Books by Falk Quenstedt
Falk Quenstedt zeigt in seiner Studie zu drei um 1200 entstandenen Reiseerzählungen, dass der Str... more Falk Quenstedt zeigt in seiner Studie zu drei um 1200 entstandenen Reiseerzählungen, dass der Straßburger Alexander, der Herzog Ernst und die Reise-Fassung des Brandan in ähnlicher Weise ein an das Wunderbare und an Narration geknüpftes Wissen eigenen Rechts vermitteln. Dieses ‚mirabile Wissen‘ speist sich aus Mirabilien-Topoi gelehrter Wissenstraditionen und mediterranen Literaturen, insbesondere aus arabischen Erzähltexten und ihren epistemischen Kontexten. Es gewinnt Kontur als ein Wissen von den ‚wundern‘ (lat. mirabilia, arab. ʿaǧāʾib), als ein Wissen über die Verwunderung selbst und als ein Wissen, das von sich aus zu erstaunen vermag. Das mirabile Wissen steht im historischen Zusammenhang sich intensivierender Verflechtungen verschiedener höfischer Kulturen des euromediterranen Raums im 12. und 13. Jahrhundert und bildet ein wesentliches Element ihrer repräsentativen, diplomatischen und geselligen Praktiken.
Ausgehend von transkulturellen Transferanalysen einzelner Episoden entwickelt die Studie neue literarhistorische und interpretative Perspektiven auf die untersuchten Erzähltexte und damit auf die deutschsprachige Literatur um 1200.
Edited Books by Falk Quenstedt
Logbuch Wissensgeschichte. Hg. von Mira Becker-Sawatzky, Katrin Wächter, Helge Wendt, Şirin Dadaş, Anne Eusterschulte, Kristiane Hasselmann, Andrew James Johnston, Falk Quenstedt, Claudia Reufer, Hanna Zoe Trauer, Christian Vogel. Wiesbaden 2024. Das Logbuch Wissensgeschichte gibt vielfältige, inter- und transdisziplinäre Einblicke in Untersu... more Das Logbuch Wissensgeschichte gibt vielfältige, inter- und transdisziplinäre Einblicke in Untersuchungsverfahren, materiale Forschungsgegenstände sowie begriffliche Instrumentarien des Sonderforschungsbereichs 980 Episteme in Bewegung. Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit. Die hier zusammengeführten Studien und konzeptuellen Überlegungen zu Wissen in vormodernen Kontexten eröffnen in fünf Fokusbereichen – Modi, Material & Medium, Praktiken, Macht, Momentum – unterschiedliche Perspektiven auf ‚Episteme in Bewegung‘ und damit auf zwölf Jahre Verbundforschung. In den Beiträgen werden Begriffe und Konzepte in ihrer Produktivität für konkrete Fallstudien und ihre jeweiligen Forschungsgegenstände navigatorisch erprobt, reflektiert, präzisiert und zugleich in Bewegung gehalten. Das hier entfaltete Forschungsspektrum versteht sich als Ausgangspunkt, um den Leser⋅innen Anregungen für zukünftige Forschungen zu bieten.
Die mediterrane Welt des Mittelalters und der Frühen Neuzeit ist durch vielfältige transkulturell... more Die mediterrane Welt des Mittelalters und der Frühen Neuzeit ist durch vielfältige transkulturelle Verflechtungen geprägt, bedingt durch Dynastien, religiöse Gruppenbildungen, Handelsverbindungen, Pilgerreisen, Kriegszüge, Fluchtbewegungen, Seeraub und Sklaverei. Deutschsprachige Akteur·innen haben solche Konnektivitäten auf vielfältige Weise und in unterschiedlichen Konjunkturen mitgeprägt. Der Band fragt vor dem Hintergrund jüngerer geschichtswissenschaftlicher, kunst- und kulturhistorischer sowie romanistischer Forschungen, die das Mediterraneaum als einen transkulturellen Interaktionsraum nicht nur der Akteure und Dinge, sondern auch der Sprachen und Literaturen zeigen, nach seiner spezifischen Relevanz auch für die deutsche Literatur der Vormoderne. Die germanistischen, romanistischen, jiddistischen und kunsthistorischen Beiträge des Bandes untersuchen, wie deutschsprachige Texte mit literarischen Traditionen der Mittelmeerregion vernetzt sind, wie sie das Mittelmeer darstellen und funktionalisieren, sowie welche Poetiken sie in Bezug auf das Mittelmeer entwickeln, sei es als Vehikel der Selbststilisierung oder im Sinne geteilter Ästhetiken und Episteme. Der Band verdeutlicht, wie eine mediterrane Rahmung als heuristische Alternative zu nationalphilologischen und eurozentrierten Betrachtungsweisen die Entwicklung transkultureller Perspektiven auf die deutsche Literatur der Vormoderne befördern kann.
In den Wunderkammern der Frühen Neuzeit werden außergewöhnliche Objekte versammelt und einem exkl... more In den Wunderkammern der Frühen Neuzeit werden außergewöhnliche Objekte versammelt und einem exklusiven Publikum präsentiert. Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften und Materialitäten sind die ausgestellten Artificialia, Naturalia und Exotica darauf ausgerichtet, bei Betrachtern Staunen auszulösen. Aspekte des Erzählens spielen hierfür eine wesentliche Rolle: hinsichtlich der literarischen Vorgeschichte(n) der Wunderkammer oder des Zusammenspiels multipler ‚Objektbiografien‘, aufgrund narrativer Elemente in Formen der räumlichen Zusammenstellung, Ordnung und Präsentation oder wegen der seriell und perspektivisch bestimmten Erfahrungen der Besucher. Damit eng verknüpft ist vor allem im höfischen Kontext die politische Funktionalisierung von Wunderkammern. Das Sammeln wertvoller Dinge und die damit verbundene Repräsentation von Wissen generieren kulturelles und symbolisches Kapital. Praktiken der Kombination, Unterscheidung und Narration definieren Wissensbereiche und verfestigen sie institutionell. Die Beiträge des Sammelbands widmen sich diesen narrativen, institutionellen und materiellen Dimensionen von Wunderkammern in theoretisch und methodisch grundlegender Weise und beziehen diese aufeinander; damit sind sie Versuche, die Forschung an der Schnittstelle zwischen Literatur-, Wissens- und Museumsgeschichte für die Mediävistik und Frühneuzeitforschung produktiv zu machen.
Marsilio Ficino, Protegé Cosimos, Pieros und Lorenzos von Medici, gilt als Zentralgestalt des ita... more Marsilio Ficino, Protegé Cosimos, Pieros und Lorenzos von Medici, gilt als Zentralgestalt des italienischen Renaissance-Platonismus. Mit den Übersetzungen der Dialoge Platons, der Schriften Plotins und des Corpus Hermeticum sowie durch eine theoretische Verknüpfung von antiker Philosophie mit christlicher Religion übte er einen unübersehbar großen Einfluss auf die europäische Wissenschafts- und Geistesgeschichte aus. Im Zentrum seines Theorie-Gebäudes steht ein komplexes Konzept von Magie, dessen Konstruktion bis heute erforscht wird. Es hat dem Band den Titel gegeben, dessen Themen sich Ficinos intellektuellem Horizont entsprechend jedoch in eine Vielzahl weiterer Aspekte ausdifferenzieren. Diese literarisch-künstlerischen, literaturwissenschaftlichen, wissenschaftshistorischen und philosophisch-theologischen Implikationen von Ficinos Schriften werden paradigmatisch und vergleichend behandelt.
Zugleich gibt das Programm des Sonderforschungsbereichs „Episteme in Bewegung“ einen analytischen Rahmen vor, mit dem an derzeit übergreifend verfolgte wissenshistorische Neu-Positionierungen angeknüpft werden kann. Es verspricht, sich auf Ficinos Schriften gewinnbringend beziehen zu lassen und zugleich neue Bereiche seines Einflusses zu erschließen. So sind Kontinuität, Verlauf und die mögliche Logik von Transferbewegungen von Wissen genauer abzubilden als durch die bislang zumeist sehr allgemein hypostasierte „europäische Rezeption“ der Arbeiten von Ficino.
Articles by Falk Quenstedt
Logbuch Wissensgeschichte. Hg. von Mira Becker-Sawatzky, Katrin Wächter, Helge Wendt, Şirin Dadaş, Anne Eusterschulte, Kristiane Hasselmann, Andrew James Johnston, Falk Quenstedt, Claudia Reufer, Hanna Zoe Trauer, Christian Vogel, 2024
Unter dem Wunderbaren wird hier in einem engeren Sin ne eine in mi elalterlichen Erzähltexten au ... more Unter dem Wunderbaren wird hier in einem engeren Sin ne eine in mi elalterlichen Erzähltexten au re ten de Wissenskonfi gura on verstanden, in deren Rah men durch die Darstel lung unvertrauter und rät sel ha er Phänomene ein Er kennt nisprozess ange stoßen wird, in dem ästhe sche und epistemische Ver fah ren nicht voneinander zu trennen sind. Diese Kon zep on des Wunder ba ren liegt der Arbeit des SFB-Teilprojekts "Das Wun der bare als Konfi gura on des Wissens in der Li te ratur des Mi el alters" zugrunde.
Logbuch Wissensgeschichte. Hg. von Mira Becker-Sawatzky, Katrin Wächter, Helge Wendt, Şirin Dadaş, Anne Eusterschulte, Kristiane Hasselmann, Andrew James Johnston, Falk Quenstedt, Claudia Reufer, Hanna Zoe Trauer, Christian Vogel. Wiesbaden, 2024
Bei dem farblich hinterlegten altenglischen Text handelt es sich um ein Rätsel. Es ist in einer H... more Bei dem farblich hinterlegten altenglischen Text handelt es sich um ein Rätsel. Es ist in einer Handschrift des ausgehenden 10. Jahrhunderts, dem sogenannten Exeter Book (Exeter Cathedral Library MS 3501), überliefert. An dem kurzen Text werden mehrere Eigenschaft en und Wirkungspotentiale der Textsorte ‚Rätsel' unmittelbar erkennbar: Eine Frage wird gestellt, ohne sie explizit
in: Literarische Organotechnik. Studien zu einer Diskurs- und Imaginationsgeschichte, hg. von Lars Koch, Sarah Neelson und Julia Prager. Berlin Boston 2024, S. 39–65, 2024
Organotechniken der Mobilität im höfischen Roman Moderne Technikbegriffe blendendie Rolle vonTier... more Organotechniken der Mobilität im höfischen Roman Moderne Technikbegriffe blendendie Rolle vonTierenund allgemein Organischem für technische Prozesse weitgehend aus: Beide werden als natürliche Ressourcen betrachtet, die ähnlichw ie spezifischeM aterialien oder vorfindliche Räume und natürliche Vorgängevon Technikengenutzt werden, diese aber kaum nennenswert prägen und ihrerseits voni hnen unberührt bleiben (vgl. Ferrari 2013). Wenn es denn aber technikgeschichtlich zutrifft,dass der primäre "Beitrag des lateinischen Mittelalters zur Entwicklungd er Technik […]i nd er zunehmenden und ständig verbesserten Ausnutzung des Tieres,d es Windes und des bewegten Wassers" (Wieland 1983, 258) besteht,soist zumindest anzunehmen, dass die Beteiligung von organischen undtierischen Faktoren an technischen GefügenimMittelalteranders bewertet wird als in der Moderne,doch ist das keinesfalls ausgemacht.F olgt man der Argumentation des Wissenschaftshistorikers und SoziologenB runo Latour, zeichnet sich die Moderne gerade durch eine konstitutive Blindheit für organische und animalische Elemente vonT echnik aus, worin er einen Effekt der ‚Reinigungspraktiken' der Modernens ieht,d ie in der Selbstbeschreibungi hresT uns Elemente vonK ultur und Natur,v on Menschlichem und Nicht-Menschlichem, von Diskursivemu nd Materiellem penibel trennen, nur um sie in der Praxis umso besser miteinander vermischen zu können (Latour 2008;2014). Unter dem Eindruck dieser und anderer Impulse haben die Science-und Technology Studies die Rolle nicht-menschlicher Faktoren bei der Herausbildung vonT echniken und als elementare Bestandteile voni hnen genauer untersucht und dadurch teilweise überhaupt erst in das Bewusstseingerückt(vgl. die Einleitung in Bauer,Voigt, und Lemke 2017). Besonders Vertreter:innen der feministischen Wissenschaftsforschung nehmen gezielt organotechnische Gefüge in den Blick, um den Anteil etwa vonTieren in Erkenntnisprozessen zu würden. So widmet sich DonnaHaraway in ihren Arbeiten z. B. der ‚OncoMouse TM ',einer zu Forschungszwecken genetisch modifizierten und
Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 260, 2 , 2023
Der Beitrag untersucht vergleichend Darstellung und Funktionalisierung des Flaschengeist-Motivs i... more Der Beitrag untersucht vergleichend Darstellung und Funktionalisierung des Flaschengeist-Motivs in der Magnetberg-Episode des ‚Reinfrit von Braunschweig‘ und der arabischen ‚Geschichte von der Messingstadt‘ in der Fassung von ‚Tausendundeine Nacht‘. Beide Erzähltexte nutzen die im Motiv implizierte Möglichkeit der Verschränkung verschiedener historischer Zeiten in ihren je spezifischen kulturellen Kontexten und arbeiten dabei mit einer Wissenspoetik des Wunderbaren, die hier darauf zielt, heilgeschichtliche Vergangenheiten zu vergegenwärtigen. Die Flaschengeister werden als autoreflexive Figurationen der Praxis des Erzählens gedeutet, das strukturell ebenfalls differente Zeiten (‚Erzählzeit‘ und ‚erzählte Zeit‘) miteinander verschränkt.
Using a comparative approach, the paper examines the function and representation of the ‘genie in the bottle’ motif in one episode of the High Middle German romance ‘Reinfrit von Braunschweig’ and the Arabic tale of ‘The City of Brass’ (in the version of the ‘Arabian Nights’). Each narrative, in its respective cultural context, utilizes the motif’s potential to produce an entanglement of different historical times. By confronting the characters and audiences with events from the distant past, they elicit reactions of wonder. The figure of the genie will be interpreted as an auto-reflexive figuration of narrative practice itself, which likewise interweaves different temporalities (time of telling and time told).
Wunderkammern. Materialität, Narrativik und Institutionalisierung von Wissen, 2022
Der Beitrag untersucht Bezüge deutschsprachiger mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Erzählt... more Der Beitrag untersucht Bezüge deutschsprachiger mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Erzähltexte zur Sammlungs- und Repräsentationspraxis der Kunst- und Wunderkammern, wobei er den transkulturellen Dimensionen dieser Bezüge besondere Aufmerksamkeit widmet. Die Untersuchung konzentriert sich auf drei paradigmatische Situationen: Zunächst soll mithilfe einer kursorischen Betrachtung verschiedener narrativer Darstellungen von Gabenhandlungen – vor allem des 'Fortunatus'-Romans – die Nähe transkultureller höfischer Gabenpraktiken, für die der Austausch besonders staunenswerter und fremder Objekte kennzeichnend ist, zur Entstehung der Kunst- und Wunderkammern aufgezeigt werden. Anhand der Transfergeschichte der mittelalterlich-frühneuzeitlichen 'Herzog Ernst'-Tradition wird anschließend nachvollzogen, wie sich Narrative, deren Genese im Zusammenhang dieser transkulturellen höfischen Praktiken gesehen werden kann, im 15. und 16. Jahrhundert in Relation zum Wandel der Repräsentations- und Sammlungskultur verändern. Mit Blick auf die Sagentradition um Heinrich den Löwen und auf ein typisches Wunderkammer-Exponat – eine sogenannte ‚Greifenklaue‘ – wird schließlich beleuchtet, wie das Zusammenspiel aus Erzählung und Präsentation Geltung für Herkunftsnarrative herstellen und auf dieser Grundlage Staunen provozieren kann.
Kairoer germanistische Studien (2019/2020), 2022
Some medieval German narratives differ from European narrative and knowledge traditions regarding... more Some medieval German narratives differ from European narrative and knowledge traditions regarding their themes and motifs. Many of them show analogies to Arabic literature, especially epi¬sodes depicting marvels. The paper argues that such narrative sequences impart a ‘marvelous knowledge’ (‘mirabiles Wissen’) of a transcultural scope. It can be seen as part of a Mediterranean ‘text-network’ of travel narratives. Two investigations (into the Grippia-episode of 'Herzog Ernst' B and the Parklise-episode of Johann of Würzburg’s 'Wil(d)helm von Österreich') scrutinize how these narratives – in transferring bodies of religious, natural historic and cosmologic knowledge into new contexts – provoke epistemic irritations that can be productive for poetics of the marvelous. Since they are – as associates of the same text-network – interlinked with the German texts, the paper also consults the story of 'Saif al-Mulūk' and the 'Sīrat Saif ibn Ḏī Yazan'. The relatedness of the narratives becomes apparent through structural, motivic and thematic parallels.
Things and Thingness in European Literature and Visual Art, 700–1600, 2021
Taking up theoretical impulses from actor-network theory (ANT) and Bruno Latour, the paper wants ... more Taking up theoretical impulses from actor-network theory (ANT) and Bruno Latour, the paper wants to show that the description of Enite's horse in Hartmann of Aue's "Erec" can be qualified as an inventory of courtly narrative: in pointing out different entities that form part of this art or craft, the description seeks to account for the specific “actors” and “associations” peculiar to it. Furthermore, this inventory, in presenting courtly narrative as a form of art or craft requiring certain materials and skills for its accomplishment, also points to the peculiar forms of sensory experience it provokes and its peculiar “mode of existence.” By accounting for the many “things” that courtly narrative is made of (with “thing” understood not as an isolated object but as a material/immaterial site of intertwining, of assembling, of quarreling, that only comes to the fore because it takes part in an actor network), the text tries to specify and develop a set of criteria by which courtly narrative should be judged. In so doing, it stresses the experience of time in particular as one aspect of the sensual experience of narrative.
Wissen 'en miniature'. Theorie und Epistemologie der Anekdote. Hg. v. Matthias Grandl und Melanie Möller, 2021
Marco Polos und Rustichello da Pisas ‚Divisament dou monde‘ ist ein deskriptiver Text, beinhaltet... more Marco Polos und Rustichello da Pisas ‚Divisament dou monde‘ ist ein deskriptiver Text, beinhaltet aber auch narrative Elemente, zu denen einige Anekdoten gehören. Der Beitrag zeigt, wie die Anekdoten in der Welt- und Reisebeschreibung vor allem für die Vermittlung des um 1300 neuen historischen Wissens über die Mongolen funktional werden. Ein weiteres Augenmerk liegt auf dem diachronen Transfer dieser Anekdoten in zwei deutschsprachige Fassungen des Spätmittelalters (Heydnische Chronik, Mitte des 14. Jahrhunderts; Inkunabel-Fassung, gedruckt 1477/1481 in Nürnberg). Das neue Wissen über die Mongolen wird in diesen Fassungen gänzlich oder in Teilen negiert, woran Änderungen an den Anekdoten mitwirken. Die Untersuchung geht von Theorien der Anekdote als epistemische Kategorie im New Historicism (Joel Fineman, Stephen Greenblatt) aus und betrachtet auf dieser Grundlage ihre mediatorische Funktionalisierung im ‚Divisament‘ vor allem mit Blick auf Dimension des Sozialen und der Transkulturalität.
Marco Polo and Rustichello da Pisa's ‚Divisament dou monde‘ is mainly a descriptive text, but also contains narrative elements, which include anecdotes. The paper shows how these anecdotes take on certain functions, especially for conveying new historical knowledge about the Mongols. Another focus is on the diachronic transfer of these anecdotes into two German-language versions of the late Middle Ages ('Heydnische Chronik', mid-fourteenth century; Inkunabel-version, printed in Nuremberg in 1477/1481). The new knowledge about the Mongols is entirely or partially rejected in these versions, which is also determined by changes to the anecdotes. The study draws on theories of the anecdote as an epistemic category in New Historicism (Joel Fineman, Stephen Greenblatt) and, on this basis, considers the mediatory function of anecdotes in the ‚Divisament‘ and its later versions, especially concerning social and transcultural aspects.
Darstellung und Geheimnis in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Jutta Eming und Volkhard Wels, Wiesbaden, 2021
Bei seinen Streifzügen durch den "Wald der Fiktionen" stellt Umberto Eco fest: "Wenn etwas Großes... more Bei seinen Streifzügen durch den "Wald der Fiktionen" stellt Umberto Eco fest: "Wenn etwas Großes und Aufregendes geschehen soll, muß die Kunst des Hinhaltens kultiviert werden." 1 Dem Jüngeren Titurel geht es zweifellos um Großes. Das zeigt schon allein der Umfang dieses Textes von rund 6300 Strophen, was 45000 Reimpaarversen entspricht. 2 Aber geht es ihm auch um Aufregendes? Wohl kaum, zumindest nicht in den Augen der älteren Forschung. So wurde dem Roman nicht nur seine Fülle an ausgreifenden und ständig eingestreuten gelehrten Exkur sen zu Tugenden und Naturkunde zum Vorwurf gemacht, sondern auch sein Man gel an Spannung: Der Text sei einfach langweilig. 3 Eine "Kunst des Hinhaltens" im Sinne spannungsvollen, aufregenden Erzählens sei dem Jüngeren Titurel gleichgültig, der Text schildere eine Welt ohne Geheimnis 4 und ersetze Erzählen durch Lehre. 5 In diesem Sinne wurde denn auch die vielzitierte Prologaussage, dass "[d]irre avent ᵉ ure kere […] nicht wan ein lere" (65,1f.; "die Wendungen der Erzäh
Wissensoikonomien Ordnung und Transgression vormoderner Kulturen, 2021
https://www.harrassowitz-verlag.de/Wissensoikonomien/titel_6666.ahtml
Germanistik zwischen Tradition und Innovation. Akten des XIII. IVG-Kongresses Shanghai. Bd. 8, hg. v. Jianhua Zhu, Jin Zhao u. Michael Szurawitzki. Frankfurt a. M., 2017
handeln nicht nur von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen ("heiden"... more handeln nicht nur von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen ("heiden"), sondern auch von Friedensschlüssen und Austauschbeziehungen zwischen ihnen. Im Graf Rudolf werden dabei kulturelle Grenzziehungen vorgenommen, die mit einem unversöhnlichen Antagonismus von Christen und Muslimen nicht übereinstimmen, sondern ihn sogar gezielt unterlaufen. Im Herzog Ernst B enthält das Erzählmaterial selbst wahrscheinlich Spuren eines solchen Austauschs, worauf Motivparallelen zu arabischen Texten hindeuten. Diese erzählerischen Darstellungen und Vollzüge transkultureller Transfers sind in verschiedener Weise durch ein konstruktives Vergessen geprägt.
Religiöse Erfahrung – Literarischer Habitus, hg. v. d. Japanischen Gesellschaft für Germanistik, unter der Leitung von Yoshiki Koda. München , 2020
Dem Wunderbaren werden poetische Verfahren zugezählt, die darauf zielen, Momente der Verwunderung... more Dem Wunderbaren werden poetische Verfahren zugezählt, die darauf zielen, Momente der Verwunderung künstlich herzustellen, wobei vor allem die Neuheit oder Fremdheit eines Phänomens grundlegend für dessen Wirkung ist. Wenn es um die Vermittlung und Ermöglichung religiöser Erfahrung geht, macht die Dimension des Künstlichen
das Wunderbare jedoch prinzipiell verdächtig. Denn dem medial
vermittelten Wunderbaren kann immer zum Vorwurf gemacht werden,
nur ästhetischer Effekt zu sein. Das gilt nicht zuletzt für das Medium des Erzählens, das in gelehrten Diskursen des Mittelalters regelmäßig der Lüge bezichtigt wurde. Andererseits sind Wunder nur durch Berichte, also Erzählungen, auch jenen zugänglich, die sie nicht unmittelbar erfahren haben. Für die Vermittlung der Wunder ist Erzählen also unumgänglich, bedarf aber umso mehr der Beglaubigung.
Zwei deutschsprachige Erzähltexte aus ganz unterschiedlichen historischen und kulturellen Zusammenhängen machen die Problematiken, welche der skizzierte Nexus von Innovativität oder Alterität des Wunderbaren, religiöser Erfahrung und nötiger Legitimierung produziert, zum Gegenstand autoreflexiver poetischer Verfahren: Zum einen die eng mit irischen Erzähltraditionen verbundene ‚Reise‘-Fassung des ‚Brandan‘ (2. H. 12. Jh.), zum anderen der Roman ‚Die Toten‘ von Christian Kracht (2016), der vielfältig japanische Geschichte, Kultur und Literatur verarbeitet. Beide Texte knüpfen dabei ‚Mirabile Texturen‘. Sie tun dies auf zweierlei Weise: Erstens durch narrative Verfahren der Selbst-Beglaubigung, die metaleptische Strukturen produzieren, zweitens durch Hybridisierungen von Erzähl- und Wissenstraditionen, die unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen angehören und so Fremdheitseffekte erzeugen und reflektieren.
Working Papers des SFB 980, 2018
Die Working Papers werden herausgegeben von dem an der Freien Universität Berlin angesiedelten So... more Die Working Papers werden herausgegeben von dem an der Freien Universität Berlin angesiedelten Sonderforschungsbereich 980 Episteme in Bewegung. Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit und sind auf der Website des SFB sowie dem Dokumentenserver der Freien Universität Berlin kostenfrei abrufbar: www.sfb-episteme.de und http://refubium.fu-berlin.de Die Veröffentlichung erfolgt nach Begutachtung durch den SFB-Vorstand. Mit Zusendung des Typoskripts überträgt die Autorin/der Autor dem Sonderforschungsbereich ein nichtexklusives Nutzungsrecht zur dauerhaften Hinterlegung des Dokuments auf der Website des SFB 980 sowie dem Refubium der Freien Universität. Die Wahrung von Sperrfristen sowie von Urheber-und Verwertungsrechten Dritter obliegt den Autorinnen und Autoren. Die Veröffentlichung eines Beitrages als Preprint in den Working Papers ist kein Ausschlussgrund für eine anschließende Publikation in einem anderen Format. Das Urheberrecht verbleibt grundsätzlich bei den Autor/innen. Zitationsangabe für diesen Beitrag: Eming, Jutta; Quenstedt, Falk u. Renz, Tilo: Das Wunderbare als Konfiguration des Wissens -Grundlegungen zu seiner Epistemologie, Working Paper des SFB 980 Episteme in Bewegung, No. 12/2018, Freie Universität Berlin Stable Epistemologie Mit dem späten 16. Jahrhundert tritt das Wunderbare als Kategorie für eine volkssprachliche literarische Ästhetik hervor. 1 In diesem Sinne ist es von der literaturwissenschaftlichen Forschung vielfach aufgenommen und analysiert worden. Darüber hinaus lässt sich das Wunderbare als ästhetische Kategorie auch bereits für vorgängige literarische Texte, wie die des Mittelalters, produktiv geltend machen. Um das Wunderbare angemessen erfassen zu können, gilt es allerdings, über die ästhetische Perspektive hinaus seine Bedeutung für die Wissenschafts-und Wissensgeschichte in den Blick zu nehmen. Denn auch in diesem Zusammenhang hat das Wunderbare bereits im Mittelalter eine zentrale Rolle gespielt. Die epistemische Dimension des Wunderbaren haben Lorraine Daston und Katharine Park mit ihrer bedeutenden Studie Wonders and the Order of Nature 1150-1750 herausgestellt und in den wissenschaftsgeschichtlichen Debatten fest verankert. 2 Im Rahmen des Berliner Sonderforschungsbereichs 980 Episteme in Bewegung. Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit arbeitet das Teilprojekt der Germanistischen Mediävistik, unter der Leitung von Jutta Eming, daran, das Wunderbare der deutschsprachigen erzählenden Literatur des Mittelalters in seinen epistemischen Dimensionen angemessen zu beschreiben. Die folgenden Ausführungen bieten eine Zwischenbilanz dieser Arbeit. Die Autoren stellen einen Begriff des Wunderbaren vor, der wissensgeschichtliche Implikationen ernst nimmt und zugleich die Analyse der unterschiedlichen Darstellungsformen, in denen das Wunderbare seinen historischen und zeitgenössischen Rezipienten entgegen tritt, als ästhetische Dimension in die Analyse mit einbezieht. Welche Merkmale das Wunderbare auszeichnen, wenn man es als ästhetische Kategorie ebenso wie als Kategorie des Wissens versteht, werden die folgenden Ausführungen anhand von fünf Punkten zeigen: Das Wunderbare wird 1) als Wahrnehmungseffekt, 2) als beglaubigtes Wissen, 3) als Schreibweise, 4) als Verknüpfung von Wissensbereichen und 5) als Verknüpfung von Wissensformen charakterisiert. Um sich dem 1 Vgl. Barck, Karlheinz: (Art.) Wunderbar, in: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Bd. 6, hg. v. dems. u. a. Stuttgart und Weimar 2005, S. 730-773, hier S. 737ff. Im Deutschen wird das Adjektiv ‚wunderbar' (wunderbaere) im Mittelalter gelegentlich, ab dem 16. Jh. dann regelmäßig verwendet. Vgl. einführend Jutta Eming: Funktionswandel des Wunderbaren. Studien zum ‚Bel Inconnu', zum ‚Wigalois' und zum ‚Wigoleis vom Rade'. Trier 1999, S. 27-37, hier S. 31f.; Walter Haug: Die komische Wende des Wunderbaren: arthurische Grotesken, in: Das Wunderbare in der arthurischen Literatur. Probleme und Perspektiven, hg. v. Friedrich Wolfzettel. Tübingen 2003, S. 159-174. 2 Lorraine Daston und Katharine Park: Wonders and the Order of Nature, 1150-1750. New York 1998. 2 Wunderbaren in wissensgeschichtlicher Perspektive nähern zu können, erweist sich ein dynamisches Wissensverständnis als notwendig, das mit zeitlichen und räumlichen Transfers rechnet sowie mit wissensspezifischen Veränderungen, die mit jeder einzelnen Darstellung eines Phänomens, das dem Wunderbaren zuzuordnen ist, einher gehen. Wissen wird damit sowohl als ein Wissen in Bewegung verstanden als auch als ein hochgradig diversifiziertes Konglomerat, in dem unterschiedliche Bereiche und Formen des Wissens in geordneter Weise ineinander greifen. 1) Das Wunderbare als Wahrnehmungseffekt (Straßburger Alexander) Wenn Figuren einer mittelalterlichen Erzählung sich wundern, über etwas staunen, von etwas fasziniert und in den Bann gezogen sind oder auch gegenüber etwas Unbekanntem, Geheimnisvollen in Furcht geraten, werden diese Reaktionen nicht allein durch das Objekt oder das Geschehen, über das sie sich wundern, bestimmt, sondern auch durch ihr Verhältnis zu ihm. Weicht etwas von gewohnten Ordnungen und vom gewohnten Lauf der Dinge ab, so kann das Staunen auslösen, eine Reaktion, die anzeigt, dass die ursächliche Herleitung des Phänomens oder seine Einbindung in bekannte Klassifikationsformen des Wissens zumindest vorübergehend nicht gelingt. Das Wunderbare ist damit grundsätzlich relational: Es entsteht im Zuge eines Wahrnehmungsprozesses, bei dem Objekt und Subjekt der Wahrnehmung in ein Wechselverhältnis treten und eine Interaktion zwischen Wahrgenommenem und Wahrnehmendem stattfindet. Es ist also immer ein Wissenshorizont des Gewohnten vorauszusetzen, vor dem und im Verhältnis zu dem sich das Wunderbare als ein Wahrnehmungsprozess entfaltet. Diese Relationalität des Wunderbaren wurde auch historisch erkannt. Sie zeigt sich deutlich an einem reflexiven Topos, wonach das Eigene alsVertrautes aus der Perspektive eines Fremden zu etwas Unvertrautem und damit zum Wunderbaren wird. 3 3 Daston/Park: Wonders, S. 34 sprechen vom "topos of the relativity of the marvelous" und zitieren auf S. 35 eine Reflexion Jakobs von Vitry: "We know that all works of God are marvelous [mirabilia], although those who are accustomed to look on them often are not moved by wonder [admiratione]. For perhaps the cyclops, who all have one eye, marvel as much at those who have two eyes as we marvel at them, or at others with three eyes." "Scimus enim quod omnia Die opera mirabilia sunt, licet per usum et consuetudinem hi qui frequenter ea intuentur nulla admiratione moveantur. Cyclopes enim, qui omnes monoculi sunt, non minus forsan hos qui duos habent oculos admirantur, quam nos ipsos vel aliios qui tres oculos haberent admiraremur." Jacques de Vitry: Histoire Orientale, Historia orientalis. Introduction, edition critique et traduction par Jean Donnadieu. Turnhout 2008, S. 406/407, zit. nach: Mireille Schnyder: Überlegungen zu einer Poetik des Staunens, in: Wie gebannt -Ästhetische Verfahren der affektiven Bindung von Aufmerksamkeit, hg. v. Martin Baisch, Andreas Degen und Jana Lüdtke. Freiburg 2013, S. 95-113, hier S. 98, FN 9. Schnyder betrachtet hier das Staunen ebenfalls als durch die "Perspektivität des Wissens" geprägt: "Das staunenswerte Fremde, Unbekannte, Ungeheure ist damit immer von einem je unvollständigen eigenen Wissen her definiert, was das Staunen eng an die je spezifische Perspektive bindet: Für den Zyklopen sind wir die Staunenswerten." (Ebd.) Unter dieser Perspektive kommt das Staunens mit Augustinus allerdings immer nur als Marker eines defizitären menschlichen Wissens in den Blick. Das verstellt einen überhistorisch neutralen Zugriff auf eine Ästhetik des Wunderbaren und dessen Funktionalität. 16 So schon bei Homer, vgl. Wandhoff: Ekphrasis, S. 37.
Dieser Artikel erfasst literarische Orte, die im fernen Osten der Erzählwelt lokalisiert werden u... more Dieser Artikel erfasst literarische Orte, die im fernen Osten der Erzählwelt lokalisiert werden und Merkmale aufweisen, die wissensvermittelnde Texte des Mittelalters einer als India bezeichneten Erdregion zuschreiben. Diese mittelalterlichen Informationen über Indien weichen von heutigem Wissen über den asiatischen Subkontinent vielfach ab. Die ergänzende Bezeichnung als ‚Mirabilienorient'1 resultiert daraus, dass der Ort 1. als Erfahrungsraum des Wunderbaren fungiert, d. h. als Ort, an dem mirabilia begegnen (lat. Pluralform des substantivierten Adjektivs lat. mirabile für ‚wunderbar', ‚erstaunlich'; mhd. wunder n.), 2. von einem anderen literarischen ‚Orient' zu unterscheiden ist, in dem vor allem der Gegensatz zwischen Christen und Muslimen (mhd. heiden m., lat. saraceni) virulent ist2 ("Kreuzzugsorient"3, "nahe Heidenwelt"4), und dass der Ort -oder ihm zuzurechnende Lokalitäten -3. auch mit anderen Namen als mit India bezeichnet sein können, etwa mit "Arimaspî" (ErnstB_(B) 5115) oder "Crisa" (HvNstAp 13480).
Das Wunderbare. Dimensionen eines Phänomens in Kunst und Kultur, hg. v. Stefanie Kreuzer und Uwe Durst, unter Mitarbeit von Caroline Frank, 2018
Spielarten des Wunderbaren in Kunst und Kultur Ein geflügelter Fisch, der am Himmel fliegt und ei... more Spielarten des Wunderbaren in Kunst und Kultur Ein geflügelter Fisch, der am Himmel fliegt und einem Paar als Reittier dient (Abb. l); ein Spiegel, durch den Menschen ins Reich der Toten eintreten; die Fähigkeit, übers Wasser gehen zu können; die Auferweckung von Toten; eine Reise durch die Zeit; eine Skulptur, die entgegen chemisch-physikalischer Plausibilitiit nicht erkaltet-das alles sind mögliche Spielarten des ,Wunderbaren,. Abb. l: Hieronymus Bosch: Die Versuchung des heiligen Antonius. Triptychon (Detail des rechten Innenflügels), Öl auf Holz, 131 x 238 cm, um 150 l oder später. Museu Nacional de Arte Antiga, Lissabon V Wunderbares und Religion
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Books by Falk Quenstedt
Ausgehend von transkulturellen Transferanalysen einzelner Episoden entwickelt die Studie neue literarhistorische und interpretative Perspektiven auf die untersuchten Erzähltexte und damit auf die deutschsprachige Literatur um 1200.
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Zugleich gibt das Programm des Sonderforschungsbereichs „Episteme in Bewegung“ einen analytischen Rahmen vor, mit dem an derzeit übergreifend verfolgte wissenshistorische Neu-Positionierungen angeknüpft werden kann. Es verspricht, sich auf Ficinos Schriften gewinnbringend beziehen zu lassen und zugleich neue Bereiche seines Einflusses zu erschließen. So sind Kontinuität, Verlauf und die mögliche Logik von Transferbewegungen von Wissen genauer abzubilden als durch die bislang zumeist sehr allgemein hypostasierte „europäische Rezeption“ der Arbeiten von Ficino.
Articles by Falk Quenstedt
Using a comparative approach, the paper examines the function and representation of the ‘genie in the bottle’ motif in one episode of the High Middle German romance ‘Reinfrit von Braunschweig’ and the Arabic tale of ‘The City of Brass’ (in the version of the ‘Arabian Nights’). Each narrative, in its respective cultural context, utilizes the motif’s potential to produce an entanglement of different historical times. By confronting the characters and audiences with events from the distant past, they elicit reactions of wonder. The figure of the genie will be interpreted as an auto-reflexive figuration of narrative practice itself, which likewise interweaves different temporalities (time of telling and time told).
Marco Polo and Rustichello da Pisa's ‚Divisament dou monde‘ is mainly a descriptive text, but also contains narrative elements, which include anecdotes. The paper shows how these anecdotes take on certain functions, especially for conveying new historical knowledge about the Mongols. Another focus is on the diachronic transfer of these anecdotes into two German-language versions of the late Middle Ages ('Heydnische Chronik', mid-fourteenth century; Inkunabel-version, printed in Nuremberg in 1477/1481). The new knowledge about the Mongols is entirely or partially rejected in these versions, which is also determined by changes to the anecdotes. The study draws on theories of the anecdote as an epistemic category in New Historicism (Joel Fineman, Stephen Greenblatt) and, on this basis, considers the mediatory function of anecdotes in the ‚Divisament‘ and its later versions, especially concerning social and transcultural aspects.
das Wunderbare jedoch prinzipiell verdächtig. Denn dem medial
vermittelten Wunderbaren kann immer zum Vorwurf gemacht werden,
nur ästhetischer Effekt zu sein. Das gilt nicht zuletzt für das Medium des Erzählens, das in gelehrten Diskursen des Mittelalters regelmäßig der Lüge bezichtigt wurde. Andererseits sind Wunder nur durch Berichte, also Erzählungen, auch jenen zugänglich, die sie nicht unmittelbar erfahren haben. Für die Vermittlung der Wunder ist Erzählen also unumgänglich, bedarf aber umso mehr der Beglaubigung.
Zwei deutschsprachige Erzähltexte aus ganz unterschiedlichen historischen und kulturellen Zusammenhängen machen die Problematiken, welche der skizzierte Nexus von Innovativität oder Alterität des Wunderbaren, religiöser Erfahrung und nötiger Legitimierung produziert, zum Gegenstand autoreflexiver poetischer Verfahren: Zum einen die eng mit irischen Erzähltraditionen verbundene ‚Reise‘-Fassung des ‚Brandan‘ (2. H. 12. Jh.), zum anderen der Roman ‚Die Toten‘ von Christian Kracht (2016), der vielfältig japanische Geschichte, Kultur und Literatur verarbeitet. Beide Texte knüpfen dabei ‚Mirabile Texturen‘. Sie tun dies auf zweierlei Weise: Erstens durch narrative Verfahren der Selbst-Beglaubigung, die metaleptische Strukturen produzieren, zweitens durch Hybridisierungen von Erzähl- und Wissenstraditionen, die unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen angehören und so Fremdheitseffekte erzeugen und reflektieren.
Ausgehend von transkulturellen Transferanalysen einzelner Episoden entwickelt die Studie neue literarhistorische und interpretative Perspektiven auf die untersuchten Erzähltexte und damit auf die deutschsprachige Literatur um 1200.
Zugleich gibt das Programm des Sonderforschungsbereichs „Episteme in Bewegung“ einen analytischen Rahmen vor, mit dem an derzeit übergreifend verfolgte wissenshistorische Neu-Positionierungen angeknüpft werden kann. Es verspricht, sich auf Ficinos Schriften gewinnbringend beziehen zu lassen und zugleich neue Bereiche seines Einflusses zu erschließen. So sind Kontinuität, Verlauf und die mögliche Logik von Transferbewegungen von Wissen genauer abzubilden als durch die bislang zumeist sehr allgemein hypostasierte „europäische Rezeption“ der Arbeiten von Ficino.
Using a comparative approach, the paper examines the function and representation of the ‘genie in the bottle’ motif in one episode of the High Middle German romance ‘Reinfrit von Braunschweig’ and the Arabic tale of ‘The City of Brass’ (in the version of the ‘Arabian Nights’). Each narrative, in its respective cultural context, utilizes the motif’s potential to produce an entanglement of different historical times. By confronting the characters and audiences with events from the distant past, they elicit reactions of wonder. The figure of the genie will be interpreted as an auto-reflexive figuration of narrative practice itself, which likewise interweaves different temporalities (time of telling and time told).
Marco Polo and Rustichello da Pisa's ‚Divisament dou monde‘ is mainly a descriptive text, but also contains narrative elements, which include anecdotes. The paper shows how these anecdotes take on certain functions, especially for conveying new historical knowledge about the Mongols. Another focus is on the diachronic transfer of these anecdotes into two German-language versions of the late Middle Ages ('Heydnische Chronik', mid-fourteenth century; Inkunabel-version, printed in Nuremberg in 1477/1481). The new knowledge about the Mongols is entirely or partially rejected in these versions, which is also determined by changes to the anecdotes. The study draws on theories of the anecdote as an epistemic category in New Historicism (Joel Fineman, Stephen Greenblatt) and, on this basis, considers the mediatory function of anecdotes in the ‚Divisament‘ and its later versions, especially concerning social and transcultural aspects.
das Wunderbare jedoch prinzipiell verdächtig. Denn dem medial
vermittelten Wunderbaren kann immer zum Vorwurf gemacht werden,
nur ästhetischer Effekt zu sein. Das gilt nicht zuletzt für das Medium des Erzählens, das in gelehrten Diskursen des Mittelalters regelmäßig der Lüge bezichtigt wurde. Andererseits sind Wunder nur durch Berichte, also Erzählungen, auch jenen zugänglich, die sie nicht unmittelbar erfahren haben. Für die Vermittlung der Wunder ist Erzählen also unumgänglich, bedarf aber umso mehr der Beglaubigung.
Zwei deutschsprachige Erzähltexte aus ganz unterschiedlichen historischen und kulturellen Zusammenhängen machen die Problematiken, welche der skizzierte Nexus von Innovativität oder Alterität des Wunderbaren, religiöser Erfahrung und nötiger Legitimierung produziert, zum Gegenstand autoreflexiver poetischer Verfahren: Zum einen die eng mit irischen Erzähltraditionen verbundene ‚Reise‘-Fassung des ‚Brandan‘ (2. H. 12. Jh.), zum anderen der Roman ‚Die Toten‘ von Christian Kracht (2016), der vielfältig japanische Geschichte, Kultur und Literatur verarbeitet. Beide Texte knüpfen dabei ‚Mirabile Texturen‘. Sie tun dies auf zweierlei Weise: Erstens durch narrative Verfahren der Selbst-Beglaubigung, die metaleptische Strukturen produzieren, zweitens durch Hybridisierungen von Erzähl- und Wissenstraditionen, die unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen angehören und so Fremdheitseffekte erzeugen und reflektieren.
Was weiß der „Otto-Normal-Adelige“ vom Greifen? Wie hängen die kunstvoll gearbeiteten Trinkhörner – auch Greifenklauen genannt – in den Wunderkammern und Domsammlungen mit den literarischen Erzählungen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit zusammen? Und wie kommt man eigentlich an die Klaue dieses mythischen Flugwesens?
Ausgehend von der Greifenklaue des Berliner Kunstgewerbemuseums erkunden wir das Verhältnis von Erzählung und Sammlung und spüren den literarischen Narrativen rund um die Ausstellungsobjekte sowie der Ausstellungspraxis in der Literatur nach. Zwischen dem Abenteuerroman „Herzog Ernst“, volkssprachlichen Enzyklopädien, Domsammlungen, der Legende von Heinrich dem Löwen und den Wunderkammern der Frühen Neuzeit decken wir ein Netz vielfältiger Beziehungen und wechselseitiger Beeinflussung auf.
Der interdisziplinäre literaturwissenschaftliche Workshop nahm die Differenzen und Ähnlichkeiten der Alexander-Darstellungen in textnaher Lektüre einzelner Exponenten der verschiedenen Überlieferungszusammenhänge in den Blick und fragte nach ihrer Genese im Kontext von Transferprozessen zwischen Asien und Europa. Besonderes Augenmerk wurde auf diejenigen Episoden gerichtet, die Alexanders Streben nach kosmologischem, naturkundlichem und technischem Wissen behandeln und die Grenzen und Lizenzen seines Erfahrungs- und Erkenntnisdrangs zum Thema machten.