenn nachgewiesen
ist, dass ein Text deutlich über formale Spezifika der Fachliteratur
seiner Zeit hinausgeht, sollte dafür plädiert werden, dass es sich um
eine Form der Darstellung handelt, die im historisch-zeitgenössischen
Zusammenhang fiktionale Texte kennzeichnet. 707
Nicht nur die Form des Presbyter-Briefs ist schwer zu klassifizieren,
auch die Wahrheit, die dem geschilderten Königreich selbst zugesprochen wird, steht in Frage: Handelt es sich im gegebenen historischen
Kontext um einen als faktisch oder als fiktiv angenommenen Herrschaftsraum? Hierzu bieten die Überlieferungsgeschichte zum Reich
des Presbyters im Allgemeinen sowie die Rezeptionsgeschichte des
Briefes im Besonderen zahlreiche Hinweise: Im Zuge des Hoch- und
Spätmittelalters werden Johannes und sein Reich in unterschiedlichen
Textsorten erwähnt. Die Verwendung des Motivs in den verschiedenen
Gattungszusammenhängen liefert Anhaltspunkte für seine Charakterisierung als faktisch oder als fingiert. 708 Bei dieser Suche nach Indizien
muss allerdings berücksichtigt werden, dass unterschiedliche Textsorten, beispielsweise Historiographie und Literatur, im Mittelalter eben
nicht vollständig scharf voneinander abgegrenzt werden können: Auch
die Gegenstände literarischer Texte sind stets in gewissem Maße in der
249
historischen Vergangenheit verankert, und auch historiographische
Texte gestalten ihre Gegenstände rhetorisch und werden zudem zum
Teil auch aus literarischen Fiktionen gespeist. 709 Mit der Frage nach
den Textsorten, in denen vom Priesterkönig Johannes die Rede ist, ist
also dem Problem, ob das Priesterkönigreich im mittelalterlichen Kontext den Fakten oder den Fiktionen zugerechnet wird, letztlich nicht
zu entgehen; diese Herangehensweise kann aber erste Anhaltspunkte
für die Bestimmung des Fiktionsgrads des Motivs liefern.
Einer der ersten, der im 12. Jahrhundert über den Priesterkönig
berichtet, ist Otto von Freising in seiner acht Bücher umfassenden
»Chronica sive Historia de duabus civitatibus« aus den Jahren 1143
bis 1146; eingeführt wird der fernöstliche Herrscher also in einer
Weltchronik, einem umfangreichen historiographischen Werk. 710 Otto
gibt darin den Bericht des Bischofs Hugo von Gabala im heutigen
Syrien wieder, ohne ihn zu kommentieren:
Er [Hugo] erzählt auch, vor wenigen Jahren habe ein gewisser Johannes, ein König und Priester, der im äußersten Orient, jenseits
von Persien und Armenien wohne und wie sein Volk Christ, aber
Nestorianer sei, zwei Brüder, die Könige der Perser und Meder,
Samiarden genannt, angegriffen und ihre Hauptstadt, das oben erwähnte Ekbatana, erobert. [„.] Nach dem Siege [„.] unternahm
Johannes einen Feldzug, um der Kirche von Jerusalem zu Hilfe zu
kommen [„.]. 711
Schon die Erwähnung des Priesterkönigs bei Otto von Freising bringt
also die Vorstellung auf, der ferne Herrscher könne die christlichen
Mitteleuropäer im Kampf um Jerusalem unterstützen. Zur Heiligen
Stadt habe Johannes aber doch nicht kommen können, denn es sei
ihm unmöglich gewesen, mit seinem Heer den Tigris zu überqueren.
Unverrichteter Dinge sei er schließlich wieder umgekehrt. Etwa
zwanzig Jahre nach dieser Schilderung Ottos kursiert dann der Brief
des Priesterkönigs. Dieser wird weitere zehn Jahre später ergänzt um
ein Antwortschreiben des Papstes. 712 Alexander III. kündigt Johannes
darin machtbewusst einen Gesandten an, der ihn in Glaubensdingen
unterrichten werde, und er stellt in Aussicht, dass der Presbyter dafür
250
eine Kirche in Rom sowie Altäre in Rom und Jerusalem erhalte. 713
Durch dieses Antwortschreiben entsteht der Eindruck, der Priesterkönig Johannes nähme teil an der herrscherlichen Diplomatie der
Zeit; der Presbyter-Brief findet weite Verbreitung und wird in mehrere
Sprachen übersetzt. 714
Seit etwa der Mitte des 13. Jahrhunderts senden die Päpste - zum
715
Teil unterstützt von weltlichen Herrschern - Gesandte nach Osten.
Sie haben den Auftrag, mit den Mongolen, die in der abendländischen
Welt seit dem frühen 13. Jahrhundert als neue große Bedrohung
angesehen werden, Kontakt aufzunehmen und dabei auch etwas
716
über das Reich des Priesterkönigs in Erfahrung zu bringen. Einige
der Botschafter, wie beispielsweise die Franziskaner Johannes de
Plano Carpini und Wilhelm von Rubruk, sowie Marco Polo, verfassen
Berichte über ihre Reise zu den Mongolen und ins Land des Priesterkönigs. 717 Die drei Genannten stellen unterschiedliche Aspekte der Figur
des Presbyters Johannes und seines Reiches heraus. Bei Carpini dient
die Erwähnung des Priesterkönigs, der angeblich einen militärischen
Sieg über die Mongolen errungen habe, dazu, deren außerordentliche
militärische Macht darzustellen, aber auch zu zeigen, dass sie besiegt
werden können. 718 Wilhelm von Rubruk nimmt in der Reihe der
Gesandten eine Sonderstellung ein, denn er äußert deutliche Zweifel an
719
der Annahme, dass der Priesterkönig Johannes tatsächlich existiert.
Nachrichten über das Reich des sagenhaften Priesterkönigs und über
seine Taten hält er für Erfindungen der östlichen Christengemeinschaft
720
der so genannten Nestorianer, der Johannes zugehöre. Wilhelm von
Rubruk schreibt:
Nach dem Tod Choir-chans schwang sich dieser Nestorianer zum
König auf. Die Nestorianer aber nannten ihn König Johannes und
erzählten von ihm zehnmal mehr, als der Wahrheit entsprach. So
machen es nämlich die Nestorianer, die aus diesem Gebiet kommen: Aus einem Nichts machen sie ein großes Geschrei. [„.] So
ging also [„.] von jenem König Johannes ein großer Ruhm aus. Ich
aber zog durch seine Weidegebiete, und niemand wusste irgend721
etwas über ihn, außer ein paar Nestorianern.
251
1
~
Marco Polos Reisebericht stellt zwar nicht die Existenz des Priesterkönigs in Frage, schränkt aber dessen Machtvollkommenheit deutlich ein,
die in anderen Texten - namentlich dem Brief des Presbyters selbst viel gepriesen worden war. Dies geschieht allerdings nicht in Form ausdrücklicher Skepsis gegenüber der Überlieferungstradition, sondern es
zeigt sich anhand der Ereignisse, die aus dem Leben des Presbyters erzählt werden. Marco Polo schildert, wie Johannes zu Tode kommt: Der
Mongolenherrscher Dschingis Khan sei ihm als Vasall unterstellt gewesen, und als dieser Johannes' Tochter zur Frau erbeten habe, habe
sich Johannes geweigert, sie ihm zu geben; Dschingis Khan habe diese Zurückweisung als sehr beleidigend empfunden und eine Schlacht
angefangen, in der der Priesterkönig gefallen sei. 722 Diese Schilderung
der Ereignisse, und auch die formalen Mittel, derer sich Marco Polo
bedient, sind in der Forschung auf den Einfluss zeitgenössischer literarischer Darstellungen zurückgeführt worden. 723 Während Wilhelm
von Rubruk die Geschichten, die über den Priesterkönig erzählt werden, anhand dessen, was er selbst über ihn in Erfahrung bringen kann,
kritisch in Frage stellt, bedient sich Marco Polo offenbar gezielt literarisch eingeführter Gestaltungsmittel. Beiden ist gemeinsam, dass sie
die Machtfülle des fernen Herrschers im Vergleich zu vorhergehenden
Zeugnissen schmälern.
Schließlich findet das ferne Königreich des Presbyters Johannes
Eingang in literarische Texte - mit dem Jüngeren Titurel eines Dichters
namens Albrecht aus dem späten 13. Jahrhundert als wohl prominentestem Beispiel.724 Albrechts Text hält sich eng an die Informationen,
die aus dem Brief des Priesterkönigs bekannt sind, und betont die
außerordentliche Größe und den Reichtum des Priesterkönigreiches.
Bei den exotischen und wunderbaren Elementen dagegen kürzt er. 725
Der Bericht über den Presbyter Johannes beginnt mit folgenden
Worten:
Hier regiert ein König, der so reich ist,
dass noch niemand von einem ähnlich reichen Herrscher je gehört
hat.
Wie reich du durch den Gral auch bist, das ist alles nichts im Vergleich zu seinem Reichtum
252
'
..._
und zwar sowohl was Gefolgschaft und Landbesitz als auch was
Gold und Edelsteine betrifft.
Im Himmel ist dieser Herrscher außerdem bekannt für seine Tugendhaftigkeit.
Ich erwähne hier nur einen Teil seines Reichtums und seiner Würde,
und schon angesichts dessen müssen wir erkennen, wie wertlos wir
sind.
Seine Macht wird überall als herrlich bezeichnet,
denn ihm dienen zwei Teile des gesamten Erdkreises und zudem
72 Reiche
[„.)
Priester Johannes nennt man den würdevollen Mann[;)
[„.)
726
er ist ein reiner Christ und lobt Jesus Christus auf das höchste.
Die historisch-politischen Entwicklungen seiner Zeit nimmt Albrecht
auf, indem er - im Anschluss an Johannes de Plano Carpini - den Sieg
des Priesterkönigs über das Heer der Mongolen durch eine Kriegslist
schildert (6199-6216). 727 Der literarische Text gestaltet damit nicht die
wunderbaren und exotischen Elemente phantastisch aus, die seine direkte Vorlage, der Presbyter-Brief, liefert, sondern er tilgt diese und orientiert sich statt dessen an einem kurz zuvor verfassten Reisebericht,
der offenbar als authentisch angesehenen wurde. Der literarische Text
erweist sich damit stärker am Faktischen interessiert als das vermeintliche Dokument der Herrscher-Diplomatie, als der Presbyter-Brief selbst.
Die Verschränkung von literarischer Überlieferung und stärker authentisch konnotierten Gattungen wie Historiographie oder Reiseberichten
tritt außerdem hervor, wenn man berücksichtigt, dass die Motive, mit
denen die fremde Welt des Priesterkönigs beschrieben wird, zu einem
beträchtlichen Teil aus der literarischen Überlieferung stammen, insbesondere aus den Alexanderromanen.
728
253
Die Vorstellung der unterschiedlichen Textgattungen, in denen der
Priesterkönig und sein Reich Erwähnung finden, zeigt, wie durchlässig
die Grenze zwischen fingierten und als real bestehend angenommenen
Herrschaftsräumen zeitgenössisch offenbar gewesen ist. Für die Charakterisierung des Priesterkönigreichs als Utopie muss das bedeuten,
dass ein komplexes Spiel mit Fiktionalitätssignalen und Hinweisen auf
eine mögliche Authentizität des Geschilderten im Mittelalter vor dem
Hintergrund eines anderen, d. h. weniger antagonistischen Verständnisses von Fiktion und Realität stattfand. Während in der »Utopia« des
Thomas Morus eine als Fiktion markierte Insel der Realität angenähert
wird, indem die Angaben zu ihrer geographischen Lage zwar anhand
des geographischen Wissens plausibel erscheinen, aber doch so gestaltet sind, dass sie die Insel unauffindbar machen, 729 stehen die geographischen Angaben zur Lage des Priesterkönigreichs in einem Kontext,
in dem Reiseberichte, die ebensolche aus moderner Sicht unzureichenden Ortsangaben verwandten, als authentisch und als zur Lokalisierung
hinreichend präzise angesehen wurden. 730 An dieser Stelle wird besonders deutlich, wie schwierig es ist, den Utopie-Begriff in die Zeit vor
der Frühen Neuzeit zurückzuverfolgen. Auf dem Gebiet der Reiseberichte führt die zunehmende Präzisierung von Ortsangaben, die mit
den vermehrten Fernreisen um 1500 einsetzt, zu einer Scheidung von
Lokalisierungen, die als unauthentisch und im Extremfall als fingiert
angesehen werden, und solchen, deren Präzision den neuen Vorstellungen von geographisch korrekter Darstellung entspricht.
Hierin kann eine Ursache dafür gesehen werden, dass die Bedeutung
des Priesterkönigreichs im Laufe des 16. Jahrhunderts nach einer
kurzen Phase des erneuten regen Interesses schwindet und dass es
schließlich in Vergessenheit gerät. Es ist bemerkenswert, dass sich
noch kurz zuvor ein bedeutender Wandel im Vorstellungskomplex
um den Priesterkönig vollzogen hat und dass dieser nochmals mit
gesteigertem Interesse an ihm einhergeht: Seit der ersten Hälfte des
14. Jahrhunderts wird sein Reich nicht mehr im fernen Osten sondern
'
. A„ h' ·
m t 10p1en vermutet. 731 Auf ihrer Suche nach dem Seeweg n.ach
Indien versuchten seit dem 15. Jahrhundert portugiesische Reisende
an die Ostseite Afrikas zu gelangen. Dort .auf den Priesterkönig
Johannes zu treffen war ein Ziel ihrer Entdeckungsreisen. Erneut
254
verkörpert der Priesterkönig den Wunsch der Europäer, in der Fremde
christliche Verbündete zu finden; hinzu kommt nun die Neugier auf
die Erschließung des afrikanischen Kontinents und das ökonomische
Interesse an Handelspartnern. 732 Sind die neuen Handelswege erst
einmal etabliert und beginnt - mit Hiob Ludolfs Buch über Äthiopien,
der »Historia Aethiopica«, erschienen 1681 in Frankfurt am Main eine im modernen Sinne wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
dem Land, so verliert sich das Interesse am Priesterkönig als dem
vermeintlichen Verbündeten im ehemals unbekannten Territorium. 733
Eine weitere und sehr weit greifende mögliche Ursache für das Verschwinden des legendären christlichen Herrschers nennt Umberto Eco
in einem Aufsatz über den Presbyter Johannes, der 2001 publiziert wurde, also ein Jahr nach Ecos berühmtem Roman »Baudolino« über die
Suche nach dem Priesterkönig: Es ist denkbar, dass die Zunahme tatsächlich gelingender Kontakte mit den fernen Regionen des Ostens und
des Südens dazu geführt hat, dass überhöhte Vorstellungen vom Fremden in der kollektiven Vorstellung an Bedeutung verlieren; Eco stellt
die optimistische Behauptung auf, es habe im Laufe der Jahrhunderte
ein historischer Lernprozess der Anerkennung kultureller Unterschiede stattgefunden. 734 Eine Figur zu erfinden, welche diese Differenzen
übergehe, indem sie schlicht die eigenen Charakteristika - namentlich
den christlichen Glauben - am Ort des Anderen situiere, sei schließlich
nicht mehr notwendig gewesen.
Und doch verschwinden der Priesterkönig und sein Reich in der
Moderne nicht vollständig aus dem kulturellen Gedächtnis. Seit der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wendet sich die Wissenschaft
735
dem Presbyter zu: Verschiedene Forschungsarbeiten entstehen.
Das wissenschaftliche Interesse am Reich des Priesterkönigs, das sich
in dieser Zeit formiert, scheint bis heute anzuhalten. Und so kann
es kaum verwundern, dass mit Umberto Eco ein Romancier und
Wissenschaftler das Thema in die Literatur (zurück-)überführt hat.
Dass Ecos »Baudolino« schnell zum Bestseller wurde, zeigt nicht nur
eine verbreitete Faszination für historische Romane, sondern deutet
auch auf eine aktuelle Sensibilität für die Übergangszonen zwischen
fact und fiction hin. Ecos Buch zeichnet aus, dass es das Problem,
ob es sich beim Presbyter Johannes und bei seinem Reich um eine
255
/
1
bloße Erfindung handelt, nicht letztgültig entscheidet, sondern auf
sehr geschickte Weise offen hält. Der Roman scheint den Priesterkönig
zunächst deutlich als Erfindung auszuweisen, indem er schildert, wie
Baudolino - selbst ganz offenkundig fingierter Adoptivsohn Kaiser
Friedrich Barbarossas und Protagonist des Romans - unterstützt
durch seine Pariser Kommilitonen, die zum Teil unter dem Einfluss
einer wirkungsvollen halluzinogenen Droge, dem so genannten
»grünen Honig«, stehen, den Brief des Priesterkönigs schreibt. 736
Später erfährt ein Berater des byzantinischen Kaisers von diesem
Brief und macht sich die Idee Baudolinos zu eigen, das Schreiben des
Priesterkönigs für die zeitgenössische Diplomatie zu nutzen, bevor
dieser selbst es tun kann. Obwohl die literarische Figur Baudolino sich
das zentrale Dokument, das die Existenz des Priesterkönigs bezeugen
soll, selbst ausgedacht hat, hält sie an dem Gedanken fest, dass es
den Priesterkönig tatsächlich gibt - eine Idee, die Baudolinos Lehrer,
Otto von Freising, dem Eleven mitgegeben hat -, und verwendet
viel Zeit ihres Leben darauf, diesen zu suchen. Baudolino macht sich
auf eine jahrelange Reise, die ihn in ein Land führt, das dem Reich
des Priesterkönigs zwar nahe zu sein scheint, in dem er aber doch
nichts Genaues über den Herrscher erfährt. 737 Vor dem Ansturm der
»weißen Hunnen« muss Baudolino schließlich fliehen, und es gelingt
ihm, nach Europa zurückzukehren. 738 Obwohl seine langjährige Reise
ihn nicht zum Priesterkönig geführt hat und obwohl vieles, was er
auf dieser Reise gesehen und gehört hat, eher darauf hindeutet, dass
der Priesterkönig nicht existiert, macht sich Baudolino kurze Zeit
nach seiner Rückkehr und schon in hohem Alter erneut auf, ihn zu
739
Mit diesem Lebensweg seines fingierten Protagonisten
suchen.
macht Eco einen Vorschlag, wie sich die durchlässige Grenze zwischen
Fakten und Fiktionen im Mittelalter auf einen einzelnen Akteur
ausgewirkt haben könnte.
256
Tintagel, Glastonbury und Broceliande: Gespinste
aus Fiktion und Realität als »Rezept« zur
Überwindung von Erinnerungsbrüchen
Ralf H. Schneider
Der Zugang zur Geschichte vollzieht sich, wie wir vielfach in diesem
Band erfahren können, über reale Orte, die wir kennen, weil sie sich
in unmittelbarer Nähe heimatlicher Gefilde befinden oder von uns
bewusst aufgesucht werden oder uns zufällig auf Reisen begegnet
sind. Manche Orte kennen wir aber auch nur aus Texten, gleichgültig
ob diese aus touristischen Ratgebern, Zeitschriften oder Zeitungen,
Fach- oder Sachbüchern oder aus Romanen oder Gedichten stammen.
Doch nicht alle Orte, die wir mit vergangenen Zeitaltern, Ereignissen
oder Personen verbinden, sind solche, die wir tatsächlich auch
aufsuchen können. Es sind fiktive oder fiktionale Orte, die auf keiner
wissenschaftlich anerkannten Karte der Gegenwart zu finden sind.
Im Gegensatz zu heutigen Karten, die zumeist nicht mehr auf Papier,
sondern auf Monitoren oder Displays gelesen werden, gaben Karten
des Mittelalters und der Frühen Neuzeit Länder und Orte wider,
deren Existenz einerseits körperlich erfahrbar war, andererseits
aus den Vorstellungswelten vie1 ge1esener Autoren stammte. 740 D'ie
Grenze von Fiktion und Realität741 war fließend, und Landstriche
wie das Reich des Priesterkönigs Johannes 742 und reale Orte fanden
auf ein und derselben Karte gleichbedeutend ihren Platz, wie sich
auch Wissenschaft und Magie 743 nicht zwangsläufig ausschlossen.
Andere Orte sind sehr wohl auf aktuellen Karten verzeichnet, also
real (und nicht »realphantastisch« 744 ) und damit auch zu bereisen,
jedoch untrennbar mit Geschehnissen aus der Welt der Fiktion
verbunden. Um drei solcher Orte soll es hier gehen: Tintagel,
Glastonbury und Broceliande. Orte, die aus dem Sagenstoff um
257
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322
FRANZ (wie Anm. 630), S. 294-300.
Ibid. S. 133f.
BUCKLE, Revolution (wie Anm. 629).
Vgl. Helmut GABEL, Winfried SCHULZE, Folgen und Wirkungen, in: BuszELLO, BUCKLE, ENDRES (wie Anm. 631), s. 347-349.
BUCKLE, Revolution (wie Anm. 629), S. 231.
In diesem Sinne schon Friedrich LÜTGE, Geschichte der deutschen Agrarverfassung vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, Stuttgart 1963,
s. 100-134.
Früh Otto SCHIFF, Die deutschen Bauernaufstände von 1525 bis 1789, in: HZ
130 (1924), S. 189-209, und in mehreren Arbeiten von Winfried SCHULZE.
Vgl. u. a. Peter BUCKLE, Andre HoLEN~TI
(Hg.), Agrarverfassungsverträge.
Eine Dokumentation zum Wandel in den Beziehungen zwischen Herrschaften
und Bauern am Ende des Mittelalters, Stuttgart 1996.
BUCKLE, Revolution (wie Anm. 629), S. 230. Vertragstext bei Alfred WEITNAUER, Die Bauern des Stifts Kempten 1525/26, Kempten 1949 (Alte Allgäuer
Geschlechter 25).
FRANZ, Bauernkrieg (wie Anm. 630), S. 296.
Leider wurde eine Dissertation von Elke PALLOKS (vgl. Drns„ Blutiger Krieger
und besonnener Politiker: vor 500 Jahren kam in Waldsee Georg III. Truchseß von Waldburg, der »Bauernjörg«, zur Welt, in: SZ. Ausg. Ravensb. vom
25.01.1988), die ein neues Bild des Truchsessen zeichnen wollte, nie fertiggestellt.
Herrschaften Eberhardzell, Essendorf, Schwarzach, Schweinhausen, Waldburg, Waldsee, Winterstetten, Wolfegg und Zeil. Aus Raumgründen wird hier
auf eine Aufzählung der Archivalien verzichtet.
Schon Joseph VoCHEZER, Geschichte des fürstlichen Hauses Waldburg
in Schwaben, Bd.11, Kempten 1900, S. 630-634, hatte das Fakt der
Leiheigenschafts- und Dienstverträge zum Ruhme des Truchsessen erwähnt.
Neuerlich hat sie dann BUCKLE, Revolution (wie Anm. 629), S. 227-229, als
Gegenbeispiele gegen das völlige Scheitern des sog. Bauernkriegs von 1525
erwähnt. - Eine monographische Behandlung steht aus.
Erneuerungen z.B. 1536, 1587, 1602, 1622 und 1725. Dabei wurden im Laufe
der Zeit immer mehr Dienstverpflichtungen in »Surrogatgelder« umgewandelt. Als ungemessene Frondienste blieben nur noch die Baufronen im Falle
eines Schlossbrands in Wolfegg. Im Übrigen richteten sich die Dienste nach
der Hofgröße und konnten in Geld abgegolten werden. Bei der Aufhebung der
Leibeigenschaft und der Abfindung der ehemaligen Leihherren in den Jahren
1829/1836 werden die Verträge von 1622 erwähnt.
BUCKLE, Revolution (wie Anm. 629), S. 224-240.
Für den lateinischen Text vgl. Friedrich ZARNCKE, Der Priester Johannes,
Bd. 1, Leipzig 1879 (Abhandlungen der philologisch-historischen Classe
der König!. Sächsischen Akademie der Wissenschaften, 7, 8), S. 83-108.
Zarnckes Ausgabe wird hier zugrunde gelegt; Nachweise der einzelnen Artikel
des Briefes erfolgen im Fließtext (in runde Klammern eingeschlossen).
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Die Ausgabe stützt sich auf Fassungen des Briefes, die bis zum Ende des
12. Jahrhunderts entstanden sind. Für weitere Fassungen, die von Zarncke
nicht ediert wurden, vgl. Bettina WAGNER, Die »Epistola presbiteri Johannis«
lateinisch und deutsch. Überlieferung, Textgeschichte, Rezeption und
Übertragung im Mittelalter. Mit bisher unedierten Texten, Tübingen 2000
(MTU 115). Anna-Dorothee VON DEN BRINCKEN, Presbyter Johannes,
Dominus Dominantium - ein Wunsch-Weltbild des 12. Jahrhunderts,
in: Legner, ANTON (Hg.), Ornamenta Ecclesiae. Kunst und Künstler der
Romanik. Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums. Bd. 1, Köln
1985, S. 83-97 und Ulrich KNEFELKAMP, Die Suche nach dem Reich des
Priesterkönigs Johannes. Dargestellt anhand von Reiseberichten und anderen
ethnographischen Quellen des 12. bis 17. Jahrhunderts, Gelsenkirchen
1986, bieten Übersetzungen des Briefes; zitiert wird im Folgenden aus der
Übersetzung von VON DEN BRINCKEN.
.
Die Forschung hat verschiedene historische Figuren identifiziert, an die der
imaginierte Priesterkönig anschließen könnte; keine dieser Referenzen wird
jedoch allgemein akzeptiert. Vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 4749.
Bei Ausritten des Hofes wird Jesu Christi angesichts eines mitgeführten Holzkreuzes gedacht (48), und der Herrscher besucht - wie sein gesamtes Volkalljährlich das Grab des Propheten Daniel (53).
.
„ .
Zur Kritik der These ÜLSCHKIS, dass es sich beim Reich des Pnesterkomgs um
eine »Theokratie« handele (vgl. Leonardo ÜLSCHKI, Der Brief des Presbyters
Johannes, in: Historische Zeitschrift 144 (1931), H. 1, S. 1-14, hier S. 9), vgl.
VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), s. 96.
Dass der Brief Gemeinschaften unterschiedlichen Glaubens nennt, ist als
Hinweis auf die Toleranz des Herrschers verstanden worden. Vgl. ÜLSCHKI,
Brief (wie Anm. 658 ), S. 9. Ausdrücklich erwähnt wird diese Tugend allerdings
nicht.
»In tribus Indiis dominatur magnificentia nostra, et transit terra nostra ab ulet
teriore India, in qua corpus sancti Thomae apostoli requiescit, per desrt~m
progreditur ad solis ortum, et redit per declivum in Babilonem desertam mxta
turrim Babel«. Zur Lokalisierung Indiens im Mittelalter vgl. auch Rudolf SrMEK, Erde und Kosmos im Mittelalter. Das Weltbild vor Kolumbus, München
1992, s. 80.
Vgl. VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), s. 92.
Vgl. Anna-Dorothee VON DEN BRINCKEN, Mappa ~undi
un~
Chronographia.
Studien zur imago mundi des abendländischen Mittelalters, m: Deutsches Archiv 24 (1968), S. 118-186, hier S. 122.
Vgl. Elisabeth SCHMID, Priester Johann oder die Aneignung des Fremden, in:
Dietmar PESCHEL (Hg.), Germanistik in Erlangen. Hundert Jahre nach der
Gründung des Deutschen Seminars, Erlangen 1983, S. 75-93, hier S: 83.
Vgl. die im Brief geäußerte Absicht, Jerusalem zu besuchen und die ?egn:r
des christlichen Glaubens zu bekämpfen (11); vgl. auch ÜLSCHKI, Bnef (wie
Anm. 658), S. 2.
323
665 Vgl. VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), s. 92f. Landverluste der europäischen Mächte im Nahen Osten zeigen sich bereits in den
1130er Jahren sowie um 1150 (vgl. Jacques LEGoFF, Das Hochmittelalter,
Frankfurt a.M. 1996 (Fischer Weltgeschichte 11), S. 132ff.). Deutlicher als
für das 12. Jahrhundert lässt sich die Verwendung des Priesterkönigs in der
Kreuzzugspropaganda des 13. Jahrhunderts nachweisen (vgl. KNEFELKAMP,
Suche (wie Anm. 655), S. 58-69). In diesem Zeitraum allerdings gelten statt
der Muslime die Mongolen als der gemeinsame Gegner des christlichen
Westens und des Priesterkönigs; in verschiedenen Reiseberichten - zum
Beispiel im Bericht Wilhelms von Rubruk - wird der Priesterkönig allerdings
auch in große Nähe zu den Mongolen gerückt (vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie
Anm. 655), S. 59-67).
666 »Terra nostra melle fluit lacte habundat.«
667 »Nullus pauper est inter nos [„.] Homines nostri habundant in omnibus diviciis.«
668 »Omnium in se specierum saporem retinens«
669 Vgl. Gen. 2, 4ff.; sowie SCHMID, Priester (wie Anm. 663), S. 83. In der Schöpfungsgeschichte hat statt eines Brunnens der Baum des Lebens Jugend spendende Kraft (Gen. 2,9; 3,22).
670 Zur Situierung des Paradieses vgl. etwa Aurelius Augustinus, Über den Wortlaut der Genesis. De Genesi ad litteram libri duodecim, Bd. 2, übers. v. Carl
Johann PERL, Paderborn 1964, Buch VIII, 4,8 und 7,13f., S. 48f. und 53ff.; sowie
dara? anschließend Thomas von Aquin, Summa theologica, hg. v. P. Heinrich
Mana CHRISTMANN 0. P., München und Heidelberg 1941, 102,1, S. 173-178.
671 Vgl. Augustinus, De Genesi (wie Anm. 670), Buch VIII, insbes. 1,4, S. 43f.
672 Vgl. Ursula FRÜHE, Das Paradies ein Garten - der Garten ein Paradies. Studien
zur Literatur des Mittelalters unter Berücksichtigung der bildenden Kunst und
Architektur, Frankfurt a.M. 2002, S. 75-86.
673 ?am.it führt der Brief des Priesterkönigs nicht nur wunderbare Phänomene
im Smne von Gegenständen und Ereignissen auf, die natürlichen Prozessen
und Erscheinungsweisen zuwider laufen, sondern auch solche, die als außerordent~ich
im weiteren Sinne gelten können. Zu diesem vergleichsweise offenen
Begriff ~es
Wunderbaren gehören auch die so genannten Wunder des Orie~ts:
»d1e außerordentlichen Reichtümer, die sagenhaften Herrschaften und
die monströsen [>]Rassen[<]« (Jutta EMING, Funktionswandel des Wunderbaren. Studien zum Bel Inconnu, zum Wigalois und zum Wigoleis vom Rade Trier
'
1999, S. 27-37, hier S. 31).
674
324
»[~]erula
albae, cicades mutae, grifones, [„.] cenocephali, gigantes quorum
est. quadraginta cubitorum, monoculi cyclopes et avis, quae vocatur
fenIX«. In emem berühmten Aufsatz hat WITTKOWER die antiken Ursprünge
dieser in Indien situierten Lebewesen dargestellt und auf Parallelen in indischen Erzählungen hingewiesen (Rudolf WITTKOWER, Marvels of the East. A
Stu~y
in the History of Monsters, in: Journal of the Warburg and Courtauld
Institutes 5 (1942), S. 159-197, passim; zu letzterem Aspekt vgl. S. 164f.).
alt1~udo
675 »[H]omines agrestes, homines cornuti, fauni, satiri et mulieres eiusdem generis, pigmei«
676 Vgl. VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), s. 92; KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 35-47.
677 Der Alexanderroman des Archipresbyters Leo, untersucht und hg. v. Friedrich
PFISTER, Heidelberg 1913.
678 Vgl. Mathias HERWEG, Wege zur Verbindlichkeit. Studien zum deutschen Roman um 1300, Wiesbaden 2010, S. 197. Zu Elementen der »geglaubten Realität« insbesondere im zeitgenössischen Artus-Roman vgl. auch Peter JoHANEI<,
Weltbild und Literatur. Fiktive Geographie um 1300, in: Peter MORAW (Hg.),
Das geographische Weltbild um 1300. Politik im Spannungsfeld von Wissen,
Mythos und Fiktion, Berlin 1989, S. 97-108, hier S. 10lf. Zur Nähe von historiographischen und literarischen Texten vgl. Jan-Dirk MÜLLER, Literarische
und andere Spiele. Zum Fiktionalitätsproblem in vormoderner Literatur, in:
Poetica 36 (2004), S. 281-311, S. 292-295.
679 Vgl. 0LSCHKI, Brief (wie Anm. 658), S. 5; Istvan BEJCZY, La lettre du Pretre
Jean, une utopie medievale, Paris 2001, S. 25ff.
680 »Nullum vicium apud nos regnat.«
681 »Inter nos nullus mentitur, nec aliquis potest mentiri. Et si quis ibi mentiri coeperit, statim moritur i. quasi mortuus inter nos reputatur, nec eius mentio fit
apud nos i. nec honorem ulterius apud nos consequitur«.
682 »Omnes sequimur veritatem et diligimus nos invicem. Adulter non est inter
nos.«
683 Vgl. Gert MELVILLE, Herrschertum und Residenzen in Grenzräumen mittelalterlicher Wirklichkeit, in: Hans PATZE, Werner PARAVICINI (Hg.), Fürstliche
Residenzen im spätmittelalterlichen Europa, Sigmaringen 1991, S. 9-73, hier
S. 18f.
684 »Haec mensa est de pretioso smaragdo, quam sustinent duae columpnae de
ametisto. Huius lapidis virtus neminem sedentem ad mensam permittit inebriari«
685 »Lectus noster est de saphiro propter virtutem castitatis«
686 »Memorare novissima tua et in aeternum non peccabis«. Für den Hinweis auf
die Didaxe in diesem Satz vgl. OLSCHKI, Brief(wie Anm. 658), S. 10.
687 Vgl. auch die Erwähnung der humilitas in Art. 98.
688 Vgl. SCHMID, Priester (wie Anm. 663), S. 82.
·
689 Die Nähe des Briefes zu den Fürstenspiegeln hat KNEFELKAMP (DERS., Suche
(wie Anm. 655), S. 50f.) betont.
690 Zur Einführung des Begriffs durch Thomas Morus und zum Wandel, den der
Begriff seitdem durchgemacht hat, vgl. Lucian HÖLSCHER, Art. Utopie, in: Otto
BRUNNER, Werner CONZE, Reinhart KosELLECK (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7, S. 733-788.
691 Für die Auseinandersetzung mit der Frage nach Utopien >vor< der Frühen Neuzeit haben die Untersuchungen von DOREN und SEIBT Wegmarken gesetzt;
vgl. Alfred DOREN, Wunschräume und Wunschzeiten, in: Vorträge der Bibliothek Warburg 1924/25, S. 158-205; Ferdinand SEIBT, Utopica. Modelle totaler
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JI
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Sozialplanung, Düsseldorf 1972 (München 2 2001). Einen Überblick über die
Forschung zu Anderswelten des Mittelalters bietet Heiko HARTMANN, Utopias
/ Utopian Thought, in: Albrecht CLASSEN (Hg.), Handbook of medieval Studies, Bd. 2, Berlin, New York 2010, S. 1400-1408.
Eine frühe Deutung des Priesterkönigreichs als Utopie hat OLSCHKI (Brief [wie
Anm. 658]) bereits 1931 vorgelegt.In jüngerer Zeit hatBEJCZY diese These ausdrücklich wieder aufgegriffen (Utopie medievale [wie Anm. 679]).
Vgl. VON DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), s. 94f.; Marina
MÜNKLER, Erfahrung des Fremden. Die Beschreibung Ostasiens in den
Augenzeugenberichten des 13. und 14. Jahrhunderts, Berlin 2000, S. 192;
Marina MüNKLER, Alterität und Interkulturalität. Ältere deutsche Literatur,
in: Claudia BENTHIEN, Hans Rudolf VELTEN (Hg.), Germanistik als Kulturwissenschaft. Eine Einführung in neue Theoriekonzepte, Reinbek bei
Hamburg 2002, S. 323-344, hier S. 336.
So erwähnt der Absender zu Beginn des Briefes, dass er die Armen seines
Reiches schütze und mit Almosen unterstütze: »Devotus sum christianus, et
ubique pauperes christianos, quos clementiae nostrae regit imperium, defendimus et elemosinis nostris sustentamus« (10); vgl. auch VON DEN BRINCKEN,
Wunsch-Weltbild (wie Anm. 655), S. 95. Außerdem deuten die Ausführungen zur Kontrolle des Handels mit Edelsteinen durch den Herrscher darauf
hin, dass es Privatbesitz gibt (39); vgl. auch BEJCZY, Utopie medievale (wie
Anm. 679), S. 58.
Vgl. Thomas MORE, Utopia, NewHaven, London 2 1993 (Tue Complete Works
of St. Thomas More, Bd. 4, hg. v. Edward SURTZ, S. J., Jack H. HEXTER), S. 100;
Thomas MoRus, Utopia, übers. v. Gerhard RITTER, Stuttgart 2005, S. 51.
»Nullus pauper est inter nos. Fur nec praedo invenitur apud nos, nec adulator
habet ibi locum neque avaricia. Nulla divisio est apud nos. Homines nostri
habundant in omnibus diviciis«, ( 45f.).
Vgl. MORE, Utopia, Surtz/Hexter-Ausg. (wie Anm. 695), S. 240, 28-244, 13;
MoRus, Utopia, Ritter-übers. (wie Anm. 695), S. 145-147.
Otto Gerhard OEXLE, Art. Utopie, in: Robert-Henri BAUTIER (Hg.), Lexikon
des Mittelalters, Bd. 8, München 1997, Sp. 1345-1349, hier Sp. 1346.
Vgl. Wolfgang BRAUNGART, Die Kunst der Utopie. Vom Späthumanismus
zur frühen Aufklärung, Stuttgart 1989, S. 10-12; Wilhelm KAMLAH, Utopie,
Eschatologie, Geschichtsteleologie. Kritische Untersuchungen zum Ursprung
und zum futurischen Denken der Neuzeit, Mannheim, Wien, Zürich 1969,
S. 18. Für mittelalterliche literarische Texte hat Eming den Mechanismus der
Verknüpfung wunderbarer Elemente zu Anderswelten analog beschrieben
(vgl. EMING, Funktionswandel [Anm. 673], S. 7).
Zum Beispiel das Zeremoniell für die Ausritte des Herrschers (47f.), seinen
Umgang mit Frauen (64), die generelle Abwesenheit von Lüge (51) und Zwietracht (46) sowie die Pfeffer-Ernte (24-26).
NIPPERDEY spricht vom Spannungsverhältnis zwischen Potentialität und Irrealität (vgl. Thomas NIPPERDEY, Die Funktion der Utopie im politischen Den-
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ken der Neuzeit, in: Archiv für Kulturgeschichte 44 (1962), H. 3, S. 357-378,
S. 360 und 363).
VON DEN BRINCKEN spricht von einer »schlechte[n] Gliederung und gedankliche[n] Sprünge[n]« (voN DEN BRINCKEN, Wunsch-Weltbild (Anm. 655),
s. 92).
Vgl. MÜLLER, Spiele (wie Anm. 678), S. 286f., 303.
Vgl. HERWEG, Wege (wie Anm. 678), S. 201-203.
Vgl. Clemens LuGoWSKis Ausführungen am Beispiel von Jörg Wickrams Ro2
man Galmy: Die Form der Individualität im Roman, Frankfurt a.M. 1994,
s. 57-59.
Im Verfahren des Presbyter-Briefes, Gegenstände unverbunden - nicht einmal
durch narrative Folge oder thematische Ordnung - aneinander zu reihen, sieht
Christoph GERHARDT (Daz werc von salamander bei Wolfram von Eschenbach
und im Brief des Priesters Johannes, in: Hans-Walter STORK (Hg.), Ars et ecclesia. Fs für Franz J. Ronig zum 60. Geb., Trier 1989, S. 135-160, S. 149f.) das
enzyklopädische Prinzip der Summe realisiert.
BEJCZY hat beobachtet, dass der Brief des Priesterkönigs sich schon insofern
von der enzyklopädischen Literatur unterscheide, als das Reich in dieser Literatur entweder überhaupt nicht beschrieben werde oder nur sehr beiläufig als
kleines Reich in Asien Erwähnung finde; die zeitgenössischen Weltkarten bestätigten diese Einschätzung (vgl. Utopie medievale [wie Anm. 679], S. 29ff.).
Über die Beobachtung von Quantität und Ausdehnung der Beschreibung hinaus sind weitere Analysen der Darstellungsformen notwendig.
Auf die Möglichkeit, Fiktionalität pragmatisch zu bestimmen, weist HERWEG
(DERS., Wege [wie Anm. 678], S. 202) hin; vgl. auch MÜLLER, Spiele (wie
Anm. 678), S. 288; ein ausführliches Analysemodell für die Bestimmung des
Wahrheitsgehalts eines Textes entwickelt Joachim KNAPE, Fiktionalität und
Faktizität als Erkenntnisproblem bei spätmittelalterlichen Reisetexten, in:
Holger KRAPP, Thomas WA.GENBAUR (Hg.), Künstliche Paradiese - Virtuelle
Realitäten. Künstliche Räume in Literatur-, Sozial- und Naturwissenschaften,
München 1997, S. 47-62.
Vgl. MÜLLER, Spiele (wie Anm. 678), S. 292-295.
Vgl. OTTO VON FREISING, Chronica sive Historia de duabus civitatibus, hg.
v. Walther LAMMERS, übers. v. Adolf SCHMIDT, Berlin 1960, Buch VII, 33,
s. 556ff.
OTTO voN FREISING, Chronica (wie Anm. 710), Buch VII, 33, S. 556f.: »Narrabat etiam, quod ante multos annos Iohannes quidam, qui ultra Persidem et
Armeniam in extremo oriente habitans rex et sacerdos cum gente sua Christianus est, sed Nestorianus, Persarum et Medorum reges fratres, Samiardos
dictos, bello petierit atque Ebactani, cuius supra mentio habita est, sedem regni eorum expugnaverit. [„.] Post hanc victoriam [„.] predictum Iohannem ad
auxilium Hierosolimitanae ecclesiae procinctum movisse [„.]«.
Für den Text der päpstlichen Antwort vgl. ZARNCKE, Priester Johannes, Bd. 1
(wie Anm. 655), S. 115-118.
327
713 Neben dem oben genannten Wunsch nach einem militärischen Partner im
Zeitalter der Kreuzzüge deutet sich hier ein weiterer historisch-politischer
Kontext an, in dem der Brief des Priesterkönigs und das Antwortschreiben
Alexanders III. stehen: Der Suprematiestreit zwischen Kaiser und Papst in
der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (vgl. MüNKLER, Erfahrung [wie
Anm. 693], S. 191f.; Karl JORDAN, Investiturstreit und frühe Stauferzeit. 10565
1197, München 1979 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte4),
s. 131ff.).
714 Zu den französischen und italienischen Übersetzungen vgl. die Ausgaben von
Martin GosMAN (Hg.), La lettre du Pretre Jean, Groningen 1982; Gioia ZAGANELLI (Hg.), La lettera de! Prete Gianni, Parma 1990.
715 Vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 61-67.
716 Vgl. MüNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 193-198. Anna-Dorothee VON
DEN BRINCKEN (Die »Nationes Christianorum Orientalium« im Verständnis
der lateinischen Historiographie, Köln, Wien 1973, S. 393-398.) beschreibt,
dass im frühen 13. Jahrhundert zwischen Priesterkönigreich und Mongolenreich zunächst unterschieden werden muss.
717 Vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 61-68; MÜNKLER, Erfahrung (wie
Anm. 693), S. 193-201.
718 Vgl. MÜNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 194f. Für den Wortlaut des
Textes vgl. GrovANNI DI PIAN m CARPINE, Storia dei Mongoli, hg. v. Ernesto
MENESTO, Spoleto 1989, Kap. V, Abschn. 12, S. 258f.; für die deutsche
Übersetzung vgl. JOHANNES VON PLANO CARPINI, Kunde von den Mongolen,
übers. v. Felicitas SCHMIEDER, Sigmaringen 1997, S. 65f.
719 MELVILLE spricht von einer »Entmythologisierung« des Johannes durch Wilhelm von Rubruk (MELVILLE, Herrschertum [wie Anm. 683], S. 34). In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geht es auch Odorico de Pordenone in seinem
Bericht darum, den sagenhaften Geschichten über den Priesterkönig kritisch
zu begegnen und sie zu korrigieren (vgl. MüNKLER, Erfahrung [wie Anm. 693],
S. 201-203; vgl. auch KNEFELKAMP, Suche [wie Anm. 655], S. 70).
720 Vgl. MüNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 195-198. Zum Nestorianismus
vgl. VON DEN BRINCKEN, Nationes (wie Anm. 716), s. 287-327.
721 MÜNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 196, Fn. 151. »Mortuo Coirchan elevavit se ille nestorinus in Regem et vocabant eum nestoriani Regem Johannem,
et plus dicebant de ipso in decuplo quam veritas esset. Ita enim faciunt nestoriani ~eints
de partibus illis, de nichilo faciunt magnos rumores. [„.] Sie
ergo exlVlt magna fama de illo Rege Iohanne. Et ego transivi per pascua eius,
nullus aliquid sciebat de eo, nisi nestoriani pauci«, (Itinerarium Wilhelmi de
Rubruc, in: Sinica Franciscana 1 (1929), hg. v. P. Anastasius VAN DEN WYNGAERT 0.F.M., S. 164-332, hier S. 206f.)
722 Vgl. MüNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 198-201. Nicht nur Marco Polo, sondern auch verschiedene andere Reisende des 13. Jahrhunderts berichten von der Niederlage des Priesterkönigs gegen die Mongolen (vgl. VON DEN
BRINCKEN, Nationes (wie Anm. 716), S. 398f.).
328
723 Vgl. MüNKLER, Erfahrung (wie Anm. 693), S. 199; im Anschluss an ZARNCKE,
Priester Johannes, Bd. 2 (wie Anm. 655), S. 108f.
724 Vgl. Albrechts Jüngerer Titurel. Bd. III/2, hg. v. Kurt NYHOLM, Berlin 1992, V.
6129-6278.
725 Deutlicher noch als WAGNER (Epistola [wie Anm. 655], S. 565-570) betont Julia ZIMMERMANN (Im Zwielicht von Fiktion und Wirklichkeit. Zur Rezeption des Presbyterbriefs in Albrechts »Jüngeren Titurel«, in: Johannes KELLER,
Florian KRAGL (Hg.), Mythos - Sage - Erzählung. Gedenkschrift für Alfred
Ehenbauer, Göttingen 2009, S. 547-566, hier S. 553) die Veränderungen, die
Albrecht trotz großer Nähe zum Presbyter-Brief vornimmt. Zur Tilgung exotischer Tiere und Völker vgl. ZIMMERMANN, Im Zwielicht (wie Anm. 725),
S. 555; WAGNER, Epistola (wie Anm. 655), S. 566.
726 iz ist hie krone tragende ein kunic, daz elliu oren nie gehorten [von dem kaum
jemand je gehört hat]/ im niht gelich [gleichen] an richeit also riche [ebenso
oder ähnlich reiche Herrscher]./ swie rich du bist mit grale [durch den Gral],
daz ist ein niht und niender im geliche /An leuten und an lande, an gold und an
gesteine. /in himel der bekande ist er [ist er bekannt] wo! von sinen tugenden
reine./ sin richeit, sine wird ich hie benenne/ ein teil, niht wan [nicht einmal]
die grösten, da bi du dich und mich an wirde erkenne./ Sin gewalt sit [ist] wit
und verre [fern] benennt werdicliche [herrlich]/ die zwei teil aller terre [Erdteile], und dar uber [außerdem] zwei und sibenzic riche [Reiche] I was ich ein
[keines (der genannten Länder) war] im gar zu dienst uf gebende [diente ihm
gegen Gaben, sondern]/ vrilich [freiwillig] und unbetwungen [ohne Zwang],
niwan [nur dadurch] daz er so reiniclich [ohne Makel] ist lebende. I Priester
Johan namende ist man den werden richen /durch werdicheit [hohes Ansehen] unschamende, als ich dir sag her nach bescheidenlichen / kristenlichem
orden zeiner veste [als beständiger Halt],/ wan [denn] erst [er ist] ein kristen
reine und tut ouch Krist zelobe niht wan [als] daz beste.
Albrechts Jüngerer Titurel (wie Anm. 724), V. 6139, 2-6142.
.
727 Vgl. ZIMMERMANN, Im Zwielicht (wie Anm. 725), S. 563-565; WAGNER, Ep1stola (wie Anm. 655), S. 566.
728 Eine ausführliche Rekonstruktion der rezipierten Schriften bei KNEFELKAMP,
Suche (wie Anm. 655), S. 35-47.
729 Vgl. MORE, Utopia, Surtz/Hexter-Ausg. (wie Anm. 695), S. 50, 3-52, 18; MoRUS, Utopia, Ritter-übers. (wie Anm. 695), S. 17-19.
730 MELVILLE führt dies auf fehlende Möglichkeiten zurück, entsprechende
Informationen zu überprüfen; er pointiert die historische Konstellation wie
gefund:n,
folgt: Schilderungen des Priesterkönigreichs hätten Akze?~an
»weil sein angeblicher Herrschaftsraum [„.] zwar lokahs1erbar war tm
Erdkreis, aber autoptisch nicht dergestalt einlösbar, daß die eigene Erfahrung
der Wirklichkeit eine Korrektur des Fiktionalen erbracht, bzw. einem
Fortschreiben von Erfundenem, das gleichzeitig den Anspruch auf Wahrheit
erhob, Einhalt geboten hätte«, MELVILLE, Herrschertum (wie Anm. 683),
S. 30; vgl. dazu auch Friederike HASSAUER, Volkssprachliche Reiseliteratur.
Faszination des Reisens und räumlicher ordo, in: Hans-Ulrich GUMBRECHT,
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Ursula LINK-HEER, Peter-Michael SPANGENBERG (Hg.), Grundriß der
romanischen Literaturen des Mittelalters IX: La litterature historiographique
des origines a1500. Bd. l, Heidelberg 1986, S. 259-283, hier S. 267.
Vgl. KNEFELKAMP, Suche (wie Anm. 655), S. 74-85, S. 107-135; VON DEN
BRINCKEN, Nationes (wie Anm. 716), S. 404ff.; Wilhelm BAUM, Die Verwandlungen des Mythos vom Reich des Priesterkönigs Johannes. Rom, Byzanz und
die Christen des Orients im Mittelalter, Klagenfurt 1999, S. 217-302.
Vgl. BAUM, Verwandlungen (wie Anm. 731), S. 273; KNEFELKAMP, Suche (wie
Anm. 655), S. 107f„ S. 120.
Vgl. BAUM, Verwandlungen (wie Anm. 731), S. 302.
Umberto ECO, Le royaume du Pretre Jean, in: Alliage 45/46 (2000), URL:
http:/ frevel. unice.fr/ alliage/index.html ?id=3842 (01.07.2013)
Vgl. neben der grundlegenden Studie von ZARNCKE aus den Jahren 1879 und
1883 beispielsweise Gustav OPPERT, Der Presbyter Johannes in Sage und Geschichte. Ein Beitrag zur Völker- und Kirchengeschichte und zur Heldendichtung des Mittelalters, Berlin 1864; Ivar HALLBERG, L'Extreme Orient dans Ja
litterature et Ja cartographie de l'occident des 13•, 14• et 15• siecles, Göteborg
1906, S. 281-285; Constantin MARINEscu, Le Pretre Jean. Son pays. Explication de son nom, in: Academie Roumaine. Bulletin de Ja section historique 10
(1923), S. 73-112; E. Denison Ross, Prester John and the empire ofEthiopia,
in: Arthur Perceval NEWTON (Hg.), Travel and travellers in the Middle Ages.
Tue history of civilisation, London 1926, S. 174-194 u. a.
Vgl. Umberto Eco, Baudolino, München 2008, S. 167ff.
Vgl. Eco, Baudolino (wie Anm. 736), S. 439ff.
Vgl. Eco, Baudolino (wie Anm. 736), S. 542ff.
Vgl. Eco, Baudolino (wie Anm. 736), S. 629ff.
Vgl. den Magnetberg im Beitrag von Mathias HERWEG in diesem Band, S. 274283.
741 Vgl. Brigitte BuRRICHTER, Wahrheit und Fiktion. Der Status der Fiktionalität
in der Artusliteratur des 12. Jahrhunderts, München 1996.
742 Vgl. den Beitrag von Tilo RENZ in diesem Band, S. 239-256.
743 Über die Beziehung von Magie und Wissenschaft im Mittelalter bietet folgender Band weiterführende Informationen: Helmut BIRKHAN, Magie im Mittelalter, München 2010.
744 HERWEG in diesem Band, S. 276.
745 Eine umfangreiche Zusammenstellung liefert: Wolfang AcHNITZ, Deutschsprachige Artusdichtung des Mittelalters. Eine Einführung, Berlin u. a.
2012.
746 Einer von drei Themenkreisen neben der matiere de France (oder de Gaule)
(rund um Karl den Großen) und der matiere de Rome (Trojastoff), die erstmals
um 1200 vom französischen Spielmann Jean (Jehan) Bode! von Arras unterschieden wurden; Richard ThACHSLER, »Matiere de Bretagne«, in: Lexikon des
Mittelalters, 10 Bde., Stuttgart 1977-1999, Bd. 6 (1993), Sp. 395.
330
747 Einführend hierzu: Mireille SCHNYDER, Der Wald in der höfischen Literatur.
Raum des Mythos und des Erzählens, in: Das Mittelalter 13, 2, 2008, S. 122135.
748 »Nahezu den ganzen langen Tag ritt ich so dahin, bis ich aus dem Wald herauskam, und das war in Broceliande.«; aus: CHRESTIEN DE TROYES, Yvain. übersetzt und eingeleitet von Ilse Nolting-Hauff, München 1962, vv. 186-189.
749 Hervorzuheben ist vor allem der Aufsatz »Levi-Strauss in Broceliande: Skizze zur Analyse eines höfischen Romans« bei Jacques LE GoFF, Phantasie und
Realität des Mittelalters, Stuttgart 1990, S. 171-200, hier S. 187.
750 »Da steigt ihm plötzlich ein so gewaltiger Wirbel ins Hirn, daß er den Verstand
verliert, da reißt er seine Kleider in Fetzen und flieht querfeldein [„.]«; aus:
CHRESTIEN DE ThoYES, Yvain. übersetzt und eingeleitet von Ilse NoltingHauff, München 1962, vv. 2804-2808. Yvains Flucht in den Wald kann ganz
im Sinne der Lebensweise von Waldklauseneinsiedlern als »Geste der Buße
für eine Schuld, die sie in der Welt auf sich geladen haben« verstanden werden,
wenngleich Yvain seinen »Bußgang« wenig geordnet antritt (SCHNYDER, Der
Wald in der höfischen Literatur (wie Anm. 747), S. 128).
751 LE GoFF, Phantasie und Realität (wie Anm. 749), S. 189.
752 Heinz-Dieter Heimann weist daraufhin, »dass der wilde Wald in den Urkunden des alltäglichen Lebens nicht als ein bedrohlicher oder dem Menschen
feindlicher Raum verzeichnet wird [... ] «; zit. in: Mireille ScHNYDER, Der Wald
in der höfischen Literatur. Raum des Mythos und des Erzählens, in: Das Mittelalter 13, 2, 2008, S. 122-135 nach Heinz-Dieter HEIMANN, Der Wald in der
städtischen Kulturentfaltung und Landschaftswahrnehmung. Zur Problematik
des kulturellen Naturverhältnisses als Teil einer Umwelt- und Gesellschaftsgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Albert ZIMMERMANN,
Andreas SPEER (Hg.), Mensch und Natur im Mittelalter, Bd. 2., Berlin u. a.
1992, 866-881.
753 »Der bis ins Hochmittelalter Europa bedeckende Urwald war die Wohnstätte
nur von Drachen, bösen Geistern (Toten) und zum Tode verurteilten Outlaws.«; aus: Peter DINZELBACHER (Hg.), Europäische Mentalitätsgeschichte,
Stuttgart 1993, S. 606.
754 ScHNYDER, Der Wald in der höfischen Literatur (wie Anm. 747), S. 129.
755 Umfasst bei Johann Heinrich Alsteds »Encyclopaedia« all jene Wissensbereiche, die sich nicht der enzyklopädischen Systematik zuordnen ließen; Ulrich
Johannes SCHNEIDER, Bücher als Wissensmaschinen, in: Ulrich Johannes
SCHNEIDER (Hg.), Seine Welt wissen. Enzyklopädien in der Frühen Neuzeit,
Darmstadt 2006, S. 11.
756 Vgl. den Beitrag von Simon Maria HASSEMER in diesem Band.
757 LE GoFF, Phantasie und Realität (wie Anm. 749), S. 190.
758 Gervais DE LA RuE, Recherches sur les ouvrages des bardes de Ja Bretagne
armoricaine dans Je Moyen Age, Caen 1817.
759 www.broceliande-tourisme.info; www.tourisme-broceliande.com [zuletzt abgerufen am 22. 02. 2013]
s.
331
r~
1
Frank Meier, Ralf H. Schneider (Hg.)
Erinnerungsorte Erinnerungsbrüche
Mittelalterliche Orte, die Geschichte mach( t)en
Jan Thorbecke Verlag
VERLAGSGRUPPE PATMOS
PATMOS
ESCH BACH
GRIJNEWALD
THORBECKE
SCHWABEN
Inhalt
Die Verlagsgruppe
mit Sinn für das Leben
Vorwort . . . .
5
Matthias Becher
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . · · · · · · · · · · ·
Frank Meier, Ralf H. Schneider
7
1. Zwischen Wanderschaft und Zentralismus: Klöster und
Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . · · · · · · ·
27
Das Papsttum im Exil: Viterbo, Anagni und Avignon . . . .
29
Annika Wengeler
Streit um den Ostertermin und Beute der Normannen: lona,
Für Mathias Herweg, den geistigen Vater dieses Bandes, der über
n hinweg das Projekt
einen langen Zeitraum un~Jsfip
ständig wohlwollend begl~i
~
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/J Papler~
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Hergestellt in Deutschland
ISBN 978-3-7995-0230-6 (Print)
Lindisfarne, Whitby . . . . . . . . . . . · · · · · · · · · · ·
Michael Richter (t)
42
Klosterreform und Weltordnung: Montecassino, Aniane,
Cluny . . . . . . . . . . . · · · · · · · · · · · · · · · · ·
50
Annika Wenge/er
11. Kirche und Reich: Gebrochene Erinnerungen der Macht
69
Saint-Denis und Speyer - ewige Kirchen oder gebrochene
Tradition? .
71
Frank Meier
Orte des lnvestiturstreits: Sutri, Worms, Canossa . . . . . .
91
Frank Meier
III. Reichsmystik und Freiheitsträume: Burgen, Pfalzen
und Reichsstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109
Aller Anfang ist klein: Der Hohenstaufen und die Habsburg
111
Katharina Zier/ein
Historie und Reichsmystik: Kyffhäuser und Trifels .
Christian Schneider
124
Aufstieg und Niedergang hoch mittelalterlicher Pfalzen:
Goslar und Gelnhausen . . . . . . . . . . . . . . .
Rainer Leng
140
Die Stadt Konstanz - Kontinuität, Wandel und Erinnerung
Frank Meier
163
Vorwort
Matthias Becher
IV. Zwischen Freiheitstraum und Untergang: Schlachten
~\
und Verträge . . . . .
....................
177
Glück und Unglück der Sachsen: Marklo an der Weser und
Verden an der Aller ......................
Matthias Becher
179
Roncesvalles und St-Guilhem-le-Desert - Orte der
Erinnerung an Glück und Ende zweier Helden ..
Anne/ie Kreft
193
Lechfeld und Marchfeld: Über alles wächst mal Gras ....
Simon Maria Hassemer
205
Der Weingartener Vertrag vom 17./22. April 1525: Ein
verblasster Erinnerungsort . . . . . . . . . . . . . . .
Hans Ulrich Rudolf
219
V. Mediävale Mythen und ihre »realphantastischen«
Landmarken . . . . . . . . . . . . .
Das Priesterkönigreich des Johannes
Ti/oRenz
Tintagel, Glastonbury und Broceliande: Gespinste aus Fiktion
und Realität als »Rezept« zur Überwindung von
Erinnerungsbrüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ralf H. Schneider
Imaginärer Schreckensort im »fernen Osten«: Der
Magnetberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mathias Herweg
Endnoten . . . .
............ . . . . . . . . . . .
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284
Immer wieder ist ein angeblich von Johann Gustav Droysen stammendes Diktum zu lesen und zu hören: Geschichte spiele sich in Raum und
Zeit ab. Tatsächlich sagte der berühmte Gelehrte in seiner Vorlesung
zur Historik: »( ... ) daß der wunderliche Epitomator, der Menschengeist, die Erscheinungen dem Raum nach als Natur, die der Zeit nach
als Geschichte zusammenfasst, nicht weil sie an sich und objektiv
so sind und so sich scheiden, sondern um sie fassen und denken zu
können« (Die Erhebung der Geschichte zum Rang einer Wissenschaft,
in: Historische Zeitschrift 9, 1863, S. 8). Droysen ordnete also die
Geschichte nicht beiden Erscheinungen zu, sondern lediglich der Zeit,
während er den Raum als Natur auffasste. Diese Scheidung hat - und
das war auch Droysen bewusst - etwas Künstliches. Seit der Konstituierung der modernen Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert
wurde auch der Raum als etwas historisch Gewordenes aufgefasst, ging
es ihr doch unter anderem darum, sich ständig wandelnde Grenzen zu
beschreiben und mehr noch: Grenzen überhaupt zu problematisieren.
Einen etwas leichteren Zugang scheint der einzelne Ort zu bieten. Auch
bei ihm verändern sich die Grenzen, und doch bleibt seine Position
in der Landschaft nahezu unverändert. Geschichtliche Erinnerung
macht sich daher besonders an Orten fest. Gerade das Mittelalter ist
durch solche Erinnerungsorte geprägt. Nicht alle von ihnen haben
die Zeiten überdauert. Manche sind zerstört, andere in der Bedeutungslosigkeit versunken. Für alle jedoch gilt: Sie haben ihre Gestalt
nachhaltig verändert. Kein im Mittelalter bedeutsamer Ort, kein im
Mittelalter begonnenes Bauwerk ist in seiner mittelalterlichen Gestalt
erhalten, und an vielen entscheidenden Orten der mittelalterlichen
Geschichte ist überhaupt nichts Mittelalterliches mehr geblieben Aber
die Erinnerung kann fortgeführt oder wieder lebendig werden, auch
5