Gates-Nachfolge Obama baut sein Kriegs-Team um
Der Präsident ist gekommen, um zu reden. Er steht vor den Kameras und Reportern im Presseraum des Weißen Hauses. Aber eigentlich will er nur sagen, dass er nicht reden möchte, zumindest nicht über das, was Thema seines kurzen Auftritts sein soll: die bizarren Debatten um die Frage, ob Barack Hussein Obama, 44. Präsident der Vereinigten Staaten, eigentlich auf amerikanischem Boden geboren ist - wie es die US-Verfassung für den Bewohner des Weißen Hauses zwingend vorschreibt.
Immer wieder haben Verschwörungstheoretiker daran Zweifel geäußert, zuletzt der exzentrische Baulöwe und mögliche republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump ("Es wäre der größte Betrug der Menschheitsgeschichte.") Am Mittwochmorgen veröffentlichte das Weiße Haus erstmals eine Kopie der vollständigen Geburtsurkunde. Aus dieser geht hervor, dass Obama am 4. August 1961 um 19.24 Uhr in Honolulu im Bundesstaat Hawaii das Licht der Welt erblickte. Der Demokrat hatte bereits während des Präsidentschaftswahlkampfes 2008 im Internet eine Kurzfassung der Urkunde veröffentlicht.
Nun sagt Obama: "Wir haben keine Zeit für diesen Unsinn. Ich habe wichtigere Dinge zu erledigen."
Dann ist er weg. Reporter versuchen, ihm noch Fragen nachzuschreien, etwa zum Personalumbau beim US-Geheimdienst CIA. Doch der Präsident enteilt. Dabei ist im Laufe des Tages schon durchgesickert, dass Obama sich längst um diese "wichtigeren Aufgaben" gekümmert hat. Denn er nimmt die bislang größte Umbesetzung seines außenpolitischen Teams in Angriff: Der bisherige CIA-Direktor Leon Panetta soll im Sommer Verteidigungsminister Robert Gates beerben, den einzig verbliebenen Minister der Bush-Jahre und Garant der Sicherheitspolitik Obamas.
Panettas Job beim Geheimdienst wird laut Medienberichten General David Petraeus übernehmen, derzeit noch Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Afghanistan. Doch das ist noch längst nicht alles: Ryan Crocker, der bereits Botschafter im Irak, in Pakistan und Syrien war, soll künftig Amerikas Statthalter in Afghanistan werden - als Nachfolger von Karl Eikenberry, der mit Afghanistans Präsident Hamid Karzai immer wieder aneinandergeraten war.
Wirklich überraschend ist keine der Personalien, die Namen wurden seit Wochen in Washingtoner Kreisen gehandelt. Am Donnerstag soll der Umbau des außenpolitischen Teams offiziell mitgeteilt werden. Panetta will seinen Job am 1. Juli antreten, falls er - wie erwartet - vom Senat bestätigt wird, sagte ein Regierungsmitarbeiter.
Der Abschied von Gates war seit langem angekündigt, auch von dem 67-Jährigen selbst. Überraschend war eher, dass Gates so lange ausharrte. Immer wieder hatte ihn Obama um eine Verlängerung seiner Amtszeit gebeten.
Gates legte sich auch mit seinen Republikanern an
Der Weggang von Gates hat weitreichende Folgen. Denn Obama, in außenpolitischen Angelegenheiten unerfahren und dadurch angreifbar, hatte von ihm stark profitiert. Die "Washington Post" kommentiert: "Es ist schwer vorstellbar, dass es mit der neuen Zusammensetzung genauso glatt laufen wird."
Der Republikaner Gates stand für einen vernünftigen pragmatischen Kurs ohne Ideologie. Geschickt stimmte er sich mit Außenministerin Hillary Clinton ab, etwa beim Werben um mehr US-Truppen in Afghanistan. Erst bei der Entscheidung über einen Militäreinsatz in Libyen waren sie unterschiedlicher Ansicht: Clinton befürwortetet die Mission, Gates gab zu bedenken, "vitale Interessen" der USA seien dort nicht betroffen. Auch diesen Machtkampf hat er rückblickend wohl eher gewonnen. Der Einsatz ist bei den amerikanischen Bürgern längst sehr unbeliebt.
Gates hatte sich auch mit seinen republikanischen Parteifreunden angelegt, weil er den gigantischen Rüstungsetat kürzen wollte, was viele Rechte strikt ablehnen. Diesen Sparkurs muss nun Nachfolger Panetta fortführen, ein ehemaliger demokratischer Kongressabgeordneter, der sich mit Haushaltsfragen gut auskennt. Er hat sich den Respekt der CIA-Angestellten erarbeitet, weil er immer wieder kämpferisch für sie eintrat. Ähnliches erwarten nun auch die Beamten im Pentagon, dem Sitz des US-Verteidigungsministeriums.
Am brisantesten dürfte aber die Ernennung von David Petraeus als CIA-Direktor sein. Der 58-Jährige galt oft als "Bush's General", weil er dessen Truppenaufstockung im Irak zum Erfolg führte, unterstützt von Diplomat Crocker - dessen Anwesenheit in Kabul sich mit der von Petraeus nun zumindest kurz überschneiden dürfte.
Obamas Berater im Weißen Haus beäugten misstrauisch, ob der politisch sehr versierte Petraeus auch eigene politische Ambitionen hegte, etwa eine Präsidentschaftskandidatur für die Republikaner im kommenden Jahr. Durch den CIA-Job dürften diese zumindest für die nahe Zukunft erledigt sein. Doch Petraeus könnte von der neuen Aufgabe dennoch profitieren: Die Geheimdienstaufgabe stärkt seine politische Reputation weiter. George Bush etwa war ebenfalls Chef des Auslandsgeheimdienstes, bevor er Präsident wurde.
Generalleutnant Allen könnte Petreaus ersetzen
Der Wechsel von Petraeus könnte auch Auswirkungen auf den US-Einsatz in Afghanistan haben. Seine Ernennung zum Oberbefehlshaber im Juni 2010 - nach dem unrühmlichen Abgang von Vorgänger Stanley McChrystal, der in einem "Rolling Stone"-Text Politiker als ahnungslose Wichtigtuer abgekanzelt hatte - galt auch als Signal: Amerika wollte es noch einmal wissen in Afghanistan. Unter Petraeus wurde nach dem Vorbild seiner erfolgreichen Irak-Strategie die Zahl ausländischer Soldaten auf zurzeit rund 140.000 Soldaten erhöht, um die aufständischen Taliban zu besiegen.
Verlässt der General nun seinen Posten in Kabul, könnte dies auch einen schnelleren Rückzug der amerikanischen Truppen bedeuten. Zwar soll deren Heimkehr ohnehin im Juli 2011 beginnen. Aber Petraeus hatte stets wenig Zweifel daran gelassen, dass er einen übereilten Abzug für einen Fehler hält. "Ich glaube, der Präsident hat klargemacht", sagte er, "dass es sich um einen Prozess handeln wird, nicht um ein Ereignis, und dass dieser Prozess von Rahmenbedingungen abhängen wird."
Ein Nachfolger als Oberbefehlshaber mit weniger Einfluss könnte den Abzugsplänen der US-Politiker weniger entgegenzusetzen haben. Gehandelt wird für den Job etwa Generalleutnant John Allen, bislang stellvertretender Kommandeur des amerikanischen Zentralkommandos Centcom.
"Vielleicht ist es ganz gut, dass Allen keine so dominierende Persönlichkeit ist - jetzt wo wir diese Qual zum Abschluss bringen wollen", schreibt "Time"-Kolumnist Joe Klein.